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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070603027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907060302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907060302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-03
- Monat1907-06
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Umgebung di« 6 gespaltene Petit zelle 25 Pf„ finanziell« An zeigen 30 Pf^ Reklamen 75Pf.; von auswärt« 30 Pf., Reklamen I M.z vom Ausland 50 Pi., fiuanz.Anzeigen75 Pf,. Reklamen 1-50 M. Inierate v. Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Betlagegebühr 5 M. p. Tausend exkt. Post gebühr. Geschästsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarii. Festerteitte Aufträge können nicht zurück gezogen werdeu. Für da« Erscheinen au depimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AugustuSplatz 8. hei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- ExpeLttioaea In- und AuStandeL. Haupt-Filiale Berlin: Tar lD u n cke r^Herzgl-Bayr-tzosbachhandlg., Lützowstrahe 10 (Tel. Vl. 4603). Nr. 152. Montag 3. Juni 1907. 101. Jahrgang. Vas Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegaugeuen Depeschen stehen auf der 3. Seite des Hauptblattes^ Tie englischen Aournatifte» in München. Gestern abenv sand, wie schon kurr gemeldet, im alten NaihauSsaale zu Ehren der englischen Journalisten ein Fcst- bankett statt, welchem die Minister Povewils und Miltner, der englische Mmisterresidenl und ein großer Teil der Künstler- und Schristüellerwelt beiwohnten. Bürgermeister Brunner loastete aus König Eduard. Ellerthorpe („Daily Tele graph* *) toastete auf den Prinz-Regenten und Kaiser Wilhelm und sagte dabei, wenn manche Leute behaupten, Deutschlands Gedeihen sei Englands Ung ück, so sei das Unsinn, denn die Sonne England« wird nicht untergehen, wenn die Sonne Deutschlands aufgeht. Minister Mtltner begrüßte die englischen Preßvertreter namrnS der bayerischen Staats regierung, die wie alle deutschen Regierungen über den Besuch lebhafte Freude empfinde. Pryor- London („Tribunff') und Cumming („Morning Av- vertisrr") brachten ein Hoch auf Berlin und München aus. Der Verleger der „Münchner Neuesten Nachrichten" Hirth begrüßte die Gaste in längerer Rede namens der Münchner Journalisten und des Schriftstellervereins, gab seiner Bewunderung des englischen Volkes, des Landes und des Staates lebhaften Ausdruck uud schloß mit einem Hoch auf die lieben und verehrten englischen Gäste. Baily von den „Western Morning News" in Plymouth erwiderte mit einem Trinkspruch auf die deutsche Presse und betonte, man müsse zwischen einem gewissen Teil dir Londoner Presse, die ver hetzend gewirkt habe und der englischen Prooinzpresse unter scheiden, die sich in ihren Sympathien von jener nicht stören lasse. Alle Reden wurden mit lebhaftem Beifall ausge nommen. Das ganze Fest trug, wie der Lunch, einen sehr herzlichen Charakter. Ueber die uugarische Krisis schreibt die „Wiener Allg. Corr/': Nach Aeußerungen einzelner Minister sei vorläufig noch kein Grund zu einer allzu pessimistischen Beurteilung der Situation vorhanden, und man könne daher auch noch nicht von eiuer Ministerkrise sprechen. Es sei wohl richtig, daß zwischen der Krone und der Regierung hinsichtlich der Berfafsuugsgaraatien und anderer politischer Fragen nicht unwesentliche Gegen sätze entstanden sind, doch seien die Dinge noch nicht so weit gediehen, daß an die Unmöglichkeit einer Ausgleichung der bestehenden Gegensätze geglaubt werden müßte. Es seien im Gegenteile alle Aussichten vorhanden, daß die Meinungs verschiedenheiten beseitigt, und in naher Zeit eine Ver ständigung erzielt werden würde. Im gegenteiligen Falle müßte die Demission des Gesamtkabmetts erfolgen, da es sich iu allen strittigen Fragen solidarisch erklärt habe. — Diese gewundenen Worte stimmen zu den übrigen Nachrichten, welche die Lag: als sehr ernst bezeichnen. Norwegische MtotsterkrislS. Die .ohende MinisterkrisiS infolge der Differenzen zwischen den Mitgliedern des Kabinetts über Mclitarfragen ist nunmehr akut geworden. Der KabinettSchef Michelsen wartet nur noch auf die Rückkehr des Königs, um die De mission zu überreichen. — Das wäre der erste Minister wechsel im selbständigen Norwegen. Michelsen war der kiogsmalrer. Die Winzer. Ueber die gestrige Masseu-Manifestation wird noch ge meldet: In NimeS wurde Marcelin Albert, der im Automobil eintraf, von 200 000 Manifestanien stürmisch bewillkommnet. Seine Rede war weniger aufregend als man erwartet hatte, weil man der durch den Ausstand der Seeleute stark in An'pruch genommenen Regierung Zeit lassen will, annehm bare Vorschläge zu machen. An der Kundgebung nahmen auch Soldaten der Garnison Agde teil, die von ihren Vor gesetzten Urlaub auf Wünsche der Angehörigen erhallen batten. — Wir finden die Rede nach dem Mitgetectten gerade drohend genug. — AusPerpignau wird noch gemeldet: 300 Winzer, welche unentgeltlich zu der Demonstration in NimeS fabren wollten, stürmten den Bahnhof und bestiegen einen Zug. Gendarmerie schritt ein, es kam zu einem Zusammenstoß, bei welchem die Beamten blank ziehen mußten. Eine Anzahl Personen erlitt Verwundungen. Italienischer Flottenbesuch in Llambul. Der italienische Botschafter zeigte dem Sultan bei der gestrigen Audienz an, daß Admiral Brochetti, der Komman dant des italienischen MittelmeergelchwaderS, im Laufe dieses Monats dec türkischen Hauptstadt einen Besuch machen werde. Eine bulgarische Oppositionspartei. Ja Sofia wurde nach einer dreitägigen Tagung der Parteitag der Radoslawow-Partei geschlossen, der von 900 Provinzverbänden besucht war. Eine Resolution wurde an genommen, welche unentgeltlichen Schulunterricht, Beköstigung der Kinder in der Schule auf Staatskosten, Proportional wahlen und Wahlpflicht, sowie freundschaftliche Beziehungen mit den Staaten, tue für eine Autonomie MkaedonienS ein treten, fordert. Die französische Landung in Tetuau. Die „Kölnische Zeitung" meldet aus Tanger von gestern: Berichten auS Ceuta zufolge bezweckte die Landung franzö sischer Truppen in Teiuan, einen Druck auf den dortigen Gouverneur auSzuüben, um den von französischer Seite be absichtigten Ankauf von Terrain zwischen Ceuta und Tetuan abzuschließen. Die Truppen werden sich nach Erreichung dieses Z-.eüeL wie lcr cinschisfeu. politisches. Die Lehrergehältcr in Preußen. Am 5. Juni d. I. tritt das Aboeordnetenhaus wieder zu sammen. Eine seiner ersten Arbeiten wird die Bewilligung von Teuerungszulagen an die verschiedenen Klassen der direkten Staatsbeamten sein. Die Rcichsbeamten erhalten bekanntlich schon seit dem 1. Juni a. I. die ihnen bewilligten Zulagen in barem Gelde ausbczahlt. Die Volksschullchrcr haben auf eine staatliche Teuerungszulage verzichten müssen, weil das Inkrafttreten des neuen Besoldungsgesetzes sür den 1. April 1908 in sichere Aussicht gestellt worden ist. Ob das aber „sicher" cintreffen wird, kann zurzeit niemand wissen, da bekanntlich Herrn von Studts Bleiben im Amte oder sein Rücktritt vor dem Herbste, wo das Gesetz vorgelegt werden muß, noch ganz ungelöste Rätsel stad. Nach den einmütigen und klaren Beschlüssen des 4. Preußischen Lehrertages zu Magdeburg erschien cs nunmehr durchaus wünschenswert und angebracht, daß die Regierung und die Parteien des Abge ordnetenhauses zu den Forderungen der Lehrerschaft klar und bündig Stellung nehmen. Das muß nach den monate langen unsicheren Andeutungen und Vermutungen beruhi gend und aufklärend wirken. Künstliche Verdunkelungen der wahren Absichten über die Lchrerbesoldungcn haben gar keinen Zweck: denn sie schaffen nur unnütze Arbeit und »er- größern die Verwirrung und dos Mißbehagen in den Reihen der Lehrer. Eine runde unzweideutige Erklärung von oben her könnte auch die vielen auf dem Lehrertage kursierenden Gerüchte zerstören, wonach die Regierung gewillt sei, die Praxis der sogenannten Provinzialkonserenzen weiter fort zusetzen und etwa drei Gehaltsgruppen zu bilden mit Grund gehältern von entweder 1200 L oder 1350 ^(, oder gar 1500 Mark, den ersten Satz sür Land und Kleinstadt, den zweiten für Mittel- und den letzten für Großstädte. Von den Alterszulagcn hörte man überhaupt nichts. Die Lehrer for dern bekanntlich gleiche Besoldung unter Beseitigung der ört lichen Verhältnisse. Dazu gehört aber eine Aenderung der Verfassung: denn der bisherige Modus — die Gemeinde mit Hilfe des Staates als Zahlungspflichtige — ist für eine große Anzahl unzulänglich und veraltet. Wenn in dem mit Sicherheit zu erwartenden Streite der Ansichten und Meinungen hierüber die ganze Desoldungsregulierung der Lehrer zum Scheitern kommt, ein Fall, der zahlreiche Analo gien bat, dann sind die Lehrer zum zweiten Male den direkten Staatsbeamten gegenüber im Nachteile, was im Ernste weder die Regierung noch die Vertreter des Volkes wünschen und zugcben können. Die unausbleibliche Wirkung muß eine bedenkliche Vergrößerung des herrschenden Lehrer mangels sein: denn wie die Berichte der pädagogischen und der Lokalpresse nachweisen, bleibt trotz der zahlreichen Neu gründungen von Seminaren und Präparandenanstalten der Nachwuchs hinter dem tatsächlichen Bedürfnis weit zurück. Zwangsmaßregeln, wie: Versetzen der Lehrer aus dem Westen nach dem Osten, erhöben nur die Unbeliebtheit des Lchrerseins und Lehrerwerdens. * * Dom Bodensee zum Meer. Auf der Hauptversammlung des bayerischen .Kanalvereins in Lindau empfahl Prinz Lud wig, nach dem Muster Schwedens den Bodensee durch An schluß an die Rheinschiffahrt mit dem Meere in Verbindung zu bringen. * Nißler f. Wie wir schor heute früh kur: meldeten, ist der Rcichstagsabgeordncte Tobias Nißler plötzlich in seiner Heimat Alfershausen (Bez.-A. Hilpolstein in Mittelfranken) an einem Herzschlag gestorben. Er wurde dort am 23. November 1853 geboren, hat also nur ein Alter von 53 Jahren erreicht. Er erlernte das Metzger gewerbe und übte es im Nebenbetriebe noch bis zu seinem Tode aus, seitdem er schon 1883 seinem Vater folgend Land- wirt geworden war; 15 Jahre bekleidete er in seiner Ge meinde das Amt eines Bürgermeisters, wurde 1886 Mitglied des Distriktsrats und 1894 des landwirtschaftlichen Kreis ausschusses sür Mittelsranken. Er war auch Mitglied der evangelisch-lutherischen Generalsynode. Politisch gehörte er der konservativen Partei an. Er wurde 1898 zum ersten Mal sür den 5. mittelfränkischen Wahlkreis Dinkelsbühl in den Reichstag- gewählt, den er auch nach den Wahlen von 1903 und 1907 im Reichstag vertreten hat. Bei der letzten Wahl siegte er mit 8387 Stimmen (1903 : 7589) gegen 3419 nationalliberale, 2510 Zentrum und 625 sozialdemokra tische Stimmen schon im ersten Wahlgang. Der Wahlkreis dürfte auch bei der nun notwendig werdenden Ersatzwahl seiner Partei erhalten bleiben. * Freunde evangelischer Freiheit. Im Mittelpunkte der in Düsseldorf abgehaltenen Generalversammlung des Ver bandes der „Freunde evangelischer Freiheit für Rheinland und Westfalen" stand ein vortreffliches Referat des ver dienstvollen Vorkämpfers evangelischer Freiheit Lic. T r a u b - Dortmund über das Thema: „Unser gutes Recht in der evangelischen Landeskirche". Die Hauptarbeit gelte, so führte der Referent u. a. aus, dem andauernden Protest gegen die Katholisierung der evangelischen Kirche. Das Ziel wahrhaft evangelischen Strebens müsse jein, das Gewissen wieder als selbsttätige Macht des einzeln zu wecken und zu schärfen. Die Orthodoxie freilich, und zwar sowohl die aus der Kanzel, wie die in den Behörden, habe Furcht und Angst vor dem Denken. Der Redner skizzierte dann eingehend die Positiven Leistungen der Freunde evangelischer Freiheit in der Kirche. In der Diskussion, die sich an diesen mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag anschloß, wies der national liberale Landlagsabgeordnete Dr. Beumer treffend darauf hin, welche Inkonsequenz die Orthodoxie begehe, in dem sie die Steuern der Liberalen voll und gern nehme, ihnen aber die Rechte verkürzen wolle. * Znm Berliner Bäckerstreik wird gemeldet, daß zahl- reiche Bäcker, die die Forderungen der Gesellenschaft be willigten, in der Sonntagnacht in große Verlegenheit gerie- ten, weil ihnen infolge des Beschlusses der Hefefabrikanten die zur Herstellung des Weißbrotes erforderliche Hefe fehlte. In später Stunde traf zwar noch eine Sendung von neun Zentnern Hefe ans Hamburg ein, die sofort im Streikbureau verteilt wurden. Biele Bäckermeister mußten sich aber lo gut wie möglich mit Weißbierhefe begnügen. Im Lause des gestrigen Tages kamen einige Zentner Hefe hier an. — Am Dienstag abend werden in Groß-Berlin 24 Volksversamm lungen abgeholten werden, m denen „über den Bäckerstreik und die Frauen" referiert wird. * Der Kamps um Ärnpp wird in Italien fortgesetzt. Der „Messagero" glaubt mitteilen zu können, daß der Paria- mentsausschuß, der mit der Prüfung des Kruppschen Mate rials beaustragt war, die Güte des Materials, besonders der Batterien und Granaten, anerkannt haben. DaS Blatt be hauptet, daß das Kruppmaterial nicht derselben Prüfung unterzogen lei, wie das aus italienischen Werken stammende Zur Bekräftigung weist das Blatt daraus hin, daß auch die Regierung denselben Standpunkt einzunehmen scheine, indem sie mehrere italienische Werke mit der Herstellung vcsti, 68 Batterien beauftragt habe. * Die französischen Seeleute. Der Ausstand der einge schriebenen Seeleute nimmt seinen Fortgang, ohne daß ernstere Ruhestörungen vorgckommen sind. In Marseille haben sich die Offiziere des Postdampfers „Jolv" geweigert, abzufahren. In Saint-Nazaire haben sich die Kapitäne fnr lange Fahrten dem Ausstande angeschlossen: sie gelten des halb als von ihrem Posten zurückgetrcten. In einigen Häsen haben sich Zwischenfälle ohne größere Bedeutung ereignet, so in Havre und Nantes. * Tie Frcnudc. Aus Ajaccio wird gemeldet Anläßlich der Landung von 100 Matrosen des englischen Kriegsschiffes „Laucastcr" sanden große Sympathiekundgebungen statt. Feuilleton. s — — Die Kunst des Umgangs mit Menschen be steht darin, sich geltend zu machen, ohne andere unerlaubt zurückzudcangen. Adolf von Knigge. Mer mit vielen umgeht, treibt einen Klein handel. bei dem es zwar viel zu tun, aber wenig zu erwerben gibt. Adolf von Knigge. Man sollte nur den Umgang solcher Menschen suchen, denen gegenüber man sich zusammen nehmen muß. Ernst von Feuchtersieben. Das Veste, was wir können, hoben wir nicht aus Büchern gelernt: es fliegt uns an im Um- j gang mit Natur und Menschen. Wilhelm Heinrich Riehl. Ne«es von Novalis Die Wieveryeburt des rom-curti sehen Geistes in uniever Zeit hat mit einer Entdeckung des Novalis begannen. Nachdem Rud. Haym und Willh. D-lthey ein wissenschaftliches Ver ständnis dieses früh gestorbenen, fragmentarisch sich offen- lmren-den Dichtergefftes angabahnt hatten, sind viele der Neu romantiker in die unterirdischen Labyrinhc seiner Weisheit gestiegen; Maeterlinck hat „Die Lehrlinge von Sois" übcr- ieyt und viel aus dem mystischen Brunnen seiner Gedichte ge schöpft; enge Zusammenhänge mit Nietzsche sind von Ivel nachgewiefen worden. Natürlich ließen auch die Neuaus gaben seiner Werke nicht auf sich warten und seine „Ge dichte", sein „Heinrich von Ofterdingen" liegen in zahl reichen, billigen und teuren, guten und schlechten Beröffenr- lichungen vor. Aber eine kritische, abschließende Ausgabe, die den Nachlaß des Dichters vollständig verwertet hätte, ließ auf sich warten und erwies sich, als sic endlich unternommen wurde, dann als wnyureichend und fchlerhaft. Es war dos die große Ausgabe von Ernst Heillwru, die zum ersten Male die Schätze des Hardenbergschen Familienarchivs in Ober- wiederstedt ausschöpfen durste und bei dem alten Verleger des Novalis, Georg Reimer, erschienen ist. Zwei genaue Kenner der Romantik und der schwierigen Haudichriftenoer- halttnfse, der Oilologrsche» Probleme, wu denen gerade eine sorgfältige Herstellung des Nov.il issch an Textes zu kämpfen hat, Jacob Minor und Oskar Walzel, erhoben schwere Vor- würfe und Bedenken gegen diese Ausgabe, in der die Hand- ichriften ziemlich wahllos zu-sommengedruckt und die endgül tigen Fassungen vernachlässigt waren, die eine Fülle von Versehen und Fehlern in den Lesarten, eine falsche Anorr>- nung und unkritische Wiedergabe der reichen Fragmenten massen enthielt. Eine neue bessere Ausgabe mußte aus der Grundlage Lieser Publikation gefordert werden, und der Wiener Professor Jacob Minor Hai sic n-ui im Vertane bei Eugen Diederichs in mustergültiger Weise gegeben. Schon vor fast einem Vierteljahrhunderl hatte der Gelehrte diesen Plan gehegt und seine Studien -dazu gemacht; aber er fand damals keinen Verleger; die Zeit für Novalis war noch nicht gekommen. Nun liegt die ganze, in wenigen Jahren der Vollendung so reich a-ufgoblühte Saat des Novalisschen Lebonswerkes in vier schönen Bänden vor uns ausgebreitet, nm eine Reihe wichtiger J-ugendgedichtc bereichert, einen Einblick in das inmerc Schaffen gewahrend durch den Ver gleich von Entwürfen und ersten Fassungen, in schöner, über sichtlicher Gruppierung alle Linien der Entwicklung rein aus- prägend. Besonders das allmähliche Erivachien des roman tischen Empfindens in diesem reichsten Dichter der Fvü-H- romanti-k und damit die eigentliche innere Entstehung der Romantik selbst können wir jetzt in der Minorschen Ausgabe deutlich verfolgen. Erft die neuhinzugakommenen Stücke, die hier gewonnenen Resultate schließen den magischen Kreis dieses Lebens. Ganz ähnlich wie Goethe hat auch Novalis mit allerhand dichterischen Tändeleien und Nichtigkeiten begonnen, die ihn unendlich fern von seinem späteren Wesen erscheinen lasten und erst ganz leise hinter den formalen Nachahmungen eigenes Fühlen zu ahnen gestatten. Dennoch ist es auffällig, wie bald ichon Novalis bei seinen Vorbildern gerade jene romantffctzen Stimmungen sucht, die sich in den Zeiten der Empfindsamkeit und des „Sturm und Drang" schon so vielfach hervorwagten. Der junge Novalis ist eim eifriger Verehrer Klopstocks und Bürgers. Im klassischen Odenton stammelt er die dunklen Anspielungen «des Messias-Sängers nach und begeistert sich für den Traum altycvmonischer Poesie. Die Liebe zur Vor zeit ist dem Jüngling Novalis bei der Lektüre Klopstocks, seiner „Bardite", seiner phantastischen „Gelehrtonrepublik" eim- rioies Erlebnis geworden. Die Verse, die er „bei dem Falckenstein, einem alten Ritterschloß am Harz" gedichtet, bc- singen schon diesen „Geist der Vorzeit, der mich mit süßen Bildern erfüllte", und atmen ei-ne starke Sehnsucht nach den Wundern der Vergangenheit. Doch neben den inhaltlichen Anregungen bat Novalis auch einen tiefen Einfluß von der melodisch feinen Formkunst empfangen, die Klopstock pflegte. Ebenso zogen ihn die graziösen, molodienreichen Gcdichtchen mancher Anakreontiker, wie Gleim und Jäh. Georg Jacobi, daun auch der Hainbunddichter, in ibren Bann. Die starke Sinnlichkeit seines Naturells, die später, nachdem ihm alle irdische Seligkeit 'chal geworden, in der Wollust des Todes und der Ewigkeit Frieden suchte, lebt sich in einer zarten An mut aus, die der Dichtung Holtys am nächsten sicht. In manchem zeigt ja der jung gestorbene „holde Sänger, der aus einer Nachtigall ward und gleich ihr früh verstummte", den zudem die gleiche müde Melancholie der Schwindsucht wie Novalis ins Grab zag, eine nahe Gemeinschaft mit dem romantischen Dichter, dem freilich alle Liebesklagen umid der bleiche Schimmer der Mondscheinnächte nur Durchgang Sybase für ein tieferes ewiges Dichten sein konnte. Die reizenden Sächelchen, die ibm im Tor- Jacobis und Gotters gelangen, h-aben ihn nicht befriedigt. Die „vom Saft der stieben ge kühlte" Weisheit des Pbanias aus Wielands neckischem „Musarion", von der er in einem Liede singt, konnte ihm nicht genügen. In einem wundervollen Gedicht „Klagen eines Jünglings" bricht unter der crnakreon tischen Ornamentik ein l-eidemchanlicher Ton der Sehnsucht -nach Größe, nach Taten durch. Es war wohl die Zeit, da Novalis, nach einem in mancherlei Verirrungen und Fährm-issen des Leibes und der Seele verbrachte Leipziger Jahr s1792), den Entschluß gefaßt hatte, Soldat zu werden Kriegerische Bilder klingen oenn auch an, vor allein aber sehnt sich der spätere Deryerr- licher der Kraßheit und seelischen Not ahnungsvoll prophe tisch nach einer harten Prüfung: „O! so nimm, >oas Tausende begehrten, Was mir üppig deine Milde lieh, Gib mir Sorgen, Elend und Beschwerden, Und dafür dem Geiste Energie." Als später seine Braut Sophie von Kühn ihm hinifvarv, hat ihn wirklich sein Schicksal mit dieser Weihe des Schmerzes überreich gesegnet. Sein dichterischer Mentor wird dann auf lange Zeit Bürger, den ja auch in seiner Vorliebe für Volkspoesie und Mittelaller so vieles mit der Romantik verbindet. Novalis versucht sich ferner auch in dem derb burschikosen Ton des „Sturm und Drang", schwelgt in den BiÜurn häuslichen idyllischen Glücks mit Weib und Kind, die auch in seinen Briefen aus Wittenberg )1793) wiederkehren und er, der Dichter der „Hymnen an die Nacht", lobt sich das Erdenloben mit seinen herzhaften Freuden. Damit verbinden sich, wie z. B. in der ironisch ernsthaften, halb burlesken und halb ehrlich gerührtem Romanze vom gefundenen Lchatz", wunder, sa-me und, miraikulöse Stoffe, Legenden und Gespenster geschichten, wie sic bei den Poeten der absinkcndeu Gerrie- periode beliebt waren. Graf Leopold Stolberg, dieser Ro mantiker. der Romantik, Rittertum und Katholizismus begeistert besungen, wird zeitweise sein Vorbild; so dichtet er ein Gedicht „An mein Schwert", das sich deutlich an Stoi- bergs bekanntes „Sohn, hier hast du meinen 2peer" anlehnt. „Wodmotläck-elnd" liest er in Wielands „Oberon", diesem Ritt ins alte romantische Land, und die bunten Märchenbilder orientalischer und heimischer Phantasie, wie sie sich in Wie lands „Dschinnisten" und den Volkssagen des Muffins vor fanden, locken ihn zu eignem Sinnen und Fortspinnen luftiger Traumgebilde. Auf eioier Reise im Harz, einer Wanderung zur Roßtrappe hat damals Novalis auch den Reiz einer weiten wechselnden Landschaft für sich entdeckt, jene wundersame Liede rfpiegelung Les Gemüts in der Natur erfahren, die in seinem „Osterdivuaen" lebt und die später nur noch David Kaspar Friedrich in ieinen Bildern so wundervoll ausgedrückt. M.r vielem Anteil besichtig! er in Halberstadt das große Kloster uns versenkt sich in die mönchische Stimmung. So wirken romantische Anregungen oon überall her aut den jung»-: Novalis ein, und seine Fortentwicklung ver stärkte und förderte diese Ansätze. Eine heftige Begeisterung für S ch i l l e r, der er in einer nur fragmentarisch erhalte nen „Apologie" Ausdruck verlieh, führte ihn- zum Studium -der Philosophie: besonders mit Fichte und Schelling hat er sich dann in seinen Fragmenten auseinandergeseyr. Dcr „Wilhelm Meister" wurde für Jahre sein Lieb Ong-buch, nachdem er schon vorher in einem unvollendeten Drama „Amnz von Kausfuingen" die „altdeutsche" Holzichnittm inier des „Götz" und des sich anschließenden Rittertums unselbst ständig nachgeahmt hatte. Dock, allmählich bildete sictz in Novalis ein starker Gegenfatz zu Goethe aus. Er vci- urteilte die sittliche und pädagogische Tendenz des „Meister' verlangte ein unbewußtes und zweckloses Schaffen, ein herr liches und geniales Spielen mit Worten. Worte „sind ef.ie Welt für sich: sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur aus, und eben darum sind sie so ausdrucksvoll". „So fft es auch mit der Sprache", heißt es in dem ersten der tiefsinnigen „Monologen", „wer ein feines Gefühl, ihrer Applikatur, ihres Taktes, ihres musikalischen Geistes ba-t, wer in sich das zarte Wirken ihrer inneren Natur vernimmt und danach feine Zunge und sein« Hon» bewegt, der wird oin Prophet fein . . . Denn ein Schriftsteller ist wohl nur ein Sprachbsgeistcrtcr?" Novalis hat hier den extremsten Grundsatz der stark paur stni-t-Theoric ausgestellt, aber er hat dieses „Musizieren mit Worten" in den ,^Hvm»en" und dem „Ofterdingen" in vollendeter Form er reicht. Auch in seiner Weltanfchauuua strebte er, je näher er der Reife und dem Ende kam, desto eifriger der äußersten Konsequenz zu In seiaem erst unterdrückten und spät dann in die Werke aufgenommenen Aufsatz: „Die Ehristenkett oder Europa" hat er dos maßgebende Manffost der Romantik ge geben, die völlige Absage an di« Aufklärung. Aus den Frag menten sieht man, wie schwer und gründlich Novalis mit dem Nationalismus gerungen hat. Von Hamann, dem dunkel magischen Fragmankisteu, der noch Len Wundern des Orients gewiesen, besonders von Herder vor allem hat er die Waffen geliehen. Der schwärmerische Zug in Jean Pauls hymnisch phantastischen Romanen b-sstärckte ihn: überall wußte er die geheimen Unterströmungen des Gefühls herausznfinden. Dem schönen Lessingsclren Bilde vom Tode der Griechen gab er eine ganz mystisch-christliche Deutung Aus der Laokovngruppe strömte eine tiefe schwere Wollust ihm zu. Ekstase und Krankheit wurden ihm die b erd an heiligen Erlöser aus des Lebens Banden Nacht, Dämmerung und ungewiß spielende Schatten botm i-hm Zuffuchk vor der Grelle und Frechheit d-»S Lichts, des küblen Verstandes Die alte Mystik ward in ibm lebendig in einer bellen, 'ckiarien, last mathematischen Jn- brucvsr und formt« sqm Weltbild zu einam typifch romaa-
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