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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070611025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907061102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907061102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-11
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Bezuqs-PreiS « Anzeiqen-PreiS für Leipzig mid Bororte durch uns«« Träg« vnd Spediteore in« Han« gebracht: Au«, stabe 11 (nur morgen«) vierteljährlich S M., monatlich 1 M.; Ausgabe k (morgen- und abends) vierteliährlich 4 50 M.. monatlich > -0 M. Durch die Post bezogen (1 mal i iglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M. ausschl. Postbestellgeld, für Oesterreich-Ungarn vierteljährlich 5 L 45 tu Abonuement-Annahme: Angustu-platz 8, bei unseren Trägern. Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Dir einzelne Nummer kostet 1t» Pfg. Redaktion und Eypedttto«: IobanniSgaffe 8. Televb. Nr. 11692, Nr 14693, Nr. 146S4. verliner NedatttonS-Burean: Berlin >W. 7, Prinz Louis Ferdinand» Straße 1. Telephon I. Nr. 9275. Nr. 18V. Abend-Ausgabe v. KWiM Ta-MM Handelszeitung. Äuttsölatt des Mates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Dienstag 11. Juni 1907. fllr Inserate aus Leipzig u. llmgebrrng di» 6g,spalten« Petitzeile 25 Pf^ finanziell« An- zeige» 30 Pf^ Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland 50 Pf., finanz. Anzeigen 75 Pst Reklamen l.5O M. Inserate v.BebSrden im amtlichen Teil 40Ps. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Geschäftsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif Frsterteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeige»-Annahme: August»Spltttz 8, bei sämtlichen Filialen ». allen Annoncen- Expeditiouen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlD na cker.Herzgl.BoyrHofbuchhaudlg, Lützowstrage 10 (Tel. VI, 4S08>. 101. Jahrgang. Vas Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eiugegangencn Tcpcschen fleheu aus der 3. Seite des Hauptblattes.) Anfechtung des deutsch-amerikanischen Abkommens. Die Schutzzolliga kündigt die Absicht an, die Zugeständ nisse der amerikanischen Administration an Deutschland wie die Anerkennung des Exportwertes gerichtlich anzufechlen, da der Präsident dazu gesetzlich nicht besugl sei. Zur Winzer bewrgung berichten wir diesmal zunächst über den Schluß der gestrigen Hammersitzung: Aldy (Narbonne, sozialistischer Radikaler) bestreitet, daß Neberproduktion die Ursache der Weinbau- krije sei und erhebt Widerspruch gegen den Gedanken, die Weinstöckc auszureißen. Die Vorlage der Regierung genüge nicht zur Lösung der Krise; nicht nur der Rohzucker, sondern auch der raffinierte Zucker müsse unter Kontrolle gestellt werden. Dousctte bekämpft die Regierungsvorlage, weil sie für die Zuckerindustrie schädlich sei. Dubois gibt der Ansicht Ausdruck, der Staat solle die Produktion wissenschaftlich organisieren. Der Berichterstatter Cazeneuve erklärt, die Krisis sei hauptsächlich auf die Neberproduktion an kleinen, schlechten Weinen zurückzuführen. Er glaube, individuelle Initiative würde viel zur Beseitigung der Krisis beitragen. Der Berichterstatter legt daun die Vorzüge des Regierungs entwurfs dar. Ackerbauminister Ruau setzt auseinander, wie das Gesetz von 1905 über die Nahrungsmittelverfäl- schungen gehandhabt werde, und kommt zu dem Schluß, daß zunächst die Weinfälschungen unterdrückt werden müßten. Hierauf wird die Fortsetzung der Genraldebatte vertagt. — Inzwischen hat der Aufruhr in der Provence seinen An fang genommen. Aus Narbonne wird gemeldet: Vor einer äußerst zahlreichen Menschenmenge hielt Bürgermeister Ferroul eine Rede, in der er daraus hinwies, daß das an die Regierung gerichtete Ultimatum den in Montpellier prokla mierten Streik der Steuerzahler und der Gemeindebehördeu bestätigt. Ferroul hat mit dem Gerne indcrate seine Entlassung eingereicht. Die Fahne auf dem Stadthaus« wurde niedergeholt und an ihrer Stelle die Trauerflagge gehißt. Unter dem Sturmgeläute der Glocken durchzog der ManisestaUonszug die Straßen der Stadi. Auch die Gemeinderäte von Montpellier und Perprgnon haben bereits resigniert. Die Wahl der schwär- zen Parteisahnc durch die Aufrührer, sowie die Oeffnung der Kirchen zur Beherbergung der Manifestanten sind übri gens geeignet, auf klerikale Machenschaften bei der Winzerbewcgung schließen zu lasten. Anderseits hetzt natür lich auch der linke Mann zu schadenfrohem Frevelmut, be- iondcrs die antrmilitaristifchc Spielart: In Narbonne wur den gestern abend die Soldaten um 5 Uhr in der Kaserne konsigniert, um gegebenenfalls den Ordnungsdienst bei der Heimkehr der Manifestanten von Montpellier zu versehen. Nach dem Essen setzten sich 300 Mann auf die Kasernenmauer und applaudierten den einlaufenden Zügen. Die Unter offiziere befahlen ihnen, in di« Stuben zu gehen, wurden aber ausgepfiffen und beschimpft. Die herbeieilenden Offi ziere beruhigten die Leute bis auf 50, die die „Inter nationale" anstimmtcn und erst auf Zureden des Ober sten und des Brigadegenerals hineingingen. Der „Temps" bemerkt hierzu, daß das Narbonner 100. Regiment als ein ausgezeichnet diszipliniertes gelte! — Und wenn das geschieht am grünen Holz . . . ! In Montpellier kam es wegen der Verhaftung eines Mannes, der ein Plakat mit aufrührerischen Inschriften getragen hatte, zu Zusammenstößen. Tic Menge begab sich vor das Gefängnis und verlangte die Freilassung; die Gendarmerie mußte ein schreiten, wobei ein Gendarmerieoffizier schwer verletzt wurde. — Dr. Eisenbart-Jauros hat natürlich ein radikales Mittel in Bereitschaft, er schießt den kranken Zahn mit der Pistole heraus: Jaures wird heute in der Kammer Vor schlägen, den Vertrieb von Zucker, Alkohol und Wein zu ver- staatlichen, als einziges Mittel, die Winzerkrisis zu lösen. — Auf demselben Wege wird dann in den anderen Industrien' Ordnung geschaffen werden. Roosevelt über Lteuerfrageu. Präsident Roosevelt sprach sich gestern in Jamestown vor dem nationalen Verbände der Verleger für die progressive Erbschaftssteuer aus. Wie er auöjührte, fei der Grundsatz der progressiven Besteuerung von Erbschaften in Gelv durch die Gesetzgebung des amerikanischen Kongresses anerkannt, durch die führenden zivilisierten Nationen der Welt, z. B. Großbritannien, Frankreich und Deutschland, aber bereits endgültig angenommen. Roo'evelt gab dann einen ausführlichen Ueberblick über die Entwickelung der Erbschafts steuer, indem er mit der Schwei; begann, und wies ins besondere auf Deutschland hin, wo die Erbschaftssteuer eine Reichssteuer, den Einzelstaaten aber gestattet sei, Zuschläge zu der vom Reiche auferlegten Steuer zu erheben. Roosevelt besprach dann die französische Gesetzgebung über diese Materie und wies besonders auf das nach diesem Gesetze zur Anwen dung kommende Prinzip der progressiven Steuer hin, daß ein höherer Sab nur zur Anwendung komme auf den Ueberschuß über den Betrag, der nach dem niedrigeren Satz be steuert werde. — In einer anderen Rede hat Roosevelt die Einführung einer UnsallSversicherung angeregt. Die Beiträge sollen aber ausschließlich den Unternehmern zur Last fallen, die von dem Präsidenten den Rat erhalten, ihre Beschwerung auf die Verbraucher abzuwälzen. Tie Verfass«»« von Oranje-Land Gestern ist ein königliches Dekret ergangen, durch das in der Orauzefluß-Kolouie die Selbstverwaltung unter einer Verfassung emgeführt wird, die mit der Transvaals gleich- lautens ist. — Eine-zweite Meldung teilt folgende Einzel heiten über die neue Verfassung mit: Die Hauptpunkte sino sie Schaffung eines Gesetzgebenden Rates, der, von der Regierung berufen, aus 11 Mitgliedern bestehen wird, sowie die Bildung einer Gesetzgebenden Versammlung von 38 Mit gliedern, d:e von allen englischen Untertanen gewählt werden, joweit sie über 2l Jahre alr und mehr als 6 Monate in der Kolonie ansässig sind. Die Verhandlungen beider Häuser finden in bollandifcher oder englischer Sprache statt. Der amtliche Bericht der Verkaudlungen wird jedoch nur in eng lischer Sprache veröffentlicht. Das Ministerium der Kolonie soll aus 5 Mitgliedern bestehen, die das Recht haben, das Wort in beiden Häusern zu ergreifen, aber nur in dem Hause abstimmen dürfen, dessen Mitglied sie sind. Bei Meinungsvcrschiedeubeiten soll zur Schlichtung eine gemein same Sitzung der Häuser einberufen werden. Die englische Regierung behält sich das Vetorecht vor hinsichtlich der Ver wendung chinesischer Kulis in der Kolonie. Nasis Kompetcuj-Konfiilte ist stattgcgebcu! Der italienische Kassationshof verhandelte über die Be rufung der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß des Schwurgerichts, das sich zur Aburteilung der gegen den früheren Minister Nasi erhobenen Anklagen für kompetent erklärt hatte. Der Kassationshof beschloß der Berufung der Staatsanwaltschaft staktzugeben und erklärte das gewöhnliche Gericht für inkompetent. Infolge dieses Beschlusses kann Nasi frei nach Italien zurücklehren; er kann eventuell nur vom Senat als Ausnahme - Gerichtshof abgeurteilt werden. — lieber den Eindruck dieses Urteils wird aus Rom ge meldet: Die Unzuständigkeit des Gerichts in Sachen NafiS hat großes Auf,eben erregt. Die Freunve des Abgeordneten erwarten dessen Ankunft bereits für morgen. Am Sonntag wird er sich voraussichtlich seinen Wählern in Trapani vor stellen. Montag wird Nasi in der Kammer erscheinen, um den Eid zu leisten. — Ob dieser Musterknabe der Mafia noch ganz durchschlüpfen wird? Fürstliche Verlobung Aus Athen wird die Verlobung des Prinzen Georg von Griechenland mit der Prinzessin Roland Bonaparte gemeldet. Ueber die Lage in Rußland lauten die Nachrichten nack^wie vor widersprechend. DaS eine Mal heißt es: Die Stellung des Ministerpräsidenten Stolypin ist infolge des Zusammenschlusses sämtlicher gemäßigter Parteien zum Zwecke friedlicher Arbeits leistung wieder vollständig befestigt. Der Zar drückte Stolypin in der gestrigen Audienz seine vollste Zufriedenheit aus. — Und dann wird wieder gesagt: Im gestrigen Minister rat wurde beschlossen, den Polen keine Konzession in Auto nomiefragen zu machen, nock eine Majorität der Duma, welche die Polenpartei unterstützen würde, gelten zu lassen. — Und die Polen gehören doch bis zur Stunde dem Block der gemäßigten Parteien an! 8um japanisch-amerikanischen Konflikt. In der von der Fortschrittlichen Partei abgehaltenen Versammlung erschien gestern eine Abordnung von Japanern aus den Vereinigten Staaten und überreichte eine Erklärung, in der eS heißt, die Schlichtung der Strcit'gkciken von San Francisco könne nicht als endgültig angesehen werden. Die Rückkehr der schwierigen Verhältnisse sei jederzeit zu erwarten. Es sei unbedingt noiwendig, daß die Japaner dieselbe Be handlung erführen, die man den Europäern zuteil werden lasse. — Die amerikanische Regierung tut inzwischen das Menschenmögliche, um den Bruch zu verhüten. Aus New Port wird gemeldet: Kriegssekretär Taft dürste bei feinem Pesuch der Philippinen einen Abstecher nach Japan machen. poiilisGrs. w Landcsdirektor von Saldcrn st. Wie uns ein Prr- vattelegromm aus Kassel meldet, ist in Arolsen das Mit glied des Bundesrats, der Kgl. preußische Landesdirektor Freiherr von Saldcrn, Präsident der Waldeckischen Landesregierung, heute früh 3 Uhr gestorben. Er war vor wenigen Tagen an Lungenentzündung erkrankt. * Der Prozeß Pocplau wird, wie der „Deutsche Bote" erfährt, noch ein cyrengerichtliches Nachspiel haben, und zwar innerhalb des Reserveonizicrkorps im Berliner Be zirk. Das hier gegen Pocplau schwebende ehrengerichtliche Verfahren war ausgesetzt worden bis zur Enttcherdung des Gerichts über seine Angelegenheit und soll nach feiner nun mehr erfolgten Verurteilung beendet werden. c-ck. Dänischer Erwerb. Aus Schleswig meldet uns ein P r i o a t i e l e g ra m m: Das deutsche Rittergut Gram mer Schloßgut in Gramm ist für 400 000 in den Besitz des dänischen Grasen Brückenhus auf Giesegaard iu Seeland ribcrgcgangen. Tic Verkaufsverhandlungen, die streng ge heim gehalten wurden, sind durch Indiskretion dänischer Blätter der Regierung bekannt gegeben worden, Vor- beugungs-maßregeln konnten jedoch nicht mehr ergriffen werden. * Wieder ein Zeuguiszwangsvcrfahren in Sicht? Gegen die sozialdemokratische „Mecklcnb. Volksstimme" isl eine Untersuchung wegen Beleidigung des Herzogs Johann Albrecht durch zwei Artikel cingeleitet worden. Ter Ver leger des Blattes wurde bereits vernommen, um den Ver fasser der inkriminierten Artikel namhaft zu machen. * Zum Kampf im Berliner Baugewerbe. Am Donners- tag dieser Woche wird sich eine Generalversammlung des Verbandes der Bcruaeschäfte mit der Frage beschäftigen, an welchem Tage die Bauten für Arbeitswillige, die zu den alten Bedingungen arbeiten wollen, geöffnet werden. In dieser Woche wird die Wiedereinstcllung nicht erfolgen, es soll auch, wie eine Korrespondenz meldet, wenig wahrschein lich sein, daß die Aufhebung der GeneralauSfperrung vor dem 1. Juli erfolgt. Dem Verband der Baugeschäfte komme es vorläufig nur darauf an, sestzusiellen, wieviele Arbeits willige sich melden, um danach seine Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Arbeit zu treffen. — Frauen sind gegenwärtig in erheblicher Anzahl auf den Berliner Bauten als Bauhilfsarbeiter beschäftigt, um dringende Arbeiten fertigzustellen. Beispielsweise arbeiten nach den Fest stellungen des Bauarbeiterverbandes auf einem Bau in der Oranienburger Straße 18 Frauen, auf einem anbern Bau im Zentrum sogar 40 Frauen! 8. u. V. 7. Verbandstay des Verbandes der Zigarren- ladeninhaber. Am 9. Jun: traten in Berlin die deutschen Zigarrenladcninhaber zu ihrer diesjährigen Tagung zufam- men. Aus dem Geschäftsbericht ging hervor, daß dem Ver bände fast 5000 Mitglieder angehören, die sich ans 68 Orts gruppen verteilen. Außerdem gehören noch etwa 25O.Zigar- rcnsabrikanten und Importeure als Sondermitgliedcr dem Verbände an. Lebhafte Erörterung rief ein Antrag aus Be seitigung des Verkaufes von Tabakiabrikatcn nach Ladenschluß hervor. Nach längerer Beratung wurde folgende von Günty (Münchens vorgeschlagene Resolution angenommen: „Ter Verbandstag beauftragt den aeschäftssiihrenden Ausschuß, die vorjährige Petition an Reichstag. Bundesrat und Bundes regierungen, welche eine Neuregelung der Sonntagsruhe-Be stimmungen durch Neichsgesctz und dabei die Festlegung der Verkaufszeit für Zigarrenläden an Sonn- und Festtagen aus mindestens 5 Stunden fordert, zu wiederholen. Daran wird nun die weitere Forderung angeschlosscn, daß der Verkauf von Tabaksabrikaten nach Ladenschluß überall, allo auch in Restaurants, Kantinen, Vcrgnügungsetablissements, Mine ralwasser- und Branntweinschänken, Friseurlädcn gänzlich zu verbieten sei." — Eine längere Aussprache führte die Frage der Vereinbarungen mit Fabrikanten und Importeuren der- bei. Es handelte sich hierbei um die Bekämpfung der Preis- Feuilleton. SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSL Die Sinne betrügen nicht. Nicht, weil sie immer richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen: weshalb der Irrtum immer nur dem Verstände zur Lost fällt. Die Sinne trügen nicht, aber das Urteil Goethe. Entwicklung der Sinne ist die Grundlage der Entwicklung des Verstandes der Menschheit. Moleschott. Schwedische ASnstler. (Zur jüngsten Ausstellung des Leipziger Kuustvereins.s Man hat bic modernen Maler Schwedens die Franzosen des Nordens genannt. Geht man die geschichtliche Entwrck- lung zirrück, die die schwedische Kunst in den letzten Jahr zehnten genommen hat, so kann man unbedenklich sagen, ohne Paris und Frankreich gäbe es vielleicht überhaupt noch keine moderne Malerei in Schweden. Man trifft hier wieder einmal auf den gewaltigen befruchtenden Einfluß, den das moderne Frankreich in kultureller und speziell künstierischer Brzicchlng aus die übrigen Völker Eurovas — die Engländer ausgenommen, die sich noch am meisten ihre eigene nationale Entwicklung gewahrt haben — aus geübt hat. Und doch sind die Schweden bei all dem, was ihnen die Kunst Frankreichs übermittelt hat, in gewissem Lünne geradezu vorbildlich dafür, wie ein Volk wohl von anderen lernen kann, ohne dabei aber seine nationalen Eigentümlichkeiten preiszugeben. In selten geschickter Weise haben die Künstler dieses Landes zwar das Fremde ausgenommen, es aber gleichzeitig verstanden, es mit der eigenen Naturanfchouung und den nationalen Eigentüm lichkeiten zu einem neuen Ganzen zu verbinden, als dessen Produkt eben die moderne schwedische Kunst vor uns hin tritt. Vor allem haben alle diele Künstler ihre Seele rein vor fremden Einflüssen zu bewahren gewußt. Es ist letzten Endes nirgends mechr al« dos rein Technische, als die viel- 'ästigen äußerlichen Mittel, mit denen der moderne Künst ler der Natur nahe zu kommen vermag, wo? Pari» diesen Nordländern offenbart hat. Der sonore Natnrlaut selbst, den ihre Knnst «tztont, ist so eigen und unpariserisch, daß «n» beut« längst von einer einheitlich« nationalen schwedischen Luvst sprech« kann. Um alle Feinheiten dieser Malerei und auch das oft Fremdartige dieser Werke richtig zu begreifen, muß man Kenner des Landes selbst sein, von dem wir alle mehr oder weniger nur aus -weiter Hand wissen. Man muß daran erinnern, daß Schweden über Natureindrücke verfügt, die denen unserer heimatlichen Himmelsstriche in nichts mehr ähnlich sehen, daß man hier Stimmungen erleben kann, bei denen die ganze Natur zu einem wundervollen Konzert malerischer Zusammenklänge verwandelt erscheint, wie sie ähnlich überwältigend nur im Süden zu finden sind und daß inmitten dieser seltsamen Splxirc das Naturgesiibl im Menschen selbst aus stärkeren pantheistischen Grundlagen erwächst, die wie ein letzter Nachklang jenes altgermanischcn Göttermythus der nordischen Edda anmuten. Zwar soll damit nicht behauptet werden, daß alle modernen Künstler Schwedens in ihren Werken diese ausgesprochene nationale Eigenart in gleichem Maße bekunden. Meister wie Anders Zorn und Prinz Eugen von Schlvedcn wären auch aus anderem Boden denkbar, aber im großen und ganzen ist es vornehmlich die jüngere Landschafteroeneration, in deren Werken sich so unverfälscht der prickelnde Zauber dieses heimlichen Stimmungswebens auslöst, dessen Zartheit und Innigkeit wie weltferne Musik aus unsere Seele cin- spricbt. Torin wurzelt die Größe dieser heimatlichen Kunst, daß sic so ganz von der Eigenart des Naturmilieus erfüllt ist, daß man selbst bei allem Fremdartigen und Herben, an das man sich oft erst gewöhnen muß, überall den würzigen Hauck der schölle verspürt. Es gibt da viele heterogene Künstlernaturen — man stelle einmal Zorn und Larsson gegenüber bei denen man gar nickts Gemeinsames mehr konstatieren kann und doch ist der eine ebensosehr Schwede wie der andere und für beide gibt es genug instruktive Beziehungen zur Heimat selbst, die über die letzten Rätsel im Nu hinweg helfen. Der Oberlichtsaal des Leipziger Kunstvcrcins beherbergt gegenwärtig eine Ausstellung schwedischer Künstler. Gibt sie auch nur spärliche Proben von der immensen Fülle dessen, was die moderne Kunst auch im hohen Norden ge- zeigt hat, so darf man dieser Ausstellung dock nachsagen, daß sie bei aller künstlerischen Qualität auch für die Kennt- nis der schwedischen Kunst ungemein instruktiv ist. Viele der Besten fehlen: dafür aber lernt man Meister wie ;)orn, Fjaestad, Björk, Prinz Eugen von ^Schtvcdcn u. a. in voll gültigen und durchaus charakteristischen Werken kennen, an denen man immerhin einen guten Ueberblick über das Eigenartige und Bedeutende dieser nordischen Künstler gemeinschaft bekommt. Auch Larsson ist einigermaßen aut lrertrcten. Er ist durch seine Wandmalereien im Nationalmuseum zu Stockholm berühmt geworden und ist auch in sväteren Jahren noch der stilisierende Linien künstler geblieben, als der er sich auf icnen großen monu mentalen Malereien ousweist Seine Bilder schauen drein wie vergrößerte Illustrationen, seine Farbenskala ist bis zum äußersten vereinfacht und gehorcht allein der Fläche al» solcher. So kommt es, daß sie oftmals grell und unver mittelt wirkt und auch da den reinen »I kid-o-Stil imi tiert, wo es nicht eben angebracht erscheint. Aber Larsson ist «in Linienkünstl-er var «ceellemoe Seine Zeichnung ist wunderbar groß nnd fließend und seine malerischen Ambi tion« -ehe» au« mehr oder weniger darauf yincm«, den Eindruck einer rein dekorativen Harmonie zu erzwingen. Am unmittelbarsten wirkt der Künstler durch die Schilde rungen seiner Familie, die ihn vornehmlich auch in Deutsch land bekannt gemacht haben — auch das große Weihnachts bild im Kunstverein gehört in diese Kategorie — weil fein taufrischer Humor und sein kräftiger Sinn für die Wirk lichkeit sich auf solchen Bildern aus dem häuslichen Leben in ihrer ganzen Fülle unbehindert haben offenbaren können. Und doch ist Larsson gerade mehr Phantast und geist voller Improvisator, als nüchterner Beobachter, im Gegen satz zu Anders Zorn, dessen persönliches Tempera ment ganz im rein Malerischen wurzelt. Zorn ist der vielleicht am meisten universal veranlagte schwedische Künstler; denn seine Vielseitigkeit erregt geradezu Staunen. Maler Radierer und Bildliauer in einer Person hat er vor allein jene Probleme künstlerischer Lichtwirkung wieder ausgesucht, durch die uns Rembrandt unvergeßlich bleibt. Tabci offenbart cr allüberall eine verblassende Geschick lichkeit, das Leben und die Bewegung des Augenblicks fest- zuhalten und das momentane Spiel leuchtender Lichtreslerc wiederzugcbcn, aus denen sich seine Gestalten plastisch visio när loslöseu. Er ist der vollendetste Kolorist, trotzdem seine Farbenskala nur wenige Töne kennt, ebenso wie cr in seinen Radierungen mit ein paar slüchtighingcschriebenen Strichen Bewegung und luiuiuistische Wirkungen von eigen artigen Reizen zu geben weiß. Zorns größte Stärke wurzelt zweiscllos im Porträt und er bat uns da speziell in seinen derb gcsuirdcn Bauernmädchen Zeugnisse für seine wunderbare Fähigkeit hinterlassen, mit den geringsten Mitteln durch Stellung und Bewegung eine Schärfe der Charakteristik zu erzwingen, die ihn vielleicht überhaupt zu einem der grössten Porträtmaler aller Zeiten stempelt. Prinz Eugen von Schweden aus dem Hause Bernadotte ist der Lyriker der schwedischen Landschaft. Seine Motive entstammen nie st der Gegend um Stockholm. Während er sich auf älteren Werken noch ganz im Rahmen einer simplen, aber mit Liebe geschauten Landichaftsmalcrci bewegt, haben seine Bilder in den letzten Jahren eine starke impressionistische Note bekommen, die ebenso ein dringlich wirkt wie früher seine auf effektvoll zusammen- gestellte dekorative Harmonien bin gearbeitete» Gemälde, seine Kunst ist echt aristokratisch und von einem seltenen visionären Hauck überzogen. Seine abendlichen Impressio nen, auf denen hier und dort die Lichter unter dem Nebel hervorleuchten, sind wundersam innerlich wicdcrgegebene Stimmungseindrücke von seltener Eindringlichkeit. Wer malerisch zu jeden gelernt bat, steht vor solchen Zeugnissen verwundert still; den» sic suchen in ihren sanften klingenden Harmonie» und ihre» seltsam idyllstchen Reizen in der modernen Kunst ihresgleichen. Man kann von hier den Schritt zu Adolf Fjaestad machen, bei dem sich das spezifisch Heimatliche mit Ein drücken, die der Künstler vom Iapamsmus kergewann, milcht. Er malt mit Vorliebe den srischgesallcnen weißen Schnee und webt gern in Dämmerstimmungcn, die seinen Bildern etwas Mnsti'ch-Welt'erncS geben. Seine Technik erinnert oft an indische Batiks, an Gewebe, die die Er- imttvuna an den Pinsel gänzlich wegnehmen und dafür Prächtige Motive für dekorative Prmneaux erstehen lassen. Ob mit Recht oder Unrecht erschein« seine Kunst wie unter dem Eindruck langer Winternächre geboren. Auch O: to Hesselbom hält seine Bilder in einem wirkungsvollen dekorativen Stil. Seine panoramaartigen Wald- und Ge- birgslandschaften sind von heißen Jarbengluten durch leuchtet. Eugen Jansson, den man übrigens im Knnstverein ganz unzulänglich kennen lernt, sei wenigstens ebenfalls als Stimmungsmaler notiert. Er ist der Visio närste der Stockholmer Künstler. Seine Straßcnbildcr in Nachtstimmung sind von einer geradezu märchenhaften Sehnsucht nach Einfainkcit und Farbe erfüllt, wäbrcnd Gunnar H a l l st r ö m wieder mehr in die Kategorie jener Künstler gehört, als deren Dyv — wenn auch westnt- lich verschieden — wir Larsson nannten, die vornchmttch stilisieren und mehr nach dem rein Dekorativen bin ibrc Begabung haben. In Oscar Björck endlich l>rben Wir einen der besten schwedischen Porträtmaler vor uns, dessen wunder volle Eleganz schon ganz pariserisch anmntel und cber ein Gegenstück zu Zargen» als zu Zorn oder Larsson ist. Aber seine Bilder verraten vor ollem Schärfe der Elmeakteristik nnd einen geläuterten Sinn für farbige Zusammenkbingc, daneben auch, wie auf dem männlichen Porträtstück, em seines Gefübl stir Bcleuchtungscnektc Unter den jüngeren Bildhauern Schwedens, die auch iw Kunslvercin zu Worte kommen, verdienen vor allem Earl Mil lös und Job an Elbb Erwähnung bei d-nen sich die Pariser Schule nicht verleugnet; vornehmlich der erst genannte Meister ist in der Ausstellung durch mehrere lebensnmbre Klcinplastiken vertreten, an denen man gern erkennt, daß dieser Künstler auch größeren monumentalen Ausgaben gewachsen ist, als der'» erste die Geschichte be reits sein Sture-Denkmal snr Upsala verzeichnet bat Vr. Viermon». * ' Fontane über die Vcrttucr Tenkmalckunst. Beim Fesi- essen zur Feier der Enthüllung deS Fontane-Denkmals i» Neu- Ruppin wurde ein unbekannter Bries Fontanes verlesen, in dem sich der Dichter anläßlich des im Jahre 1873 geplanten Neu- ruvviner Kriegerdenkmals über unscre moderne Tenlinalplastik sowie über den Grotzstadtgeist folgendermaßen auslaßt: „In den Vorder- grund stelle ich Len Satz: Mau Lenke selbslänvig und blicke nicht ans Berlin, denn Berlin denkt erst recht nicht. Alle großen Städte sind g.danlcnsaul: sie haben gor keine Zeit dazu, Gedanken lieberoll auszutragen, sie verarbeiten nur di« Gedanken, die Land und Volk ihnen an die Hand geben. Die vielen Berül.nstbeiteu, die sich vorfindeu, spinnen im günstigsten Falle nnr ihren an anderem Ort begonnene» Faden vor, nieisl aber sind sie nur die Austwkerer de« Materials, mit dem und uni dlisentwillen sie in der Hauptstadt eintmsen. Jede große Stadt ist notwendig unproduktiv; sie produziert freilich Massen, aber dies alle- ist nur Fabrikprodultion. nickt geistige Produktion. Die Hauptstadt schafft nur Dubletten bs ins Unendliche: immer wieder Siemerings-FrieS, immer wieder der Rauchsch« Löwe auf dem Grobe «charnborsiS, immer wieder eine Viktoria oder ein FttedenScngel mit Palmen oder e ne Hoffnung wit der Lotosblume. Alle» in dutzend- oder gro-wei'e. Per iünszehn Iabren war ich im Atelier eines berühmten Bildhauers Ich sagte ihm: „Der Sockel erscheint mir etwa- kahl." „Sie können recht haben; nötigenfalls nehm« ich Blonde, Liebe, Hoffnung»imd setze sie an di« Ecke»." S» diesem Tag« lernt« ich di« Bildhauer krnn«. Ich beschwd« Sie,
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