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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070608026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907060802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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Umgebung di« 6 gespaltene Petitzrile 25 Pf„ finanziell« An zeige» 30 Ps„ Reklamen ?5Pf.; von auswärt» 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland 50 Pf., sinanz Anzeigen 75 Pf,. Reklamen I.lio M. Inserate ».Behörden im amtlichen Tril 4OPf. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post- gebühr. Geschäftsanlagen an bevorzugter Stelle ün Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Fefterteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erschein«» an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AugnstttSPlay 8, bei sämtlichen Filialen n. allen Annoncen- Expeditionen des Zu- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker,Herzgl.Bayr.Hofbnchhandlg., Lützowstraße 10 (Tel. VI, 4603 . Nr. 157 Sonnabend 8. Inni 1907. 101. Jahrgang. Vas Neueste vom Tage. I (Die nach Schluß der Redaktion eiugegangenen Tepeschen stehen auf der 3. Seite des HanptblatteSsi Prinz Friedrich Eliriftiau von Sachsen. -e- Der Kaiser hat dem Prinzen Friedrich Christian, dem zweiten Sohne König Friedrich Augusts, den Schwarzen Adlerorden verliehen. Ter Hoffkandal. Der Kronprinz hörte zuerst gesprächsweise im Kameraden kreise von der eigentlichen Bedeutung des Hardenschen Feld zuges gegen den Fürsten Eulenburg und dessen Tafel runde. Er soll sich dann eingehend informiert und Rat bei einer in hervorragender Stellung befindlichen Persönlichkeit — hier nennt die „Deutsche Warte" den Hausunnlster von Wedel - PieSdorf — geholt haben, auf welche Weise dem Kaiser am besten hiervon Kenntnis gegeben werden könne. Auf Anraten desselben habe er persönlich seinem Vater alles unterbreitet, was ihm bekannt geworden sei. Die Folgen dieses Schrittes sind bekannt. Man meint nun, daß Graf Moltke, der frühere Kommandant vo» Berlin, der sehr oft vom Kaiser eingeladeu wurde, lediglich wegen seiner nahen Beziehungen zum Fürsten Eulenburg seinen Posten habe aufgebeu müßen. Andere Beschuldigungen sollen gänzlich unbegründet sein. Der beim Kaiser bisher diensttuende Generalleutnant Graf Hohenau, dem der Abschied bewilligt wurde, soll nicht zur sogenannten Tafelrunde Eulenburgs gehört haben. Be treffs des Gerüchts, daß noch eine ganze Anzahl von Ver abschiedungen Höherer Offiziere usw. erfolge« würden, glaubt man, daß dies Persönlichkeiten betreffen könnte, die von den Angelegenheiten wissen mußten bezw. wußten und sie nicht an geeigneter Stelle zur Sprache brachten. Natürlich wird sich schwer feststelleu lassen, wer wirklich etwas wissen konnte und wer bloß davon hörte uud sich nicht um den vermeintliche« Hofklatsch weiter bekümmerte. ES ist also die Frage, ob noch mehr Opfer fallen werden. Bezüglich der Vermutung, daß der Staatssekretär v. Tschirschky direkt von Liebenberg aus dem Kaiser empfohlen und daraufhin ernannt worden sei, herrscht die Ansicht vor, daß dies nicht zutrifft. Herr v. Tschirschky keoat tatsächlich den Fürste« Eulenburg nur flüchtig, gehört ganz gewiß nicht zur Tafelrunde. Die „Hamburger Nachr." erfahren dagegen aus Berlin: „Hardeus Artikel waren für die Untersuchung gegen den Fürsten zu Eulenburg nur von sekundärer Bedeutung. Die Untersuchung schwebte bereits, als man auf dieseLrtikel auf merksam wurde. Der Iustizminister hat es abgelehut, die Staatsanwalt schaft zur Erhebung der öffentlichen Anklage gegen Maximilian , Harden wegen der gegen den Grafen von Moltke gerich-1 teteu Artikel der „Zukunft" anzuweisen. Er hat sich damit! der Anschauung des Ersten Staatsanwalts und des Ober-! staatsanwaltS angeschlosseu, wonach die gerichtliche Erörterung der Artikel nicht im öffentlichen Interesse liege. Graf Moltke bat daraufhin, wie der „L.-A." erfährt, schon gestern die Privat klage eingereicht. Eine Verjährnng kommt nach seiner An sicht nicht in Betracht, da cs sich um eine einheitliche Kette von Artikeln handelt, deren letzte erst im April diejes Jahres erschienen sind. Anders als mit der Klage des Grafen Moltke scheint es mit der des Fürsten Eulenburg zu stehen. Hier soll die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin II auf Antrag des Fürsten die Erhebung der öffentlichen Anklage gegen Harden wegen schwerer öffentlicher Beleidigung deö Fürsten beschloßen habe. Grundsteinlegung. In Dresden ist heute der Grundstein für das Künstlerhaus der Kunstgenossenschaft gelegt worden. (S. Sachsen.) Nordsee-Fischerei. Deutschland, Rußland, Dänemark, Holland, Schweden und Norwegen haben Delegierte zu der internationalen Kon ferenz der Nordseestaaten ernannt, die Donnerstag unter Vorsitz von Sir Edward Grey im englischen Auswärtigen Amt zusammeutreten soll, um Mittel und Wege zu beraten, den Ruin der Nordseefischrr zu verhindern. Flcischer-Fachansstcllnug in Hamburg. In Hamburg wurde heute die anläßlich des Deutschen Fleischertages veranstaltete große Fachausstellung, ver bunden Mit kulturhistorischer Ausstellung, durch den Bürgermeister Mönkeberg eröffnet. Unter den Ausstellern befinden sich zahlreiche Leipziger Firmen. Eampbclls Prouunciamcnto. Campbell Bannerman hielt gestern in Plymouth eine Ansprache in Erwiderung auf eine Adresse, die ihm von der nationalliberalen Vereinigung überreicht war. Bon den Beziehungen der liberalen Partei zum Oberhaus sprechend, wies er auf die Notwendigkeit hin, die konstituiionellen Fragen derartig zu lösen, daß dem Unterhaus, welches der direkte Ausdruck des nationalen Willens sei, der Vorrang zukomme, den es unter allen Umständen beanspruchen könne. Er wies auf die Unmöglichkeit der Situation hin. in welcher sich das Unterhaus angesichts der systeuialstchen Opposition ves kon servativen Oberhauses befinde. Die Ansprache rief in der Versammlung großes Aufsehen hervor, da man sie als einen Anfang des Feldzuge-s gegen das Oberhaus auffaßt. . Frankreich im Haag. In der französischen Deputiertenkammcr gab der Minister sdes Äeußern, Pichon, die Erklärung ab, daß Frankreich auf der Friedenskonferenz eine vermittelnde Rolle spielen werd«. Tas dänische Königspaar wird heute in England erwartet, nachdem es in Blissingen sich an Bord der englischen KönigS-Jacht begeben hat. Zwei Geschwader der englischen Marine unter Befehl des Admirals Beresford sind nach Spithead abgegangen, wo die Landung der königlichen Gäste geschehen soll. Graf Georg von Merenberg kündigte wegen der Abweisung seiner Thronansprüche durch die luxemburgische Regierung und das luxemburgische Par lament Klage bei dem luxemburgischen Gerichtshöfe an. Ter französisch-japanische Vertrag, der den Charakter eines Bündnisses trägt, wird in Washington als völlig außerhalb des Rahmens der ameri kanischen Diplomatie liegend angesehen. Die einzigen Ver handlungen zwischen den Vereinigten Staaten und Japan, von denen man sagen kann, daß sie schwebten oder doch wahrscheinlich demnächst den Gegenstand diplomatischer Be ziehungen bilden werden, haben Bezug auf Bestimmungen eines möglichen Einwanderungsvertrages. Vom diplomatischen Ge sichtspunkte aus betrachtet, ist der Vorfall in San Francisco, bei dem eine Volksmenge gegen japanische Staatsangehörige tätlich wurde, erledigt, da klargestellt ist, daß die Betroffenen für die erlittene Unbill von San Francisco nach dem dor tigen Rechte Schadenersatz beanspruchen können, ohne daß die Beziehungen zwischen den Bereinigten Staaten und Japan unterbrochen werben, ja ohne ein Anzeichen, daS zu Befürch tungen Anlaß geben könnte. Das französische Anerbieten wird als ein überaus glücklicher Beitrag zu dem herzlichen Einvernehmen zwischen deu Staaten angenommen. Stolypins Tcmission dementiert. Die Petersburger Telegraphenagentur erklärt: Die Meldung auswärtiger Blätter, daß Ministerpräsident Stolypin seine Entlassung erbeten habe, und daß von ihrer Annahme oder Nichtannahme durch den Kaiser das Geschick der ReichSbnma abhänge, beruht aus reiner Erfindung. Chinesisches. Der Generalgouverneur von Tschili ist nach der Mantschurei abgereist. Drei Divisionen und zwei gemischte Brigaden der Nordarmee werden nach der Mantschurei verlegt, lieber die Ergänzung dieser Truppen in Tschili ist vorläufig noch nichts bestimmt.— ES wi.d befürchtet, daß bei der Schließung der Opiumkneipen in der Chinesenstadt von Shanghai Unruhen entstehen könnten. Tie Unruhe» i» der Provinz Tzcchuan sind hervorgcrusen durch die zur Unterdrückung deSAnbaues und Verkaufes von Opium getroffenen Maßnahmen. Ein deutsches Feuerkanonenbool ist nach Wanhsion, das 20 Meilen von Kaihsien entfernt ist, abgegangen. Tie Neu-Hebridenfraqe. Eine amtliche englische Note dementiert daö Gerücht von einer Wiederaufrollung der Frage der neuen Hebriden, sowie von einem geplanten Gebietsaustausch. Gestern gelangte im Parlament "ein Blaubuch über die Frage zur Verteilung. politisches. Ci» interessantes Schauspiel. Im preußischen Abgeordnetenhaus hat sich ein bemerkens wertes Schauspiel zugetragen. Urspiünglich war keine Aus sicht vorhanden, daß neben de« Unterbeamten wenigstens auch die geringer besoldeten Mittelbeamten in Rücksicht auf die Teuerung eine Zulage erhielten. Sowohl die Regierung wie die Vertreter der konservativen Parteien und des Zentrums verhielten sich ablehnend gegenüber den von nationalliberaler und freisinniger Seite gestellten Anträgen. Plötzlich aber be sannen sich Konservative und Zentrum auf ihre Beamten freundlichkeit und angesichts dieser Wandlung fand auch ebenso plötzlich Minister von Rheinbaben, daß er noch 5 Millionen Mark zur Verfügung stellen könne, um auch jenem Teile der Mittelbeamten eine Summe von je 100 zukonimen zu lassen. Hierzu schreibt die „National-Ztg." unter der Ueberschrist „Unlauterer Wettbewerb": Tas ist die etwas eigenartige, aber nicht uninteressante Borgeschichte des Antrages, den das Abgeordaetcnbaus gestern angenommen hat. 50 000 preußische Beamte können sich bei der nationalliberalen Partei daher bedanken, daß sie nun wenigstens je 100 bekommen, ohne deren energisches Eingreifen hätten sie mit Hilfe des Zen trums und der Konservativen nichts erhalten. Die Tatsache aber, daß Konservative und Ultramontane sich im preußischen Abgeord netenhaus«: wieder einmal in so wunderbarer Ucbereinstimmung trafen und verstanden, verdient nicht nur mit Rücksicht auf die politiiche Lage im Reich, sondern auch wegen der wenig feineren Art, wie man sich anderer Leute Pferde vor den eigenen Wagen zu spannen suchte, niedrigerer gehängt zu werden. Die „Freisinnige Zeitung" beleuchtet dasselbe Thema speziell vom politischen Standpunkt aus. Sie weist darauf hiu, wie dadurch, daß sich eine konservativ-ultramontane Mehrheit bildete, die die liberalen Anträge, zugunsten der Beamten, ausnahm — die Liberalen bei dieser Be amtenfürsorge ausgeschaltet wurden, und wie Rhein baben, indem er erst mit den Konservativen und Ultramontanen schwenlte, gerade eine Politik unterstützte, die der im Reich von Bülow geförderten (konservativ liberaler Block) direkt entgegengesetzt ist. Dabei hebt die »Freis. Ztg." als besonders bemerkenswert hervor, Führer der Freikouservcuiven, Freiherr von Zedlitz, der sich so stark für die konservativ-liberale Paarung ausgesprochen hat, jetzt von links nach rechts geschwenkt ist, indem er auch dazu beitrug, daß sich die konservativ-ultramontane Mehrheit Feuilleton. Kant. Carlyle. (Nie zeichnet der Mensch den eigenen Cha rakter schärfer, als in der Manier, einen fremden zu zeichnen. Alle Stärke wird nur durch Hindernisse ec- kanntW^ie sie überwältigen kann. Jean Paul. Es ist ein Grundirrtum, Heftigkeit und Starr heit Stärke zu heißen. Das Deutschtum in Rom. Bon Hauptmann a. D. Dr. v. Graevenitz lBerlins. In keiner Stadt des Auslandes vermag man den kul turellen Fähigkeiten des Deutschen im großen wie im kleinen mit so reicher Ausbeute forschend und kontrollierend nach zugehen, wie in Rom. Die „alias rrrbs" darf auch für das Deutschtum, natürlich in zeitlich beschränktem Sinne, eine „ewige Stadt" genannt werden. Mit der Bildung einer deutschen Nation, mit dem ^Aufkommen der Bezeichnung „lins»» tsiencistea", beginnt zu Zeiten Karls des Großen oie Geschichte der Deutschen in Rom.^j Mit dem Ende der. Römcrzügc, mit dem Weltreich Karls V., der sich 1530 in Bologna, nicht in Rom, krönen läßt, starben die kriegerischen Beziehungen Deutschlands zu Rom ab, wenn wir von den deutjchen Elementen abschen, die in den italienischen Einigungskricgen auf päpstlicher Seite gekämpft haben. Rom bildet nicht mehr, wie zu den Zeiten eines Regiomontanus, Reuchlin, Ccltes, Hutten 6 tutti quantt einen wissenschaftlichen und literarischen An ziehungspunkt für Deutschland. Mit Hadrian VI. (1522 bis 1523) Hat menschlichem Ermessen nach der letzte Deutsche den päpstlichen Stuhl bestiegen, nachdem im 11. Jahrhundert deutsche Kaiser und eine Reihe deutscher Päpste die Träger wichtiger kirchlicher Reformbestrebungen, gewesen waren. Mit der Reformation und der Glaubensspaltung haben die kirchlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Rom ein durchaus verändertes Gesicht erhalten. Während die Na- tionalstistungen des Campo Santo am St. Peter und der deutsch-österreichischen Kirche Maria dell' Anima noch ihre alte Bedeutung für die Deutsch-Katholiken Roms und auch für katholische Romreifende besitzen, und Pilgerzügc aus -dem Norden ebenso wie vor 500 Jahren dem Apostel- grabe zustrcden, übt das katholische Kirchcnwcsen, das in Rom für germanische Empfindungen oft abstoßende For men annimmt, nicht mehr den Reiz auf den protestantischen *) Seit einiger Zeit bat das Prenß. Histor. Institut die Kreuzungen der lateinischen und etruskischen Rasse mit ger- manischen Elementen in sein Forschungsprogramm ausge nommen lDr. I. Schneider), wie auch kunstacschictstliche Ltudrex (Dr. Hcnelokf) in den Vereich seiner Studien ge- -o-es sink. Nordländer aus. den es zuzeiten eines Winckelmann und Mengs, dieser beiden großen Konvertiten deutscher Nation und Deutschrvmcr, ausübte. Der Prunkcutfaltung rö mischer Kirchenscste stano schon Goethe recht kühl gegen über, und seitdem ist die Selbstachtung des Protestantismus noch bedeutend gestiegen. Es ist nicht zu besorgen, daß Zeiten wiederkchren, wie da-- Jalirzebn: 1810-1620, wo Ernestine Voß an den Senator L verdeck in Lübeck, den der Uebcrtritt seines Sohnes zum Katholizismus Ncs ge troffen hatte, schrieb: „Fast alles, was von Rom zurückkehrt, kommt katholisch zurück." Heute gilt eher das Wort von Allmers, daß katholisch zu werden für ihn überall denkbar sei, nur nicht in Rom. Wir sius damit auf Zcitgebictc gelaugt, die eine um fangreiche Arbeit des langjährigen Vertreters der „Köln. Zeitung" in Rom, Dr. F. Noack, behandelt. jDeutjches Leben in Rom 1700-1900. Von Friedr. Noack. 462 S. Stuttgart und Berlin. l!)07. I. G. Cottas Nächst! Es ist nicht Aufgabe dieser Zeilen, in eine kritische Besprechung des Buches einzutretcn. So sei nur fcstgcstcllt, daß. in ibm eine mit größtem Fleiß und wcitausholcndcm Sammel eifer zusammcngctragenc Materialicnsanunlung vorliegt, die mancherlei neue biographische und andere stosfiici'e Er gebnisse bietet. Dem Kenner deutsch-römischer Verhältnigc wird namentlich dank des 110 Seiten umfassenden, dem Buche beigcgcbcncn gelehrten Apparates von Anmerkun gen, OuellcnverzeichniS und Namcnübersicht mit biographi schen Angaben ein zuverlässiges Nach'chlagcwerk geboten, das mit besonderer Gründlichkeit der Geschichte des Künstler vereins und sonstigen knnstlcrbiographischcn Beziehungen nachgcht. Der deutsche künstlerische Einfluß auf Rom und seine Wertung in Rom und in ocr Heimat zeigt der ge schichtlichen Betrachtung eine Wellcninuc, die heute einen sehr niedrigen Stand erreicht hat. Eine erste Blüte ger manischer Kunstausübung zeitigt die Anwesenheit zahlreicher Niederländer und Deutscher zur Zeit der Spätrenaissance. Tie Scorel und Ruysch, Paul Bril, „ocr wichtige Mittels mann für die Verbindung der niederländischen und italieni schen Landsctnnt" (I. Burckhardt), die beiden Frankfurter Elsheimer, „D<r römische Maler deutscher Nation" <W. Bode), und ^cr Künstlerbioaraph, Maler und Stecher Joachim v. Iondrart, sie alle unterliegen dem römischen Einfluß, aber sie sind tüchtige Könner und namentlich für die Entwickelung der Heimischen Kunst wichtig. Einen un bestreitbaren Höhepunkt dcuticher KunstauSübung stellt dann etwa 150 Jahre später die Tätigkeit von A. R. Mengs I!id seiner Schüler dar. Ter sächsische Apcllcs, in der sich p.-cräri" an seinem großen Freskogemäldc im Vatikau, der Allegorie der Gcsästchte, arbeitend, der ein zigen größeren Lcistima, mit der ein deutscher Maler dort zu Worte gekommen ist, und die ^wieder eine Vorahnung des wahrhaft monumentalen Stils gibt" lBnrckhardts, Mengs, als Professor der „neencstmin «bst inicko" an der Spitze seiner deutschen und italienischen Schüler zum ernst haften, damals wenig geübten Aktzeichnen, zum Kapitol herautzickend — das sind Bilder, wie sie die deutsch römische Kunstgeschichte nicht wieder hcransgeführt bat. Als im Jahre 1316 die Nazarener, die künstlerischen Banner träger der Romantik, die Borkämpscr für „Gott, Tugend und Vaterland" (Noack, S. 157), den Austrag zu einem großen Freskenztzklus erhielten, da war cs ein Deutscher, der Generalkonsul Bartboldp. der ihnen die Räume des Tempietto im Palazzo Zuccari zur Darstellung der Ge schichte Josephs überwies, und erst ibre Erfolge hier führten zu dem anderen großen Auftrag eines homsinnigen römi schen Aristokraten, des Fürsten Carlo Massimi, dem der Ausmalung des heute verschlossenen und kaum noch ausge suchten Kasino Massimi am Lateran. Rückhaltlos« An erkennung, wie die Tätigkeit Mengs', fand aber das Streben der deutschen Maler weder unter ihren Lands leuten, noch unter Italienern, und bezeichnend ist, daß schon 1819 Sulpiz Boisseröe Zweifel äußerte, ob Rom der richtige Aufenthalt für deutsche Künstler sei. Heute wird eine entsprechende Frage ost rundweg ver neint. Oder zum mindesten billigt man römischen und deutsch-römischen künstlerischen Ucberlieferuugen, dem Kunst besitz Roms, nichl irgendwelchen fordernden Einfluß auf den noch werdenden Künstler zu, man gibt höchstens zu, daß die Natur Roms und seiner Umgebung, die Bedingungen des MvdcllwescnS anregend und bildend auf den gereisten und in seinen Anschauungen gefestigten Künstler wirken könne. Diese niedrige »nd zweifellos ungerechte Einschätzung des Charakters Roms als .Kunststadt entspricht der unge rechten Bewertung dessen, was in dcutsch-röm>ssi)en Künst- Icrlreisen geleistet wird. Doch fehlt hier der Raum, um Vorwürfe dieser Richtung zurückzuweisen. Berechtigte Vorwürfe aber verdiente und verdient die d c u t s ch - r ö m i s ch e K ü n st l c r s ch a f t, wenn inan ihr Tun und Treiben vom nationalen Stand punkt, ihre Mitglieder als Vertreter des Deutschtums betrachtet, wenn inan die (Hcschichtc des Künsllcrvercins verfolgt, soweit cr ein Verein der deutschen Künstler Roms ist. Die alte, einst blühende, auch heute noch durch den Schulsonds des Auswärtigen Amtes, durch den Prinz regenten von Bayern usw. unterstützte Schöpfung, ist seit Jahren zu einem Schatten ibrcr selbst geworden, und ihre Entwicklung in den letzten drei Jahrzehnten bildet ein Muster beispiel der Betätigung und des Wirkens deutscher National tugenden im Auslände, von Uneinigkeit, Eigenbrödelei und kleinlicher Auffassung großer Ziele. Tie Aussühruiigcn NoackS über den Verein und seinen Vorgänger, die Ponte- Molla-Gcsellschast, gehen so iiiS einzelne, daß die große Linie der entscheidenden Ereignisse, die Wertung bestimmen der Persönlichkeiten, in den Hintergrund tritt, aber die von lbm nur gestreifte Frage drängt sich doch gebieterisch auf, ob cs nicht endlich an der Zeit lei, den Verein aus eine neue gesunde Grundlage zu stellen, und aus dem „Künstler verein" mit seinen Kraft, Geld und Zeit in Anspruch nehmenden künstlerischen Bestrebungen, die bei den Künst lern keine Anerkennung finden, einen „Deutschen Reichs verein" zu schaffen. Vorbedingung einer solchen Unnvandlung wäre aller dings in gewisser Hinsicht, daß in Rom eine deutsche Diplomatie vorhanden wäre, die sich nicht zu vornehm dünkte, auch den deutschen Dingen in Rom ihre Aufmerk samkeit zuzuwcndcn, und die sich nicht in den Fuldaschen Märchcnnrantcl ihrer Unnahbarkeit und Unbcrührbarkeit dem prokanuui vul^us der deutschen Kolonie gegenüber hüllte. Liest man das mit bemerkenswerter Frische nnd fließend geschriebene IX- Kapitel des Nvackschen Buches, das die klassische Zeit der deutschen Diplomaten in Rom behandelt, und vergleicht mau mit den ,sei en eines Ubden, Humboldt, Ramdohr, Niebuhr, Kestner, Bunsen, ja ncxl) mit den Zeiten eines KOudell, die heutigen, so unterschreibt man von ganzem Herzen den nicht mißzuvcrstchcnden Hin weis Noacks: „Vielleicht herrschte damals wirklich in den Regierungen das Gestihl vor, daß man an einen Platz, wie Rom, nicht jeden beliebigen Mann in Uniform schicken konnte, und daß ein Gesanotenpostcn doch im Grunde etwas anderes ivärc, als ein Reisesttpendium oder Vergnügungs posten für adlige Lebemänner: jedenfalls waren die deutschen Staaten zu keiner anderen Zeit in R"M von einer st statt lichen Reibe geistig bedeutender und hvcbeebl'de -v 'Män ner vertreten, die fern von burcciutratiichcr Engherzigkeit und Standcsvortcilcn ihren Berus ernstlich in der Fürsorge siir ihre Landsleute im Ausland erkannten, die in und mit der deutschen Kvtoinc lebten, statt sich in vornehmem Dün kel von ihr abzuschließen, und die durch reiche Gaben des Geistes und Herzens ihre Nation ehrenvoll vertraten." (2. 185.) Damals bildeten die Wohnungen deutscher Diplo maten Sammelplätze deutscher geistvoller und zwangloser Geselligkeit, die Scile der preußischen und österreichischen Gesandtenpalais nahmen Ausstellungen deutscher Künstler auf, der Rat und die Unterstützung wurde Deutschen auch in Peinlichen Lagen nichl verwehrt. Und beute? cliskieist esst imtirnrn non seriboeo! Es ist bester, nichl aus Einzel heiten cinzugehen, die geradezu bitter stimmen, und so sei nur an den Kaiserbesuch von 1903 erinncrl — schade, daß Noack diese typiiche Zeit der Tentscbvcrleugnniig nicht mehr behandelt — wo den etwa 30 deutschen Sch-ulkindern der deutschen Schule aus dem Kapitol verivehrt wurde, ihren Kaiser zu sehen, und an die Geschickte des Goctbedenkmals, als man ans der einsamen Höhe des Palastes Caffarelli über die Stimmung der ausschlaggebenden römischen Kreist sehr viel weniger orientiert war, als in der deutschen Kolonie und wo demgemäß die Ansprüche der deutschen entscheiden den Stellen sich in diametraler Richtung zu jener Stim mung bewegten, bis sic durch die Ereignisse in peinlichster Wciie korrigiert wurden. Am schwersten wird heute allerdings der Mangel eines verständnisvollen Eingehens auf das, was dem deutschen Leben in Rom noi tut, eines festen und taktvollen Ein greifens durch anerkannte Autoritäten auf dem Gebiet des protestantischen Kirchen Wesens und der deutschen Schule vermißt. Im Laust der letzten 15 Jahre, seitdem ein ehrgeiziger und geschickt vorgehender dcuticher Kaufmann, der nicht einmal Rcichsdculscher ist, die Erbauung einer Lutberkirche in Rom zum Sprungbrett seiner Pläne machte, und der Evangelische Bund sein agi tatorisches Borgeben deckle und vertrat, sind der deutschen Botschaft aus diesem Gebiet völlig die Zügel entglitten. Ein Eingehen auf diese trüben Tinge, ain das Vorhandensein von zwei evangelischen Gemeinden ^nachdem am 16. Januar d. I. eine neue, sozusagen kapitolinische deutsch-evcngeli'chc Gemeinde gegründet ist, die deu Anschluß an die evangeliichc Landeskirche Preußens erbitten und erhalten wird, iväb- rend eine lhcmcinde des Evangelischen. Bundes weiter be- steht), aus die Existenz von zwei deutschen Schulen, einer paritätischen und einer evangelischen, aus die Unsumme von Verbitterung und Haß, die diese 15 Jahre des Kamvsts hinterlassen haben, in denen Persönliches. Klcinversön- lickres eine nur allzu große Rolle gespielt haben — ein Ein gehen auf das alles erübrigt sich um io mehr, als die Tages zeitungen darüber vielfache Berichte gebracht haben. Tas Buch Noacks konnte den Abschluß, der durch die Gemeindcbildung erreicht isst nickt mehr öcrnckneiuizen. ober die berührten Verhältnisse sind es doch in erster Linie, die ibn am Schluß seiner mülzevollen Arbeit zu einer Zu sammenfassung, zu einem Schlußurteil süliren, das im ersten Teil allerdings den Umsang des densicken Wirken? in Rom, den „Reictstum an dcut'chcr Volk-krcnt. der dort herangcwachstn ist", würdigt, dann aber doch melancholisch schließt: „Alles, was ionst unserer Nation an politischer Rückständigkeit noch anklcbt imd trennend wirkt, Kastengeist, Standesdünkel, Bekenntnishaecr und sonstige Eigenbrödelei, das fchießt in diesem dcutich-römischcn Mikrokosmus be sonders üppig inS Kstaut. Wäre das an geistiger Krait so reiche Deutschtum Roms in fick besser gcststigt und geeint, so würde die deutsche Kolonie vor allen anderen eine im ponierende Stellung einnchmen und zweifellos für die Gel tung und den Einfluß deutscher Kisttur in Italien erstlo- reicher wirken können. Aber sie "mrst-st nnst- gys h-y Mann vom Scistaae Wilsiclm v. stnmmndis oder Bunsens, der dieses Wunder der Zujammensassiing zentrifugaler Kräfte vollbringen und damit dem deutschen Ansehen in der slrrm und, einen unverpefflrcherr Dienst leisten möchte. Das
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