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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070613015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907061301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907061301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-13
- Monat1907-06
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Ttschs. R.) * Die Heilbronner Konferenz von Vertre tern der deutschen Rheinufer st aat en: Preu ßen, Bayern, Württemberg, Elsaß-Lothringen und Hessen, in Sachen der Schiffahrtsabgaben ist, wie wir authentisch erfahren, negativ verlaufen. Die Beratungen haben keinerlei Einigung der Staaten über die Frage der Schiffahrtsabgaben gebracht, da Baden seinen Widerstand gegen die SchiffahrtZ- abgaben nicht aufgegeben hat * Der erste internationale Fleischerkongretz in Ham burg beschloß die jährliche Abhaltung internatio naler Kongresse und trat für die Einführung der allgemeinen Fleischbeschau in allen Län dern ein. (S. DtschS. R.) * Dre offizielle Siegerliste über die dritte Herkornerfahrt ist bekanntgegeben wor den. — HEute beginnen die Vorrennen zum Kaiser- preiSrennen im TaunuS. (S. Letzte Dep.) * Die amerikanische Bundesregierung hat bei den Gerichten die Auflösung der penn sylvanischen Eisenbahn-Trusts beantragt. (S. Ausl.) * Die Wahabiten bedrohen Medina mit einem Angriff. (S. Ausl.) * In Persien soll eine Verständigung zwi lchen Regierung und Parlament erzielt sein. (S. Ausl ) Vie knmickrlung lles Fiaulzcbau-Kebietes. Wir haben schon unmittelbar nach ihrem Erscheinen die oom Reichsmarineamt auch in diesem Jahr wieder heraus gegebene Denkschrift über die Entwicklung des Kiautschau- Gebietes, die diesesmal di« Zeit von Oktober 1905 bis Ok tober 1906 umfaßt, kurz berücksichtigt, kommen aber jetzt noch etwas eingehender auf sie zurück. Es ist im allgemeinen ein recht erfreuliches Bild, das sich hier vor uns aufrollt, und wir könnten nur wünschen, daß sich auch von unseren ande ren Kolonien bald Aehnliches berichten ließe. Nur ein Wer. mutstropfen fällt jedem Deutschen beim Lesen des Berichtes in den Freudenbecher, die heimliche Frage: wird all unsere Arbeit und Mühe, all unser Erfolg nicht eines schlimmen Tages von einem lachenden Erben eingesteckt werden, der diesem deutschen Kolonisationsgebiete mit seinen Macht mitteln näher sitzt, als das Mutterland? — Wer das, was deutscher Fleiß in der kurzen Zeit von 9 Jahren aus diesem Gebiete machte, im Geiste an sich vorüberziehen läßt, wer die prächtig ausgeführten Panoramen, die der Denkschrift bei gegeben sind, nicht nur auf Naturschönheit hin betrachtet, sondern auf ihnen die Beweise eifriger Kulturarbeit sucht und in glänzendem Maße vertreten findet, der wird be greifen, daß ein solcher Punkt sehr wohl geeignet ist, fremde Begehrlichkeit zu reizen und den Versuch zu wagen, dort mühelos zu ernten, wo andere unter Anspannung der besten Kräfte gesät haben. Die neue Denkschrift stellt zunächst im allgemeinen einen ruhigen, stetigen Fortschritt des gesamten Wirtschafrslebens in der Kolonie fest und führt ihn mit Recht auf das verständ nisvolle Zusammenwirken der staatlichen Organe mit den berufenen Vertretern der wirtschaftlichen Interessengruppen zurück. Es ist außerordentlich wohltuend, in dieser amt lichen Veröffentlichung ausdrücklich betont zu finden, daß die Marineverwaltung »stets bemüht war, ihren Organen die Förderung des kolonialen Wirtschaftslebens unter Ver meidung bureaukrati s ch er Bevormundung zur obersten Pflicht zu machen." Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß dieser gesunde Grundsatz, der so vorzügliche Früchte zeitigt, nun auch in unseren anderen Kolonien mehr zur Geltung kommen wird. Aus dem Berichtsjahr dürfte folgendes besonders hervor zuheben sein: Die im Vorjahr gegründete Handelskammer in Tsingtau hat die Rechtsfähigkeit als Verein erhalten, wodurch die kaufmännischen Interessen eine weitere dankenswerte För derung erfuhren. Die Einnahmen des Schutzgebietes sind um rund 37 Proz., nämlich von 1001170 auf 1370 485 gestiegen und der Wert des Handels von Tsingtau ist nach der chinesischen Zollstatistik von rund 32,4 Millionen au 39.4 Millionen Dollar gewachsen. Ebenso ist der Schiffsver- kehr des Hafens von Tsingtau, sowie der Personen- und Frachtverkchr der Schantung-Eisenbahn in einem ständigen Steigen begriffen. Ersterer betrug bei einer Zunahme von 56 000 Registertonnen 476 646 Tonnen, die sich auf 425 Schiffe verteilten. Den Löwenanteil hiervon trug die Ham- burg-Amerika-Linie, die einen regelmäßigen Postdampfer verkehr auf der Linie Schanghai—Tsingtau—Tientsin unter- hält, doch auch englische und japanische Linien haben ihren Anteil an dem Tsingtauer Schiffsverkehr. Die Eisenbahn aber beförderte 811285 Personen und 377 649 Tonn:» Fracht, bei der Steinkohlen und Steinkohlenkoks überwiegen, die besonder- den Gruben der Schantung-Dergban-Gesell- schaft entstammen. Dieser Entwickelung gegenüber äußert sich der Jahres bericht der Hamburger Handelskammer s1906s. »Das erst 1SVS erSffnete Tsingtau hat souach das bereits seit de« Jahre 1863 eröffnete Chefoo fast cingeholt, und alle An zeichen sprechen für eine baldige Ueberslügelung dieses Hafens durch Tsingtau. Günstig auffallend ist die all- gemeine Zunahme der Ausfuhr, welche bisher zu wünschen übrig ließ. ... In der Einfuhr überwiegen leider noch Leinde, namentlich japanische, englische und amerikanische Erzeugnisse, doch ist zu hoffen, daß sie wenigstens zum Teil mehr durch deutsche Waren werden ersetzt werden können." Infolge der günstigen Entwicklung zieht sich auch mehr urQ mehr fremdes Kapital nach Tsingtau, besonders englische und amerikanische Firmen gründeten dort Niederlassungen, und die Vereinigten Staaten bestellten für diesen Platz einen eigenen Konsul. Ob cs ratsam ist, fremdes Kapital gar zu «sten Boden in dieser exponierten deutschen Kolonie fasten zu lasten, möge dahingestellt bleiben, jedenfalls wird es gut sein, britischem Kapital nicht einen gar zu großen Einfluß einzuräumen und in der Zulassung japanischen Unternehmer tums noch vorsichtiger zu sein. Sonst dürfte bald die Zeit kommen, daß wir deutsche Arbeit und deutsches Geld zum Nutzen anderer Nationen aufgewendet haben. Leider aber hat das dortige Wirtschaftsleben auch mit einem ziemlich schwierigen Hemmungsmoment zu kämpfen, nämlich mit dem wechselnden Tollarkurs. In dem ganzen ostasiatischen Wirtschaftsgebiete herrscht der mexikanische Silberdollar, der lange etwa 2 galt, 1903 auf 1,66 fiel, am Schluffe des JahreS 1906 aber die Höhe von 2L8 erreichte. Hierdurch wurde das Gesamtleben an der Küste erheblich verteuert und Handel und Wandel vielfach gehemmt. Besonders wurden diejenigen Bevölke rungsschichten der Kolonie betroffen, die auf feste Gehälter angewiesen sind und diese in Markwährung beziehen. Zur Erleichterung der so entstandenen Schwierigkeiten sorgte die deutsche Verwaltung für die dringend erforder liche Vermehrung der Umlaufmittel lGeldsurrogates und traf ein Abkommen mit der Deutsch-Asiatischen Bank, durch welcher dieser unter Staatsaufsicht die Konzession erteilt wurde, vom 8. Juni 1906 an auf 15 Jahre Banknoten durch ihre im deutschen Gebiete Kiautschau und in China befind lichen Niederlassungen auszugeben. Hierdurch ist in mehr facher Hinsicht ein neues System geschaffen, das über seine konkrete örtliche Anwendung hinaus möglicherweise imstande sein wird, eine grundsätzliche bankpolitische Bedeutung im Falle ähnlich auftretender Bedürfnisse der überseeischen deutschen Wirtschaftsentwicklung zu gewinnen. Wenn man als Prüfstein für die wirtschaftliche Ent wicklung einer Kolonie die Nachfrage nach Landverkauf und die vrivate Bautäliakeit ansieht, so ist auch hier günstiges zu berichten. Es wurden Grundstücke im Werte von 76000 Dollars vom Gouvernement veräußert und in Tsingtau 21, in der Chinesenstadt Tapautau 27 Wohn- und Geschäfts häuser erbaut. Ebenso wird der Ausbau des großen Hafens und die Bebauung des Werftgebietes planmäßig gefördert. Erfreuliche Fortschritte weist auch die Entwickelung der Gouvernementsschule auf, die in der Umwandlung in ein Reformrealgymnasium begriffen ist und im September 1906 eine Untersekunda eröffnete. An dieser von 78 Schülern be- suchten Schule sind vier Oberlehrer und drei seminaristisch gebildete Lehrer tätig. Sehr interessante Mitteilungen ent hält der Bericht über die chinesischen Schulen im deutschen Schutzgebiete. Nach hochbesriedigenden Erklärungen über Witterungsverhältnisse, Gesundheitszustand, Badeleben und anderes, für die ausführliche Belege beigegeben sind und nach der Versicherung, daß die Beziehungen des deutschen Gouvernements zu den chinesischen Behörden im Hinterlande andauernd gut waren — hier kommt uns nur die Zwischen frage, wie unter diesen Verhältnissen der Beschluß der Ab schaffung des Deutschen in höheren chinesischen Schulen jenes Hinterlandgebietes möglich war — legt die Denkschrift ihre Meinung über die Aussichten der ferneren Entwicke- lung der Kolonie dar, die wir mit dem Wunsche wörtlich wiedergeben daß sie sich bewahrheiten mögen. „Für die fernere Hebung des wirtschaftlichen Lebens der Kolonie wer den in erster Reihe diejenigen Faktoren maßgebend sein, auf denen schon ihre bisherige Entwicklung vor allem beruht hat, nämlich die fortgesetzte Ausgestaltung des Seeverkehrs und der weitere Ausbau der Verkehrswege im Hinterlande. In ersterer Hinsicht verdient hervorgehoben zu werden, daß an bequemen und sicheren Lösch- und Ladeeinrichtungen Tsingtau alle Häfen in Ostasien übertrifft. Selbst in den alten Seehandelsplähen Hongkong, Schanghai, Tschifu, Tientsin, Nagasaki und Kobe ist das Löschen und Laden großer Seedampfer nur mit Hilfe von Leichtern möglich, während in Tsingtau auch die größten Frachtdampfer am Kai unmittelbar in die Eisenbahn überladen können. Die Küstenbildung und die allen Anforderungen ent sprechende Befeurung und Bezeichnung des Fahrwassers er möglichen das Ansteuern des Hafens bei jedem Wetter und bei jeder Tages- und Jahreszeit, und es finden die Schisse eine so sturmsichere Unterkunft, daß Zeitverlust oder Ver lust an Gütern beim Löschen und Laden ausgeschlossen sind. Endlich bietet sich nach Vollendung der Gouvernementswerk statt und des Schwimmdocks eine Gelegenheit zu sachgemäßer, solider und preiswerter Reparatur für Schiffe und Ma schinen, wie sie bester an keinem Platze in Ostasien an- getroffen wird. Sind so die verkehrstechnischen Vorbedingungen zu einem Außenhandel großen Stils gegeben, so steh» zu erwarten, und die bisherigen Statistiken des Seezolles und der Schan- tung-Eisenbahn bestätigen es, daß mit der zunehmenden Er schließung der Provinz Schantung und in dem Maße, in dem sich die einheimische Landwirtschaft und Industrie der Erzeugung von Ausfuhrartikeln zuwenden, der Handel sich dieser Verkehrsmittel bedienen wird. Die Entwicklungs möglichkeiten der chinesischen Landwirtschaft sind noch de- trächtlich, und das Vorkommen von Kohle und Eisen läßt mit Sicherheit die Entstehung neuer Industrien voraus sehen. Mit der zunehmenden Kaufkraft des Landes wird aber auch die Einfuhr steigen. Von ganz wesentlicher Bedeutung wird es sein, wenn es gelingt, die Fortsetzung der Bahnlinie über Tsinanfu hin aus, besonders in der Richtung nach Tientsin, zu erreichen. Der Umstand, daß die Schiffahrt im Golf von Tschili im Winter des Eises wegen ruht, muß ohne Zweifel dem nächsten eisfreien, mit der Bahn zu erreichenden Hafen zu gute kommen, da ganz Nordchina auf diese Verbindung an gewiesen ist. Im besonderen wird der Personenverkehr sich dieses Wege- bedienen, wenn er in Tsingtau Anschluß an de» große» Weltverkehr findet. Ein wichtiges Glied in der Kette dieser Entwicklung wird daher sein wüsten, daß die deutschen Postdampferlinien Tsingtau aus- und heimreisend regelmäßig anlaufen und so auch ihrerseits zur Hebung von Handel und Wandel im Schutzgebiete, namentlich aber zur Förderung der Einfuhr deutscher Erzeugnisse beitragen." -- O. L. Vie Stellvemrftmg Mr Plärrer Sranainger. (Von unserem Münchner Korrespondenten.) Prinzipiell muß jeder katholische Geistliche selbst für seine Stellvertretung sorgen. Außer Zweifel steht ferner, daß er die Kosten hierfür übernehmen muß. Die Pfarrer, denen nicht ohnedies ein Hilfspriester ständig zur Seite steht und die ein Mandat zum Landtage annehmen helfen sich in der Regel damit, daß sie zu Sonn- und Feiertagen in ihre Pfarrei zurückkehren, um den Gottesdienst abzuhalten, für die Wochentage aber einen benachbarten Amtsbruder sub stituieren. Für Zentrumspfarre, ist also die Beschasfuug einer Stellvertretung sehr leicht. Aus naheliegenden Grün den verhielt sich die Sache bei Pfarrer Grandinger ganz anders. Höchstwahrscheinlich wäre es ihm unmöglich gewor den, selbst eine Aushilfe zu gewinnen — wie ich weiß, hat er sich selbst darüber keine Illusionen gemacht. Deshalb richtete er sogleich in sehr geschickter Weise an das erz- bischöfliche Ordinariat die Bitte, fihm einen Aushilfspriester zu ernennen. Die Ultramontaner, hatten dafür nur Hohn und Spott und erwarteten mit Bestimmtheit die Ablehnung des Gesuches. Sie hofften aber auch für den Fall, daß cs Grandinger gelingen sollte, vielleicht doch einen Geistlichen zu finden, auf besten Zurückweisung. Der Bischof kann nämlich ohne besondere Begründung einen Stellver treter als nicht passend ablehnen. Die Ausübung eines Landtagsmandats ist nun unstreitig ein staatsbürgerliches Recht, das auch dem Geistlichen nicht verkümmert werden darf, und der Erzbischof von Bamberg hatte sich ja schon früher ausdrücklich gegen einen solchen Eingriff verwahrt. Daraus läßt sich allerdings zum min desten eine moralische Pflicht für den Erzbischof herleiten, dem Pfarrer Grandinger für den Fall, daß er keine Aus hilfe häOe auftreiben können, selbst ein; zu bestellen. Ein Zwang wäre jcvoch nicht möglich gewesen, auch ein anderer Kultusminister als Herr von Wehner hätte, eventuell von Grandinger angegangen, nur eine vermittelnde Tätigkeit versuchen können. Die Gewährung der Bitte Grandingcrs bedeutet daher überhaupt und namentlich deshalb, weil Grandinger nicht erst aufgefordert wurde, sich selbst zu bemühen, ein Entgegen kommen, das nirgends erwartet .ourde. Der Grund liegt darin, daß dem Erzbischof die Angelegenheit sehr unangenehm geworden ist. Wie er schon vor mehreren Monaten dem Vorsitzenden der bayerischen Zentrumsfraktion, Dr. von Daller, wegen seines Eingreifens bei der Reichstags wahl einen Brief geschrieben hat, der einem Entschuldigungs briefe verzweifelt ähnlich sah — eine Tatsache, die hiermit zum ersten Male an die Oeffentlich- keittritt — so war sein Einschreiten gegen den liberalen Pfarrer von der Rücksicht auf das Zentrum diktiert. Aber, so wurde mir erst vor wenigen Tagen von zwei Würdenträgern der Kirche bestätigt, er fühlt doch lie Einbuße an Ansehen in der gebildeten Welt mit großem U' behagen, und daher wohl sein rascher Entschluß, dem Pfarrer Grandinger weitere Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Das Urteil über sein sonstiges Verhalten im „Falle Grandinger" wird dadurch natürlich um keine Linie verrückt. Bei dieser Gelegenheit sei nochmals bemerkt, daß die Mel dung der „Nhein.-Westf. Ztg." von einem weiteren geheim zuhaltenden Jnstruktionsschreiben des Erzbischofs nach der eigenen Versicherung Grandingcrs aus der Luft gegriffen ist. Nschinger. Berlin, 12. Juni. Imitiert zu werden, ist der Traum jeder modernen Große. Erst die Imitation verbürgt den Wert des Originals. In Erkenntnis dieser riesen Weisheit muß sich Aichinger un geheuer erhaben vorkommen, denn er wird schamlos nach geahmt. Unzählige Kneipen in Groß-Berlin zeigen den blau-weißen Aschinger - Anstrich und jucken damit Kund- jchast zu erwerben, ohne auch nur den Versuch zu machen, dem echten Aichinger an Leistungen gleichzukommen. Freilich wäre der Versuch vergeblich, wenn er nicht im allergrößten Maßstabe, mit einem Millionenkapital und einer muster gültigen Organisation, unternommen würde. Ja Aschinger hat die Reellität, die Spekulation auf den nüchternen Sinn des Großstädters, auf I'twmmo saus xöuo, auf die Zeitknapp beit, auf die monatliche Kaffenebbe gesiegt. Sein Motto ist: Preiswert! Unter diesem Zeichen steht alles. Es begrenzt sckarf seine Leistungen nach unten wie nach oben. Wer dinieren will, geht nicht zu Aschinger. Aber wer zu irgend einer Tageszeit sich für fünfzig Pfennige satt essen will, geht hin. Hat das Ber liner Individuum nur noch dreißig, fo tun eS die auck. Es ißt dann Erbsensuppe mit Speck, die in beinahe wie Silber aussehenden Kübeln serviert und zu der Brot L ckiscreticw genommen wird. Und darin besteht die große Klugheit der Leitung des Unternehmens: sie ist nicht kleinlich. Noch nie ist eS vorgekommen, daß ein Gast bei Asckinger wegen zu großen BrotoerbrauchS zur Rede gestellt Worten ist. Und wenn ein Hungriger drauf und dran ist, dem Brotkorb een Rest zu nehmen, so ist auch schon ein Angestellter da und schüttet mit sanfter Ironie den Koib wieder voll. Hoch türmt sich der Berg des immer frischen Gebäcks, und webmutSvoll gibt der arme Schächer den Kampf auf. Aichinger hat ihn besiegt. Nein, Aichinger ist nicht kleinlich. Er kennt keinen Getränkezwang, keine Preiserhöhung für Abstinenzler. Er kümmert sich nicht im geringsten darum, ob Mann oder Web essen, ohne zu trinken, oder triaken, ohne zu essen. Er siebt die Summe an, und bisher muffen seine Prinzipien doch nicht schlecht ge wesen sei», im kaufmännischen Sinne, sonst hätte er eS nicht ;u den sünsuuddreißig Bierquelleu, den eigenen Konditoreien und EaseS bringen können, sonst hätte er den großen Kredit n cht gefunden, der ihm den raffinierten Ausbau seiner Organ,jation gestattet hat. Aschinger macht alles selber. Er schlachtet selber und macht seine Wurst selber, hat seine eigenen Bäckereien und Konditoreien, hat seinen eigenen Fuhrpark, kleidet eine weiblichen Angestellten blau-weiß ein und läßt im ganzen Betriebe keine Lücke, durch die ihm ein Profit verloren gehen könnte. Er spekuliert nicht auf die Kundschaft von Gourmets, sondern auf die Masse, die nicht viel Zeit hat. Und die Bedürfnisse und Neigungen dieser Masse keimt er aufs genaueste. Welches Ladenfräulein äße nicht gern Kaviar — also gibt er halbe Brölchen mit Butter und abgezählten siebenundzwanzig kohlrabeu- chwarzen Partikelcheu und viel Zwiebel, nennt das Kaviarbrötchen und verkauft das Stück für fünf zehn Pfennige. Wer noch nicht gewußt hat, wie manche Leute zu der verblüffenden Ansicht kommen, Kaviar schmecke wie HeringSlake, der muß zu Aschinger Kaviar essen gehen. Aber das tun auch uur Outsiders. Die Asckinger-Stamm- gäsie, besonders die Studenten im yuurtäer lutiv, gehen mit ganz anderer Sachkenntnis, manchmal auch mit Verschmitzt heit und Tücke vor. Da war ein langer Theologe, der hatte von einem Angestellten der Firma auf große- Ehren wort die Versicherung erhalten, an Zungenbrötchen setze Aichinger zu. Seit der Zeit aß der Mann GotteS nur »och Zungenbröichen uud freute sich täglich ganz unchristlich über den Rieseuschaden, den er Aschmger zusugte. Den an den ver zehrten Zungenbröichen gemachten Profit legte er natürlich sofort bei Aschinger in Bier an, um der auSgleicheuden Gerechtigkeit willen. Der brave Mann macht sich wahr scheinlick jetzt bittere Vorwürfe, denn er wird die neuer lichen Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten der Firma Aschinger auf seine Zungenbrötchenspekulation zurückführeu. Aljo da waren wir bei dem Thema de- Berliner Tages: Zahlungsschwierigkeiten der Aktiengesellschaft Aschinger. Zu nächst: Wie konnten solche Gerüchte entstehen? Der alten Familien-Actiengescllschaft Aschinger, die ihren Betrieb bis vor kurzem auf Bierquelleu, Zehnpfennigbrötche», Fünfzig pfennigportionen und ähnliche totsichere Sachen beschränkte, konnte so etwas nicht passieren. Aber kennt ihr nicht die Fabel vom Bäumchen, das andere Blätter hat gewollt? AjchingerS wollten vornehm werden »nd ließen sich in neue Unternehmungen ganz anderen CharalterS ein. Zu gleicher Zeit wurde gegenüber dem Potsdamer Bahnbos ein Riescnhotel erbaut, das schon anfanz dieses JahreS eröffnet werden sollte und noch immer nicht fertig werden will, eS wurde K» RiesenweinhauS „Rheingolv" im pompösesten Stil aufgesührt, mit Fronten nach der Bellevue- und der Potsdamerstraße. Dies ist seit einigeu Monaten im Betrieb und soll dem ewig überfüllten Kempinsly Konkurrenz machen. Das hat eS auch getan, denn bei KempinSky ist neuerdings ab und zu ein Platz zu haben, aber die viertausend Sitzplatze deS „Rhein golds" sollen nickt immer besetzt sein. Die Bauten, von unseren besten Architekten entworfen und geleitet, haben Riesensummen verschlungen, sind mit protziger Pracht, ganz aus echtem Material, hergestellt und zeigen deutlich die Ab sicht, in nichts an die alte Aschingerfche Nüchternheit zu er innern. Das ist erreicht. Kempinski, der Umgebaute, ist in der Ausstattung glänzend geschlagen, und nur die eine klas sische Berliner Frage bat ihre Berechtigung erhalten: Haben Sie schon einmal bei KempinSly — sich die Hände gewaschen? Aber wie steht es nun mit der Dividende? Berlin ist in großer Aufregung um den Stand der nicht gehandelten Aschinger Familieo-Aktien. Schon vor einiger Zeit hieß eS, das „Rheingold" sei an die „Hapag" mit einer Million Verlust verkauft worden, was jetzt wieder bestritten wird. Aber seitdem die Aktien der unierten Institute Dresdner Bauk- Schaaffbausen einen Kursrückgang erfahren haben, tauchen die Gerüchte über Zahlungsschwierigkeiten der Asckinger- Gesellschaft von neuem auf, denn die Dresdner Bank ist ihr finanzielles Rückgrat. Aschinger läßt natürlich die Gerüchte auf Tod und Leben bestreiten. Immerhin gibt er zu, sich etwas übernommen zu haben. Die neuen Unternehmungen sind also eigentlich UeVernehmungen, was kaufmännisch ungefähr so ausgedrückt wird: Die Höhe der Hypotbeken- tchulven steht äußerlich in einem gewissen Mißverhältnis zu dem geringen Umfange (von drei Millionen) des Aktienkapi tals. »Aber sonst sind Sie dock gesund?" pflegt man in Berlin zu fragen. Daß wirklich die Familie Aschinger allabendlich den Cantus anstimmt: „Heiliger Guttmann hilf uns dock, unser Beutel hat ein Loch", scheint unö übertrieben zu sein. So viel aber ist ersichtlich, daß die populärste Aktiengesellschaft Berlins zurzeit eine Krise durchwacht, und daß sie wahr scheinlich schon längst sich zu den einfacheren, aber einträg lichen Bi-rquellensilten zurücksehnt, bei denen zwar häufig das Messer mit der Gabel verwechselt wurde, aber immer Gelder cm Kasten klangen. Indessen bleibt ein Trost im Leide: Die Bieiquellen fließen ruhig weiter, und da« Geschlecht der SanitälSräte ist mit Deruburg nicht ausgeftorben. Xcicstf Lelneck. Deutsches Deich. Leipzig, 13 Juni. * Der Kaiser in Hannover. Um 8^/« Uhr traf der Kaiser im Automobil auf der Vahrenwalder Heide ein, wo ras KönigS-Ulanen-Regiment (1. hannöversches Nr. 13l zur Besichtigung bereit stand. Nach dem Abreitcn der Front formierte sich das Regiment zum Parademarsch, der in Zügen im Schritt stattfand. Dann begann daS Gefechts exerzieren, dem die berittenen Offiziere der Garnison und die Offiziere der Reitschule und der Kriegsschule al« Zuschauer beiwohnten. Nach der Beendigung dcS Exerzieren hielt der Kaiser Kritik ab. Die Besichtigung schloß mit einem Parademarsch. Der Kaiser fetzte sich an die Spitze der FahncMchwadron und führte sein Regiment in dce Stadt. Auf den EinzugSstraßcn bildeten Truppen der Garnison Spalier. Hinter diesen batte die Bevölkerung in dichten Reiben Ausstellung genommen und jubelte dem Monarchen entgegen. Vor der lltanen-Kaserne am König- worther Platze nahm der Kaiser Ausstellung, um die im Spalier verwandten Truppe» im Parademarsch vorbeiziehe» zu lassen. Nach der Beendigung d«S Parademarsches »ah«
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