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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070619019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907061901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907061901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-19
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Die Rückkehr von Detmold wird Freitag abend erfolgen. * Im Siebenlehner Brandstifterprozeß wurden drei Angeklagte zu Zuchthausstrafe und vier zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die übrigen fünf wurden freigefprochen- sS. Bericht u. Leitartikel.) * Bei der gestrigen Regatta des Norddeut schen Regattavereins auf der Unterelbe siegte in Klasse die kaiserliche Jacht „Meteor". sS. Sport.) * In der französischen Deputiertenkammer fanden Debatten über den japanischen Vertrag und über die Vorgänge in der Provence statt. (S. Ausl.) * Der schwer bescholtene Bürgermeister Schmitz von San Francisco ist seines Amtes enthoben. sS. Ausl.) vruttcbkanll unä äer nahe vrken. Seitdem England durch den letzten Krieg von der russi schen Gefahr für absehbare Zeit befreit ist und durch den zweiten britisch-japanischen Bündnisvertrag obendrein eine vorzügliche diplomatische Sicherheit für seinen asiatischen Besitzstand erlangt hat, kann cs den Hauptnachdruck in seiner äußeren Politik auf europäische Angelegenheiten und vor nehmlich auf seine Interessen im nahen Orient legen. In zwischen hat das aufstrebende asiatische Jnselvolk ja auch die amerikanische Gc»ahr, die England in dem rasch fort schreitenden Ausbau der Kriegsflotte der Vereinigten Staaten drohte, von seinem Verbündeten ab auf sich selbst gelenkt und so die Kräfte der englischen Politik iu zwei Weltteilen für europäische Zwecke frei gemacht. Daß die dadurch ermöglichte plötzliche Verschiebung des Schwer punktes der britischen Diplomatie nicht ohne nachteilige Folgen für andere europäische Mächte bleiben konnte, ist eigentlich selbstverständlich. Frankreich, Italien, Spanien und sogar Rußland sind dadurch in den Bannkreis der Politik Eduards VII. gezogen worden, und dos hat zu der viel beredeten Einkreisung Deutschlands und Oesterreichs als der einzigen Mächte geführt, di« nach dem kläglichen Zusammenbruch des russischen Kolosses in Europa noch einen eigenen politischen Willen zu haben wagen. Daß eine solch« Wandlung England in den Stand gesetzt hat, gerade im nahen Orient sein Prestige auf Kosten des deutschen zu vermehren, braucht gar nicht weiter wundcrzunehmen. Die Folgen davon haben sich iu letzter Zeit für Deutschland allerdings oft unangenehm fühlbar gemacht. Man denke nur an die Erfolge der britischen Politik im Golf von Persien, die Erzwingung eines britischen Protektorates über Koweit, die Durch kreuzung des im deutschen Interesse unternommenen Ver suches der Türkei, den kürzlich eingeführten Zollzuschlag von 3 Prozent teilweise als Sicherheit für den Bau der zweiten Sektion der Bagdadbahn, Bulgurlu-Adana zu benutzen. Eng land hat ferner das Recht erworben, die Bahn Smyrna- Aidin bis zum Egidir zu verlängern mit einer Abzweigung nach Burdur im Bezirk Walia, und sich dafür Sicherheit leisten lassen, daß keine andere fremde Gesellschaft eine Kon zession zum Bau einer Bahn zwischen diesem Hafen und dem See Egidir oder Burdur erhalten darf, womit das deutsche Projekt, Konia mit Adalia zu verbinden, hinfällig wird. Schließlich hat die Bank von England im Verein mit einer französischen Gruppe unter Führung der Banque Ottomane durch den Ankauf der Aktien der Kaigelellkchaft in Kon stantinopel die deutschen Interessenten, die im Begriffe waren, das Geschäft abzuschließen, aus dem Felde geschlagen. Indessen ist die deutsche Diplomatie nicht untätig geblieben, und mit ihrem letzten Erfolge bat der deutsche Botschafter Marschall von Bieberstein vor seiner Abreise nach dem Haag den Engländern einen Denkzettel hinterlassen, der ihn bei diesen bis zu seiner Rückkehr in weniger angenehmer, als lebhafter Erinnerung erhalten wird. Die Not, die bekannt lich beten lehrt, hat zunächst mir den alten Eifersüchteleien in den deutschen Finanzgruppen, die an der Erschließung des Orients beteiligt sind, aufgeräumt. Zwischen der Deutschen Bank und der Nationalbank, die hier in Frage kommen, ist ein Abkommen für ein gemeinsames Vorgehen iu der Türkei getroffen. Die erste Frucht dieser Verständi gung wird eine deutsche Bank in Bagdad sein, die die deutsche Orientbank (Gruppe der Nationalonnk, Dresdner Bank und Schaaffhausenschen Bank) und die anatolische Eisendahngesellschaft, hinter der die Deutsche Bank steht, ein richten wollen, und diesem Institut ist die Konzession zur Bewässerung der Wilajcts Bagdad und Bassora gesichert. Es handelt sich um ein altes Projekt. Die Verhältnisse des Deltas vom Euphrat und Tigris sind ganz eutgegcu- gesetzt denen des NildeltaS. Der Nil tritt im August bis zum Oktober über seine Ufer. Die Fluten können in dem historischen Becken von Aegypten angesammelt und »m No vember in den fallenden Fluß zurückgelenkt werden. Dis gestattet de« winterlich«» Anbau reicher Weizen-, Gerste-, Bohnen- und Kleefelder. Eine solche Bewässerung ist in Mesopotamien unmöglich. Die Flüsse treten im März, April und Mai über ihre Ufer, und den Ueberschwemmungen folgen die brennendheißen, regenlosen Monate Juni, Juli und August. Hier läßt sich nur etwas erreichen durch eine perennierende Bewässerung, die viel mehr Geschicklichkeit und hydraulische Kenntnisse verlangt als die ägyptische Mulden bewässerung. Auch im Altertum verdankte Mesopotamien seine große Fruchtbarkeit nur kunstvollen Bewässerungs anlagen. Rund um Bagdad liegt ein Land, das heute ver- ödet ist, das aber einst die Krone der Besitzungen jener Mächte war, die den Osten beherrschten. Wohin man sich auch 100 Meilen im Umkreise von Bagdad wenden mag, überall steht man auf klassischem Boden. Von Norden noch Süden gehend, stoßen wir zunächst auf Dura, den Ausgangs punkt des großen Norwankanals, und die Ebene, wo Nebu- kadnezar sein goldenes Ebenbild errichtete, dann auf Tel Alig, wo der Kaiser Julian seinen Wunden erlag, Bagdad, die Hauptstadt der Kalifen, wo Harun al Raschid Hof hielt, Etesiphon, die Hauptstadt der Arsaciden und der Sassaniden; Selencia, die Hauptstadt des makedonischen Königreichs des Ostens, Cunara, wo Cyrus der Jüngere fiel, und Xenophon und die Zehntausend ihren Rückzug durch eine von hundert Kanälen durchzogene Gegend antraten, und schließlich Babylon selbst, „den Stolz der Königreiche und die Perle Chaldäas". Seit langer Zeit beschäftigt man sich im Fildiz mit der Ausnützung Mesopotamiens. Der größte Teil der kultur fähigen Striche dieses Landes gehört zur Domäne der Krone oder besser gesagt der Zivilliste, d. h. sie sind Eigen tum nicht des Staates, sondern des Sultans. Es sind be reits zahlreiche Projekte ausgearbeitet worden für die Wiederherstellung der Dämme des Euphrat und Tigris und der Kanalisation, die im Altertum und noch bis zur musel- mäninschcn Invasion aus Mesopotamien eine der frucht barsten Gegenden der Erde machte. Die Zivilliste selbst hat verschiedentlich große Summen geopfert für das Studium der beiden Flüsse, aber zu ernsthaften Unternehmungen kam es doch nie. Jetz, sollet Vie Deutschen 'm« durch die ^Über schwemmungen der beiden Ströme gebildeten Sümpfe aus trocknen, den Lauf deS Tigris, des Euphrat und des Schat- el-Arab regulieren, damit sie in ihrer ganzen Ausdehnung und während aller Jahreszeiten schiffbar werden, sowie die Ebene planmäßig bewässern, was ihren Wert unermeßlich vervielfältigen muß. Die Zivilliste hat die Konzession der Schiffahrt auf diesen Flüssen verliehen, deren Ausbeutung natürlich nun den Deutschen über- lassen bleibt. Die Firma Lynch Brothers in London unterhält wohl eine Schiffahrtslinie für den Schat-el-Arab und Tigris, aber selbst, wenn dieses Privi legium durch die Konzession der Zivilliste nicht hinfällig werden sollte, würden die drei Dampfer der Firma Lynch Brothers — und diese Zahl drei darf nicht überschritten werden — doch nichts bedeuten gegenüber d«r imposanten Handelsflotte, über die die neue Gesellschaft verfügt. Meso potamien ist in di« deutsch« Interessensphäre geraten, und darunter wird unvermeidlich das englische Prestige in Jack Arabi und auf der ganzen arabischen Halbinsel erheblich leiden. Der Schlag trifft die Engländer umso empfindlicher, als sie auch in Persien ernsthaft mit deutscher Gegnerschaft zu rechnen haben. Auf Grund der Konvention vom 5. März 1903 über die Konzession der Bagdadbahn hat bie anatolische Eisenbahngesellschaft das Recht, verschiedene Zweiglinien zu bauen; u. a.: eine von Bagdad nach Kerbela, von Mekka nach Schiita, von Bagdad zur persischen Grenze; von Bassora zum Golf von Persien. Die neue Bank in Bagdad wird den Bau dieser Linien ausführen und gleich zeitig die Arbeiten an der Hauptlinie der Bagdadbahn in der Richtung auf Mossul fortsetzen. Die nach der persischen Gr«nze führende Zweiglinie ist von der größten Bedeutung, nicht nur, weil sie iu dem Handelsemporium Kemanscha enden wird, sondern auch weil sie als Köder für eine Linie Bagdad-Teheran di«neu soll. Vielleicht hängt damit die Reise des Generaldirektors der Deutschen Orieutbank nach Teheran zusammen. Ausgeschlossen ist eS ferner nicht, daß man an der persischen Küste zum Ersatz für Koweit, auf daS die Engländer ihre Hände gelegt habe», einen Endpunkt für die Bagdadbahn sucht. Wie dem auch sein mag, sicher ist jedenfalls, daß sich sowohl in Konstantinopel wie in Teheran englische und deutsche Bestrebungen kreuzen, und daß dabei augenblicklich für die deutschen Interessen wieder günstigere Aussichten vorhanden find, als «S »och vor kurzem der Fall war. ». Ziebrstledn. Wer hat bisher daS Nein«, anscheineud so harmlose und bürgerlich sittsame Schubmacherstädtchen in der Meißner AmtSbauptmannschaft gekannt, das seit einer Woche und zwei Tage darüber in den Spalten unzähliger Zeitungen ge nannt wird? Außerhalb Sachsens sicherlich verhältnismäßig wenige, und selbst innerhalb der grün-weißen Grenzpsäble wird der Name Siebenlehn für weitere Kreise auch febt erst geläufig geworden sein. Und nun gehört rr in die Reihe der Städtenameu, dl« ihre Berühmtheit haben. Jener freilich, deren man «it einem Augenzwinkern und sati rischem Lächeln um die Lippen gedenkt, und deren die Be wohner der Stadt nicht froh werden mögen. Als man zuerst von der Siebenlehner Feuerwehr hörte, die ihren Beruf mit dem eines VerschönerungLvereinS ver wechselte, «nd darum auch ihre Tätigkeit auf den Kopf stellte, indem sie, statt Brände zu lösche», Brände anfacht«, da glaubte man es mit einer Meldung des „Arizona-Kickers" aus dem wildesten Westen zu tun zu haben, oder mau er innerte sich phantasieooller Schauergeschichten, in denen die Vorgänger eines Sherlock Holmes erkundeten, daß Bürger meister und Polizeibedienstcte Einbrüche und Raubansälle verübt hatten, sür die man bis dahin vergeblich nach dem Täter gesucht. Aber was zuerst unglaublich erschien, wurde mit Tatsachen belegt, Tatsachen, die für dies Fleckchen Erde von geradezu kulturhistorischer Bedeutung sind. Der wohlbestallte Bürgermeister eines Städtchens von 2300 Einwohnern findet den an sich löblichen Beruf in sich den von ihm regierten Ort zu verschönern. Er ist ihm zu armselig. Die Straßen entsprechen nicht seinem ästhetischen Ideal, noch weniger die alten, baufälligen Häuser. Eine gründliche Erneuerung ist notwendig. Dann wird Sieben lehn eine Perle unter den umliegenden Städten werden, und es wird den Vater der Stadt feiern, der so Herrliches ge schaffen hat. Mit kundigem Blick wird ein Bauplan ent worfen, der mit dem alten Gerümpel aufräumt, der das neue Siebenlehn einer nahen Zukunft entstehen lassen soll. Ein vortrefflicher Gedanke, besten Verwirklichung sich nur ein kleiner Mangel in den Weg stellt. Das leidige Geld fehlt. Ein Lump, wer sich an solche Kleinigkeiten stößt! Es gibt doch genug Geld in der Welt. Man muß es nur geschickt zu suchen wissen. Und in Siebeniehn war man so über gescheit, den Weg dafür zu finden. Die Brandkassen haben ja so unmenschlich viel Geld. Wozu es immer weiter auf speichern, wenn es zu einem so idealen Zweck verwandt werden kann, eine Stadt durch neu'. Gebäude zu verschönern? Und wie gedacht — so getan. In Siebenlehn brannte es alsbald innerhalb von knapp 10 Jahren 43mal, wobei 65 Grundstücke in Mitleidenschaft gezogen wurden, darunter der wirkungsvollste Brand im Jahre 1905, dem 7 am Markt ge legene Häuser zum Opfer sielen. Brach ein solches Feuer aus, so wußte man bei der Feuerwehr gleich Bescheid. Es wurde nur zum Schein gelöscht, versiegenden Flammen wurde liebevoll wieder zum Leben verholfen, fremde Feuerwehren, die noch auf dem veralteten Standpunkt standen, sie seien zum Löschen gekommen, wurde dieser falsche Berufseifer verekelt, und während, wie nach dem Brande tat man sich auf Kosten des glücklich Abgebrannten, der ja alle Mal gut versichert war, gütlich, und holte das beim Brand versäumte Löschen am Bierqucll nach. Sv war alles fein organisiert, um Siebeniehn zu neuem Leben <,u verhelfen, «S zu einer ganz modernen Stadt umzugestalten. Nur schade, daß dem durch die rächende Justiz ein Ende bereitet wurde, als bei einer im vorigen Herbst zur Rechenschaft gezogenen Brand- tiftung durch einen unter dem Zeugcneid gesprächigen Schuh macher Licht in die dunkle Angelegenheit kam und nun mit einem Mal ein Feuer entfacht wurde, das die Schuldigen vor dem rächenden Tribunal verzehren soll. Zwei von ihnen haben sich während der Schwurgerichts verhandlung selbst gerichtet. Sie sind nach einem offenen Geständnis aus dem Leben geschieden. Andere wandern jetzt in das Zuchthaus oder ins Gefängnis, je nach der Größe ihrer Schuld, und wieder andere, das würdige Stadtober haupt vor allem, das in sich die Eigenschaften des Brand direktors und Brandstifters so harmonisch vereinigte, scheu ihrer Aburteilung noch an einem späteren Termin entgegen. So ist dafür gesorgt, daß die Siebenlehner Burleske ihres komischen Charakters entkleidet und eines tragischen Aus gangs schließlich teilhaftig wird, und das von Rechtswegen! Dem Kulturhistoriker aber bleibt die Aufgabe, darüber nachzusinnen, wie solche psychologischen Jrrgänge zu erklären sind, in die sich eine ganze Reihe bisher scheinbar durchaus achtbarer Männer verstricken und durch sie zu Verbrechern werden ließen. Zwei Momente dürften dabei vor allem in Betracht kommen. Das eine ist die schon so oft auch in anderen Fällen bekundete Anschauung, daß man öffentlichen Kassen gegenüber ein recht weites Gewissen haben darf, ohne sich darüber Vorwürfe machen zu müssen. Bei allen Steuer- und Zolldefraudationen spielt dieses Moment eine ausschlaggebende Rolle. Männer, die ihr Leben lang als untadelige Ehrenmänner galten, erscheinen bei Prüfung ihrer Hinterlassenschaft schuldig schwerer Steuerdefrau- dationen. Den Staat zu betrügen war ihnen kein Vorwurf. In gesteigertem Maße teilten die Siebenlehner diese An schauung, indem sie leichten Herzens sich weit höher ver sicherten, als sie durften, und die Gemeindebehörde half ihnen dabei durch bereitwillige Bescheinigungen. So wurde der Mangel an einer Moral der staatbürgerlichen Pflichten zum Ausgang des Verbrechens. Und dazu das andere Moment: die erschreckende An steckungskraft von verbrecherischen Handlungen, die im Stillen bekannt sind, aber in der Oeffentlichkeit nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Dieser Bazillus einer rrwro. insnnit^ ist es, der dem Psychologen zu denken gibt. Er hat hier in einem bis dahin ehrbaren Landstädtchen wie eine Epidemie gewüstet und hat Erscheinungen einer Unmora zutage gefördert, die für einen Kulturstaat beschämend sind. Das muß offen gerade herausgesagt werden. Und dann wird man auch den mehr juristischen und verwaltungs technischen Fragen nachzugehen haben, wie es mönlich war, daß solche Zustände, wie sie in Siebenlehn geherrscht, nicht früher zur Verantwortung gezogen wurden. Di« Häufig, keit der Brandfälle muhte doch auffallen, mußte Verdacht er regen. UnS ist unverständlich, weshalb dieser Verdacht nicht dazu führte, ein gründliche- Ermittelungsversabren mit Hilfe eines erfahrenen Kriminalbeamten einzuleiten? DaS hätte bei rechtzeitiger Anwendung zur baldigen Auf spürung deS BrandstisternesteS jühren und so die Ausdehnung des Unwesens verhindern können. Die Verteidigung bat in dem Prozeß ss. d. Bericht) auf diese ganz offenbaren Mange hingewiesen. ES wäre wünschenswert, wenn darüber bald Aufschluß gegeben würde. Denn e- liegt im Interesse deS sächsische» Staates, daß hier nicht eine schwächliche Gemüt lichkeit vermutet wird, di« »ns nicht gerade zur Ehre ge reichen würdn, - Deutsches Keich. Leipzig, 19. Juni. * Reue NeichSftruer». Der Umstand, daß bekanntlich bei der letzten so unvollkommenen Steuerreform nicht einmal die damals notwendige Summe zur Deckung garantiert werden tonnte und daß weiterhin notwendige neue große Ausgaben zweifellos eine Reichsanleihe erforderlich machen werden, malt chon seit langem das Gespenst vermehrter Steuerlasten an die Wand. DaS ist natürlich ein ergiebiges Feld sür pban- tasicbegabte Berliner Korrespondenzen, um aus angeblich icherer und ganz zweifelsfreier Quelle melden zu können, wie hoch die notwendige Sleuersumme sein werde. So meldete dieser Tage eine solche Korrespondenz, man müsse mit 250 Millionen neuer Steuern rechnen und gab damit leichtgläubigen Leuten willkommenen Anlaß, darüber des langen und breiten sich auszulassen. Tatsächlich aber ist, wie die „Nordd. Allg. Ztg." meldet, noch nicht einmal dre Höhe des Deckungöbedarss für 1908 ermittelt und ebeu aus diesem Grunde sind alle Mitteilungen über die an den maßgebenden Stellen wegen der Auswahl der DeckungSmitteln angeblich bestebenve Absichten in daS Gebiet der freien Er findung zu verweisen, ebenso wie auch die Höhe von 250 Millionen Mark völlig aus der Lust gegriffen ist. * Mit Ltuitts Rachfolgerschaft beschäfiigt sich im Anschluß an die osfiuös dementierte Meldung des „Lokal-Anzeigers" auch der Berliner Korrespondent der »Franks. Ztg.". Ec meint, wie uns ein Privatkelegramm meldet, der leitende Staatsmann suche schon seit Monaten für den in Aussicht genommenen Rücktritt Studts einen Nachfolger, der eure» anderen Kurs einschlageu solle. Dieser Wechsel im Kultus ministerium sei als eine der vorbereitenden Handlungen ge dacht, die die Durchsührung der nach der ReichStagSwachl vom Fürsten Bülow an gedeuteten Politik erleichtern und er möglichen solle. Ueber die „Lokal-Anzeiger"-Melbung erklärt er, eS Ware interessant, zu erfahren, tvelcbem Zweck diese Ankündigungen dienen sollten, als deren Ergänzung mau sich uur die Ankündigung des bevorstehenden Rücktritts deS Reichs kanzlers nud Ministerpräsidenten denken könne. * Ter ueue Braunschweiger Regent auf der Huldigungs reise. Der Regent Herzog Johann Albrecht und Gemahlin haben gestern mittag in Blankenburg ihre» Eiuzug gehalten. Bor der Stadt wurde vaö Regenteopaar von Minister Hartwig auS Braunschweig und Kreisdrrektor Bodeu auS Blankenburg begrüßt. Auf dem Marliplatze hielt Bürger meister Zerbst eine Ansprache. Der Herzogin wurde ein Blumenstrauß überreicht. Im Schlosse wurden der Herzog und die Herzogin vom Burghauptmanu von Trauwitz-Helwig empfangen. Die Stadt prangt im herrlichsten Tannen- schmucke. DaS Wetter ist prächtig. eck. Podbielskt schwer erkrankt. Der frühere Laodwirt- schaftsmiuister vou Podbielski ist schwer erkrankt in Bad Neundorf eingetroffea. Sein Zustand hat sich laut .Hann. Tagebl." erheblich verschlimmert. -o- Der verband sächsischer Industrieller und die Welt ausstellung t» Berlin ttu Labre IvlL. Wie wir bereit« mitteiltea, hat der Verband sächsischer Industrieller über die Frage, wie die sächsische Industrie sich zu dem Projekt einer Weltausstellung in Berlin im Jahre 1913 stellt, em Rund schreiben an sämtliche Mitglieder erlassen, dessen Ergebnis nunmehr größtenteils vorliegt. AuS den zahlreich ein- gegangenen Antworten läßt sich eine bestimmte Stellung sür oder gegen das Projekt ohne weiteres nicht herauSleseu. Unter ihnen überwiegen zunächst die ablehneudeu Stimmen die bejahenden um etwa 15 Prozent (785 mit nein, 533 mit ja). Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, daß innerhalb der einzelnen Branchen sich die bejahenden bezw. verneinenden Stimmen vielfach die Wage hallen. So nehmen z. B. inoerbalb der Textil industrie die Roh- und Halbstoffe bearbeitenden Betriebe eine mehr ablehnende, die Fertigsabrikate bestellenden eine mstimmende Haltung ein; doch haben sich auch innerhalb der erstgenannten Gruppe bedeutende Firmen bejahend aus gesprochen. Aehnlich verhält es sich mit anderen Industrie zweigen. Endlich ist zu bedenken, daß sich unter den ver neinenden Antworten eine größere Anzahl von Angehörigen solcher Jadustriebrancken befindet, die durch die Natur ihres Betriebes wenig Interesse au der Ausstellung bat, wie z. B. Mühlen und Brauereien. Von den dem Verbände au- gehörenden Vereinigungen haben sich sür die Ausstellung erklärt: der Verband der Luxuspapler-Fabrikanlru zu DreSdeu und ver Fabrikautenvereiu zu Hainichen, dagegen: der Fabrikantenverrin für Webwaren zu Elsterberg, die Wirkwarenfabrikanten-Vereiaigung vou Chem nitz und Umgegend, der Arbeitgeber-Schutzverband ,m niederen Erzgebirge (Leubsdorf). Im ganzen unv großen wird mau tagen können, daß die sächsische Industrie das Proiekt einer Weltausstellung in Berlin i» ihrer Gesamtheit weder ver- »eint noch befürwortet, daß aber, wenn es zu einer Welt ausstellung kommen sollte, eine große Anzahl erster sächstlchrr Firmen sich au der Veranstaltung beteilige» wird. Rädere spezielle Anaaben über daS Ergebnis der Umfrage werden in der nächsten Nummer der sächsischen „Industrie" ver öffentlicht werben. * Die Londoner Sto-tväter i» Berlin. Der Lordmayor und di« Mitglieder ver Eiiy besichtigten heute vormittag unter der Führung de» Bürgermeisters Reicke das Kaiser Friedrich-Museum, daS Pergamon-Museum und die Hand- werkerschule. Darauf begaben sie sich mittel» SoaverzugeS der Untergrundbahn nach Ebarlottcnburg, wo sie >m Ratbause da» Fiül-Mck eiunahmen. Bürgermeister Mrtliug begrüßte die Gäste und wies dabei daraus diu, daß am 18. Juni vor 92 Jahren Engländer unv Preußen gemeinsam gekämpft haben. Der Lordmayor erwiderte, invem er für die glänzende Ausnahme dankte und seine Freundschaft zur brutschen Natron versicherte. Später erfolgte ei» Besuch der Waldschule und der Vtllenkolonie Grünewald. ock. Begea die hohen Attischpreise. Das Stadtverord- neteokollegrum iu Hanau hat den Antrag eingebracht, den Magistrat aufzusordern, mit der Fleilcherinoung wegen Herab setzung der Fleischpreis« in Unterhandlung zu treten und, sosern d e Innung nicht zur Herabsetzung der Preise bereit sein sollte, sofort ein« öffentliche Flr s boerkaufSstelle für von außerhalb bezog«»«« Attisch zu «rrrchtea.
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