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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070607024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907060702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907060702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-07
- Monat1907-06
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Umgebung di« «gespaltene Petitzeile 25 Pf^ finanzielle An zeigen 30 Pf^ Reklamen 75Pf.; von an-wärtS 30 Pf., Reklamen 1 M.z vom Ausland 50 Pf., fin an z. Anzeigen 75 Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v.Bebörden im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegrbühr 5 M. p. Tausend exki. Post gebühr. GeschästSanzeigen an bevorzugter «teile im Pr-ise erhöht. Rabatt nach Tarn. Feslerteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für das Erscheinen an betlimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AugustuSPlatz X, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Exprditionen des In- und Auslandes. Haupt-Atltale Berlin: CarlDunck e r, Herzgl.Bayr.Hosbuchhandlg., Lützowsiraß« 10 (Tel. Vl, 4603'. 1V1. Jahrgang. Vas Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegangenen Depeschen stehen auf der 3. Seite des Hauptblatte»^ Konferenz prcutzischcr LandwirtschaftSkammcru. Fn Kassel begann eine dreitägige Konferenz der Vor stände der preußischen LandwirtschaftSkammern. Es nehmen 69 Mitglieder von sämtlichen 14 Kammern teil. Als Minisierialvertreter find anwesend die Geheimen Oberregie rungsräte Schröter und Heinrichs, Landesökonomierat Olden burg und Geheimrat Freiherr Falkenhausen, ferner nehmen die Spitzen der Provinzbehörden teil. Die Beratungen sind nichtöffentlich. An die Konferenz schließen sich Besuchsreisen nach dem Hauptgestüt Beberbeck und den Behringschcn In stituten in Marburg. Preussische Bcamtcnfürsorgc Die Budzetkommifsion des Abgeordnetenhauses hat den Antrag auf Bewilligung von 5 Millionen als Teuerungs zulage für die mittleren Beamten angenommen. Aufgehobenes Urteil. Das Urteil des Schöffengerichts Auerbach hatte dem Sozialdemokraten Hoffmann (Zehngebote - Hoffmann) drei Wochen und zwei anderen „Genossen" je zehn Tage Ge fängnis zudiktiert, weil sie bei der letzten Reichstagswahl gelegentlich von Besuchen der Lungenheilstätte Albertsberg Hausfriedensbruch begangen hatten. Dieses Urteil ist nun mehr vom Landgericht Plauen ausgehoben worden. Alle drei Verurteilten wurden freigesprochen, die Kosten der StaatSkaffe auferlegt. Vom Deutsch-russischen Verein. Der Deutsch-russische Verein hielt gestern in Berlin im Palasthotel unter starker Beteiligung seine neunte ordentliche Mitgliederversammlung ab. Anwesend waren u. a. Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Handelsministeriums, ver- ichiedener industrieller und kausmännijcher Korporationen sowie cer rassische Generalkonsul v. Arziuowioz. Nach den Be grüßungsansprachen hielt der Handelsattache bei der russischen Botschaft Alexis Markow einen mit Bei fall aufzeuommeucn Vortrag über den deutsch-russischen Güteraustausch. Er hob darin hervor, daß Deutjch- land an der Spitze der nach Rußland exportierenden Länder stehe. Die englische Handelsbilanz mit Rußland beläuft sich zurzeit auf 260 Millionen, die Deutsch lands auf 370 Millionen Rubel. Ec schloß mit oer Hoffnung, daß Energie, Initiative und ernster Wille auf beiden Seiten zum Segen beider Länder eine weitere Hebuug der Handelsbeziehungen herbeiführen werden. Hierauf sprach Professor Dr. Ballod, ordentliches Mitglied des König lich preußischen Statistischen LandesamteS in Berlin, über die „Produktivfähigkeit Sibiriens". Weiter berichtet General sekretär Busemann-Berlin über die Tätigkeit des Deutsch russischen Vereins, über das vom Verein herausgegcbcne Zollhandbuch und über die Wirksamkeit der AuskunfSstelle kür deu Handel zwischen Deutschland und Rußland. Redner beschäftigte sich näher mit der zu schaffenden Reichshandels stelle, die richtiger deutsche Welihandelszentrale genannt werden müßte. Generalsekretär Wendtland-Berlin teilte mit. daß Verhandlungen zur Gründung eines deutsch-schwedischen Vereins im Gange seien. Ein deutsch-französischer Verein, wie er von französischer Seite angeregt worden sei, werde, wenn er nach dem Muster des Deutsch-russtschen Vereins wirken^ sollte, sehr segensreich sein. Damit schloß der öffent liche Teil der Generalversammlung. Vor Ser Konferenz. Gestern hat der französische Deputierte Beauguier dem Bureau der Kammer eine von siebzigtausend französischen Bürgern unterzeichnete Petition übergeben, die von der Regierung verlangt, die französischen Abgeordneten zum Haager Kongreß^ anzuweisen, für die Einsetzung eines obligatorischen Schiedsgerichts bei allen internationalen Streitfragen einzutreten. — Mit einem ähnlichen Anträge krebst seit einiger Zeit eine „Friedeusgesellschaft in den Dreibundländern", die durch ihre Eigenbrötelei die Tätigkeit ihrer Regierungen nicht gerade erleichtert. Und den Drei bunds-Regierungen kann nach einer vierteljahrhundertlangen Erfahrung ihr ärgster Feind keinen turor bellicosus zum Vorwurf machen! Zum schwcsifchen Jubeltag. König Oskar erhielt folgendes Telegramm vom Deutschen Kaiser: „'Neues Palais. Der Kaiserin und Mir ist es ein Herzensbedürfnis, Dir und der Königin Unsere aufrichtigsten und innigsten Glück- und Segenswünsche zu dem Feste zu senden, das Ihr feiert. Es möge Euch der Allmächtige noch lange vereint erhalten und mit seinem Segen geleiten! Wilhelm. Victoria." — Aus Anlaß der goldenen Hochzeit bringen die norwegischen Zeitungen sympathisch gehaltene Artikel. Oeffentliche und private Gebäude Christianias trugen reichen Flaggenschmuck. Auf der schwedischen Ge sandtschaft gaben im Laufe des Tages mehrere hundert Personen ihre Karlen ab. Auch andere norwegische Städte waren reich beflaggt. — Das Jubelpaar hat zur Nachfeier beute noch eine ganz intime Freudenbotschaft erhalten: Die Herzogin von Schonen ist auf dem Schlosse Drottuiugholm von einem Prinzen glücklich entbunden. Der Kronprinz gab gestern namens des Königs den Gesandten Audienz, die bei dieser Gelegenheit die Glückwünsche ihrer Souveräne oder Staatsoberhäupter überbrachten. Tic 550000 Kronen. Der frühere Minmerpräsideut Tisza uud der frühere Haudelsminister Hieronymi erschienen gestern vor dem Rechuungsausschuß des ungarischen Abgeordnetenhauses, welcher die beiden früheren Minister ersuchte, über die Ver wendung der 550 000 Kronen Aufschluß zu geben, welche zu Lasten des Budgets der Staatsbahnen für den Dispositions fonds angewiesen waren. T'sza erklärte, er habe eine Praxis befolgt, die der Staats- und Rechnungshof früher niemals bean standet bade. Der Präsident desRechnungShofeS bemerkte, daß im Kauzleibudgct der Staatsbahnen wohl Anweisungen für Inser tionszwecke erfolgten, zedoch nicht ausdrücklich für den Dispo sitionsfonds; er gab zu, daß diese Unterscheidung nur eine for male sei. Tisza bemerkte weiter, durch den Fonds für geheime Ausgaben würden auch viele Erfordernisse gedeckt, die vom Standpunkte des allgemeinen Staatszweckes unerläßlich seien; es seien nicht bloß Ausgaben für Partei- und Presse zwecke. Der Dispositionsfonds betrage 400 000 Kronen. Die Geringfügigkeit dieser Summe sei von allen Regierungen beklagt worden. Ueber Einzelheiten der Gebarung Aufklärung zu erteilen, sei ihm durch seinen Amtseid verboten. Aus der Duma. Eine lange, erregte Erörterung wurde hervorgerufen durch einen Antrag der Kadetten, auf die Tagesordnung der am Sonnabend stattfindenden nächsten Sitzung den Gesetzentwurf über die Reform der lokalen Gerichtsbarkeit zu setzen, an Stelle der Entwürfe über Amnestie und Abschaffung der Todes strafe. Abgeordneter Wladimir Hessen (Kadett) legt dar, daß seine Partei dem Entwurf einer Reform der lokalen Gerichtsbarkeit den Vorzug gebe, weil er von der Negierung eingcbracht sei und deshalb alle Aussicht auf Verwirklichung habe, während die Abschaffung der Todesstrafe und der Amnestie unter den gegenwärtigen Verhältnissen niemals Gesetzeskraft erlangen würden. Abgeordneter Sinadino (Rechte) befürwortet zum großen Erstaunen der Linken den Vorrang des Amnestiegesetzes vor demjenigen über die Reform der lokalen Gerichtsbarkeit. Die Mit glieder der Linken greifen die Kadetten an und machen ihnen den Vorwurf, daß sie Gewissen und Ehre bei seite setzten. Man wisse, baß es die Furcht vor Auflösung der Duma sei, welche das politische Verhalten der Kadetten bestimme. Das Haus beschließt, nachdem noch Roditschew für den Antrag der Kadetten gesprochen hat, mit 193 gegen 173 Stimmen, den Amnestieentwurf auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Rechte und Linke stimmten gegen Kadetten und Polen. — Für die Niederlage kann sich also die Regierung bei der Rechten bedanken. Von der türkisch-bulgarischen Grenze wird ein Zwischenfall berichtet: Wie aus Tschekelar ge meldet wird, versuchte ein türkisches Militärdetachement, die bulgarische Grenze zu überschreiten, wurde aber von der bulgarischen Grenzwache zurückgewiesea. Mehrere türkische cooldaten wurden hierbei erschossen. Roosevelt und Sie Pennsylvauier. Der republikanische Konvent des Staates Pennsylvania in Harrisburg nahm eine Platform an, in der dem Präsi denten Roosevelt erneut das Vertrauen ausgesprochen uud versichert wird, daß die Partei in Pennsylvanien eine loyale Anhängerin einer Politik bleiben werde, welche von den Grundsätzen der Gleichbeit des Rechtes -rod oe gleiten Be tätigungs-Möglichkeit für alle beherrscht sei. Der Konveut sprach sich ferner für die Kandidatu r des Senators Knox für tue Präsidentschaftswahl im Jahre 1908 aus. poMisOes. * Die dcutsch.spaniscken Handelsbeziehungen. Aus Madrid meldet die „Voss. Ztg.", dort verlaute, daß der Ende Juni ablaufendc mcukus vivencki zwischen Spanien und Deutschland für weitere sechs Monate verlängert werden wird. Der Finanzminister und der deutsche Botschafter wer den inzwischen die Verhandlungen zur Anbahnung eines Handelsvertrages sortsctzcn. * Deutsche LalivwirtschastSgefeUschaft. Gestern vormittag 11 Uhr wurde in Düsseldorf in Gegenwart des Prinzen August Wilhelm die 21. Wanderversammlung verDeutschen Lanvwirtjchaftsgesellschaft eröffnet. Der Präsident Fürst Otto zu Salm-Horstmar brachte ein Hoch auf den Kaiser aus, den Schirmherr» der Gesellschaft. Prinz August Wilhelm überbrachte die huldvollsten Grüße des Kaisers uud gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß es ihm vergönnt sei, jetzt persönlich die schöne Rheinprovmz und die Arbeiten der Landwirtschaft in Augenschein nebmen zu können; er schloß mit einem Hoch aus die deutsche Landwirtschaft. Für den im letzten Augenblick dienstlich verhinderten Slaatsminister v. Arnim entbot der Oberpräsident der Rheinprovinz Frhr. v. Schorlemer-Lieser namens der preußischen Staatsregreruug herzlichen Willkommengruß; er schloß mit einem Hoch aus den Prinzen August Wilhelm. Der Vorsitzende der Land- wirtschaflskammer für die Rheinprovinz unv Westfalen, Kammerberr v. Breuuingh, sprach der Deutschen Land- Wirtschaftsgesellschaft für die herrlichen Leistungen, die sie in der Ausstellung biete. Dank aus und sagte: Wirschen Hunderte von Tieren ausgestellt, die wir als nahezu vollendeten Ab schluß der Aufzucht ihrer Eigenart anerkennen müßen und zahlreiche Maschinen, die sich als vortreffliche Gehilfen der Landwirtschaft erweisen. Der Redner schloß mit einem Hoch auf die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft. Oberbürger meister Marx begrüßte dann namens der Stadt den Prinzen August Wilhelm und die Deutsche Landwirtschafts gesellschaft, worauf der Vorsitzende des Vorstandes der Land- wirtschastsgesellschaft v. Freier-Hoppenrade allen Betei ligten den Dank der Gesellschaft aussprach und seine Worte in ein Hoch auf die Stadt ausklingen ließ. Hieran schloß sich eine Vorführung der Pferde und ein Ruuvgang durch die Ausstellung. Um 5l/, Uhr trat Prinz August Wihetm die Rückreise nach Bonn an. * Afrikanische Verlustliste. Ein Telegramm ans Dar es Salam (Deustch-Ostasrika) meldet: Sanitätssergeant Paul Borchardt, geboren am 24. Juni 1878 zu Drognitz, früher im Infanterieregiment Nr. 138, am 1. Juni d. I. in Schorin an Lebererkrankung gestorben. crci. Behörden und Presse. Aus Dortmund wird uns ge meldet: Großes Aufsehen erregte die Mitteilung des „Dor:- wunder Generalanz.", wonach bei dem Besuch der englischen parlamentarischen Studienkommission in Dortmund die gc- samtc westfälische Presse von der Teilnahme ciusgefchlopen wurde und bei den unter dem Vorstitze des Reglerungsvräii- deuten veranstalteten Ehrungen der englischen Gäste vor der Tür stehen mußte. — Vorausgesetzt, daß diese Meldung den Tatsachen entspricht, würde hier gerade angesichts der Aus zeichnung der englischen Journalisten durch die deutschen Behörden ein für sie beschämender Beweis vorliegen, w»e wenig sie dem Ausland gegenüber den deutschen Journaus- mus zu achten wissen. Und so fällt eine mißachtende Behänd- lung der deutschen Presse durch deutsche Behörden lediglich auf diese zurück und charakterisiert ihren Mangel an nativ- nalem Bewußtsein. * Braunschweiger Festtage. Wie am Abend des Ein zuges des neuen Regenten, io fand auch gestern wieder im Herzog!. Hostheatcr Festvorstellung stall. Gegeben wurde „Wann wir aliern" oon Blumenthal und „Wiener Walzer" von Bayer. Das Theater bot dasselbe glänzende Bild wie vorgestern. Der Regent und seine Gemahlin wurden wie derum mit Fanfaren empfangen. Nach der Festvorstellung im Theater veranstalteten hiesige Vereine als Huldigung für das Regentenpaar einen Fackelzug und Serenade vor Feuilleton. <D D Allzufrühe Moral ist dem Menschengeschlecht äußerst nachteilig. Sie hat, wie Religion, un endlich viel Schaden angerichtet und sich selbst sehr verspätet. * Die Beschräntungsfähigkeit wächst mit der Schrankenlosigkeit. Richte ist dem Geist erreichbarer wie das Unendliche. Es gibt keine Religion, die nicht Christen tum wäre. ,, Olovatis. (Aus dem Band Fragmente. Gesamt-Aus gabe von I. Minor bei Eugen Diederichs.) Ver s-kvatische Abb6. Von Franz Servaes sWienf. Auch der Nachruhm kennt seine Moden. Wer nur fein geduldig im Grab liegen bleibt, der kann noch die wundcr- mmsten Dinge an sich erleben, hundert und mehr Jahre nach seinem Tode. Tut nichts, wenn er so vergessen war wie eine tote Katze: wofern er nnr überhaupt das Zeug in 'ich hat, sich zur Geltung zu bringen, kann er eines Tages noch wieder zu einem König der Mode ausgcrufen werden. Der leise Verwesungsstaub, der auf ihm ruht, wird ihm nur nützen. Entzückt wird man ansrufcn: „Hnndcrtzwanzig, hundcrtfünfzig Jahre tot, und noch so lebendig!" Und dop pelt wird es zum guten Ton gehören, nntcr Leuten von Geist für den wieder Ansgegrcibencn zu schwärmen. Solch ein Schicksal hat eben jetzt wieder der Abbö, Galiani, der in den sechziger Jahren des achtzehnten Jahr- Hunderts in den Pariser ^nlon-, ck'ooprid eine viclbencidete Rolle spielte und dann nach seinem in den achtziger Jahren erfolgten Tode langsam in Vergessenheit versank. Vor zehn Fahren noch kannte ibn in Deutschland sozusagen niemand. Ter „Kleine Meocr" vom Jahre 1898 nennt nicht einmal ieinen Namen. Aber schon im »rügenden Jahre begann das scharfgeschnittcne Antlitz des kleinen Abbe im Klub der Exklusiven vorsichtig wieder auszutauchen. In einer Zeit- ichrist, die vom Kontinent der festen Meinungen so fernab lag, daß sie selbst sich „Die Insel" nannte, veröffentlichte Franz Blei Fragmente aus den Briesen Galianis, die in der Form feingeschliffener Aphorismen den Kennern viel, Freud« bereiteten. Der Form und dem Gerste nach spürte man einen Vorläufer Nietzsches, und es war gewiß äußerst pikant, daß dieses inst ein Priester der alleinseligmachenden Kirche war. Ein paar Jahre lang spukte nun der abgeschie dene Geist dieses kirchlich approbierten Freidenkers in den Cercles der Intimen herum, die ihn ziemlich eifersüchtig hüteten. Doch feine Vcrlegcrnasen rochen allmählich Lunte. Es entging ihnen nicht, daß dieser Geist sich zinsbringend anlegen ließ und daß der Geschmack an absonderlichen und woblcrhaltencn Antiquitäten, zumal wenn sic in zärtlicher. Beziehungen zum neueren Zeitgeist standen, entschieden im Steigen begriffen war. Leben wir doch gerade in einer Epoche neuer Ausgrabungen, und ganz besonders das acht zehnte Jahrhundert dient neben dem Zeitalter der Roman- tik heute als Fundgrube cdclpatinicrtcr und goldhaltiger Schätze. Da mußte denn auch Abba Galiani an die Reihe kommen. Und während Georg Müller in München eine zweibändige Luxusausgabe, von Wilhelm Weigand besorgt, auf den Büchermarkt bringt, bietet uns der pfiffigere Julius Bard in Berlin eine geschickt getroffene Auswahl, die, weil sic weniger voluminös ist, mehr Liebhaber anzuziehen ver spricht. Sic ist in das feine Sammelwerk „Ikorru.-i cialiciui-u.in" cingegliedert und der Schiller-Urenkel Alexander von Glei- chcn-Rußwurm. der durch einen Ahnherrn in männlicher Linie sich einer freundschaftlichen Familientradition zu Galiani rühmen darf, lieh der Ausgabe seine wählerische Hand irnd sein gutes Uebersetzer-Dentsch. Galiani war Neapolitaner und kam 1760 als Sekretär der Gesandschaft des Königs von Neapel nach Paris. Er war zweinnddreißig Jahre alt, klein gebaut und ein wenig verwachsen; doch von eleganten weltmännischen Manieren, klug und beredt. In den geistreichen Salons, wo die Diderot, Holbach, Baron Grimm, D'Alcmbert den Ton angaben, spielte er bald eine Rolle, ein geistlicher Weltbürger unter philosophisch-ge'chnlten Köpfen. Daneben ein Liebling der Damenwelt, die er durch graziösen Spott und unterhalten den Anekdotcnreichtnm auf seine Seite zu ziehen wußte. Sein ganzes Auftreten muß etwas Faszinierendes gehabt haben. Wie Diderot berichtet: „Galiani trat ein und mit dem reizenden Abbe kamen Fröhlichkeit, Bilderfüllc, Witz, verwegener Uebermut, Schalkhaftigkeit, kurz alles, was des Lebens Mühsal vergessen läßt." Bei der blinden und hoch gebildeten Baronin Dur Deffaud und bei deren Nichte und aefürchtcten Konkurrentin, dem häßlichen, doch durch Gemütsreichtum bezaubernden Fräulein von Lespinasse ging Galiani alsbald aus und ein. Doch um seine Stellung in dieser Gcsell'chast zu befestigen, mußte er irgend ein Geheim nis um sich v-rbreiten. bedurfte er einer „xri-unlla nrni«?', zu der er in besonderer, die Phantasie beschäftigenden Intimität stand. Tiefe »and er in Madame d'Epinay, einer Dame von bester Erziehung und vorzüglicher Herzensbildung. Frau von Evinay batte in Liebe und Ebe eine Anzahl unschöner Er fahrungen gemacht, indem sie ihre meist schwärmerischen Neigungen nach kurzer heißer Gcnnßzeit bald in übler Weise betrogen sand. Sie litt hierunter und das lieb ihr den Heio»,deren ('barme, ^ie schule sich nach einer dauernden Verbindung, die nicht ans flüchtigen Sinnenreiz, sondern auf innige Herzens- und Geistesbeziehung gegründet, die weniger eine durch Affekt erschütternde Liebe, als eine durch Sym pathie und Seelenanstausch erwärmende Freundschaft wäre. Hierzu war Abbö Galiani gerade der richtige Mann. Als ernstlicher Liebhaber kam er kaum in Betracht. Dafür strahlte er als Freund ein Element von Zärtlichkeit aus, das einer empfindsamen Seele äußerst Wohltat, und das dabei doch von einem io klaren und kühlen Verstände regiert wurde, um sich niemals in Torheit und haltlose Gefühlsschwelgerei zu verirren. Tic freundschaftliche Intimität Galiani- Madame d'Evinay war bald als legale Institution anerkannt und weil sic der Kombinationslust immerhin genügend Vor wand bot, so verlor sie nach außen hin nie an Interesse. Für die grausame Nachwelt freilich beginnt diese Freundschaft erst dann erhöhte Wichtigkeit zu gewinnen, als ihr 1770 durch die Abberufung Galianis nach Neapel der schlimmste Schlag ver setzt wurde. Denn jetzt beginnt der in der Heimat wie in einer Verbannung schmachtende Abbe an die geliebte Seelengenossin jene uns erhaltenen Briefe zu schreiben, die ans dem reichen Schatz der Brieskunstwerke damaliger Zeit als besondere Juwele hervorstechen. Was Zärtlichkeit, Geist, Temperament, Laune, Zeitbeobachtung, Kritik und Sorge nm die Zukunst in einem reichen Menschen damals hochbringen konnten, das ist in diesen Briefen enthalten. Was in der bildenden Kunst Radierungen und Handzeichnungen sind, das bedeuten für die Literatur derartige Briefe: köstliche Ein gebungen des Moments, anS denen die ganze Unmittelbar keit des Lebens iprüht und die dadurch der Vergangenheit etwas von dem Reiz unverwelkkicher Gegenwart verleihen. Aber weniger diese impressionistische Tugend, die sich oft genug auch anderswo findet, als vielmehr ein besondere? künstlerisches Element gibt den Niederschriften Galianis die Signatur: ich möchte sagen, die formvoll und schalkhaft spielende Laune innerhalb einer unerbittlich wachsamen Logik. Stets hat er die lustigsten Beispiele zur Hand, um seine Gedanken in schillernde Lebensfarbc zu tauchen. Ein echt südliches Feuer von Einbildungskraft rauscht selbst um die schwierigsten, abstraktesten Gedankengängc. Man spürt den Ernst kaum, der diese Auseinandersetzungen regiert. Oder vielmehr, mau spürt ihn erst dann, ivcnn man un versehens zu den Resultaten kommt, wo dann gleichsam die Mausefalle zuklappt, in der die widerspenstige Logik der Gegner gefangen sitzt. Spürt man hiervon schon manchmal etwas in Galianis Briefen, so noch vielmehr in seinen wahr haft mustergültig geführten Dialogen, von denen einer sich mit der Natnr der Frauen, acht aber — und das sind die wichtigsten — mit der Kunst des Regierens, d. h. mit der Frage nach Schutzzoll und Freihandel bei der Ein- und Aus fuhr beschäftigen. Man ist zunächst versucht, zu lächeln, wenn einem zu gemutet wird, über eine solche Frage etwas zu lesen, was die in diesem Punckt noch sehr kindlichen Menschen vor andert halb Jahrhunderten gedacht haben. Kein Zweifel, in der HandelsvertrogSpolitik sind alle heutigen Staaten geriebene Ganner, wenn man sie mit der tastende:, und unsicheren Naivität und Theorest'icrerei jener Zeiten vergleicht. Trotz dem wird ein jeder, auch der politische Laie, die AusnMrungen Galianis mit höchstem Vergnügen lesen. Zunächst findet man von diesem klaren Kops und realistischen Beobachter überall die gültigen Grundlinien der heute herrschende»: Wirtschafts. Politik vorgezeichnet, insofern er alles theoretisierende Neber- den-Kamm-Schcren verwirft und nur die streng individua lisierende, die Besonderheit des jeweiligen Gesamtwoklcs be denkende Methode gelten läßt. Galianis Blick für dic kommenden Entwicklungen war erstaunlich geschärft. Er bat die Entwicklung des Militarismus znm Schutz des bewaff neten Friedens, ebenso die weltbeherrschende Vorherrschest der Naturwissenschaften vorausgesehcn. Nicht minder da? Hcrvortreten nationaler Rechtsprechung und das allmähliche Verschwinden der römischen Gesetzesherrlichkeit. Desgleichen die Blüte des Handels und die drohende Brotvcrteueruna. Letztere als die — wie die französische Revolution bewies — dringendste Gefahr hat den Abbe vor allen anderen beschäftigt und ihr vornehmlich widmete er jene Dialoge, in denen er ein 1764 erschienenes Gesetz bekämpft, das, indem ec, für Frankreich die ungehinderte Brotausfuhr gestattete, das Land selber zu verarmen drohte. Doch vielleicht ha» dieses alles für uns beute nichi mehr als einen historischen Kuriositätswert. Vorbildlich unk» aktuell aber bleibt die wundervoll lebendige Methode, in den Galiani seine Anschauungen aufs unterhaltendste entwickelt. Und aus diesem Grunde nannte ich ihn in der Uebcrschriff den „fokratischen" Abba. Er ist in der Tat in der Art, wie er im Gespräch sich seine Beweise sanktionieren läßt, bevor er kundtut, wofür er sie braucht, ein würdiger und höchst talentierter Nachfolger des athenischen Volksweisen. Ganz virtuos beherrscht er die Kunst, nach scheinbar ebenso ob liegenden wie selbstverständlichen Dingen zu fragen, »ich hausbacken verständige Antworten daraus geben zu lasten und dann, wenn die Schlußkette vollständig ist, ganz uner wartet die. Anwendung auf die schivebcndc Streitfrage zu machen. So läßt er in einem der Dialoge einen eitlen fran zösischen Marquis, der sich für die freie Ausfuhr erhitz», bei seinen — Kleidern packen „Warum tragen 2>e Ihren schönen Flitterrock nicht mehr'?" wird gefragt. ..Weil gerade Hortrauer herrscht." „Aber dann müßten Sic doch nach nationalökonomischcn Prinzipien Ihren Rock verkaufen, den Erlös zinsbringcnd anlcgen und sich später einen neuen Rock kaufen!" „Den müßte ich teuer bezahlen, während ich kur meinen abgelegten Rock, obschon ich ibn bloß viermal trug, nnr sehr wenig cinnebmen würde." lind io weiter in mun terem Zuge. Zum Schluß muß der Marquis zugebcn, daß die gleichen vernünftigen Grundsätze, die für die Behandlung eines Rockes gelten, auch auf den Kornbandcl Anwendung haben. Auch hier dürfe man nicht etwas momentan lieber- flüssiges leichtherzig losschlagen, wenn man dadurch in die Verlegenheit kommen könne, cs eventuell später dreffach und vierfach so teuer neu zu erstehen. TaS alles wird in der elegantesten, wcltmänniich-heitcrstcn Manier, und mit immer neuen Einfällen ansqevntzt, vorqehracbt. und der bciitiae Lc'er, der sich in diese ainiisantcn Tialogc vc'f stcken last' vergißt ganz, daß eS sich hier um die Fragen vergangener
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