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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070617015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907061701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907061701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-17
- Monat1907-06
- Jahr1907
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Letzte Dep.) * Auf der Wettfahrt Dover-Helgoland ging als erste Navahoe durchs Ziel. IS. Letzte Dep.) * Im Großen Hansapreis zu Hamburg (Ehrenpreis und 40 000 D wurde Weinbergs „Fels" Erster, und im Kaiserin Augusta Victoria-Jagdrennen siegte U. v. Oertzens „Ekliptik" mit Leutnant v. Wal le n b e r g im Sattel. — Den Grand Prix de Paris (200 000 Francs und 15 000 Francs dem Züchter) gewann Baron Ed. von Rothschilds „Sans Souci ll" mit Hals. — Bei der gestrigen Dresdner Ruder- Regatta siegte der Leipziger Ruderverern in zwei Rennen, im Junior-Vierer (mit beschränkter Kon kurrenz) und im Junior-Achter. — Das Goldene Mo torrad von Berlin gewann gestern im Sportpark Steglitz der Berliner Schipke. Robl und Butler versagten vollständig. (S. Sport.) Vie rveike Huklörung. Siu Ukas veS Zaren an den Senat ordnet die Auf lösung der Duma, Neuwahlen am 14. September uud die Eröffnung des urugrwählteu Hauses am gleiche« Tage des Novembers au. Stu kaiserliches Manifest und die Ver öffentlichung ctues neue» Wahlgesetzes stehen nnmittelbar bevor. So lautet die neueste Depesche aus Petersburg. Sie kommt nickt überraschend, noch weniger überraschend als die ähnliche Meldung des Vorfahre«. Ungenügend beschäftigte Nachlichtenbureau-, die in Ermangelung wichtigerer Aufgaben eS nicht leid werden, an den geraden TageSdaten zu wider rufen, waS sie in den ungeraden, in die Welt posaunt, haben seit Wochen ihr widerwärtiges Spiel getrieben, das den ZeituagSlesern längst zum Elel geworden war. Viel leicht stanven sie auch — meinetwegen unbewußt — im Dienste an einer langsamen Abstumpfung der Nerven deS Publikums interessierter Kreise. Die zweite Auflösung ist der ersten in keiner Weise gleich zustellen. Weder in ihrer Art noch in ihrer Begründung. Die erste Au lösung mackte von dem verfassungsmäßigem Rechte jedes constitutionellen Monarchen Gebrauch, von dem — seiner Ansicht nach — bei der Auslese seiner Ver trauensmänner schlecht unterrichteten Volke an ein bester zu unterrichtendes zu appellieren. Verfassungswidrig war dagegen das erste Mal die achtmonatliche Unterbrechung reS verfassunasgerechten Zustandes und die einstweilige Wiederherstellung des Absolutismus, welcher in der Zwischen periode Gesetze, sogar einen Staatshaushalt, aus eigener Machivollkommenheit zu verkündigen sich berauSnahm, als ob eS niemals einen 30. Oktober gegeben hätte. Die Abkürzung der parlamentSlosen Zeit ist dieses Mal als ein Fortschritt zum Besseren zu verzeichnen. Dagegen fällt die' Aufzwinguag eines neuen Wahl- versabrens so vollständig an- dem Gleise eines Rechts staates heraus, daß wir dieses Mal mit weniger anfechtbarer Berechtigung den zarischen Ukas einen Staatsstreich nennen dürfen. Daß auch in den Geburt-wehe« der west europäischen Verfassung die regelmäßig zurückebbenden Re aktions-Gezeiten verschlechterte Wahlgesetze „oktroyiert" haben, entlastet die zarische Nachahmung dieser bösen Beispiele in keiner Weite. Weit schlimmer ist, daß die verhältnismäßige Be rechtigung der erste« „Drumairisierung" des ReichSparla- menteS dieseSmal nicht anerkannt werden kann. „Spreng' endlich deine Höhle, laugverhaltner Groll, zum Himmel stiebe, leidende Geduld! Und du, der dem gereizten Basilisk den MorrbUck gabst, leg auf die Zunge mir den giftigen Pfeil!" war da- Motto für Rußland- parlamentarische Erst geburt, die unter den Donnern der wildesten Revolution empfan gen war. Mit dem übergärenden Radikalismus, dem alles aus der Welt gleichgültig geworden war, außer seinem jahrzehnte lang ausgequollenem Hasse, war allen ihres Vaterlandes Wohlergeben in Gegenwart und nächster Zukunft, war jedwede Verständigung unmöglich geworden. Der zerstörenden Sintflut mußte schließlich ein Damm entgegengesetzt, der in allen Formen einer Naturkatastrophe sich vollziehenden Neu schöpfung eines anderen Weltalters der russischen Erde durch eia gestaltgebenveS Schöpserwort eine befriedigende, die chaotisch wogenden Elemente scheidende Marke ausgeprägt werden. Die zweite Duma hatte gelernt. Es gelang, einen festen Kern au- ihr berauSzukr,stallisieren, der geeignet war, die sreilich noch nicht in den festen Aggregatzustand übergesührten äußeren Schichten auf der linke« wie auf der rechten Seite mit der Zeit durch die Angliederung «euer Ringe au seiu konsistent gewordene- Zentrum zur Ruhe zu bringen. Die Kadetten-Partei hörte auf, mit der Revolution zu kokettieren' Sie besann sich darauf, daß sie selber berufen seiu wolle, in absehbarer Zeit die Verantwortung für die Steuerung des Staatsschiffes auf sich zu nehmen. Sie lauschte den parla mentarischen Parteien des westlichen Liberalismus ihre staats männischen Methoden ab. Das regierende Ministerium Stolypin schien für diese Bestrebungen Verständnis zu besitzen. Stolypin hat wieder holt mit großer Bestimmtheit erklärt, daß er einen ehrlichen Versuch mit der Duma bis zur äußersten Möglichkeit ver folgen wolle. War diese Möglichkeit am entscheidungsvollen 14. Juni nicht mehr vorhanden? Oder ist der entscheidende Streich, das Ansinnen eines Harakiri an der politischen Ehre des russischen Liberalismus, nicht das Werk Stolypins ge wesen? Vor der Geschichte trägt er die Ver antwortung, wenn sein Name unter dem ver- sassungSbreckendkn Regierungs-Antrag und unter dem Auflösungs-UkaS steht. Dadurch, daß wir die Kamarilla der Unverantwortlichen mit Sicherheit als die Anstifter des Verbrechens dieser Juni-Mitte betrachten dürfen, wird der leitende Minister nicht im geringsten entlastet. Die Kamarilla hat ibm freilich das Leben schwer genug gemacht. Sie bat die Wahl und Einberufung der zweiten Duma von vornherein mit allen Mitteln zu bindern gesucht. Sie hat nicht ausgebört, dem ehrlichen Versuch des Minister präsidenten, dem ehrlichen Entgegenkommen des Kammer- Zentrums Steine io den Weg zu Wersen. Sie hat den Groll der unversöhnten Linken durch die blutigen Taten des „Schwarzen Hundert", durch Überspannungen der Blutjustiz, durch die Duldung und Unterstützung der Beamten-Willkür und der Beamten-Korruption herauSgesordert und geschürt. Sie bat durch ihre Werkzeuge in der Duma >elbst, Paritchkjewitsch und seine Kumpane, mit dem atzenden Gifte anmaßlichen und chnisch-n Hohne« das Ansehen d-^ Hauses drinnen und draußen herabwürdigen lassen. D'e Kamarilla, am Hof« gebietend durch ihre verwandschastlichen Bande, im Lande mächtig durch den um seine verbrecheri'che Existenz kämpfenden Tlchin, blieb auch unter Stolypin Rußlands ausschlaggebende Gewalt. Der Minister regierte bloß als geduldeter Gehilfe, der zur Ableistung einer Be fähigungs-Prüfung zugelaffen war. Wir wollen keine Prophezeiung wagen, welches der Aus gang sein wirb. DaS vorjährige Manifest des aufgelösten HaweS, das von Helsingfors verbreitet wurde, hat sich als ein Scklaz ins Wasser erwiesen. Es scheint, daß eine sieg reiche Revolution in Ruß and nickt durchzuiühren ist. Man kann freilich von hier auS nicht übersehen, ob die Revolutio nierung des Heeres seit den verunglückten Putschen von Soeaborg und Kronstadt nicht fortgeschritten ist. Auf alle Fälle wäre ein N uausbruch des bewaffneten Aufruhrs ein schweres Unglück. Ohne lokale Erhebungen wird es schwer lich abgeben. Mußte es so kommen? Wir glauben nicht, daß der neue Bruch mit der normalen Entwickelung von Rußlands VerfaffungSlcben von der Nachwelt gesegnet werden, daß der 14. Juni 1907 in Rußlands Geschichts büchern als ein weniger unbeilvoller Datum ausgezeichnet werden wird, denn der Tag jener vernichtenden Niederlage eines russischen Heeres, der sich genau ein Jahrhundert vor her auf dem ostpreußffchen Schlachtfelde ereignete. * Xi? Petersburg, 16. Juni. (E gene Drahtmeldung). Durch kaiterlichen Ukas wird die Se'sion des RelchSratS bis zum 14. November unterbrochen. XL? Petersburg, 16. Juni. (Meldung der Petersburger Telegraphen - Agentur.) Das heute veröffentlichte neue Wahlgesetz läßt die allgemeinen Grundlagen des bis herigen sorlbesteben. Ja den Gouvernements werden die Wahlen wie bisher durch besondere Versammlungen der Wähler der Bevölkerungsklassen bewenstell'gt werden, welche auch früher wählten. Nicht eine Klaffe, nicht eine Peison, welche daS Wahlrecht bisher besaß, ver liert daStelbe, und alle werden an der Wahl der Duma- mitglieder in der bisherigen Ordnung teilnehmea. Die Verschiedenheit des neuen von dem alten Wahlae'etz besteht darin, daß durch das neue Wahlgesetz jeder Be völkerungsklasse, nämlich den Grundbesitzern, den Bauern, den Städtern und den Arbeitern, eine bestimmte Mindest zahl in der Volksvertretung gesichert wird. Andererseits gibt eS den intelligenten und in sozialer Hinsicht widerstandsfähigen Klaffen einen Vorzug bei den Wahlen, indem es die Zahl ihrer Wähler in den Wahlversamm lungen im Veraleich mit den Vertretern der nicht intelligenten Klaffen vergrößert. DaS Ueberwiegen der letzteren bei der ersten und bei der zweiten Wahl halte eine Uebersüllung der Duma mit Abgeordneten zur Folge, welchen jegliche Vorbereitung für das Verständnis der Angelegenheiten der Staatsverwaltung abging und von welchen ein bedeutender Teil selbst der elementaren Bil dung bar war. Schließlich setzt daS neue Wahl'«letz die Zahl der Vertreter derjenigen Grenzmarken Rußland- — Polens und des Kaukasus — derab, welche mit dem Reiche noch nickt blS zu einem solchen Grade ver wachsen sind, daß ihre Vertreter vom Verständnis für die Gemeinsamkeir ihrer Interessen mit denen der echt russischen Bevölkerung durchdrungen sei» könnten. In den Grenzmarken, wo die bürgerlichen Beziehungen »och gänzlich unentwickelt sind, so in Turkestan, i» den Steppengebieten und im JakutSgebiet, werden die Wahlenzeitweise eingestellt werden. Indem das neue Wahlgesetz den extremen Charakter deü früheren beseitigt, vei spricht eS eine ReichSduma zu schaffen mit einem Beitand von Vertretern, welche bereits in der lokalen Selbstver waltung Erfahrung haben und an friedliche, ruhige Arbeit gewöhnt sind. Xl? PctcrSburq, 16. Juni. 4»/, Ubr Nachm. (Eigene Drahnneldung.) In allen Teilen der Stadt herrscht voll kommene Ruhe. An allen Straßenecken sind bas kaiser liche Manifest und das Auflösungsdekret angeschlagen. Kavallerie- und Jllsanteriepatrourllen durchziehen die Straßen. XL? Warschau, 15. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Die Nachricht von der Auslösung der Duma bat hier fast aar kettien tSinaruck hervorgeiusen. Die Start ist ruhig. Der Generalgouoerneur veröffentlicht neue Verordnungen, in denen er für regierungsjemdliche Artikel der Presse Ge- sängniS bis zu drei Monaten oder eine Geldbuße biS zu 3000 Rubel androht. stekolmel mtO Natlsnsllibetale. Wie im Reichstagswahlkampfe das Schlagwort von der Wahlrechtsverjcklechterung von den Sozialdemokraten gegen die Kandidaten aller nationalen Parteien in Sachsen fort während ins Feld geführt wurde, so versuchen jetzt kleinere politische Gruppen, allen voran die Reformer, aus der Tat sache, daß ein Teil der nationalliberalen Partei im Jahre 1896 die Hand zu dem folgenschweren Schritte geboten hat, Kapital zu schlagen. In welch skrupelloser Weise dabei zu Werke gegangen wird, zeigt das Beispiel aus dem 3. städti schen Landtagswahlkreife, in dem von den Reformern, mit nachträglicher Unterstützung der Konservativen und der Mittelständler, der Stadtverordnete England als Kandidat auf den Schild gehoben worden ist. Die Kandidatur Eng land die — wie der ehemalige Reichstagskandidat deS Wahlkreises Dresden-Neustadt, Glasermeister Wetzlich, in der am Freitag stattgehabten Wählerversammlung ganz un umwunden zugab, in einer Zusammenkunft von Reformern beschlossen wurde, ist in den an die Presse verschickten Wasch zetteln damit motiviert worben, daß eine Anzahl von unab hängigen Männern aller politischen Parteien das Bedürf nis gefühlt habe, einen Kandidaten"?« besitzen, der in der Frage der Wahlrechtsreform mehr Garantien biete als Dr. Vogel, der bisherige Vertreter dieses Kreises. Es hat wenig Zweck, hier darüber zu streiten, ob diese Kampfesweise der Reformer ihren Ursprung in unglaublichem politischem Un verstand findet oder in etwas Schlimmeren, die Hauptsache ist, daß sie sofort gründlich und unwiderleglich zurückgewiesen worden ist, und es verlohnt sich wohl der Mühe, dieAeuße- rungen Tr. Vogels, der jahrzehntelang als Verfechter der nationalliberalen Sache im Vordergründe des Treffens ge standen hat, hier wiederzugebcn, zu Nutz und Frommen der jenigen Reformer, die etwa Lust verspürten, die Methoden ihrer politischen Freunde in Löbtau nachzuahmen. Der alte Veteran des Liberalismus erinnerte an den 5. Januar des Jahres 1896, an dem das „Dresdner Jour nal" zum ersten Male Kunde von jenem verhängnisvollen Entwurf gab. An demselben Abend noch fand in Dresden unter dem Vorsitz desselben Mannes, gegen den jetzt der Vorwurf der Unzuverlässigkeit erhoben wird, eine Versamm- lung des Nationalliberalen Deutschen Reicksvereins in Dresden statt, in der unter lebhafter Erregung aller An wesenden der Beschluß gefaßt wurde: Diesen Entwurf lehnen wir ab. Und vier Tage später, auf der berühm ten Versammlung in Leipzig, war es wiederum Dr. Vogel, der im Verein mit Professor Böhmert und Prof. Billding seine Stimme warnend gegen die Wahlrecht-Verschlechterung erhob. Er blieb in der Minderheit, aber er st es gewesen, der mit seinen Freunden nicht nur vor dem Ge setz gewarnt, sondern unmittelbar nach seinem In krafttreten seine ganze Kraft eingesetzt hat, um das an dem Volke begangene Wahlunrecht wieder gut zu machen. Wenn damals nicht die ganze Partei so dachte wie er — heute ist das anders. Wenn ''aber die mit den Konservativen in der Landtagswahl verbündeten Reformer versuchen, die Nationalliberalen als unzuverlässig in der Wahlrechtsfrage hinzustellen, so kann man das nur als poli tische Heuchelei bezeichnen. Eine kleine Ironie der Geschichte aber ist es, daß gerade die Reformer in dem letzt wieder von ihnen unsicher gemachten 3. städtischen Wahlkreise vor dem Wahlunrecht von 1896 durch eine reformerische Sonder, kandidatur Zwiespalt in die Reihen der bürgerlichen Par- teien trugen und so dem Sozialdemokraten Fräßdorf zum Siege verhalfen. Fräßdorf, der von den Reformern unfrei willigerweise Unterstützte, brachte im Landtage eine Wahl- rechtsformvorlage im Sinne seiner politischen Freunde ein, die zur Folge hatte, daß als Gcgenzug ein Antrag Mehnert er schien: Das Borspiel zu der verhängnisvollen Wahlrechts verschlechterung. Wie damals steht dem nationallibcralen Kandidaten Dr. Vogel der Genosse Fräßdorf gegenüber — wie damals er scheint ein reformerischer Sondcrkandidat auf dem Plane. Wird sich die Geschichte selbst kopieren oder werden die Wäh ler angesichts der drohenden Gefahr, die das Scheitern eines ehrlichen Versuches der Regierung, dem Volke ein freibeit, liches Wahlrecht zu geben, in sich birgt, sich zusammen schließen und um die Fahne scharen, die sie vor wenigen Monaten zum Siege geführt hat? Erfreulicherweise hat, wie schon kurz gemeldet worden ist, der Wahlausschuß der vereinigten Reichs- und Staats- beamten, dem Beamte aller Dienstgrade und Dienstzweige angeboren, bereits beschlossen, für die Kandidaten der natio nalliberalen Partei einzutreten und c,n großer Teil der Privatbeamten steht ebenso. Deutsches Deich. Leipzig, 17. Juni. * Die Bewucherung von Offizieren. Tie neuerdings bekannr gewordenen Fälle der Bewucherung von Offizieren, die Einzelheiten, die bei den gerichtlichen Verhandlungen über die Vorgänge zutage gefördert wurden und gewohnter weise in den meisten Fällen völlige Unbeianntschatt der Ge schädigten mit den Gefahren der Wechselhingabe ergeben haben, müssen den Wunsch nach einem wirksamen Schutz der Opfer der Unwissenheit und des Leichtsinns dringend erscheinen lassen, zumal nachgewiesen ist, daß seit Jahren eine weitverzweigte Organisation von Wucherern, die eigens zum Zwecke der Bewucherung von Offizieren gebildet ist, in schamlosester und gewissenlosester Weise die Nor, den Leicht sinn und die Naivität der unerfahrenen jungen Offiziere aus- nugt. Um wenigstens die schlimmsten Machenschaften der Wuchererhyänen zu verhindern, sind bekanntlich auf Anord nung des preußischen Kriegsministers auf den Kriegsschulen Kurse eingerichtet worden, denen die Ausgabe gestellt ist, den Offizieren wenigstens eine gewisse Kenntnis des Wechselrechts zu verschaffen und sie in der Hauptsache mit den Gefahren bekannt zu machen, die mit Wucher- und Wechselgeschästen ver bunden lind. Ob indessen diese Fürsorge durch Aufklärungs arbeit genügen wird, um auch nur die schlimmsten Herein fälle zu verhindern, erscheint, solange der erwähnten Wucherer organisation das Handwerk nicht gelegt werden kann, min destens zweifelhaft, und wenn Justizrat Dr. Stranz die An regung gibt, eine Beschränkung der Wechselfähigkeit für Mili tärpersonen, wie sie in früheren Landesrechten bestand, reichs rechtlich in Erwägung zu ziehen, so erscheint dieser Gedanke immerhin der Prüfung wert, wenn ihm auch manche und ge wichtige Bedenken entgegenstehen. Der Wuckerwechsel und mit ihm die schamlose Ausbeutung uncrsahrenerOsfiziere, die oben drein noch wegen der bei ihnen in gesteigertem Grade vor- handenen Begriffe von Ehrlichkeit und Anstand ein vorzüg liches, in dieser Art einziges Angriffsobjekt für den wuche rischen Gauner abgeben, wird nicht eher auch nur in größe rem Umfange beseitigt werden können, ehe nicht den Auswüch sen in Spiel und Sport Einhalt geboten wird. * Die Strafprozeßreform ist wieder um einen Schritt vorgerückt. Nach den Erklärungen, die der Staatssekretär des Reichsjustizamtes im Reichstag abgegeben hat, war be- reits anzunehmen, daß damals mit der preußischen Regie rung über die wichtigsten Grundlagen der Reform eine Ver ständigung erzielt war, und daß das RLichsjustizamt diese Verständigung zum Ausgangspunkt *ür die Gestaltung der Reform nehmen werde. Die inzwischen vom Reichsjustiz, amt ausgearbciteten Vorschläge sind nun der „D. Juristen- Zeitung' zufolge den größeren Bundesstaaten mitgetcilt worden, und sie sind es, welche der. Gegenstand der Beratung unter Delegierten der bauptiächlich beteiligten Justizverwal- tungen in der vorigen Woche gebildet haben. Wenn die Er- aebnisse der Beratungen im gegenwärtigen Stadium der Oeffentlichkeit noch nicht übergeben werden sollen, so soll der Grund hierfür lediglich darin liegen, daß nur die Justiz ressorts der einzelnen Staaten, nicht auch die übrigen be teiligten Ressorts, insbesondere die Finanzverwaltungen, in der Sache Stellung genommen haben. In jedem Falle aber bleibt zu erwarten, daß hierin kein Grund für die Verzöge rung der weiteren Vorarbeiten liegen soll. Tie Verband- langen wurden von dem Staatssekretär des Reichsjustiz- amtes geleitet. * Z»r Wahl im 4. Landtagswahlkreis wird uns geschrie ben: Das Komitee für die Wiederaufstcllung des Herrn In- genieurs und Fabrikbesitzers Otto Muller zu Neu- schönefeld für den 4. Landtag^wahlkreis der Stadt Leipzig unter Vorsitz des Herrn Neal'chuldirektors Prof. H. Ad. v. Brause hat sich hier auf 500 Mitglieder erweitert, die in erster Linie allen Kreisen des Mittelstandes angehören, besonders sind ihm viele Handwerker und Gewerbetreibende erfreulicherweise beigetreten. Der Gegenkandidat von sozialisti'cher Seite ist Herr Fabrikant Geyer. Die Wahl bewegung beginnt recht lebhaft zu werden. * Ständige Inspektionsreisen nach den Kolonien? Un- mittelbar nach Abschluß der nächsten Etatsberatunaen im Reichstage gedenkt, dem „Tag" zufolge. Staatssekretär Dernburg seine für dieses Jahr ausgegebenc Jnipektions- reise nach Deutsch-Südwestasrika anzutreten. Für den Win- ter 1907 ist ferner bereits eine Reise des Geheimrates Conze nach Togo und Kamerun, und für den Sommer 1908 eine Reise des Unterstaatssekreiärs v. Lindeguist nach Deutsch-Ostafrika in Aussicht genommen, so daß in dieser Zeit stets einer der drei höchsten Beamten des Kolonialamt? abwechselnd verschiedene Kolonien inspizieren würde. Seine diesiährige Rei'e nach Dcutsch-Ostasrika wird Staatslehre, tär Dernburg am 13. Juli früh 8 Uhr von Berlin aus an- treten. * Die Bekämpfung der Viehseuchen. Eine Novelle zum Reichsgesetz zur Bekämpfung der Viehseuchen ist, wie die „Voss. Ztg." hört, in den Ausschüssen des Bundesrats soweit gefördert, daß die Verabschieduna des Entwurfs im Plenum des Bundesrats noch vor den Ferien zu erwarten ist. Es wird daher auch diese Novelle zu den Gesetzvorlagen gehören, welche der Reichstag bei seinem Zusammentritt im November zur Beratung vorsindet. * De» Achtstundentag will der Mannheimer Stadtrat in den städtischen Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerken, sowie im Allgemeinen Krankenhause den Heizern, Maschinisten, Kohlcnziebern und Eisziehern bewilligen. Zur Deckung der dadurch entstehenden Kosten fordert eine Vorlage an den Biirgcrausschuß 22 000 .<(. Alle Stadtvcrordnelcnsrciktioneu sind grundsätzlich geneigt, darauf einzuachen. Aus Arbeit- geberkreisen werden jedoch Bedenken erhoben, weil man die Konsequenzen für die übrigen städtischen Arbeiter und für die Privatindustrie fürchtet. 6r. Der Verband Sächsischer Kaufleute, dein 22 Vereine darunter der Verein Dresdner Kaufleute, ter Verein Leipziger Kaufleute und der Verein Chemnitzer Kaufleute der Kolonialwarenbranche, angcscklvssen sind, hat vergangenen Montag, den 10. Juni seine 17. Hauptver sammlung in Bautzen unter der Leitung seines Vorsitzenden Rudolph Unger-Waldheim abgchalten. Die Verhandlungen währten von 10 Uhr vormittags bis 2s^ Uhr „achmittags Nachdem der Verbandsvorsitzcnde den Geschäftsbericht und der Schatzmeister Petzold-Waldheim denhnungsberichl vorgetragen hotte, referierte der Verbartosielrctär Grub!- Leipzig über das Spargelderwesen der Konsumvereine und beantragte namens der Vorstandes, bei der sächsischen Re gierung dahin vorstellig zu werden, daß sie bei den maß gebenden Stellen der Reichsregierung di« Schaffung eines
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