Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.05.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070531012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907053101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907053101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-31
- Monat1907-05
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis ftr Leivssa o»d Horort« durch aaser«Trlka«r »nd Spediteur« »S -aitt ,«bracht: Äu-- aade id nur uwrgenS) oterlrljädrltch 1 M„ monatlich l. R. luSqabe lt .morgen» and abends oierteliahrlich 4.50 M, monatlich 1.50 M. ^urch die Poft »«zogen ll mal täglich) innerhalb DentjchlandS und der deutschen Kolonien vierteljädrlich 3 M.. monatlich l M. au-fchl. Poslbestrllgeld, für Oeverreich-Ungaru vterteljSdrlich 5 L 4- k. 8lbounement.ÄonalM«: AngntzuSplatz 8. bet unseren Träger», Filiale», Spediteuren und Annahmeslelle», sowie Postämtern und Briefträgern. Li« einzelne Stummer tostet LV Pf». Aedattton »»» Expedition: Aohanuiggass« K. Telrph. Nr. ,4698. Str. 14SS3, Str. 146S4. Berliner Siedattio»d--B«re«u: Berlin -iLV. 7, Prinz LoatS Ferdinand- Strafte 1. Telephon l. Nr. 9S75. Morgen-Ausgabe 8. MpMer TllgMlt Handelszeitung. Amtsblatt des Mates und des Molizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS für Inserate au- Leipzig u. Umgebung di» 6gespaltene PetUzeile 25 Pf„ stnanzlelle An zeige» 30 Pf^ Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Ps.. ReNamen 1 M.; Vom Au-land 50 Pi., finaaz Anzeigen75 Pf„ Reklamen 1.50 M. Inserate ».Behörden im amtlichen Teil 40Ps. Deilagegrbühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. GeschäftSanzeigen au bevorzug >er Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tari' Festrrteiltr Aufträge könnra nicht zurück- gezogen werdrn. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AuguftUSPlat» 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditioneu d«S In- und Au-laude-. Haupt-Filiale Berit«: CarlDu n cke r.Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg Lützowstraftr 10 (Tel. Vl, 4603. Nr. IO. Var wichtigste vom läge. * Die diesjährigen Wahlen zur sächsi- schenZweiten Kammer finden im Monat Sep tember statt, und zwar die Wahl der Wahlmänner am 3.. 4. uriü 5. September und die Wahl der Abgeord neten am 21. S ep te mb e r. (S. Dischs. R.) * Das Hofmarschallamt verlegte den Ein zug des neuen Regenten in Braunschweig in Rücksicht auf die Schweriner Abschiedsfeier vom 4. auf den 5. Juni. * Die oldenburgische Regierung hat die Einbringung eines abgeänüerten Wahlge setzes mit Einführung der direkten und ge heimen Wahl beschlossen. * Der SeemannsauSstand hat bisher auf die Abfertigung der Schiffe, die den Hamburger Hafen verlassen wollen, keinen Einfluß aus geübt, da das erforderliche Personal ohne Schwierig keiten beschafft werden konnte. * Aas norwegische Königspaar hat gestern Paris verlassen und sich auf dem Bahnhofe vom Präsidenten Fallidres verabschiedet. Falli-res will nach seinem Gegenbesuch in Christiania auch dieKönige von Schweden und Dänemark be ¬ suchen. * In Portugal wächst die Erregung gegen daß verfassungswidrige Regiment. (S. Ausl.) Volk «na Regierung. Nm «s gleich zu sagen: Herr Derubura hat unseres Er. achten» Lei seinen außergewöhnlich beachtenswerten nsd frei- mutige» Lrörternnge» im ,L)erliner Tageblatt" einen H«.- binalfchler gemacht. Er hat über „Kaufleute und Regierung" geschrieben. Das Thema muß aber heißen „Volk und Re gierung". Der Kaufmannsstand kann und wird nicht ver langen. so exzeptionell behandelt zu werden, daß außer ihm alle anderen Stände bei der Prüfung ihrer Regierungs- sähigkeiten außer Betracht bleiben. Auch wäre dem Vater lande «ar nicht damit gedient, wenn in Zukunft ausschließlich kaufmännische Intelligenzen sich mit -en Regierungs routiniers in die Leitung der Sraatsgeschäfte teilen würden. Das Ziel aller freiheitlich und fortschrittlich gesinnten Vaterlandsfreunde, aller Politiker modernen Geistes muß vielmehr sein, Persönlichkeiten sim Goetheschen Sinne) aller Stände für die Staatsgeschäfte zu interessieren und ihnen den Weg in die Verwaltung zu öffnen. Ob der Mann Kauf- mann oder Arzt oder Techniker oder Journalist oder Offi zier oder Arbeiter ist, soll gleich sein, wenn er nur die nöti- g«n Qualitäten für den Eintritt in die Regierung besitzt. Dahin wären zu rechnen intime Kenntnis der Lebens- Ledingungcn großer deutscher Volkskreise, Vorurteilslosig keit, in Arbeit erworben oder gefestigt, fester Wille und Ar beitslust. Woran wir kranken, das ist unsere strenge Stände gliederung, unsere kastenmäßige Abgeschlossenheit, unser greuliches Examenwesen. Alle diese vererbten Uebel einer kleinlichen Vergangenheit, eines absoluten Staatsregimes hemmen uns auf Schritt und Tritt bei allen unseren Ex- pansionsbestrebungen. Sie hemmen auch die Liberalisierung und Modernisierung unserer Verwaltung. Sie halten uns in Rückständigkeit gegenüber unseren westlichen Nachbarn. Was wir voraus haben als Frucht unseres Systems ist das ziemlich korruptionsfreie, korrekte Funktionieren der Ver- wgltungsmaschinerie. An sich g?wiß wertvoll, aber doch zu ktuer erkauft durch das starre Einengen der Bewegungs freiheit. durch das Züchten von Menschen mit geknickter Initiative. Man sieht, das Thema ist denn doch umfassen der, als Herr Dernburg es umgrenzt hat. Doch ist zuzu geben, daß die Erörterung dieser ganzen gewaltigen Materie kaum in den Rahmen eines Zei'.ungsartikels zu pressen ge wesen wäre, und daß auch der Dernburgsche Ausschnitt „Kaufleute und Regierung" wertvolles Material, schätzbare Ansichten und Anregungen in Fülle enthält. Aber auch schiefe Urteile, worüber hier ein paar Worte gestattet seien. Herr Dernburg lenkt zunächst die Aufmerk samkeit ans ein« Reihe von Erscheinungen unseres öffent lichen Lebens, denen gemeinsam ist, daß Kauf leute verhältnismäßig selten leitende Männer in staatlichen, kommunalen odex gewerblichen Aemter« sind. Voraussetzung für die Beweiskraft dieser Angabe wüßte sein und ist es «nach Herrn Dernburg auch, daß die Kaufleute überhaupt die Möglichkeit haben, in Liese Acmter zu gelangen. Diese Voraussetzung aber ist nichts als ein« Fiktion. Ein Sah go.?ügt, um das zu beweisen: „Man prüfe die Reihe d«r Oberbürgermeister und besoldeten Stadträte in ganz Deutschland!" Ja, weiß denn Herr Dern burg nicht, daß fast nach allen deutschen Städteordnungen, die übrigens der Bestötigu-ng der Negierung unterstehen, für Städte von einer gewissen Einwohnerzahl an von den Be werbern um Bürgermeister- oder besoldete Stadtratsposten dq- Bestehen der zweiten juristischen Prüfung verlangt wird? Hoviel wir wissen, ist nur den großherzoglich hessischen ÄtA>t«n in der Beziehung eine größere Wahlsreiheit ge geben. Und dort war dann auch ein Nichtjurist, der jetzige Finanzminister Gnauth, eine Reihe von Jahren Ober- Lürgermeist.er. Herr Dernburg sagt ferner: „Ich bin also in »einer Ansicht gerechtfertigt, daß der deutsche Kaufmanns- ktand für seine tüchtige«, selbständigen und für eine große Vttwaltusig geeigneten Mitglieder einen Eintritt in ein Re» Zi'rungsamt gar nicht anstrebt." Das mag im wesentlichen richtig sei«, denn Ausnahaien wie Dernburg beweisen nicht- Freitag 31- Mai 1907. gegen die Regel. Aber für den Politiker, der diesen Namen verdient, kommt es nicht nur darauf an, zu sehen, was ist, sondern auch, was möglich und nützlich ist. Daß unsere führenden Kaufleute sich bisher einer sträflichen (und schwer genüg bestraften! Vernachlässigung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten im höheren Sinne befleißigt haben, muß jeder be stätigen, der Fühlung mit diesen Kreisen hat. Sie teilen diese Interesselosigkeit übrigens mit den meisten anderen Ständen, von denen nur der sozial unterste, der Arbeiter stand, eine löbliche Ausnahme bildet. Aber gerade das soll und muß bekämpft werden. Erst wenn das Verständnis für die. Wichtigkeit der legislatorischen und verwaltungstechni schen Arbeit Gemeingut aller Stände geworden ist, kann man befriedigt von der „Politisierung der Gesellschaft" reden. Wenn es heute nicht der Fall ist, so darf man sich dabei nicht beruhigen und damit nicht als unveränderlich rechnen, son dern man muß das höhere Ziel im Auge haben und an seiner Verwirklichung arbeiten. Dieser Gesichtspunkt aber, und das sei mit aller gebotenen Achtung vor dem Urteil und der Arbeit unsere» jüngsten Staatssekretärs betont, wird in dem neuerlichem Revirement im Kolonialamt und seinen Depen- denzen vermißt. Man braucht nur den Namen v. Schuck mann zu nennen, um das berechtigt zu finden. Herr Dernburg meint: „Nicht dadurch, daß man wahllos Kaufleute in Beamte und Beamte in Kaufleute verwandelt, sondern dadurch, daß sich die einzelnen Volkskreise mit ihren Interessen intimer verstehen, wird jene starke politische Kon solidierung Deutschlands auf die Dauer erreicht werden, die den Inhalt und das Rückgrat für Deutschlands Weltmacht stellung bedeutet." Ausgezeichnet. Nur sollte man mein°n, das ein nicht wahllos, sondern sehr sorgfältig vorgenomme ner Personenaustausch dies wünschenswerte intime Verständ nis sehr fördern würde. Und wenn sich keine Dankdircktoren mit Hunberttausenden an Einkommen zur Versetzung in die Verwaltung geneigt zeigen sollten, so gibt es sicher unter den taten lustigen Männern an zweiten und dritten Stellen in gewerblichen Unternehmungen Persönlichkeiten genug, die den Tausch riskieren würden. Nur nicht zu ängstlich. Wir wissen aus dem amerikanischen Volksleben doch zu genau, wie vielseitig der Mensch sein kann. Auch wir möchten nicht die Ansicht aufkommen lassen, als hielten wir den Outsider immer für den besseren Mairn. Aber das ist für uns Axiom: Unsere heutige Negierung-- Me thode leidet an Verknöcherung und d-r Benmtenqppa'-1« booarf der Brurauffrischnng. Unser ganzes Volk muß in dem Smrn« politisiert werden, daß eS Verständnis für die Be dürfnisse der anderen Erwerbsklassen und für die Bedeutung ixr staatlichen Einrichtungen und Funktionen gewinnt. Wir müssen aus dem Kastenwesen heraus, wir müssen die Hoch- achtumy vor der behördlichen Abstempelung der Fähigkeiten ans ein geringeres Maß zurückführen, wir müssen das höchste Ziel des Liberalismus endlich energisch erstreben, der Per- sönlichkeit freie Bahn auf allen Gebieten zu geben. Desyalb wehren wir uns gegen die Begrenzung des Themas „Kauf leute und Regierung", erkennen aber gern an. daß auch in den Dernburgschow näheren Zielen schon ein Stück unserer weitergehenden Wünsche enthalten ist. Deshalb dürfen wir auch dem Staatssekretär Glück auf den Weg wünschen. ver kourervativr ftevirionssmu; in 4er Praxis. Werden die liberalen Ideen, zu denen sich ein Teil der Konservativen in Sachsen, besonders in Dresden, bekannt hat, d.. herrschenden Partei die gefährdeten Mandate retten, »oerden sie die tiefe Mißstimmung in der Wählerschaft besei tigen oder doch bis nach der Entscheidung über die Wahl reform zurückdrängen, — oder wird das sächsische Volk seiner Unzufriedenheit mit dem bisherigen parlamentarischen Re gime bei der kommenden Landtagswahl den einzig richtigen praktisch wirksamen Ausdruck verleihen? Diese Frage mutzte sich den Teilnehmern der am Donnerstag abend »n Ham mers Hotel in Dresden-Striesen abgehaltenen Versammlung aufdrängen, in der, wie schon kurz berichtet wurde, der bis herige Vertreter des 2. städtischen Wahlkreises den Kampf um das diesmal so besonders heiß umstrittene Mandat er öffnete. Herr Behrens begann seine Rede mit der Feststellung der Tatsache, daß er nicht eher die abermalige Übernahme der Kandidatur zugesagt habe, als bis er sich dar über vergewissert habe, daß der Vorstand der konservativen Partei einstimmig hinter ihm stehe. Nun aber wolle er das Mandat, das er seit 12 Jahren ausübe und das über ein Menschenalter im Besitz der konservativen Partei gewesen sei, auch mit allen Kräften verteidigen. Ferner erklärte er, daß er, wie auch der Vorstand der konservativen Partei, auf dem Boden der Beutlerschen Neformvorschläge stehe, Vor schläge, gegen die bekanntlich der Präzeptor der Konserva tiven in Sachsen, Herr Oertel, in der „Deutschen Tages zeitung" energisch Front gemacht hat, unb von denen Herr Opitz erklärte, daß er „den Vorgängen auf jener Dresdner Versammlung sernstehe". Herr Behrens erwähnte in seiner Programmredc, er habe sich in verschiedenen politischen Fragen „nicht in Uebercin- stimmung mit seinen politischen Freunden befunden". In der Tat, seine Ausführungen lassen das begreiflich erscheinen. In verschiedene» wichtigen Fragen, die den kommenden Land tag beschäftigen müssen, nimmt Herr Behrens einen ganz ähn lichen Standpunkt ein, wie z. B. der nationalliberale Lanb- a-richtsdirektor Hettner, der Kandidat des ersten städtischen Wahlkreises und Landtagsabgeordnete Vogel. Wir finden keinen ivesentlichen Unterschied zwischen Herrn Behrens und den genannten Herren in der Frage der Regelung der Beamtengehälter und in den Steuerfragen. Auch Herr Behrens wünscht die Gehälter der Beamten, die Wodnunzs- geldzuschüsse geregelt zu schon, ehe man an ein« Ermäßigung der Steuern geht. Er wünscht die Durchführung des Dienst. alter-stuf«nsystems, die Abschaffung der Härten der Prü fungsordnung und dergleichen mehr. Er wünscht auch die Steuern, wenn sie einmal notwendig sind, aus die leistungs fähigsten Schultern gelegt zu sehen.-Wer wünschte das nicht? Er zollte der Mittelstandsvcreinigung hohes Lob dafür, daß sie sich nickt an der Agitation für die Herabsetzung der Steuern beteilige, um der Regierung nicht die Ausrede zu lassen, daß sie die Regelung der Beamt-nbezüae aus Rücksicht aut die Steuerzahler airfschieben müsse. Er wünscht zwar kein NeichSeisenbahnwesen, auch — aus Rücksicht aus die wirt schaftlich: und politische Eigenart Sachsens — nicht den An schluß an die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft, aber er hält die Frage der Betriebsmittelgenieinschaft für dis kutierbar. Nur vn einer Frage ist Herr Behrens sehr zurückhaltend, ja, fast übermäßig vorsichtig: in der Frage der W'ahl» reck) tsr eform. Er erklärt, keine Stellung zu dem Ent wurf der Negierung nehmen zu können, so lange dieser nicht bekannt sei. Das wird kein Mensch von ihm verlangen. Ader er bekennt sich auch zu keinem Mindestmaß bezüglich der For derungen, die an das neue Wahlrecht gestellt werden müssen, und ein solches Mindestmaß wäre gerade in diesem Falle dringend wünschenswert. Allerdings stellt auch er eine be stimmte Forderung, und gerade damit tritt er unseres Wissens und seiner eigenen Aussage zufolge, in Gegensatz zu der Mehrheit seiner politischen Freunde. Er verlangt eine Neueinteilüng der Wahlkreise und die Beseitigung veS Unterschiedes zwischen ländlichen und städtischen Wahlkreisen. Was werden die Herren Mehn « rt und Opitz, was wird Herr Oertel dazu sagen, der noch vor kurzem im Tivoli in Dresden unter dem tosenden Beifall seiner Zuhörer er klärt bat, — was auch immer das neue Wahlrecht bringe, der Unterschieb zwischen städtischen unb ländlichen Wahlkreisen müsse beibehalten werden! Die Rede des Herrn Behrens ist also ein erneuter Be weis für die Verschiedenheit der Ansichten innerhalb der sächsischen konservativen Partei, und das war wohl mit der Grund dafür, daß die Teilnehmer an der Versammlung, die ursprünglich für ihren bisherigen Abgeordneten große Sym pathien an den Tag gelegt hatten, dem ersten Diskussions redner, dem freisinnigen Stadtverordneten Lehrer Deck, lauten Beifall zollten, als er erklärte, wenn es Herrn Behrens mit seinen soeben dargclegten und stellenweise früher schon betätigten liberalon Ansichten ernst sei, möge er die Konsequenzen daraus ziehen und sich von seinen bis herigen politischen Freunden trennen. Aber so lwage er zur konservativen Partei gehöre, biete seine Wagl keine Gewähr für eine Behandlung der Wahlrechtsreform im volks freundlichen Sinne. Das werden die Wähler des 2. Wahl- krcises bedenken müssen. Der Verlauf der Versammlung har jedenfalls gezeigt, daß die Ausstellung eines nationalliberalen Kandidaten in diesem Wahlkreise keineswegs eine so aus sichtslose Sache ist, wie vielfach angenommen wurde. Die Tatsache, daß ein konservativer Abgeordneter wievcrholt den Mut gesunden hat, sich in Gegensatz zu reaktionären Acuße- rungen unb Taten seiner Partei zu stellen, genügt nicht, um ihm das Vertrauen liberaler Wähler zu sichern, wenn so wichtige Fragen vor der Tür stehen, wie gerade diesmal. Sie vemcbe ftolonialgerellrebatt. „Esi st eben nichts mit der allgemeinen kolonialen Begeisterung in Deutschland." In diesen Worten faßte die „Freisinnige Zeitung" den Ge» lamteindruck, den sie durch die Hauptversamm lung der Deutschen Kolontalgesellschaft ge- Wonnen hat, zusammen. Ein vernichtenderes Urteil kann über die Gesellschaft nicht mehr gefällt werden, als es in dieser Feststellung der Tatsache liegt, daß das Auftreten der Gesell- schäft den Eindruck des Gegenteile von dem erweckt, was ihr Zweck ist: die Gewinnung des deutschen Volkes für die kolo nialen Bestrebungen. Die Zeitung geht nur von der falschen Voraussetzung aus, daß sich in der Deutschen K o l o n i a l g e se l l s ch a f t der gegenwärtige Grad 'er Koloniälbe- geisterung des deutschen Volkes ver körpert. Dies ist nicht der Fall, depn sonst wäre es jetzt mit unseren kolonialen Bestrebungen übel bestellt. Mit dem Hinweis, keine Politik treiben zu dürfen, hat die Hauptleitung der Deutschen Kolontalgesellschaft sich geweigert, zur Unterstützung der nationalen Politik beizu tragen, zu einer Zeit, als Sein oder Nichtsein der kolonialen Bestrebungen der Gegenstand des politischen Kampfes war. Tatsächlich aber har die Deutsche Kolonialgesellschaft seil Jahren Zentrumspolitik getrieben. Das weiß jeder, der die Vorgänge verfolgt und die „Deutsche Kolonialzeitung" mit Aufmerksamkeit gelesen hat Ter Kun dige weiß auch, daß jn der Hauptleitung der Gesellschaft der Zentrumsein'luß übermächtig war. Darauf haben wir übri gens schon im Frühjahr vorigen Jahres hingewiesen, als ausgerechnet von der „Deutschen Kolonialzeitung" das an den beschämenden Reichstagsbeschlüssen vom 19. Mai 1906 schuldige Zentrum in auffälliger Weise in Schutz genommen wurde. Schon damals hatten wir auch darauf hingewiesen, daß die unbegreiflich gleichgültige Haltung der Deutschen Kolonialgesellschaft gegenüber ienen Reichstagsbeschlüssen geeignet sei, in der Öesfentlichkeit ungünstige Vorstellungen von der Bedeutung und Berechtigung der kolonialen Be strebungen zu erwecken. Die wol.verdienten Vorwürfe, die damals die Gesellschaft von der gesamten nationalen Presse über sich ergehen lassen mußte, haben nichts gefruchtet. Sie hat im Wahlkampf, der den k o l o n i a I f r e u n d- lichen Reichstag schaffen sollte, völlig ver- s a a t. Wir waren uns von vornherein darüber klar, daß die Bemühungen einer taikräftigen Minderheit völlig im Sande verlausen würden, aber der Verlauf der Hauptversammlung hat unsere Befürchtungen ,ioch übertroffen. Keine Spur ernsthaften Vorwärtsstrebcns bei der Hauptleitung, sondern lediglich ein Ablehncn jeden Resormgedankcns. Summa summarum: Es bleibt alles beim Alten. Man will — wie der geschäftssührende Vizepräsident äußerte — „die Kolonialgesellschaft nicht von ihrem hohe» Niveau h e r u n t e r br i ng e n". Aber sonder barerweise hat sich mit diesem „hoben Niveau" eine durch- aus nicht immer vornehme Kampfesweise gegen die ver einigen lassen, die auf eine gründliche Reform in der Arbeit der Gesellschaft drangen, um dies' Arbeit im besten Sinne des Wortes „volkstümlich" zu machen. Und gerade in -er bedauerlichen Tatsache, daß Personen und Zeitungen, die sich seit Jahren in den Dienst der kolonialen Sache gestellt und mehr geleistet haben^ als viele Vorstandsmitglieder der Deutschen Kolonialgeielsichast, d.-n schlimmsten Angrissen ausgesetzt sind, weil sie die bisherige Praxis nicht mebr mit ansehen können, gerade darin liegt der beste Be- weis, daß die Deutsche Kolonialgeiellickiaft nicht mehr die koloniale Sache vertritt, sondern ur noch die Wünsche ein zelner Persönlichkeiten, die die Gesellschaft aus einem „hohen Niveau" baden wollen. Alle Reform- und Besserungsversuche der tatkräftigen Minderheit sind völlig unter den Dick) gefallen, und cs muß rücksichtslos ausgesprochen werden. daßdieDeutsche K o l o n i a lg'e's'e'l l sch a s t heute ost als ein HemmschubinderkolonialenWerbetä t'i'g'k'e i t erscheint, anstatt als ein förderndes Mittel. 1V1. Jahrgang Wenn aber di« Deutsche Kolonialgesellschast nicht a heraus die Kraft hat, die Hindernisse aus dem V. räumen, die sich einer Wiedergeburt entgegenstellen, sie nicht vermag, Garantien zu schaffen, die ein späterer sagen in wichtigen Momenten ausschließen, so sollte sie ihren schönen Namen ablegen und ibn tatkräftigeren einigungen überlassen. Jedenfalls liegt es schon heut daß gerade aufrichtige und fleißige Freunde der koloni^ Sache ernsthaft mit dem Gedanken umgehen, der Kolonia. gesellschaft den Rücken zu kehren und sich dem Deutschen Uebersceverband anzuschließen, der sich als Wahlverein alter Afrikaner um die kolonial« Sach« verdient gemacht Hal. Deutsches Keich. Leipzig, 31 Mai. * Landtagswahlen im Königreich Sachse». Vom Ko Ministerium des Innern sind für den im laufenden Jahre einzudcrufenden ordentlichen Landtag die Wahltermine für die Wahlen zur Zweitem Kammer der Stände fest gesetzt worden. Danach werben die Wahlmänner wahlen in der I. Abteilung am 3. September, in der 2. Abteilung am 5. September und in der 1. Abteilung am 6. September stattfiniden. Die Abgeordneten wahlen sind auf d«n 21. Sept«mber anbevaumt. Von de» 82 Wahlkreisen des Landes sind 30 Kreise an den Wahlen be- teiligt, davon 27 infolge verfassungsmäßigen Ausscheidens der bisherigen Abgeordneten, 2 infolge Ablebens unb einer infolge Mandatsniederlegung des bisherigen Abgeordneten Von den Wahlkreisen sind 13 städtische, 17 ländlich«. * Zum Fall Enrtius wird auS Straßburg i. E. ge schrieben: Die Angelegenheit des Präsiventen Dr. CurtiuS fängt an akut zu werden. Die Konsistorien beider evan gelischer Kirchen, der Augsburger Konfession und der re formierten, haben dem Oberhaupt der ersteren einstimmig ein Vertrauensvotum gegeben, in dem sie ihn gebeten haben, im Amte zu bleiben. Dr. CurtiuS bat dem Wunsche ent sprochen und erklärt, daß er seine Entlassung, die die Re gierung ihm nabegelegt batte, nicht einreichen werde. Was tut nun die Regierung? Sie leitet die Aushebung der Konsistorien in die Wege, indem sie zunächst diese Körper schaften ausfordert, ihre Existenzberechtigung überhaupt zu beweisen. Dadurch hat sie natürl ch iu ein Wespen nest gestochen. Auf den Konsistorien, die au» allgemeiner, geheimer Wahl aller Gemeindemitglieder dervorgehen, beruht die ganze selbständige Organisation der evangelischen Kirch« in Elsaß-Lolhringen. Die ganze Verwaltung der Kerch«, - sogar die Ernennung der Psarrer und die Wahl ihrer Be- börden kKonsistorialpräsidenten, Inspektoren usw.) liegt in ibren Händen; der Regiernng stebt nur in gewissen Fallen ein Einspruchsrecht zu. Die Konsistorien sprechen sich deS- dalb natürlich einstimmig gegen jede Beschränkung ihrer Reckte aus. ES gibt daS also einen kleinen evangelischen Kuliurkampf, dessen Ende man. wie der „Protestanlische Kirchenbole" sagt, abwarten muß. Die evangelischen Kon sistorien nehmen einstimmig den Standpunkt ein, daß sir selbständige Köiperichasten sinv, und daß die evangelische Kirche moralisch vernicklet wäre, wenn sie diese Lelbst- sländigkeil aufzeben müßte. Hoffentlich zeigen sie mit dieser Anschauung, daß der Elsaß nicht im preußischen Staats- kirchenium erstick!! * Graf Mollke und HarSe». Das „B. T." ist ermächtigt mitzuteilen: „Graf Kuno Moltke hat den festen Entschluß, die Klage gegen Maximilian Hardeu gerichtlich zum AuStrag zu bringen, um mit dieser Flucht in die Oeffeutlich- keit vor aller Well darzutun, daß alle Gerüchte, die ibn krankhafter Neigungen bezichtigen, auf böswilliger Erfindung beruhen. Der Graf steht im 60. Lebens jahre; er hat den Feldzug von 1870 als erster Kürassier mitgemacht bei demselben BreSlauer Regiment, dessen Kom mando er später erhielt. Durch die Freundschaft des Kaisers und durch das besondere Wohlwollen der Kaiserin durch Jahre hindurch ausgezeichnet, trifft den Grafen seine plötzliche Dienst entlassung doppelt hart, da ihre Nebenumslänbe natürlich dazu angetan sind, den unbegründeten Gerüchten neue Nahrung zu geben. Wie man annimmt, sollen die Mitteilungen über ren Lrebenbcrger Kreis dem Kaiser von einer dem Monarchen sebr nabestehenden Persönlichkeit zugetraqeu sein, und eS wäre erwünscht, sestzustrllen, auf welche Quelle jene Mittei lungen in letzter Linie zurückgehen. Der RecktSbeistrnd deS Grafen in der Beleidigungsklage gegen Hardeu ist Justiziar v. Gordoil." Ter Oberstaatsanwalt als Juftttrefararer. Eine ange nehme Ueberra'chung bietet ein Vortrag, den der Oberstaats anwalt Dr. Jsenbiel im LebrkursuS für Gesängniswesen dieser Tage gehalten hat. Er sagte u. a., die Prügelstrafe sei beule kulturwidrig, sie entwürdige sowohl venBestrafien wie den Strafenden. Was die angestrcbte Justirresorm betreffe, so bade er nichts dagegen, wenn die Rechte der Verteidigung im Vorver- sabren erweitert würden, wenn mau die UotersuchuuzSbaft möglichst einsckränke, wenn man den ZeugniSzwang gegen Redakteure abschaffe — auf dies Hilfsmittel, bei dem in der Regel doch nicht« herauSkomme, könnten die Gerickte rubig verzichten. Jedenfalls aber werde eS noch geraume Zeit dauern, bis diele schwierigen und einschneidenden Aenderungen in die Strasprozeßordnung eingegliedrrt werden könnten. * Streikvcrfichermig. Die amtliche Statistik führt für daS letzte Berichtsjahr 2448 Streiks auf, von denen nickt weniger als vier Fünftel AngrisfSstrrikS waren, d. h. ArbcitS- «instellungen, durch welche die Arbeiter eine Arnderung der bisherigen Arbeitsverhällniffe zu erreichen suchten. Von diesen Streils wurden >4 481 Betriebe betroffen, in denen bei Ausbruch des AuSstankeS 767 984 Ai beiter beschäftigt waren. WaS den Ersolg der Ausstände angeht, so batten von 2103 im letzten Bericht-iabr beendeteten Ausständen 528 mit 25 051 AnSstänvigen iu 1704 Betrieben vollen Erfolg (22 Pro;.), 97 l steüenweuen, 904 (37,6 Pioz) mit 26 760 Ausständigen, d. b. satt der Gesamtrahl der ausständigen Arbeiter, keinen Erfolg. Dementsprechend baden die Unternehmer im letzten Bericktsjabre im vermehrten Maße zu dem Mittel der Aussperrung geariffcn. Die 254 Auösperrungeii bewgen fick ans 3559 Beiriebe mit 188 52K Arbeitern. Durch die AuSsverrungen wurceo 118 665 Arbciier gegenüber 23 760 Arbeitern im vorder-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite