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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.05.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070522027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907052202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907052202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-22
- Monat1907-05
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VI, 4603). für Inserate an» Leipzig u. Umgebung Li» 6gespaltene Petrtzeil« 2b Pf, finauzi^e An zeigen 30 Ps„ Reklamen 7bPf.; von au-wärtS 30 Pf., Reklameu 1 M.z vom Ausland 80 Pf., siaauz Anzeigen78 Pf.. Reklame« ILO M. Inserate v.Behörden im amtliche» Teil 40Ps. Leilagegebühr 8 M. p. Tausend «xkl. Post- gebühr. Geschäftsanzeigen au bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt »ach Tcufii Feslerteilte Aufträge lönueu nicht zurück- gezogeu werde». Für da« Lrfcheinen au bestimmten Tage» und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeige» - Annahme: AuguftuStzlan 8, Lei sämtlichen Filiale» u. allen Aunoutrn- Elpeditjoneu des In- und Ausland««. Nr. ID. Mittwoch 22. Mai 1907. 101. Jahrgang. Vas Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegangeuen Depeschen flehen auf der 3. Erste deS HauptblatteS.) Ter Kaiser tu Cadine«. Die Ankunst des Kaisers in Cadinen ist heute vormittag 7l/z Uhr erfolgt. Bei der Ankunst des Kaisers waren am Bahnhose erschienen der frühere Landrat v. Etzdorf und der fetzige Landrat Graf v. Posadowsky-Wehner. Dann nahm der Kaiser bei Landrat v. Etzdorf im ersten Automobil Platz und fuhr nach dem GutShof, wo Arbeiter, Schulkinder und Pomehrendorfer Bauern in ihrer alten Tracht Ausstellung genommen hatten. Tie Solouialgesellschaft. Die Tagung der Deutschen Kolonialgesellschaft begann gestern in Worms mit einem außerordentlich stark besuchten Be- grüßungSabend. Es wurden mehrere Ansprachen gehalten, u. a. von dem Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, dessen mit stürmischem. Beifall ausgenommen« Rede mit einem »Heil* aus den deutschen Geist schloß. Unter den Rednern befanden sich ferner Vertreter der Regierung und der Stadt, sowie der Reichstagsabgeordnete Frhr. Heyl zu Herrnsheim. Der Kampf im Berliner Baugewerbe. Heule früh um 9 Uhr begann die erst« Kontrolle der Ausgesperrten im Baugewerbe. Die Zahl der AuSgefperrten dürfte 30 000 weit übersteigen. Ein Teil der Firmen hat aber nur teilweise die Aussperrung durchgesührt. Hier wurde von Seiten der Arbeitnehmer sofort eingegriffeu, um die Weiterarbeitendeu zur Niederlegung der Arbeit zu bewegen. Ein anderer kleinerer Teil will weiter arbeiten. Gegen diese Firmen wird vorläufig von den Arbeitnehmern nichts unter nommen. Beschlüsse hierzu werden erst am Ende der Woche gefaßt werden. Der Streik der Seeleute. Aus Hamburg wird gemeldet: Der Ausstand umfaßt das gesamte Deck- und Maschinenpersonal mit Ausnahme der Mannschaften der Fischdampfer und der Schlepp- und Leichter sahrzeuge. Die Streikenden fordern eine einheitliche Regelung der Heuersätze, eine Erhöhung bezw. einheitliche Fustlegu ig des Ueberstundenlohnes und eine einheitliche Regelung der Kündigungsfristen, des Ueberstundenwesens, des WachetystemZ und des Anhkuerungswesens. Sie fordern weiter, daß ihnen Gelegenheit gegeben werde, Klage über die Behandlung und die Beköstigung den Reedern selbst vorzutragen. Be» garbeiterbeweguug. Im Fentschtale betrug die Zahl der Streikenden am 2l. Mai, nachmittags 5 Uhr bei den Belegschaften Moltke, Witten 2, Röchling, Burbacher Hütte, Bochumer Verein und Rheinische Stahlwerke von 3200 Mann 816 Mann. Auf der Grube Orne in Rombach find von 350 Mann heute 215 Mann eiogesahren. Bom österreichischen Stichwahl-Kriegsschauplatz Dem „Berliner Lok.-Ani.* zufolge haben die Christlich- Sozialen und die Frei-Alldeutschen em Kompromiß zum Zwecke der gegenseitigen Unterstützung bei den Stichwahlen geschlossen. — In dem steirischen Wahlbezirk Leibnitz-Wilven kam es zu einem heftigen Konflikt zwilchen den Christlich- Sozialen und den Deutschnaiionaleu, bei dem der frühere christlich-soziale Abgeordnete Wodlmeyer durch einen geschleu derten Brerlrug am Hinterlopfe fchwer verletzt wurde. Ländlich, sittlich! Kein Vormarsch auf Marokko! Die „Petit Parisieu* bezeichnet das Gerücht, der fran zösische Konsul in Mogador solle sich in Begleitung französischer Streitkräfte nach Marrakesch begeben, als unbegründet. Der französische Konsul werde, entsprechen!) der vom Magbzen angenommenen Forderung Frankreichs, in Marrakesch eine Untersuchung über die Umstände vornehmen, unter denen die Ermordung des Dr. Mauckamp ersolgte. Die französische Regierung beabsichtige, vom Sultan zu ver langen, er möge durch die Gestellung einer ausreichenden Eskorte für die Sicherheit des Konsuls sorgen. Tie russischen Verschwörungen. Seit gestern früh findet in der Wohnung deS Duma abgeordneten Olsol, des sorialvemokratiscben Vertreters der Stadt Riga, abermals eine Haussuchung statt. Die Behörde forscht nach Dokumenten, aus denen ersichtlich wäre, ob die Deputierten der sozialdemokratischen Fraltion Beziehungen mit der Militärorgannation, welche revolutionäre Propaganda im Heer betreibt, unterhalten. Sollte sich dies bestätigen, so dürsten die Folgen für die genannte Partei äußerst schwere sein. (Massenhinrichtungen?) Selbstschutz der Fabrikanten. Auf der Jahresversammlung der Nationalen Fabrikanten vereinigung in New Jork wurde eine Kommission eingesetzt, die die Aufgabe hat, zu erwäg-», wie der Betrag von 1»/, Millionen Dollars aufgebracht werden kann, der in den nächsten drei Jahren zur Bekämpfung der Tyrannei der Trabe Unions verausgabt werden soll. Revolution in San Salvador. Die Staaten Mittelamerikas fahren fort, die unruhigsten auf der Welt zu sein. Das politische Leben pulsiert dort mit einer Geschwindigkeit, die unser anderswo so senil ge wordenes Zeitalter leltsam anmutet. Man glaubt, die Geschichtsbücher der alten Hellenen oder der italienischen Städte-Revubliken im «zuactro ceata aufzuichlagen, wenn man die Depeschen vom Karaiblschen Meer liest mit ihrer raschen Folge von Krieg und Revolution. Heute wird wieder einmal aus New-Oileans gemeldet: Der Präsident von Nicaragua, Zolaya, telegraphierte an den hiesigen Konsul von Nicaragua, daß in Salvador eine Revolution auS- gebrochen sei, an deren Spitze Dr. Pruvencio Allara, der frühere Vizepräsident der Republik und jetzige Minister des Innern, stehe. Flutwelle. Nach Sydney ist die Nachricht gelangt, daß am 30. April ein Orkan und eine Fluiwelle die Karolineninieln heim- geiucht und großen Schaden angeiichtet haben. 200 Ein geborene sollen ums Leben gekommen sein. politisches. Das Programm der deutschen Gewerkvereiue. h/?. Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung der dies jährigen Generalversammlung der deutichen Gewerkvereiue ist die Beratung über das Programm der Gewerkvereiue. Sie begann nach der Diskussion über die Jahresberichte. Der Zentralrat hat folgenden Programmentwurf vorgelegt: Die deutschen Gewerkvereinc erstreben: 1s Fortschreitende Verbesserung der Arbeitsverhältnisse, insbesondere des Lohnes und der Arbeitszeit, durch Ver einbarung zwischen beiden Produktionsfaktoren, Abschließung von Tarifverträgen, erforderlichenfalls aber auch durch das gesetzlich zulässige Mittel der Arbeitseinstellung. 2s Wirksamen Schutz für Leben, Gesundheit und Sittlich keit der Arbeiter und Arbeiterinnen, sowie für die im Handelsgewerbe Angestellten. .... 3s Angemessene Vertretung der im Arbeitsverhaltnis stehenden Personen gegenüber den Unternehmern und dem Staate. 4s Einführung neuer und Weiterausbau von, Unter- stützungseinrichtungen für die Mitglieder, möglichst durch genossenschaftliche Selbsthilfe gefördert, auch durch staat lichen Schutz und Anerkennung. „ , 5) Größeren Einfluß auf alle öffentlichen Angelegen heiten des Staates und der Gemeinden. Zur Durchführung dieser Bestreuungen stellen die deutschen Gewerkvereine eine Reihe von Grundsätzen auf: ^t. für das Arbeitsverhältnis, L. für die gesamten wirt- schastlichen Vcrhältniste, 6. für die öffentlichen Angelegen heiten. Es folgen: allgemeine Forderungen, internatio nale, gesetzliche Regelung einer weitergehenden Arbeiter schutz- und Sozialpolitik, Volkseinheitsschule, Selbstver waltung des Volksichulwesens durch die Gemeinden, und 12. die Forderungen der direkten Teilnahme an ollen po litischen und kommunalen Wahlen. Zunächst erhält das Wort zu „Grundsätze" für das Ar- beitsoerhältnis a. „Fabrikbetriebe und Gewerbe" der Refe- rent Gustav H a r t m a n n - Berlin: Der Begründer der deutschen Gewerkvereinc Dr. Mar Hirsch glaubte, die Ar- beitgeber würden durch die gesunde Vernunft geleitet, den Arbeitern und ihren Organisationen Entgegenkommen zeigen. Dieser Glaube ist aber heute außerordentlich er schüttert, und deshalb ist die Betonung der Arbeitseinstellung in Punkt 1 notwendig. Punkt 5 empfehle ich Ihnen in fol gender abgeändcrter Form anzunehmen: Größeren Einfluß auf alle Angelegenheiten, welche das Arbeiterinteresse be rühren. Tie im gedruckten Entwurf vorgeschlagcne Fassung könnte wegen des preußischen Vereinsrechtes zu Bedenken Veranlassung geben. Ganz besonders aber müssen wir die Einführung der Rechtsverbindlichkeit für di« Tarifverträge erlangen. Zn diesem Behufs empfehle ich die Annahme einer Resolution, die vom Bundesrat und Reichstag diese Sicherung, sowie eine durchgreifende Aenderung des Ver eins» und Vcrsammlungsrechtes fordert. Erkeleuz- Düsfeldorf: Inhaltlich ist das vorgelegte Programm er» Fotichrirt. Aber in der Form ist es verfehlt. Es geht viel zu sehr ins einzelne, wobei natürlich wieder manche Einzel forderung fehlt, die ebenso berechtigt ist, wie manche andere. Am besten wäre es, den Programmentwurf nebst den Ab änderungsanträgen einer Kommission zu überweisen, die einem im nächsten Jahre zu berufenden außerordentlichen Vcrbandstage Bericht erstattet. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wird auf An trag Seifert- Magdeburg beschlossen, zunächst die andern Referat« zum Programmentwurf entgeaenzunehmen und dann den Entwurf ohne Diskussion mit allen Abänderungs anträgen einer siebengliedrigen Kommission zu überweisen, die nach einigen Tagen, am Freitag oder Sonnabend, Bericht erstatten toll. Es folgen nunmehr die beiden Referat« über „Grundsätze für das Arbeitsverdältnis" b. Handel von Fröger-Berlin und o. Hausindustrie von Grocke- Cottbns. Die Referenten geben auf die einzelnen Forde rungen znr Ausdehnung des Arbeiterschuhes im Handel und in der Hausindustrie ein. — Hierauf werden die weiteren Beratungen auf beute vertagt. * * Admiral von Priitwitz. Der zum Admiral beförderte Ehef der Ostseestation, v. Prittwitz und Gaffron, ist seit zwei Jahren der erste Seeoffizier, der diesen Rang erreicht, v. Prittwitz und Gaffron ist ein Schlesier; er ist 1849 ge boren, also 58 Jahre alt, davon hat er 41 im Marinedienste zugebracht. Als Kapitän zur See war er Chef des Stabes der Nordscestotion, Kommandant des Panzerschiffes „König Wilhelm" und nach einem Kommando im Reichsmarineaml Kommandant des Linienschiffes „Wörth". Als Oberwerft, direktor in Danzig wurde er 1899 zum Kontrcadmir^^»»«, fördert. 1901 übernahm er das Kommando als zweiter Admiral des I. Geschwaders und im folgenden Jahre die H. Marine-Inspektion. Von 1903 bis 1905 war er Chef de» deutschen Kreuzergeschwadcrs in Ostasien; während dieser Zeit wurde er Vizeadmiral. Seit dem vorigen Jahre ist Feuilleton. Der Reiz ist auf der Bühne notwendiger als die Wahrheit. Das Auge läßt sich durch ein schönes Ge sicht. das Ohr durcki eine schöne Stimme gewinnen. Große Menschenansammlungen können für den Augen blick durch ein Wort, eine Handbewegung, einen Schrei verführt werden. Um tausend Individuen fortzureißen, braucht man sie nur zu erregen; um dagegen ein ein ziges fortzureißen, muß man es überzeugen. Man muß nie den Ausgang eines Theaterstückes ändern. Denn der Ausgang bildet eine mathematische Schlußfolgerung. Ist diese falsch, so «ist die ganze Operation schlecht. Ich füge selbst hinzu, daß man sein Stück immer mit dem Ende anfangen muß: Man weiß erst gut. welche Wege man einschlagen muß. wenn man weiß, welches das Ziel ist. Das Leben ist nur mit sehr viel Gleichgültigkeit und mit noch mehr Vergessen möglich. Die Leute, die sich ruinieren, sind immer fröhlich; erst wenn sie ruiniert sind, werden sie schlechter Laune. Es ist oft das gleiche Weib, da« uns große Dinge eingibt, und uns hindert, sie auszuführen. Mit vierzig Jahren verachtet ein ernster Politiker die Menschen derartig, daß ihm nur noch übrig bleibt, sich zu löten oder sich ihrer zu bedienen. Alexander Dumas d. I. Die Urkunden nur dein Lnrnrknepfe de» alten Leipziger Rathauses, Von G. Wustmann (Leipzig'.*) Dreimal habe ich nun schon die Geschichte de« alten Rathauses wzählt. Da« erstemal in meiner Lebensbeschreibung Hieronymus Lotters, die 1875 in dem Verlage von E. A. Seemann hier er- chieuen ist (die erste Hülste davon batte das Osterprogramm der Nikolaifchule als wistenichaftliche Beilage gebracht). Zu dieser Darstellung hatte daS Leipziger RatSarchiv noch nicht das geringste beigesteuert; alles verdankte ich dem königlichen Haupt-Staatsarchiv in Dresden und dem Archiv des königlichen Bezirksgerichts in Leipzig. Für die Geschichte des Rathauses blieb ich auf die Rach- richten angewiesen, die der Panitzscher Pfarrer Johann Jakob Vogel 1696 in seiner „Leipziger Chronicke" und 1714 in seinen „Leipziger Annalen" gegeben Hai. und die in der Hauptsache auf den alten Lurmknopsurkunden beruben. Ich weiß mich noch genau deS TagrS im Mai 1874 zu entsinnen, wo ich auf dem Rathause im Archiv nachiragte, ob vielleicht Material über Lotter und die Geschichte des RaihauieS vorhanden sei. und wo mir diese Frage mit Lächeln über meine Naivität kurz verneint wurde. Und dabei lag der ganze RatbauSboden voll Bücher und Akten, die. in dunkeln, mit Völlige- lchlössern verwahrten Bodenkammern, dick mit Ruß und Kalk- und Zirgeldrocken bedeckt, bald unter der Sonne schmorend, bald vom Rege» durchnäßt, auf Erlösung harrten. Larvaler auch die Stadt- *) Lief« Aufsatz aivg uns berett« -« IS. Mai »u, konnte ab« weg« «aiwwtangel» L1F Lenl, nicht gebracht »erd«. D. Red. rechnunaen aus dem sechzehnten Jahrhundert, auch die aus den beiten Jahren, wo Lotter das Rathaus gebaut hat! Das wußte aber damals kein Mensch. 1881 schlug die Stunde der Erlösung: ich durste den Rathaus boden abräumen! Nun ließ sich srritich eine andere Geschichte deS Rathauöboues schreiben. Ueber die Zeit des Baues, über die dabei tätig gewesenen Baugewerken, über das Baumaterial und die Bau kosten, über alles das gaben die Rechnungen die genaueste Auskunft. Diese zweite Darstellung habe ich gegeben iu dem Kapitel „Aus der Baugeschichte" in der Festschrift „Leipzig und seine Bauten", die die Leipziger Architekten und Ingenieure 1892 zur 10. Wander versammlung der deutschen Architekten, und Jngenieurvereine Heraus gaben. Zum dritten Male habe ich dann den Gegenstand behandelt in dem Büchlein „Der Leipziger Ratskeller", Las am 1. Oktober 1904 zur Eröffnung des Kellers auSgegeben wurde. Auch da konnte ich wieder einiges neue beibringen, was sich inzwischen hin- zugefunden hatte. Und doch gab es auch La noch io manche ungelöste Fragen, die nun erst in der allcrjüngsten Zeit — zum Teil ia sehr überraschender Weise — ihre Lösung gefunden haben, wo man dem alten Hause selbst zu Leibe gegangen, alle seine Gliedmaßen und Eingeweide schonungslos untersucht und es dadurch gezwungen hat, seine Geschichte selbst zu erzählen. Hoffentlich kann ich, was alles dabei zutage gekommen ist, noch einmal in einer vierten, abschließenden Darstellung verwerten im zweiten Bande meiner „Geschichte der Stadt Leipzig". Dreimal nun sind, wie längst bekannt war, im 16. und 17. Jahr hundert Urkunden in den Turmlnopf des Rathauses aelegt worden: 1557, 1573 und 1672. Im Jabre 1557, nach der Vollendung des Lotterjchen Baues, wurde eine Urkunde in lateinischer Sprache ein gelegt (datiert den 4. August 1557>, die kurz über den Bau be richtet, ein paar zeitgeschichtliche Ereignisse hinzusügt und zuletzt das gesamte Ratskollegium auszählt. Daß Lotters Bau etwas eilig ausgeführt worden war, hatte bald üble Folgen. Schon 156 l schickte Lotter einen der Hauptgewerken des Baues, den Steinmetzen Paul Wiedemann» nach den Niederlanden, um zu sehen, „ob er durch einen Sparkalk oder Kitt Rat finden möge, wie das Rathaus in den Giebeln und Simsen möchte verwahret werden, daß die Nüsse nicht allo Schaden täte", und 1573 und 1574 machte sich bereits eine größere Erneuerung des Hauses nölig, bei der der Turm neu mit Kupfer gedeckt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden wieder zwei Urkunden eingelegt, eine umfängliche lateinische (datiert 1573), die die politische Ge'chichte von 1558 bis 1573 erzählt, und eine in deutscher Sprache, gleichsam eine Privaturkunde Lotters (datiert den 14. September 1573', worin er über seine geiamte Bautätigkeit vom Beginn der Weißenburg an bis zur Vollendung der Augustusburg (1549—1572) Bericht erstattet. Tann ist erst ein volles Jahrhundert später noch einmal ein größerer Erneuerungsbau voraenommen worden: 1672. Auch bei dieser Gelegcnheit wurde wieder eine lateinische Urkunde eingelegt (datiert Len 6. Juli 1672), die einiger zeitgeschichtlicher Ereignisse gedenkt und das gesamte Ratskollegium verzeichnet. Diese vier Urkunden sind sämtlich bei Vogel gedruckt: Li« lateinische von 1557 in Leu „Annalen" (S. 202), die lateinijche von 1573 ebenda (S. 746), die deutsche von 1573 in der „Ebronicke" (S. 150); die lateinische von 1672 in den „Annalen" (S. 748). Bei weitem die wichtigste und wertvollste ist natürlich die deutsche Ur kunde LotterS vo» 1573. In ihr erzählt der 76jäbrige alte Mann, der kurz zuvor bei dcm Kurfürsten August in Ungnade gefallen und von der Augustusburg weggejagt woideu war, schlicht und treu- herzig, wa« er alles alS Baumeister sür seine Fürsten, für die Stadt Leipzig oud für andere Städte getan habe. Gut, daß er es aus gezeichnet hat! Werweiß, wie wenig wir heute über ibn wüßten, wenn wir nicht in dieser Urkunde vielfältigen Anlaß zu weiteren Nachforschungen gehabt hätten! Leider ist gerade diese Urtunde in dem Abdruck bei Vogel lehr ungenau wiedergegrben. Nicht nur die Sprache ist überall willkür lich verändert, »« sind sogar sinnentstellende Fehler darin. Zum Glück lag mir schon 1875 rioe augenscheinlich bessere Abschrift ouS dem 18. Jahrhundert unt« den Handschriften der Stastbibliothek vor. Ja den achtziger Jahren kamen mir dann beim Ordnen der Urkunden de« Archiv« von sämtlichen drei Urkunden an« den Jahren 1557 und 1573 ans Pergament hergestellte kalligraphisch schöne Abschriften aus dem 17, Jahrhundert in die Hände, so daß ich den Text 1892 noch bester gestalten konnte. Ich nahm an, daß diese Abschriften wohl 1672 gemacht worden sein möchten. Mit Spannung sah ich daher dem Zeitpunkt entgegen, wo der Turmknopf würde herabgeuommen und geöffnet werden. War doch zu hoffen, daß man 1672 die Originalurkunden wieder eingelegt haben würde, und daß sie sich darin vorfinden würden. Außerdem war ja aber das Rathaus noch einmal 1744 erneuert worden, wobei die Laterne des Turms in den Säulen um eine Elle, in der Haube um drei Ellen erhöht worden war. Man durfte annehmen, daß auch bei dieser Gelegenheit eine Urkunde in den Knopf gelegt worden sei. Alle diese Hoffnungen haben sich nun bei der Leffnung des Knopfes, die Dienstag den 7. Mai stattgefunden hat, erfreulicher weise erfüllt. Der Knopf enthielt drei lange schmale kupferne Büchsen, auf denen die Jahreszahlen 1573, 1672 und 1744 ein geschlagen waren. Man sah aber sofort, daß die mit der Jahreszahl l573 der von 1672 vollständig glich. Es lag also die Annahme nade, daß die ursprüngliche von 1573 unbrauchbar geworden und 1672 durch eine neue ersetzt worden sei. Diese Annahme wurde aufs überraschendste durch ihren Inhalt bestätigt. Die Büchte enthielt die Urkunde von 1557 und die beiden von 1573, sämtlich im Original auf Pergament. Die von 1557 ist sehr schön von Schreiberhand geschrieben und von dem damaligen Oberstadtschreibrr und Syndikus Mg. Wolfgang Fusins (s den 19. Januar 1560) unterschrieben. Unien rechts in der Ecke hat er klein und zierlich seinen Namen hingejctzt. Die latei- nische von 1573 ist auch von Säreiberhand geschrieben und von Fusius Amtsnachfolger Matthäus Nicolaus ans LeiSnig it den 2. März 1580) unterschrieben (am letzten August 1573'. Endlich die deutsche Urkunde Lotters! Auch sie ist von Schreiberhand geschrieben, aber von Lotter eigenhändig unterschrieben. Das merkwürdigste aber: sie — gerade siel — ist an acht Stellen durch einen Schuß zerfetzt, zum Glück obne daß die Schrift darunter gelitten hat. Kein Zweifel also: bei einer der Belagerungen Leipzigs im dreißig jährigen Kriege hat eine Kugel den Turmknopf getroffen und ist durch die Büchse von 1573 und hier durch die Lostersche Urkunde gegangen! Bestätigt wird die Tatsache zum Uebersluß durch einen Zettel, der in der Büchse von 1672 lag und folgende Bemerkung trägt: „diotaacium. Obwohl ^o. 1672 bei Renovirung des Rathauses und Herabuedmung des alten Knopfs auf dem Raihausturm eine Büchse von weißem Bleche, worinnrn diese joscriptionos ncbenst der alten Münze gelegen, sich gefunden, so ist aber doch gemeldte blechene Büchse, weil solche wie auch der alte Knopf durchschossen gewesen, nicht wiederum gebrnuchet, sondern eine andere Büchse von Kupfer mit der Jahrzahl 1573 verfertiget und die alten Inscriptiones nebenst der Münze in orieinnli wieder darein gebracht und in den neuen Knopf geleget worden." Außerdem enthielt die Büchse von 1672 natürlich die Originalurkunde diese- Jahres, auf zwei Pergamentbogen geschrieben und zwar von derselben Schreiberhand, die die im Archiv befindlichen schönen Abschriften der älteren Ur kunden besorgt hat. Ebenso die von 1744 die Originalurkunde dieses JabreS, die bisher nicht gedruckt ist, aber auch keinen be sonderen Wert hat: sie enthält, ebenfalls auf zwei Pergamcnibogen, ein paar Zeitereignisse und das Verzeichnis der RatSmitqlieder von 1741. Im folgenden gebe ich nun den getreuen Wortlaut der Urkunde Lotters. Er mag zeigen, wie schlecht der Abdruck bei Bogel ist. Die Urkunde lautet: Es hat mich Kurfürst Moritz die Zeit seiner Regierung zu einem Baumeister ollhie zu Leipzig über das Schloß Weißenburg gemacht. Do hab ich mit meiner eignen Hand als ein vorordrnter Baumeister den ersten Stein in Gründen gelegt und das ohn einigen Beistand außerhalb der Werkleut*! gar auseibauet Darnach hab ich die Hengerspasleien gleichergestalt auch aus dem Grunde bis in die Höhe ausgebauet und an der Festung vor allen Torn viel Mauerwerk- vorbracht, daS alte Rathaus lasseu einreißrn und zum Teil die alten Gründ« und etzkich Mauerwerk zu Hüls genommen uud au« habendem Befehl rin« Ehrbarn Rat« d. h. abgesehen van den au«sübr»nden Baugewerken. solch Rathaus, wie es itzt stehet, in nenn Mouat, daß solche« wieder zu bewohnen gewest, gar auserbauet, daß allo mir zwei Jahr an einander das Bürgermeisteramt zu vorwalten auserlegt worden ist. Zudem so hab ich zu Beförderung gemeiner Stadt ein alt einge fallen steinern Gebäude, so bei unser Frauen Oollegfo gegenüber im Prühl gelegen, die Gründe und das alte Mauerwerk zu Hülfe genommen und ein stattlich Kornhaus, wie vor Augen stehet, erbauet. Auf den zweien Türmen au S. Niklas Kirchen zu einer Wache ein Stück Turms in die Höhe aufbauen lasten mit Wohnung, daß sich ein Wachter zu behelfen. Und noch bei dem Rannijchen Tor eine gemeine steinerne Bad stuben innerhalb der Stadt gebaut uud dieselbe lassen gewölben, daß solch Gewölk kein Traufen oder Feuchtigkeit von sich gegeben. Dergleichen andere Stadt auch umbher dermaßen gebauet, das zuvorn nit gewest, und hab nach meinem Vormögem also ge- me:ne Stadt mit solchen Gebäuden zu Notdurst Helsen zieren. Und über das alles so hat Kurfürst Augustus die Zeit seiuer Regierung mir auferlegt, daß ich das großmächtige Haus und Schloß, die Augustusburg, so zuvor der ScheUenberg geuennt worden, einreißen und wieder ausbauen lolle, und ob ich mich meines hohen obliegenden Alters halber des in Untertänigkeit entschuldiget, und daß es in meinem Vermögen nit wäre, so bob ich doch domit nit können verschont bleiben und Lastelb außerhalb der Werkleut ohne einigen Beistand mit großer untrüglicher Mühe und Be stellung in vier Jahren, welches sich der Minderzahl*) im einund- siebenzigisten geendet, vorbracht und das zu bewohnen gar ausacbaut. Dorod ich in meinem hohen Alter, als ich fechSundsiebenzig Jahr alt worden, gar unvormöglich worden und gleichwohl das Bürgermeisteramt Anno usw. dreiundsiebenrig wieder annehmen und Vormasten müssen. Das zeia ich nit umb Ruhms willen an, sonder daß solches nach meinem Tot meinen Kindern umb ihres Vatters willen zu Ehrn und Gutem gereichen möchte. Das hab ich also iu diesen Knops neben andern Schriften und Gedächtnissen vorwahrlich bringen wollen, das geschehen ist den 14. Septembris Les sünfzehnhundertunddreiundsiebenzigisten JahcS Jeronimus Lotter der Aclter"), Bürgermeister ser. Ein paar Erläuterungen zu der Urkunde werden willkommen sein. Die Bautätigkeit Lotters beginnt mit dem Jahre 1549. Schon 1546 batte Herzog Moritz eine gänzliche Neubefesliguog der Stadt in Angriff genommen, bei der n. a. ein neues Schloß und drei große Basteien erbaut werden sollten; das Schloß sollte vor dem äußern Höllischen Tore errichtet werden, von den Basteien die eine vor dem Bernhardinerkollegium tau der Nordostecke der Stadt); die andere an dem HenkerSturm (am AuSgange der heutigen Universi tätsstraße), die dritte vor der Weißenburg. Die erste Bastei wurde 1546 erbaut, zu dem neuen Schloßbau wenigsten- rin Anfang gr- macht. Da kam die Belagerung Leipzigs (Januar 1547), die alle Befestigungsarbeiten unterbrach, und bei der die Weißenburg gänzlich zerschoßen wurde. Nach der Niederlage des Kurfürsten Johann Friedlich nahm der nunmehrige Kurfürst Moritz die Befestigungs pläne in veränderter Gestalt wieder auf und übertrng Lotter die Ansführnng. So begann Lotter 1549 mit dem Neubau ter Weißen burg und der zugehörigen Bastei, worauf 1551 bis 1553 die Bastei am HenkerSturm (daher Henkersbastei, später Moritzbastei ge nannt) folgte. DaS „all eingefallen steinern Gebäude", das Lotter nächst dem Ratbauie erwähnt, war da- Bernhardinerkollegium. Die Bern hardiner waren Tisterzienser, die, wenn sie in Leipzig studierte», in ihrem eigenen Stillshause wohnten, das aus dem Brühl „bei unser Frauen OoUegio gegenüber" lag (bas Bernhardinerdaus an der Stelle der heutigen Creditanstalt, das Marien- ober Frauenkollegium an der Stelle der heutigen (Aeorgenhalle'. Dieses Bernhordinerbnns *) „Der mindern Zahl" oder „der Minderzahl" fetzt« «a» z»r Jahre« iahl Hinz», wenn »um da« Jahrhundert wegließ »ad vor ote Zehner und Einer angab. —) Der Aelter» nennt « sich weg«, sei«» gleichnamig« Gahaetz- der 1577 ia den Rat kam.
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