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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.05.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070521010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907052101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907052101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-21
- Monat1907-05
- Jahr1907
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Umgebung die 6gespaltene Petitzrile 25 Pf, stnauzielle An zeige« 30 Pf, Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland 50 Pf, finanz Anzeigen 75 Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate ».Behörden im aurtlichen Teil 40Ps. Beilagegrbühr 5 M. p. Tausend exkl. Post- gebühr. Geschäftsan,eigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarii. Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an be>rinuuten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AugustuSplatz 8, bei sämtlichen Filialen n. allen Anuonceu- Expedttionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDnncker,Hrrzgl.BayrD)ofbuchbandlg, Lützowstratze 10 (Tel. VI» 4603 . Nr. 130 Dienötao 2l. Mai 1907. 101. Jahrgang. Var Mcbtigrle vsm Lage. * (Hestern sand die Feier des Stiftungsfestes des Lehr-Jnfanterie-Bataillons in P o: s- dam statt. Das Kaiserpaar wohnte der Parade bei. lS. Letzte Dep) * Die japanischen Kreuzer „Tschitose" und „Tsukube" sind von New Uork nach Deutschland in See gegangen. * Die Abfassung des französisch-javani- schen Vertrages ist nunmehr beendet worden. Der Text ist bereits am Donnerstag von Paris nach Tokio telegraphiert worden. * Vorgestern abend fand im königlichen Schlo.se zu Madrid ein Fe st mahl statt zu Ehren der zur Taufe des Thronfolgers eingetroffenen Fürstlichkeiten. Prinz Friedrich Leopold von Preußen saß zur Linken der Königin-Mutter von Spanien. (S. Letzte Dep.) * Zu dem geplanten terroristischen An schlag gegen den Zaren meldet ein Moskauer Blatt aus Petersburg, daß in den letzten zwei Monaten in Petersburg verschiedene wichtige Verhaftungen vorgenommen worden sind. fS. Letzte Dep.) * Am 19. Mai ist in Petersburg der zweite all- russische Kongreß der Partei der Oktobristen eröffnet worden. * Die Petersburger Birschewisja Wjedomosty" meldet gerüchtweise von einer bevorstehenden Audienz Golo wins beim Zaren. Um die Folgen dieser Audienz zu Hintertreiben, seien Mitglieder der Rechten be müht, sich ebenfalls eine Audienz zu verschaffen, doch sei Stolypin gegen ihren Empfang, weil sie sich alle zu sehr kompromittiert hätten. * Der Präsident des Kammergerichts in Berlin, Dr. v. Schmidt, ist gestorben. * Der Ingenieur SirBenjamin Baker, der Er bauer der gorthbrücke und des Nildammes, ist in London gestorben. * Nach einer Meldung der „Tribuna" aus Lipari hat gestern wieder ein starker Ausbruch des Strom boli stattgefnnden. fS. Letzte Dep.) * Die 14. BerlinerJnternationaleSteeple- Chase (Ehrenpreis und 30 500 X) gewann in Karls- horst Herrn Bischofs „Stormy Ocean" unter Herrn M. Lücke. — Im Preis von Weil (Ehrenpreis des Königs von Württemberg und 12 000 ^l) ging Herrn I. W. Mayers „Jntermede", vom Rittmeister Panse ge steuert, als Sieger durchs Ziel. — Im AlagerPreis zu Pest l39 500 Kronen) siegte „Elmore". — Den Prix Lupin zu Paris-Longchamp (40 000 Francs) ge wann Baron Ed. Rothschilds „Sans Souci II". — Im BelgischenDerby zu Brüssel (25 000 Francs) ging Vicomte de Buisserets „Glan d" vor dem Favoriten „Ehom- bolla" als Sieger durchs Ziel. (S. Sport.) kinreMaaftl» unä kmdeittzlaat in per »oraamerilraniscben Union. Dem „Volke der Vereinigten Staaten" ist seine Staats form, die seit dem Erlaß der nordamerikanischen Verfassung von 1787 nicht wesentlich geändert wurde, zu eng geworden; cs empfindet die Notwendigkeit, sie seinen modernen Ver hältnissen entsprechend umzugestalten. Seitdem die neuer lichen mit der japanischen Einwanderung zusammenhängen den Vorgänge in Kalifornien und gewisse Erscheinungen im amerikanischen Eisenbahnwesen die Gemeinschädlichkeit allzu weitgehender Machtbefugnisse der Einzelstaaten wieder ins hellste Licht gerückt haben, steht diese Frage rn den Ver einigten Staaten im Brennpunkte der öffentlichen Aufmerk samkeit. Eine zutreffende rechtliche Konstruktion der Staats form der nordamerikanischen Union gibt der Engländer Bryce in „The American Commonwealth". Er unterscheidet l) eine nationale Souveränität, 2) eine Souveränität der Bundesregierung und 3) eine Staatssouveränität. Die Nation ist das gesamte Volk, das sind die gualikisck votars. Dieses Volk hat die Oberhoheit, ultimuto supramaa^; ihm untergeordnet ist die Bundes- oder nationale Regie rung, wie die Staaten. Sie haben beide nur eine beschränkte Souveränität, nur eine Souveränität für gewisse Aufgaben. Diese ist aber bei beiden verschieden. Der Bundesregierung stehen nur übertragene Gewalten (ckalkPmtock autborit^) zu, der Staat bat dagegen ursprünglich erworbene Rechte, eine inkarsnt sutborit^ und original porvors. Die Staaten sind selbständige Gemeinwesen, ebenso wie ihre Verbindung, die Union, nicht dagegen die zentrale Organisation, die Bundesregierung. Im Verhältnisse beider Gewalten gilt natürlich: beide, die Bundes- und die Staatsrcgterung, sind innerhalb ihrer Sphäre „supreane", aber selbstverständlich ist: wo eine Konkurrenz der Gewalten stattsindet, da ist die na tionale Regierung das Höchste; denn diese hat ja ihre Gewalt vom gesamten Volke, die Staatsregierung nur vom Volke des betreffenden Staates. Die amerikanische Verfassung von 1787 entsprach den Bedürfnissen der Kolonisten, die unter Zurückdrängung der bisherigen Bewohner von der Küste von Massachusetts nach innen vordrangen, um hier Ackerbau zu treiben; sie konnte aber keineswegs den Kolonisten in den Südstaaten aus die Tauer zu'agen, die die Eingeborenen zur Arbeit heranzogen. Tie im Süden sich Ansiedelnden waren Pflanzer, die im Norden sich Niederlaflenden Bauern. Das macht einen Unterschied in der politischen Organisation. Im Süden sind Pflanzeraristokratien im sozialen Sinne, Neger und Eingeborene sind Sklaven. Im Norden, wo es nur freie Leute gibt, haben wir Demokratien. Dieser Gegensatz war die Grundursache des Sezessionskrieges, der vor fast einem halben Jahrhundert ausgekämpft wurde. Nicht nur über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der Negersklaverci sollte dieser entscheiden, er sollte auch, und darauf kam es den Pflanzern noch mehr an, die Frage zum Austrag bringen, ob ein Staat als Mitglied der Konföderation be rechtigt sei, aus der Union auszutreten, sobald ihm solches im eigenen Interesse zu liegen scheine. Die Verfassung enthielt Wohl die Bedingungen, unter denen ein Staat in den Bund ausgenommen werden konnte, aber sie schwieg sich völlig aus über die Möglichkeit, daß ein Mitglied auszutreten wünschte. Das Schwert mußte dar über entscl>eiden, und es entschied zu ungunsten der Süd staaten. Hätten die letzteren gesiegt und die Verfassung für sich in ihrem Sinne gemodelt, so würde es wohl in dem Territorium der Vereinigten Staaten heute drei ver schiedene Republiken geben: eine Republik der nördlichen nnd östlichen Staaten, eine die Staaten südlich vom Potomac umfassende Republik und eine dritte, die die Staaten westlich vom Mississippi in sich schließen würde. Um^ dieses Uebel zu vermeiden, um an Stelle eines lockeren Staatenbundcs eine einheitliche Nation zu entwickeln, ward der Bruderkrieg entfacht, und die Frage der Nationalität ein für allemal ge waltsam gelöst. Niemand denkt heute mehr daran, daß je wieder die Gefahr einer Sezession oder Teilung der Union drohen könne. Die Staaten hängen zusammen wie die Glie der einer Kette, vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean, vom Golf von Mexiko bis zur kanadischen Grenze; sie stehen zusammen für die nationale Verteidigung und wirken ge meinsam für ihren materiellen und geistigen Fortschritt. Obgleich aber die Frage der Berechtigung eines Staates, aus der Konföderation auszutreten, erledigt ist, blieb die nicht minder wichtige Frage unentschieden, ob ein einzelner Staat innerhalb seiner eigenen Grenzen eine das Gesamt wohl der Union schädigende Souveränität ausüben darf. In der Zeit, die seit dem Bürgerkriege verflossen ist, haben die Staaten eifersüchtig über ihre Prärogative gewacht, und bisher ist seitens der Bundesregierung kein Versuch gemacht worden, sie darin zu behelligen. Erst in den letzten beiden Jahren ist in ein'ichtiqen Köpfen die Erkenntnis auigetanckit daß jedes iraporiruir in irapomo zu einem Widerstreit der Regierungsgewalten führen muß. Insoweit die Vereinigten Staaten schon als ein Einheitsstaat aufgefaßt werden können, ist es der einzige bestehende, wo die Teile dem Ganzen über geordnet sind. Alle andern modernen Verfassungen ordnen die Autorität der Gliedstaaten oder sonstigen politischen Einzelgebiete der Zentralregierung unter und lassen sie nur die Gewalt ausüben, die die Nation ihnen gewähren mag. In Amerika ist es umgekehrt. Die Zentralregierung versügt nur über die Gewalten, die ihr die Gliedstaaten übertragen haben, alle andern Machtbefugnisse stehen gewohnheitsrecht lich und verfassungsmäßig den Einzelstaaten zu, die damit nach Gutdünken verfahren dürfen. In allen Angelegen- Herten, die die Staaten allein betreffen, darf die Bundes regierung weder hineinreden, noch dazwischenrreten, noch die Aufsicht ausüben, ebensowenig darf sie sich in die Auto- rität der Staaten einmengen, solange die ihr übertragenen verfassungsmäßigen Rechte durch sie nicht verletzt werden. Zu der Zeit, wo die Verfassung entstand, konnte ihre Form vorzüglich und den herrschenden Verhältnissen ent sprechend erscheinen. Man glaubte, daß der materielle Fort schritt mehr von der Initiative der Einzelstaaten als von dem Eingreifen der Bundesregierung abhängen würde. Wären die Väter der Verfassung imstande gewesen, vorans- zusehen, daß ein Tag kommen müsse, wo Zeit und Raum überwunden sein und Entfernungen nichts mehr bedeuten würden, dann würden sie vielleicht einen andern Text aus gearbeitet haben. Weise, wie sie waren, als sie das „voll kommene Dokument" verfaßten, waren sie doch nicht weise genug, um zu ahnen, daß einst die äußersten Enden eines Kontinents einander nähergerückt sein würden, als damals benachbarte Ortschaften. So stark ihre Vorstellungskraft war, sie war doch nicht groß genug, um sie von einem Tage träumen zu lassen, wo es anstatt der dreizehn Staaten deren 45 geben würde, und wo die Menschen durch die bewegende Kraft von Elektrizität und Dampf statt mit holpernder Kutsche von Staat zu Staat gelangen nnd im Laufe eines einzigen Tages die Grenzen von einem halben Dutzend oder mehr Staaten durchkreuzen könnten, also auch Gegenstand der Gerichtsbarkeit von cbensovielen unabhängigen Souve ränitäten werden müßten. Auf dem Gebiete des amerikanischen Eisenbahnwesens machen sich in der Tat die Schäden der amerikanischen Ver- sassung am empfindlichsten fühlbar. Eine Bahn, die zwei Orte innerhalb desselben Staates miteinander verbindet, ist lediglich dessen Gesetzen und Gerichtsbarkeit unterworfen. Sie darf dabei aber die Grenzen eines Nachbarstaates nicht durchschneiden. Ist letzteres der Fall, oder hat die Bahn ihren Nrsprungsort in einem andern Staate, so handelt es sich um „zwischenstaatlichen Verkehr" oder, wie es in der Verfassung heißt: „Handel zwischen verschiedenen Staaten". Während nun der Kongreß befugt ist, innerhalb gewisser Grenzen den Handel zwischen verschiedenen Staaten zu regeln, wie es neuerdings durch das Eisenbahntarifgesetz ge schehen ist. hindert dies in keiner Weise die Einzelstaaten, innerhalb der eigenen Grenzen mit dem Bahnverkehr nach Gutdünken zu verfahren. Die Willkür geht noch weiter. Es liegt in der Macht der Bundesregierung, im zwischenstaat lichen Verkehr vorzuschreiben, daß der Fahrpreis für eine kurze Strecke verhältnismäßig nicht höher sein darf, als der Preis für eine längere, aber die Bundesregierung kann nicht bestimmen, ob dieser Preis 2, 4 oder 8 Pfg. für die Meile betragen soll, oder wie oft und zu welchen Zeiten die Züge fahren sollen. Andererseits hat der Einzelstaat allein dar über zu verfügen, welche Fahrpreise und welche Frachtraten für die örtlichen, innerhalb seiner Grenzen verkehrenden ,'ftigc gelten sollen. Kein Wunder, wenn in den amerika nischen Tarifen die größte Verwirrung herrscht. So viele Staaten die großen amerikanischen Linien durchlaufen, so vielen verschiedenen Gesetzgebungen und Ordnungen sind sie unterworfen, und überall droht ihnen ständig die Gefahr, von unehrlichen, fanatischen oder demagogischen Politikern angegriffen zu werden, denen es im Interesse der eigenen Person oder Partei zu liegen scheint, in der Rolle von Be schützern des Volkes gegen die Habgier der Dahngesell- schäften zu glänzen. In den amerikanischen Eisenbahn- Verhältnissen wird so lange keine Besserung eintreten, als der Bundesregierung nicht das Recht einer einheitlichen Regelung des Tarifwesens und einer Kontrolle über das ganz« System zusteht. Das ist aber nur möglich, wenn die Rechte der Einzel staaten wesentlich beschnitten werden. Leicht werden sich diese darein nicht fügen, aber die Reform wird kommen, weil sie kommen muß. Durch sic wird sich die zweite große Umwälzung in der politischen Organisation des amerika nischen Volkes vollziehen. Es kann sich dann nicht um ein blütige Revolution handeln, wie 1861, aber ohne heftige politische Kämpfe dürste es dabei auch nicht abgehen. Jeden falls werden die kommenden Wahlen davon ihr Gepräge er halten. kin OutsiOer. Herr Richard Witting, der frühere Oberbürgermeister von Posen und jetzige Direktor der Nationalbank, hat seinen kürzlich in Berlin gehaltenen Vortrag über das Ostmarken. Problem in etwas erweiterter Form als Broschüre drucken lassen. Da unsere Leser die Ansichten und die Ziele des Autors kennen, ist es nicht mehr nötig, auf diese einzugehen. Dafür aber dürfte es interessieren, die beiden folgenden Ab schnitte im Wortlaut zu lesen. Sie charakterisieren diesen kommenden Mann ausgezeichnet. Ter erste behandelt den K a st e n g e i st: Meine Herren, wenn ich von den ostmärkischen Städten rede, dann muß ich einer Erscheinung gedenken, die bei der Besprechung des Ostmarkenproblems stets eine gewisse Rolle spielt. Denn in den Städten konzentriert sich das gesell schaftliche Leben, und in den Städten ist, das will ich gleich bemerken, auch ganz besonders stark der Rationalitätenkampf entbrannt. Dort sehen wir das Polentum unermüdlich Vor dringen, Schritt für Schritt seine Position erobern, den deutschen Kaufmann, Handwerker, Ladeninhaber, Arzt, Advo katen verdrängen, um sich an seine Stelle zu setzen. Nun wird von deutscher Seite vielfach über den Kastengeist ge- klagt, der in den ostmärkischen Städten seinen Sitz hat. Es ist unzweifelhaft, daß nach der Richtung hin in der Ostmark viel gesündigt wird Das liegt an unserer deutschen Er ziehung. Wir werden ja schon von Jugend au, mit allerlei Vorurteilen vollgepfropft, und diese pflegen sich dann im Laufe der Zeit nicht gerade zu verringern. Bei uns in Deutschland fühlt sich in der Regel einer immer noch um eine Nüance vornehmer, als der andere; darin besteht sür viele Leute der Hauptreiz des Lebens. Die Korps, die Regimenter, die Behörden, — alles ist genau nach seiner größeren „Vornehmheit" abgetönt, und es gibt in diesen Dingen ungezählte Stufen und Schattierungen. Das ist eine deutsche Eigentümlichkeit, die für jeden, der viel in der Welt herum kommt, grotesk wirkt, aber auch höchst bedauerlich ist; denn sie hindert uns in der Erfüllung großer vaterländischer Aufgaben. Es ist den Ausländern einfach unverständlich, und die Leute glauben immer, man spräche chinesisch, wenn man ihnen davon erzählt, daß bei uns in Deutschland selbst die sogenannten höheren Berufsarten streng differenziert sind und daß beispielsweise ein Regierungsrat sich von vorn herein für mehr und vornehmer hält, als meinetwegen einen Rechtsanwalt oder gar einen simplen Kaufmann oder Fabri kanten. Und daß dann weiter der Regierungsrat der allge meinen Verwaltung sich wiederum für mehr und feiner hält, als den Negierungsrat von der Eisenbahn oder der Steuer verwaltung, usw. Das ist in der Tat skurril — aber es ist einmal so, und es scheint ja einstweilen unabänderlich zu sein. Jedoch müssen wir auch gerecht sein: diese Zustände sind nicht zuletzt auf die Aermlichkeit und Dürftigkeit zurück zuführen, die Deutschland erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit überwunden hat. Namentlich im Osten fehlt es an jener alten, seit Generationen seßhaften Schicht eines be güterten Bürgertums, es fehlt an einer deutschen Gentry, um die herum sich die übrigen Stände gruppieren. Die haben wir namentlich im Osten eben leider Gottes nicht. Nnd es wäre ferner ungerecht, zu behaupten, daß dieser Kastengeist sich etwa nur im Beamtentume und nur in der Ostmark findet. O nein, meine Herren; ich stehe mitten im Wirtschaft ichen Leben und zögere nicht, zu erklären, daß auch im Handelsstande und in der Industrie in Deutschland sehr viel Cliquen- und Kastenwesen existiert, und daß dieses Kastenwesen sich durchaus nicht nur rechts von der Elbe findet, sondern daß es auch links davon, und auch südlich des Mains unter Umständen intensiv gepflegt wird. Wer Ham burg und Bremen, wer Köln und Frankfurt a. M. und Basel kennt, weiß, was ich meine. In Deutschland klagt Christ und Jude über Kastengeist immer nur so lange, als er selbst zu der höheren und beneideten Kaste nicht gehört; ist er erst darin, so arbeitet er häufig mit verstärktem Eifer im Kasten, dunkel. Darum wollen wir etwas milder und nachsichtiger sein und nur hoffen, daß mit dem zunehmenden Wohlstände, mit dem damit verbundenen Ausgleich der Lebens- und Nm- gangsformen sich der Begriff des „Gentleman" in Deutsch land allmählich entwickelt, den andere Länder längst haben, und den wir brauchen wie das liebe Brot. Es ist ein unleug bares Verdienst des Fürsten Bülow, daß er oei jeder sich darbietenden Gelegenheit seine Vorurteilslosigkeit betont und beweist, und es wäre nur zu wünschen, daß der Herr Reichskanzler und Ministerpräsident auch bei allen Nach geordneten Instanzen, unter Umständen mit unnachsichtiger Strenge, darauf hinwirkt, daß diese albernen Vorurteile aus den Köpfen ausgejätet werden. Die Zeit ist zu bitter ernst für derartige Kindereien. — Es darf vielleicht bemerkt werden, ohne daß es dem Autor als Demonstration ausgelegt zu werden braucht, daß die Broschüre nicht von dem Geheimen Regierungsrat, sondern von Richard Witting gezeichnet worden ist. Ein Mann, der seine Grundsätze sogar betätigt. Und nun noch das beste Stück der Broschüre, über die Schnlfrage: Die Schule, meine Herren, lasten Sie mich das offen aus sprechen, ist für mich immer etwas Sakrosanktes gewesen, und wenn der Lehrer in seiner Klasse, innerhalb der vier Wände, vor seinen Kindern steht, so ist das doch ein wenig wie in der Kirche, und da soll nichts von außen, und vor allem sollen keinerlei Nützlichkeitserwäqungen hincindringen. Die Schule ist immer Selbstzweck, nie Mittel zum Zweck, sie ist nur für die Schüler da und darf und soll niemals ein Kampfmittel sein. So ist die Schule auch nicht dazu da, um den sogenannten „Patriotismus" zu züchten — schon das Wort ist häßlich; man sollte „vaterländische Gesinnung" sagen. Das Kind soll seine Heimat lieben lernen, mit ihren Fluren und Wäldern, sein Dorf, seine Stadt, die Elemente ihrer Geschichte, und aus dieser Liebe zu seiner nächsten Um gebung wird mählich und leise, aber unwiderstehlich und ganz von selbst die Liebe zu unserem lieben, schönen Vaterland- erwachsen; diese Liebe soll aber nicht in das Kind hinein, gepumpt, sie soll nie oktroyiert werden. Fragen Sie doch einen jungen Engländer, einen jungen Amerikaner, ob er sein Vaterland liebt: er wird Sie ansehen und an Ihrem Ver stände zweifeln. Fragen Sie das Kind, ob es seine Mutter, das Tier, ob es sein Junges liebt, fragen Sie den Fisch, ob er sich im Wasser wohl fühlt! Selbstverständliches lehrt man nicht, sonst fordert man leicht Kritik und Widerspruch heraus, besonders in einer Zeit, wo am Tisch der Aermstcn ost gerade der stärkste Zweifel, die größte Skepsis herrscht. Also fort mit diesem häßlichen Experiment ganz besonders aus den Schulen der Ostmark, wo mit vorsichtiger Hand die schweren Gegensätze behandelt sein wollen; machen wir den wackeren, tüchtigen Männern, die dort an häufig überfüllten Klassen ihren so überaus verantwortungsvollen Beruf aus üben, die ohnehin nicht leichte Aufgabe nicht noch schwerer. Fort auch mit dem Gedanken, durch die Schule und in der Schule germanisieren zu wollen; das hieße, der Würde der Schule zu nabe zu treten, die nur die eine Ausgabe kennen darf, ihre Zöglinge zu wackeren, tüchtigen Menschen zu machen. Sind sie das, so werden sie auch brave Preußen sein; — mehr — ich sagte es vorhin schon — können wir nicht von den Polen verlangen. Die Kinder sollen die deutsche Sprache lernen und sonst ausreichende Kenntnisse erwerben — alles andere besorgt die harte Schule des Lebens! Herr Witting bezeichnet sich selbst in der Broschüre als politischen Outsider. Man bat schon öfter Outsiders al: Erste ans Ziel kommen schen. 4. preussischer Leb-emg. (Originalbericht für das „Leipziger Tageblatt.'- Fortsetzung. Magdeburg, 18 Mai In der Generaldebatte nimmt zunächst Landiagscbgc- ordneter Direktor Ernst das Wort. Er wird del seinem Auftreten stürmisch begrüßt. Er führt aus: Nur durch Ihr Vertrauen können io:r im Ab^ordnelti.- hause etwas leisten. Wenn wir den Lchrcrvcrein mit seinen 64 000 Mitgliedern nicht hinter uns haben, werden wir wenig Erfolg haben. Wir hoben alle ein Ziel: Hebung der Volksschule und des Lehrcrstandes auch nach der materiellen Seite. Da müssen wir einig sein. Der Lehrerverein ist ein mächtiger Faktor im politischen Leben; das kann er aber nur bleiben, wenn er einig ist. Die Einreichung von ver schiedenen Petitionen, wie tatsächlich geschehen, ist zweck los. Ich habe die Gleichstellung aller Lehrer schon lange vertreten. Eine Minorität, die den Beschlüssen nicht rm ganzen Umfange glaubt zuslimmen zu können, müsse sich fügen im Interesse des Ganzen. Die Situation ist sehr günstig Der Lehrermangel ist uns ein wertvoller Bundesgenosse. 'Dazu kommt, baß in vielen Parteien die Wertung des Lehrer st andcs gestiegen ist. Wir leben in günstigen finanziellen Verkält nissen, und die Regierung denkt an eine Ausbesse rung aller Beamtcngehälter. Der Moment ist günstig, möge unser Nachwuchs nicht von uns sagen können: Der große Moment fand ein kleines Gc-chlccht. Eine große Anzahl Anträge sind redaktioneller Natur. Pro vinz Sachsen fordert Besoldungskassen nach dein Einkommen- steuersoll. Schunke-Hallc wünichi ganze Arbeit nicht nur für die Lehrer, sondern auch für Rektoren und Lehrerinnen. Wünscht ferner Annäherung der Rektoren- und Lehrer- gehälter. (Rektor 20 Prozent mehr als die Lehrer im Grundgehalt.) Inzwischen ist ein Telegramm von Jahnke-Poksdam ein- gelaufen: „Streit und Hader muß vergessen, Ausgelöscht die Zwietracht sein; Dann nur gibt zum ernsten Werke Pfingstgeist fröhliches Gedeih'n!" Nachdem eine ganze Zahl teils für, teils gegen die Vor- läge sich geäußert, und einige sehr weitgehende Forderungen einzelner Redner, die übrigens nicht im Auftrage ihrer Prvvinzialverbände sprachen, eine Spaltung befürchten ließen, nahm Herr Abgoordnetcr Kopsch, gleichfalls freudigst begrüßt, das Wort: Nach den Darlegungen meines Freundes Ernst glaubte ich, nicht nötig zu haben, heute noch das Wort ergreifen zu müssen. Ich gebe meinem Bedauern Ausdruck, das; die heutigen Ausführungen dazu beitragen können, die Gegensätze zu verschärfen. (Folgt Zurückweisung irrtümlicher Behauptungen.) Das könnte de» Eindruck Hervorrufen, als hätte auch nur e i n Lehrer in Preußen Freude am Breniserlaß. Redner kommt dann auf den Wert der Lchrerarbeil und fährt dann fort: ES sind Abänderungsvorschläge gemacht, zurück damit. Nicht darauf kommt es an, daß unsere Vorschläge so oder so ge faßt sind, sondern die Bedeutung liegt in der Einigkeit, mit der die Beschlüste zustande kommen. Bei der Beratung des Schuluntcrhaltungsgejctzcs waren so ziemlich alle Fäden Milchen der Regierung und der Lehrerschaft zerschnitten. Ich glaube, die Regierung hat diesen Zustand bedauert. Sie wird sich bemühen, sich mit den berufenen Vertretern der Lehrerschaft in Einklang zu setzen. Dann müssen diese aber sicher sein, daß die preußische Lehrerschaft ihr folgt In dem Bewußtsein, die Lehrerschaft hinter sich zu haben, liegt die Stärke ihrer Vertreter. Hier ist nicht die Rede von Land- oder Stadtlehrern. wir kennen nur Lehrer und Kol legen. Hierauf findet die Vorlage des geschäftsfübrendcn Aus schusses mit einigen Aenderungen und einem Zu'atz zu 2a einstimmige Annahme. Diese lauten nun: 2) Der Preußische Lehrerverein saßt angesichts der bevorstehenden Revision des Gesetzes vom 3. März 1897 seine Wünsche bezüglich der Neuregelung der Lehrerbcsoldung dahin zusammen, daß a. eine gleiche Besoldung aller Lehrer ohne die bisherige Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse nach der Art der Besoldung der Lehrer an höheren Schulen geschaffen werde, daß h. den Lehrern ein Einkommen gewährt werde, welches nach Höhe und Art des Anwachsens dem der Sekretäre der allgemeinen Staatsverwaltung gleich ist, eventuell mit den ?lbanderungen, welche durch eine etwaige frühere end gültige Anstellung der Lehrer und die Gewährung der vollen Mietsentschädigung an sie bedingt sind, und daß a. bei den dauernd mit einem kirchlichen Amte, wozu auch der Vor- sängerdicnst zu rechnen ist. verbundenen Stellen das aus dieser., fließende Einkommen nicht auf das Lehrergehalt an gerechnet werde.
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