Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070603013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907060301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907060301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-03
- Monat1907-06
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-PreiS Anzeigen-PrerS für Leivzlo uud Vororte durch anfere Träg« und Spediteur« nt -au» »ebracht: AuS- gäbe »ur «orgrirs) oienrljährtich i mooaliich t M., Ausgabe il morgear and abends) oierteftahrlich LKO monatlich 1.50 M. Lurch di« Poft uezogeo (1 mal täglich) innerhalb Deutschlands and der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 monatlich l M. anSfchl. Postbestellgeld' für Oesierreich-Ungarn vierteljährlich 5 L 45 b. Lbonnement-Annahme: AngustuSplatz 8. bet unseren Träger», Filialen. Spediteuren uud Luuahmrstelleu. sowie Postäruteru uud Briefträger«. - Li» etuzelu« «ummer tostet LV Pf» Redaktion uuo Expevtltau: JohanuiSgass« 8. Teleptz. Nr. 14692, gk. 14693. Nr. 14694. Berliner Redaktions-Bureau: Balin bllV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Straß« 1. Televbon I. Nr. 9275. Morgen-Ausgabe 8. KiMger. Tageblatt Handelszeitnng. Amtsblatt -es Rates und -es Roliieiamtes -er Lta-t Leipzig. für Inserate aaS Leipzig u. Umgebung die 6 gespaltene Petitzeile 25 Pf. finanzielle An teige» 30 Pf, Reklamen 75Pf.; omr aaSwärtS SO Pf., ReNameu I M.; vom Ausland 50 Pf., sinanz. Anzeigen 75 Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v.BehSrdeu im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegebübr 5 Ni. p. Tausend extl. Post gebühr. Geschäftsanzeigen an bevorzugter stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Fesierteilte Aufträge köauea nicht zurück gezogen werden. Für das Ericheinen an degimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AuguftuSPlatz 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Erpedüioneu des In- und Auslandes. Haapt-Ftliale Berlin: CarlDllucker.Herznl.Bayr.tzosbuchl,alldlk, Lützowstraße 10 (Tel. Vl. 4663'. Nr. 152. Monts^ 3. Juni 1907. 1V1. Jahrgang. Var Mcdkigue vom Lagr. * Die englischen Journalisten sind gestern zu zweitägigem Besuch in München eingetroffen. (S. Letzte Dep.) *J» Kassel hat gestern der Deutsche Bank- beamtentag seine Jahresversammlung abge halten. lS. Letzte Dep.) * Der Reichstagsabgeordnete Nissler lBauernbundj ist gestorben. lS. Dtschs. R.) * Im Großen Preis von Hamburg (100 000 Marl) siegte Herrn V. Mautner v. Mackhofs F.-St. „Faith". Herrn Weinbergs „Fabula" belegte den vierten Platz. — Das österreichische Derby (114 000 Kronen) gewann Gras v. Wenckheims F.-St. „Styria n" und den Prix d«Jockeij-Club in Paris-Chantilly llOOOOO Francs und 10000 Francs dem Züchter) gewann Mons. Ephrussis „Mordant". lS. Sport.) * Im Rennen um den Preis des Leipziger Sportplatzes siegle Peter Günther-Köln. Zweiter wurde Eonteuet. lS. Sport.) Sallerttem, ffsreieftlri unä Ser allpsldircde 6eSankr. Graf Ballestrem erklärte jüngst im preußischen Nbge- ordnetenbause: „Wir haben keine Nationalpolen in Schle sien. Wir haben polnisch sprechende Deutsche. —Wenn sich auch die Sprache erhalten hat, so bat doch die polnische Nationalität nichts damit zu tun." Bei einem Manne wie Balleitrem wird man annehmen dürfen, daß er seine ehr liche Ueberzeugung ausgesprochen bat. Wenn er also trotz des raschen Emvorschießens der nationalpolnischen Flamme, wie es gerade Oberschlesien in der letzten Zeit gesehen bat, trotz der polnischen Wahlsiege und trotz des Verlustes des eigenen Wahlkreises an den Nationalpolen Jankowski eine derartige Behauptung aufstellen kann, so zeigt das eben, daß der als ZeutrumSabgeordneter gealterte Mann einfach nicht fähig ist, deu Ablauf der Ereignisse anders als durch die Gläser der Zentrnmsbrille zu betrachten. Vom menschlichen Standpunkte ist dies verzeihlich, nicht so vom politischen. Denn diese Worte sind gefallen im Zusammenhänge einer Polendebatte, in der Herr v. Koscielski die Erklärung abgab: „Eine polnische Bewegung gibt es nicht, wohl aber eine berechtigte Bewegung, die alle Polen erfaßt." Statt daß sich alle deutschen Männer im Widerspruche gegen einen solchen Satz zusammenfinden und ihn mit Entrüstung zu rückwiesen, hat ibn Graf Ballestrem unterschrieben und damit die Gefahr, des Eindringens in die öffentliche Meinung er höht. Dem System aber der polnischen Einschläserungsvolitik, das mit einem gewissen Mangel an Kombinationskraft oder -lüft auf der Seite seiner Gegner rechnet, ist in höchst uner freulicher Weise Vorschub geleistet worden, diesem Systeme, das, mit Politischem Scharfsinn ausaebaut, nicht ungefähr lich ist. Man schläfert den guten Deutschen ein — das ist der Plan — und macht ihn glauben, daß man durchaus loyal gesinnt sei, indessen man den Polen daran gewöhnt, ein eigenes Staatswesen zu bilden. Ist das erreicht, so ist es Sache der Führer, den Augenblick zu finden, wo man auch offen hervortreten und sich eine Autonomie erkämpfen kann. Haben aber erst alle drei Teile des alten Polenreiches eine Art Autonomie erlangt, dann wird auch seine Wieder errichtung nicht mehr schwer sein. Gerade Herr v. Koscielski ist ein eifriger Anhänger dieser Taktik, und es ist be kannt und im Anschluß an seine Herrenhausrede verschiedent lich erörtert worden, wie er seine wahren Ansichten stufen weise weniger verhüllt, je nachdem er zu Herrenhausmit- gliedern, Strazgenossen oder Interviewern des „Echo de Paris" oder des Krakauer „Glos Narodn" spricht. Eine andere Vertreterin dieser feinberechnenden Politik ist die polnische Zeitung „Gornoslouzak", die schon im Schulstreik stets dafür eingetreten ist, nur erlaubte Mittel anzuwenden. Es ist interessant, daß gerade sie als Lands männin deS Grafen Ballestrem zu seinen Ausführungen das Wort ergreift. Wie sie das tut, ist charakteristisch. Sie lehnt zwar in der Einleitung den Standpunkt Balle strems grundsätzlich ab und protestiert „namens aller der jenigen oberschlesischen Polen, die sich für einen Zusammen schluß mit den übrigen Polen der preußischen Monarchie erklärt haben", widerlegt also eigentlich damit schon den Grafen, im übrigen aber ist der ganze Artikel eingetaucht in den Gedanken der „Loyalität dem preußischen Staate gegen über": „Einverleibt in die Preußische Monarchie, erkennen wir den politischen Zustand an und wollen ihn auch nicht berühren." Und daneben steht ganz unzweideutig und un vermittelt die eigentliche Ansicht des Artikelschreibers: „In den erlaubten Grenzen und im Rahmen der Verfassung sind wir jedoch bestrebt, unsere verbrieften Rechte zu erlangen." Was sind aber diese Rechte? Auch darüber wird der Leser nicht im Unklaren gelassen: „Das höchste Recht jedes Volkes ist das Recht, einen Staat zu bilden." Man fordert also Autonomie, und wie man sich diese etwa denkt, das hat derselbe „Gornoslonzak" vor einem halben Jahre ein mal in den Worten zusammengesaßt: „Selbständigkeit der Provinz Posen mit einem preußischen Fürsten als Statt halter, wobei — das sei zur Erläuterung bemerkt — nicht gesagt war, auf wie lange man den preußischen Statthalter engagieren wollte. Und daß man es bei diesen autonomen Gelüsten nicht mit Phantasiegebilden zu tun hat, dafür hat die jüngste Vergangenheit der russischen Duma Zeugnis ab gelegt, der eben erst das Projekt zugegangen ist, in dem russischen Weichselgcbiete das alte Königreich Polen als eine Art russischen Bundesstaat wiederaufzurichten, und in dem u. a. gefordert werden: ein besonderer Landtag, besondere Finanz- und Budgctverwaltung. besonderer Verwaltungs körper, besonderer polnischer Staatssekretär, polnische Amts- iprache. So sehen also die Wünsche aus, wenn die politische Möglichkeit vorhanden ist, derartige zu äußern, und so wer de» sie stet- in dem Augenblick« wachsen, wo der Gegendruck infolge der inneren Schwäche der herrschenden Nation nach läßt. Am größten ist darum die Selbständigkeit im öfter- reichisch-ungarischen Staate, in Galizien. Größtmögliche Autonomie der durch die deutsch-öster reichisch-russischen Grenzpfähle getrennten Teile der pol nischen Nation ist das Ziel, das als nächst erreichbares an gestrebt wird, in Oesterreich und Rußland mit mehr Aus sicht auf Erfolg, in Deutschland dank der starken Hand der Regierung mit weniger. Aber weil hier das Werk schwie riger ist, gibt man cs darum nicht etwa auf: im Gegenteil, es muß die Wühlarbeit nur noch viel tiefer einsetzen als anderswo. Der „Gornoslonzak" hatte gesagt: „Das höchste Recht eines Volkes ist das Recht, einen Staat zu bilden." Die wichtigsten Faktoren für den Bestand eines selbständigen Staatskörpers sind aber die politische und die wirtschaftliche Macht: für die Neubildung genügt jedoch schon einer von beiden, und es folgt dann entweder der politischen Ge schlossenheit die wirtschaftliche, oder es kann umgekehrt auch der wirtschaftlichen die politische folgen. Nun ist der erste Weg den deutschen Polen gegenwärtig verschlossen, es bleibt ihnen also nur der zweite. Und mit rastlosem Eifer ist man denn auch an der Arbeit, ein wirtschaftlich selbständiges Ge biet für Preußisch-Polen zu schaffen. Das ist die tiefere Bedeutung des Grundsatzes: „Der Landsmann zum Lands mann" und des Boykottes der Deutschen durch die Polen: unter diesem Gesichtspunkte erhält das Aufblühen eines vor 100 Jahren ungekannten polnischen Mittelstandes seine große Bedeutung. Der Pole soll in der Versorgung mit Lebensbedürfnissen, in der Verteidigung vor Gericht, im Unterricht, in der Kirche und überall sonst auf den Deutschen nicht mehr angewiesen sein, als auf jeden anderen Ausländer. Inwieweit solche Pläne ihre Absicht erreichen, dafür genügt ein Hinweis auf die aus der Statistik bekannte allmähliche Verdrängung der deutschen Handwerker, Aerzte, Rechts anwälte usw. durch polnische. So wird in den Einzelstaaten der Grund für den Be stand eines polnischen Staates gelegt, daneben bleibt aber der Geist stets auf das Ganze gerichtet. Das Gemeinsam keitsgefühl wird bei jeder Gelegenheit wachgerufen: Sym pathiekundgebungen der österreichischen und russischen Polen bei polnischen Wahlsiegen und ähnlichen Anlässen wechseln mit Entrüstungserklärungen über die preußische Unter drückung. Aber wie wirkliche Arbeit zum wenigsten durch Glückwunschtelegramme und gegenseitige Besuche geleistet wird, so geht auch die eigentliche Förderung des allpglnischc" Gedankens von ganz underen Institutionen aus. Die ein>. ist die polnische Nationalliga, die die gesamte politische Leitung vermittelst eines fein durchdachten Systems in der Hand hält, und deren Zweck nach 8 1 ihrer Statuten besteht in der „Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens und der Grenzen vor den Teilungen". Und die andere sind die Sokols, die unter der Maske von Turnvereinen eine Art polnische Miliz heranbilden und einmal den Ausgangspunkt zur Durchführung einer polnischen Volkserhebung bilden sollen. Man wartet eben nur auf eine Gelegenheit, um den Zu sammenschluß offen zu bewerkstelligen, und es hoffen die preußischen Polen insonderheit auf einen für Deutschland unglücklichen Krieg: man sehnt sich nach dem Augenblicke, in dem man sich von der verhaßten „preußischen Gefangen schaft" losreißen kann. Das ist die wahre Absicht unserer Polen. Man soll darum mit ihnen nicht hadern und ihnen die Unmoral ihrer Wünsche vor die Seele zu führen suchen. Unmoralisch ist das polnische Ziel durchaus nicht, aber es entscheiden nun einmal in der Politik nicht die Gesichts punkte der Moral, sondern der Macht. Solange darum der Deutsche wach ist, bleibt die „angebliche preußisch-deutsche Kultur" der „idealen polnischen Kultur" vorderhand über legen: die Gefahr aber ist groß, wenn die Einschläferungs mittel eines Herrn v. Koscielski einschlagen oder wenn wir es nach dem Muster des Grafen Ballestrem nicht über uns gewinnen können, bei der Beurteilung so wichtiger Dinge wie einer Rassenfrage, die Parteibrille einmal von den Augen zu nehmen. , , Sertrebtmgen artt sterrlrN«ng einer sernrprechunion rwiscden Sem venrrcden Weiche «na Oerierreich. In den letzten Jahren hat eine beträchtliche Ver mehrung der Fernsprechverbindungen zwischen Deutschland und Oesterreich staikgesunden. Einer ausgiebigen Nutzbarmachung dieser Fernsprechbeziehungen steht jedoch der Umstand entgegen, daß die Fernsprech gebühren im Verkehr mit Oesterreich ungewöhn lich hoch sind. Betragen doch die Gebühren beim Fern sprechverkehr mit Oesterreich im Vergleich mit denen.im inner- deutschen Verkehr: bei Entfernungen in der Luftlinie: bis zu 25 km von 26 bis 50 - . 51 . 100 . . 101 - 250 - - 251 - 500 - - 501 - 1000 « und darüber beim inner deutschen Verkehr: 0,20 0,25 - 0,50 - 1,00 - 1,00 - 1,50 - 2,00 - beim Verkehr mit Oesterreich: 0,50 ./L ^l,00 - 2,00 - 3,00 und 4,00 >8 Danach sind die Gebühren für den Verkehr mit Oester reich mindestens doppelt so hoch, bei vielen Entfernungen sogar noch wesentlich teurer als im innerdeutschen Verkehr; bei Entfernungen bis zu 15 km ist die Gebühr 2>/z mal, von 251—500 km 3 mal und von 26—50 km so gar 4 mal so hoch als im innerdeutschen Verkehr. Es liegt auf der Hand, daß diese hohen Sätze in vielen Fällen die Benutzung des Fernsprechers verbieten und somit nicht die Frequenz der Verbindungen gestatten, die in gleicher Weise im Interesse der Handelswelk, wie der beteiligten Verwal tungen erwünscht wäre. Diese Gebühren sind wesentlich höher, als die beim Fernsprechverkehr Deutschlands mit einer Reihe anderer ausländischer Staaten. So stellen sich im Verkehr mit Luxemburg die Gebühren bei Entfernungen bis zu 50 km auf 0,50 von 51—100 km auf 1 von 101 bi« 500 km auf 1,50 ^c, von 501—1000 km auf 2 -c und für weitere Entfernungen auf 2,50 Der Verkehr mit Oesterreich stellt sich also bei Entfernungen von 26—50 km doppelt so teuer, von 101—250 km um den dritten Teil teurer und bei Entsernungcn von 251 km ab im allgemeinen wieder doppelt so teuer als der mit Luxemburg. Auch der Verkehr mit den Niederlanden erfreut sich niedrigerer Sätze, als der mit Oesterreich. Auch hier erstreckt sich die Grenzzone, wie bei Luxemburg, bis zu Entfernungen von 50 km (aegenüber Oesterreich zu 25 km) bei einem Satz von 50 Die erste Hone des Verkehrs mit den Niederlanden, die der Verkehr sämtlicher niederländischer Orte mit den Orten der Oberpostdirektionsbezirke Oldenburg, Münster, Düsseldorf, Aachen, Köln, mithin Entfernungen bis zu 300 km und weit darüber hinaus umfaßt, weist eine Gebühr von 1 .6 auf. Bei der zweiten Zone, die auf deutscher Seite sich bis nach Schwerin, Magdeburg, Erfurt, Würz burg usw. erstreckt, mithin Entfernungen bis auf mehr als das Doppelte der ersten Zone aufweist, beträgt die Gebühr 1,50 und bei weiteren Entfernungen erhöht sich die Gebühr allmählich auf 2 bezw. 2,50 auch bei den weitesten Entfernungen, die sich bis auf 1000 km und darüber belaufen, steigt die Gebübr nicht über 2,50 Die Gebühr für den Verkehr mit den Niederlanden ist daher zumeist kaum halb so hoch, vielfach sogar noch um einen wesentlichen Betrag niedriger, als für den mit Oesterreich. Auch der Verkehr mit Belgien unterliegt im allgemeinen wesentlich geringeren Sätzen, als der mit Oesterreich; bei Entfernungen z. B., bei welchen nach Oesterreich 2 zu zahlen sind, kommt dort zum Teil nur 1,50 E zur Erhebung. Dieses Mißverhältnis, das zu Ungunsten des Verkehrs mit Oesterreich besteht, erscheint umso auf fälliger, als die Satze im Postverkehr zwischen dem deutschen Reiche und Oesterreich-Ungarn im allgemeinen weit unter die mit anderen Staaten hinuntergeheu und für die meisten Arten durch besondere Verträge auf die Sätze des Binnen verkehrs herabgesetzt worden und. Die Gebühren für den Versand von Briefen, Postkarten, Drucksachen und Warenproben, von Einschreibesendungen, Paketen und Telegrammen sind im Verkehr mit Oesterreich dieselben wie im Innern Deutschlands. Bei den Postanweisungen bestehen bisher allerdings noch höhere Sätze beim Verkehr mit Oester reich. Soweit bekannt, schweben aber zurzeit Verhandlungen wegen Ausdehnung der Postunion auf Postanweisungen. Was bei allen diesen Arten des Postverkehrs möglich ist, sollte auch bei dem Fernsprechverkehr durchführbar sein. Ans den vorstehenden Grüuoen hat jetzt die LreS'.aoer Handelskammer an das Reichs-Postamt das Ersuchen ge richtet, auf die Herstellung einer Fernsprechgebühren- Union mit Oesterreich nach dem Muster der für die meisten anderen Arten des Post- und TelegraphenverkebrS abgeschlossenen Bedacht nehmen und jedenfalls eine mög lichste Herabsetzung der Fernsprechgebühren für den Verkehr mit Oesterreich herbeiführen zu wollen. Man kann nur wünschen, daß dieser Antrag von Erfolg begleitet sei. Speziell Sachsen mit seinen lebhaften geschäft lichen Beziehungen zu dem benachbarten Oesterreich hat an einer Verbilligung des Fernsprechverkehrs mit diesem Lande das allerlebhasteste Interesse. Mmarcktt varriner llerdanSkungen mit kemtigzen im Zsbre 1877. Auf Grund des Briefwechsels R. von Bennigsens und der vorliegenden Veröffentlichungen gibt Hermann Oncken im Junihefte der „Deutschen Revue" eine neue, ausführ liche Darstellung der Varziner Verhandlungen von 1877. Onckens Darstellung ist besonders deswegen bemerkenswert, weil sic diejenige Bismarcks (in den „Gedanken und Erinne rungen") wesentlich ergänzt. An dieser Stelle kann aus Rücksicht aus den Raum nur versucht werden, die Haupt- fachen kurz zusammcnfassend hervorzuhebcn. Am 7. April 1877 hatte Kaiser Wilhelm das Entlassungs gesuch Bismarcks mit seinem berühmten „Niemals" beant wortet und ihm bald darauf Urlaub für unbestimmte Zeit erteilt. Damit war die Stellvertretung des Reichskanzlers im Zusammenhänge mit einer Neuregelung der wichtigsten preußisch-deutschen Ressorts um so mehr zu einer brennenden Frage geworden, je ungünstiger die Finanzlage des Reiches sich gestaltet hatte. Am 10. oder 11. April wurden die An gelegenheiten zwischen Bismarck und Bennigsen besprochen; letzterer erhielt auch die Ermächtigung zu einer vertraulichen Mitteilung an seine Partei: aber einstweilen wurde die Krisis vertagt. Erst im Sommer nahm Bismarck die Ver handlung wieder auf. Nach einer Anfrage des Geheimrats v. Tiedemann, ob Bennigsen eine Einladung zum Besuch des Kanzlers in Varzin auf die Gefahr mißdeutender Preß- crörterungen hin annchmen wolle, lud Bismarck am 9. Juli in einem eigenhändigen, ebenso liebenswürdigen wie humor vollen Briese Bennigsen nach Varzin ein, da dieser jene An frage mit der Erklärung beantwortet hatte, auf törichte Auf fassungen seines Besuches keinen Wert zu legen. Am Abend des 15. Juli dürfte Bennigsen in Varzin ein getroffen sein. Ueber Dauer und Verlauf seiner Be sprechungen mit Bismarck liegen keinerlei Nachrichten vor. Wahrscheinlich trug sich Bismarck schon damals mit dem Ge danken des Eintritts Bennigsens in das Ministerium und wollte sich über Bennigsens letzte Absichten unterrichten. Nicht lange darauf, am 22. Oktober, schrieb Bennigsen seiner Mutter: „Bismarck hat dreien meiner politischen Freunde und auch seiner Umgebung gesagt, ich würde der Nachfolger Eulenburgs werden. Ohne den gleichzeitigen Eintritt noch eines Liberalen, am besten Forckenbccks, ist aber die Position für mich allein, namentlich als Neuprcußen, nicht haltbar und eine feste Unterstützung für mich und das Ministerium leitens der gesamten nationalliberalen Partei nicht zu er warten." Ernsthafter an die Lösung der Krisis hcranzutretcn, ent schloß sich Bismarck erst im Laufe des Dezember. Am 17. Dezember lud er Bennigsen abermals nach Varzin ein und führte dabei drei Gegenstände der Besprechung an: die verfassungsmäßige Ordnung einer Stellvertretung des Kanzlers, eine Modifikation der Reichsämter und ihrer Be ziehungen zu preußischen Ministerien, endlich die Zoll- und Steuerreform. In den „Gedanken und Erinnerungen" da gegen erscheint allein die Notwendigkeit, für den amtsmüdcn Minister des Innern einen Ersatz zu suchen, als Grund der Einladung Bennigsens. Des letzteren Forderung — Ein beziehung Forckenbccks und StauffenbergS — würden nicht so anspruchsvoll erscheinen, wenn man sich vergegenwärtig!, daß Bismarck selbst von vornherein mehr als die Ersetzung eines preußischen Ministers im Auge hatte. An jener Ein beziehung Forckenbccks und StauffenbergS aber hielt Bennigsen in neuen Beratungen mir Lasker und Jorckenbeck fest. Jorckenbeck kalte eingestandenermaßen die Bedingung mit dem Hintergedanken gestellt, es möchte die Verhandlung daran scheitern. Bei der Verhandlung war von einer Ein führung des Tabakmonopols nicht die Rede; über eine höhere Besteuerung des Tabaks kam es zu einer Verständigung. Die Frage der parlamentarischen Einnahmebewilligung in bezug auf die Reichssteuern, welche die Matrikularbciträge ersetzen sollten, blieb offen. Dem Wunsche Bennigsens, Finanzminister zu werden, stellte sich Bismarck nicht ent gegen, jedoch betreffs des Eintritts Forckenbccks und StauffenbergS in das Ministerium machte Bismarck der Wahrheit gemäß auf die Grenzen seines Einflusses beim Kaiser aufmerksam. Es ist bekannt, wie ungnädig der Kaiser, unter dem Einfluß des Grafen Eulenburg, seinen Kanzler die Verstimmung über die Möglichkeit einer Ministerkandidatur Bennigsen empfinden ließ: mit größter Entschiedenheit hat sich der 80jährige Monarch einer Ver stärkung des liberalen Elements in der Regierung in den Weg gestellt. Jede weitere Verhandlung mit Bennigsen ver bot sich so für Bismarck, wie er in den „Gedanken und Er innerungen" schreibt, von selbst. Gerade an dieser Dar stellung hat Bennigsen Anstoß genommen, sich durch sie — die Oncken als zu Recht bestehend anerkennt — tief verletzt gefühlt. Allerdings war man in Varzin unter Wendungen ge schieden, die eine Fortsetzung der Verhandlungen in Berlin verhießen. Von dem Eingreifen des Kaisers Bennigsen in Kenntnis zu setzen, hielt Bismarck im politischen Interesse nicht für zweckmäßig. Statt dessen ließ er seinen Sohn Herbert in einem Schreiben an Bennigsen vom 2. Januar 1878 das Mißtrauen der Liberalen auf den Grasen Eulen burg, dessen Intrige aufgedeckt wurde, mit Geschicklichkeit ablenken. Daß in diesem Schreiben von den Ministerkombi nationen nicht mehr die Rede ist, sondern nur von „geschäft lichen Besprechungen zwischen dem Vorsitzenden des Land tages und einem Minister", deren sich eine sensationslustige Presse bemächtigt habe, fiel Bennigsen um so weniger auf. je freundlicher der Ton, je offenherziger die Aufklärung über Eulenburgs Intrige. So unterlag er der Täuschung, daß die Verhandlungen demnächst wieder ausgenommen werden sollren. Bismarck ließ ihn absichtlich in diesem Irr tum, und auf solche Weise entstand ein Unterschied der Auf fassung, indem später beide Männer die Initiative zu» Ab bruch der Verhandlungen für sich in Anspruch nahmen. Bennigsen war zu gerade, zu offen und zu wenig miß trauisch, um dem, was in dem Schreiben Herbert Bismarcks stand und nicht stand, die wirklichen Schwierigkeiten zu ent nehmen. Daß Bennigsen seinen Eintritt ins Ministerium von Be dingungen abhängig machte, hat nicht nur seine eigene Lauf bahn, sondern auch die deutsche Parteientwickelung ent scheidend beeinflußt, und ist ihm von manchen Seiten ver dacht worden. Oncker findet sein Verhalten begreiflich. Denn als Minister des Innern hätte er gegenüber dem kon servativen Beamtenkörper allein eine schwache Stellung gehabt, als Finanzminister wäre er allein weder im Mini sterium, noch in seiner Partei der nötigen Unterstützung sicher gewesen. Ohne Rückhalt am Monarchen, hätte er bald seine Ueberzeugung oder sein Amt opfern müssen. Deutsches Deich. Leipzig, 3. Juni. * Hofnackrichteu. Die Kaiserliche Familie wird im nächsten Frühjahr zum ersten Mal im Archilleon Aufenthalt nehmen. Bauliche Veränderungen brauchen an dem Schloß bau nicht vorgenommen zu werden, dagegen sollen die Wohn räume nach deutschem Geschmack möbliert werden. — Bom bayerischen Königshanse werden Prinz und Prinzessin Leopold sowie der Herzog und die Herzogin Karl Theodor zu der am Dienstag stattfindeuden Eiuweihuuz des Denk mals der Kaiserin Elisabeth, der Mutter der Prinzessin uud Schwester des Herzogs, nach Wien reisen. — Landgraf Chlodwig zu Hessen-PhilippSthal hat das Groß kreuz Les Roten AdlerordeoS erhalten. * Tcr ReichStagSabgeordnctc und bayrische Landtras- abgeordnete Nissler (Bauernbund) ist in Alfershausen eiuem Herzschlag erlegen. * Tie Moltkc-HarLcn Afsärc. Ja Sachen LeS Grafen Kuno Moltke wird in einer Berliner Korrespondenz des Pariser Temps gesagt. Laß die Angriffe Hardens in der Zukunft gegen Moltke sich wahrscheinlich auf Dokumente stützen, die ihm durch deu Wirkt. Geh. Rat v. Holstein mit geteilt worden seien, und dieser habe sie von der Frau eines der Beteiligten empfangen. Damit soll, wie man der Frankfurter Zeitung aus Berlin von besonderer Seite schreibt, auf Briefe aogefpielt sein, die die geschiedene Frau des Grafen Moltke dem Herausgeber der Zukunft gegeben habe. Herr v. Holstein habe mit dresen Briesen sicher nichts zu tun. Die Bekannscbaft des Heraus- aeberS der „Zukunft" mit Herrn v. Holstein sei jüngeren Datums als die Kenntnis jener Briefe, auf welche die An griffe der „Zukunft" sich angeblich stützen sollen. — Auch die „Germania" weiß allerlei zu erzählen. „Den letzten Triumph", so schreibt sie, „erlebte Eulenburg iu der Ernennung deS Herrn von Tfchirscbly zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes; der Reichskanzler wünschte den UvterstaatSsekretär von Mühlberg an dieser Stelle. Es ist auch kein bloßer Zufall, daß Fürst Bülow am 30. April 1907 eine große Rede des Staatssekretärs v. Tschirschky ankündigte, die be kanntlich bis beure nicht gehalten worden ist; denn in jenen Tagen ging die kaiserliche Gnadensonue dem Eulenburgfchen Klub unter, und noch weniger isi eS Zufall, daß beim Bankett zu Edreu der eagliichen Journalisten UnterftaatS- sekretär von Mübtberg die bekannte Rede gehalten bat, und nicht Staatssekretär v. Tschirscbly. Diese Rede wird jetzt von allen offiziösen Blättern über den grünen Klee gelobt. Es war gleichzeitig lie Karididalenreve für die Stelle des StaalSfekrctariateS des AuSwirngen Amtes. Die Entlassung Molt^S zieht nämlich noch weitere Kreise. — Mau wird gut tun, allen diesen Gerüchten gegenüber sich auf eise» ab-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite