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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070621027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-21
- Monat1907-06
- Jahr1907
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Bezuqs-Preis für Leipzig oud Vororte durch unsere Träger und Spediteure in» Hau- gebracht: Aus gabe <uur morgen-) vierteljähriich 3 monatlich 1 M.: Ausgabe ü lmorgens und abends) vierteliShrlich 450 M., monatlich l.50 M. Durch die Poft bezogen (1 mal täglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 M., monatlich l M. ausschl. Poslbestellgeld, für Oesierreich-Ungaru vierteljährlich 5 L 45 tr. Abonnement-Annahme: AugustuSplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmeslellen, sowie Postämtern uud Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet IV Pfg. RedaMon und Expedition: Iohannisgafse 8. Teleph. Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. I46S4. Berliner NedattionS-Bnreau: Berlin XIV. 7, Prinz LouiS Ferdinand- Strafe 1. Telephon i, Sir. 9275. Nr. 17V. Abend-Ausgabe 8. MpMer TaMaü Haudelszeitiwg. Amtsblatt des Mates und des MEzeiamtes der Ltadt Leipzig. Freitag 21. Juni 1907. AnHeiaen-PreiS slir Inserate au- Leipzig u. Umgebung die 6gespaltene Petitzeil« 25 Pf., fiuauzirlle Au« zeigeu 30 Pf^ Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen IM.; vom Ausland 50 Ps., finanz. Anzeigen 75 Pf, Reklamen 1.50 M. Inlerate V-Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post- gebühre Geschästsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn. Fesierteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen ond Plätzen wird keiue Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AuguttnSPlatz 8» bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: Tar lDnncke r. tzerzgl.Baqr.Hosbnchhandlg., Lützowstraße 10 (Tel. VI, 4603'. 1V1. Jahrgang. vss Neueste vom Tage. (Die nach Schluß der Redaktion elngegangencn Depeschen stehen auf der 3. Sette des HauptblatteS^ Bon der Konferenz. Die deutschen Delegierten werden im Laufe der Zeit in sämtlichen 4 Kommissionen Anträge einbringen, von denen sich einer auf Bereinfachung der Funktion der ständigen SchiedgerichtSlommission bezieht. Einer der hervorragendsten österreichischen Delegierten äußerte sich dem Haager Korre spondenten der „Franks. Ztg." gegenüber äußerst sympathisch über den deutschen Vorlchlag eines internationalen Ober prisengerichts. Auch die Italiener verhalten sich zustimmend, ;umal das italienische Gesetz die Unverletzlichkeit der Handels schiffe im Seekrieg bei Schiffen solcher Nationen vorschreibt, mit denen Italien Reziprozität garantiert. Der japanische Deputierte Sato erklärte, Japan werde sich äußern, wenn Deutschlands Borschlag im Wortlaut vorliege. Ungarn und Oesterreich. In der Konferenz her Unabhängigkeitspartei wurde der Passus der österreichischen Thronrede erörtert, in dem für das gemeinsame Zollgebiet Stellung genommen und erklärt wurde, daß die wirtschaftliche Trennung die politische Zu sammengehörigkeit erschüttern würde. Mehrere Abgeordnete interpellierten mit Bezug hierauf die Regierung, worauf Hanvelsmirnster Kossuth erklärte, für die österreichische Thron rede sei allein die österreichische Regierung verantwortlich. Die unter Verantwortung der österreichischen Regierung ab gegebenen Erklärungen können der Politik der ungarischen Re gierung in keiner Weise zur Richtschnur dienen und den wieder holt dargelegten Standpunkt der ungarischen Regierung nicht ändern, nach dem mit Oesterreich nicht ein Zollbündnis, sondern ein Zollvertrag bis 1917 abgeschlossen werden soll. Im Laufe der Debatte fügte Kultusminister Graf Apponyi dieser Erklärung hinzu, er halte es für natürlich, daß die Auffassung Oesterreichs sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Beziehung von der ungarischen abweiche. Aus der physischen Identität deS österreichischen Kaisers und ungarischen Königs dürften keinerlei nachteilige Schlüsse ge zogen werden, denn staatsrechtlich sei die eine Eigemchaft von der anderen vollkommen gesondert. Die österreichische Thronrede könne weder die Rechte Ungarns, noch die Politik der ungarischen Regierung berühren. Die Erklärungen der beiden Minister wurden mit großem Beifall ausgenommen. Unzufriedenheit der Tschechen. Die „Nene Freie Presse" meldet: Im tschechischen Klub sind heftige Differenzen ausgebrochen, weil die beiden tschechischen Minister Forscht und Dr. Paeak sich geweigert baden, die dem Abgeordnetenhause zugestellte staatsrechtliche Verwahrung der Tscheschen, die eine höchst abfällige Kritik der Wahlreform enthält, zu unterzeichnen und eine selb ständige Rechtsverwahrung eingebracht haben. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung erklärten sich die beiden Minister bereit, ihre Demission zu geben. Der Aufruhr iu der Provcnec. Gestern ist es in Narbonne zu schweren Unruhen gekommen. Der „Jntransigeant" veröffentlicht folgende aus- jührliche Depesche seines nach Narbonne entsandten Spezial berichterstatters über die Ereignisse der vergangenen Nacht: Als die Menge versuchte, die Tür der Unterpräfektur einzu schlagen, gab die Tür nach. Bevor noch die übliche Auf- sorterung zum Auseinanvergehen an die Menge gerichtet war, ging eine Gewehrsalve los. Diese wurde, wie der Feuilleton. K Lessing. Der größte Teil der Geschichte enthält die Schilderungen des mannigfaltigen Elends, welches Stolz, Ehrsucht, Geiz. Rachgier, blinde Lust. Empörungsgeist. Heuchelei, ausschweifender Eifer und das ganze Heer dec ungezügelten Neigungen über die Welt gebracht haben. Edmund Vurkc. A ' Zufällige Geschichtswahrheiten können der (A Beweis von notwendigen Dernunftswahrheiten nie werden. Lulu VSN Strauh und Torney. Von W. Lennemann.. Das Talent der Lulu von Strauß und Torney ist nicht plötzlich über Nacht aufgeflammt; es bat sich aus bescheidenen Anfängen entwickelt, dann aber stetig an Reife nnd Schön heit zugenommen. Heute dürfte die Dichterin zu unseren ersten Wort-Künstlerinnen zählen. Ihr erstes Gedichtbändchen veröffentlichte sie bei Horst mann in Göttingen. Im allgemeinen gehen diese Erstlinge jedoch nicht über ein gutes Mittelmaß hinaus, wenngleich sie alle einem gesunden, kräftigen Empfinden entsprungen sind und auch schon hin und wieder Töne anklingen, die die künf tige Dichterin ahnen lassen. — Im Jahre 1901 folgte dann „B a u c r n st o l z", Dorfgeschichten aus dem Wcserlandc. Die sieben Erzählungen dieses Buches haben in allen Kennern niedersächsischen Rancrnlebens freudiges Erstaunen geweckt und die Autorin wohl auch weiteren Kreisen bekannt ge macht: denn sie zeugen von einer Schärfe der Beobachtung, von einer Kenntnis des heimatlichen Bauernlebens, von einer Ruhe und Sicherheit in der Charakterisierung, wie wir cs gerade bei weiblichen Naturen selten finden. Die Dich terin bat den Bauern in die tiefsten, verborgensten Winkel ihres Herzens geschaut. Sie hat in schwerer Stunde bei ihnen gesessen und von den schmalen Lippen gelesen, was sie hartnäckig verschwiegen. Der Bauer ist ihr kein Rätsel, sie weiß, daß unter der harten, äußeren Schal« ein Herz Korrespondent versichert, von Gendarmen abgegeben, die in großer Zahl auf dem Hofe der Unterpräfektur untergebracht waren. Sie schossen das erste Mal jedoch in die Lust. Als die Menge, die sich zur Flucht gewendet hatte, merkte, daß man nur Schreckschüsse abgegeben habe, kehrte sie wieder um und schickte sich an, in den Hof der Unterpräfektur einzudringen. Eine neue Salve gebot ihnen jedoch Halt. Diesmal waren die Kanonen und Gewehre doch mit Kugeln scharf geladen. Die Opfer lagen auf der Erde, unter ihnen befanden sich ein Kmd von 14 Jahren und mehrere junge Leute. Eine Kompagnie des 80. Linienregiments erschien sofort und besetzte den Platz. Die Volksmenge empfing die Soldaten mit dem Rufe: Mörder! Etwas später, als die Kürassiere auf dem Boule vard Gambetta ein trafen, beulte und pfiff die Menge. Nun machten die Kürassiere von ihren Karabinern Gebrauch. Eine Kugel ging durch die Fensterscheibe einer Gastwirtschaft und tötete dort den Hausvater Ramon von der Arbeiter börse, der dort mit seiner Tochter plaudernd saß. Diese wurde so schwer verwundet, daß man an ihrem Aufkommen zweifelt. Andere Kugeln trafen drei sonstige Gäste ziemlich schwer. Ein anderes Cafö in der Nähe der Unter- prätektur wurde gleichfalls bombardiert. Der 15 jährige Sohn eines Photographen namens Granger wurde von einer Kugel ins Herz getroffen und siel tot nieder. Nach einer weiteren Meldung des „Jntransigeant" wurde mittags in Narbonne der Belagerungszustand erklärt. Der „Petit Temps" berichtet aus Narbonne: In den frühen Morgen stunden am Donnerstag wurden auf einer Promenade die Bänke sortgenommen und neue Barrikaden errichtet. Die Soldaten beseitigten diese unter dem Schutz bewaffneter Mannschaften. Die Kaufleute hatten ihre Läden geschloffen. Die Gendarmen und Kürassiere werden vom Volle beim Vorübergehen ausgepfiffen, während eS zu Fußtruppen eher freundlich ist. Für einen Soldaten, der sich beim Demo lieren von Barrikaden verletzt hatte, wurde eine Kollekte veranstaltet; ferner hat das Wmzerkomitce an die Fußtruppen Wein verteilen lassen. Die Manifestanten bemächtigten sich im Lause des Abends eines Polizerkommiffars, den sie als Geisel behielten. Der Verkehr in den Straßen von Nar bonne ist nur denen erlaubt, die nach Hause zurückkehren wollen; eine Annäherung an ArgellierS ist verboten. Aus Montpellier wird gemeldet: Gegen 9 Uhr drangen die Manisesiantea in großer Zabl in die Markthalle ein; sie wurden von den Soldaten zurück getrieben. Infolge einiger RevolvcrschUfse bemächtigte sich der nach allen Seiten auseinauderfliehenden Menge eine Panik. Viele Verhaftungen wurden vorgenommen. Im Laufe des Abends wurde ein Schutzmann leicht verwundet; ein Dragoner wurde aus dem Sattel gehoben. In der Nacht kehrte die Ruhe zurück; Patrouillen durchstreiften die Straßen. Auch aus Perpignan kommen schlechte Nachrichten: Die Präfektur ist von den Ausrührern in Brand gesteckt. Im Laufe des Abends bedrängten die Mani festanten den leitenden Polizeikommissar derart, daß er in das Grand-Hotel flüchten mußte, dessen Fenster und elektrische Lampen daraus zertrümmert wurden. Die Menge griff später den Polizeiposten in der Präfektur an, warf Steine nach den Scheibenuudriß das Straßenpflaster auf.Um lOUHr wurden die Tore der Präfektur eingeschlagen und in dem Verschlag, wo sich die Wagen befinden, Feuer angelegt. Die Manifestanten drangen in daS Zimmer des Präfekten, nahmen seinen Degen an sich und warfen in das ganze Mobiliar Feuer. Der Prä sekt verließ mit seiner Familie die Präfcltur; die Feuerwehr leute wurden gezwungen, sich zurückzuziehen. Um 10 Uhr 30 Minuten stand die Präfektur in Flammen. Eine Abtei steckt, gar zart und weich und so treu wie Gold. Sie hat den geheimnisvollen Unterströmungen im Leben der Bauern aelauicht, die ihn mit Hof nnd Geschlecht, mit Ueberliefcrung und Sitte und Gewöhnung verbinden und ihn oft so tragisch daran fesseln l„Um den Hof" — „Bauernstolz"). Einer ge wissen Tragik entbehren auch „Schuld" und „Wasser" nicht: doch zeigen sie uns den Dorfbewohner mehr in feinem weichen Empfinden. Im Jahre 19(L folgten dann ihre Balladen und Lieder, die auch die Versdichterin auf voller künstlerischer Höhe zeigen: ja ihre Balladen sichern ihr einen Platz neben der Annette von Dvorte-Hülshosf. Sic sind wuchtig und stark, namentlich die niederdeutschen. Sie liebt es, heldische Gestalten, leidenschaftliche Charaktere darzustellcn, und weiß ihnen Blut und Farbe zu geben. Sie hat einen sicheren ge schichtlichen Blick und große Charaktcrisicrungskrast. Im Aufbau gut durchgeführtc Balladen sind „Der Wolf von .rrankop", „Der Reventlowen Ehre", „Des Braunschweigers Ende": zugleich gehören sie zu den heften. Wo sic den Strophcnbau verläßt, der für die Ballade Zaum und Zügel ist, suggeriert sie weniger, wie „Hinter den Dünen", „Sein letztes Bild". Hier sind die Zeilen matt und klanglos, man vermißt das Sprunghafte von Höhepunkt zu Höhepunkt: sie verlieren den balladischen Ton teilweise so kehr, daß sie zu epischen Erzählungen werden. — Ihre Logik ist streng und herb, am subjektivsten gilbt sie sich in den unter „Aus Ein samkeiten" und „Kampf" zufammengefaßbcn Gedichten. Es liegt viel stille Erinnerung an Kamps und St-eit, an durch weinte und durchhärmte Nächte, viel stille Resignation in ihnen: daneben aber auch viel zuckende Leidensclxist, die sich nur in den Stunden der Nacht Hervorwaat. Aber ihre Seele ist gereift und geläutert: sie ergründet Fährnisse uud Tages- iverk aus ihren Gnadcnwert und weiß auch den bittersten Stunden Segen abzugewinnen. Voll Stimmung undSchönheit sind dann namentlich ihrr Heimatbildcr: das lebt und webt in ihnen geheimnisvoll und rätselhaft: sie sind voll seiner, klingender Worte, voll tiefer Fragen nnd leiser Antworten. Der Wiüv, der Baum, das Aehreufäld. sie reden zu dem Herzen der Dichterin, und diese versteht sie. da sie mit beiden Füßen im Boden wurzelt uud aus derselben braunen Erde ihre Kraft empfängt, die auch den Mohn und den Roggen- acker würzt. Der dann folgende Roman „Aus Bauernstamin" hat ihren Ruhm wohl befestigt, neue Züge ihrer Charakteristik jedoch nicht gegeben. Auch ist er im ersten Teil zu konventionell: eine originelle Färbung erhält er erst auf dem Bauernhof: das stertzügige Leben auf diesem ist vortrefflich wiederge geben. — Wertvoller ist „Ihres Vaters Tochter", ein Roman, stark und reif und au? einem geläuterten, edlen Empfinden heraus geschrieben, voll warmherziger Liebe, sieg hafter Lebensbejahung und voll Glaubens an die sittlichen Kräfte in uns. So stellt sie den Buß- und Gnadenweg der lung Gendarmen drängte darauf die Manifestanten zurück, deren Zahl inzwischen abgeuommen hatte. Der Nachrichtenvienst funktioniert so unvollkommen, daß Clemenceau von der Ermordung des Polizeibeamteu Guillaume nur auf privatem Wege Kenntnis erhalten batte. Man fürchtet deswegen in Paris, noch nicht die volle Wahr heit erfahren zu haben. Die zurückgetretenen Maires suchen wenigstens den Schein der Mäßigung zu retten. Ferroul hat sich ja willig ver haften und die Barrikaven wieder beseitigen lassen, die zuvor auf seinen Wink gebaut waren (echt provenzAisch!). Die zurückgetretene Gemeinveverwaltung von Montpellier hat an den Mauern einen Aufruf anschlagen lassen, in dem sie auf vollkommene Bewahrung der Ruhe bringt, da nur so großes Unheil vermieden werden könne, daS den Erfolg der Sache der Winzer in Frage stellen würde. Gestern abend sand eine Kundgebung statt, an der sich fast die gesamte Bevölkerung beteiligte. Eine von 61 Bürgermeistern in Toulon abgehaltene Versammlung beschloß, Clemenceau aufzusordern, die Er ledigung des Gesetzes über die Unterdrückung der Wein fälschung zu beschleunigen. Aus Bösiers wird gemeldet: Im Verlaufe des Abends zwang die Menge die Caföhäuser, zu schließen und zu Ehren der Opfer von Narbonne Trauerfahnen aufzuziehen. Auf Mairie wurde eine rote Fahne gehisst. — Nach den Morgendepeschen tobte der Aufruhr in Narbonne und Montpellier die ganze Nacht. Clemenceau verblieb wiederum während der Nacht im Ministerium. Heute morgen wird oifiziell zugegeben, daß in Narbonne mehrere Hundert ver wundet sind. politisches. Kapitalismus uns Mittelstansspolilik. * Unter diesem Titel ist vor einiger Zeit bei Gustav Fischer, Jena, ein umfangreiches Werk von Dr. I. Wermcke, dem bekannten Volkswirt und einem der ersten Autoritäten aus dem Gebiete der Mittelftandsiragen, erschienen, das die erite umsaisendc wissenschasU'che Arbeit über das weite Ge biet der Mittelstandsfrage bilDet. Da es die gesamte vor handene Literatur mit verarbeitet und alle einschlägigen Fragen eingehend wissenschaftlich behandelt, so stellt es das einzige bisherige Standardwerk auf diesem Gebiete dar. Es zerfällt in zwei Teile, einen theoretischen und einen prakti schen. Im ersteren untersucht der Verfasser die Entwickelung der Kultur, der Technik, des Kapiralismus und des Mittei standes. Der Verfasser weist nach, daß die kapitalistisch-tech nische Entwickelung, die sich aber erst in ihrem Anfangs stadium besiiidct und daher roch vielerlei Unvollkommen heiten aufweist, aus allen Gebieten große Fortschritte gebracht habe, und daß der Mittelstand infolge dieser kapitalistisch technischen Entwickelung keineswegs untergehe, vielmehr aus ihr, je mehr er sich ihr anpasse, große Vorteile und Unter stützung ziehe. Im zweiten, praktischen Teile untersucht so dann der Verfasser kritisch die Mittelftandsbewegunq und die Mittelstandsfordcrungen. Er hebt die zahlreichen Wider sprüche in diesen Forderungen hervor, geht ausführlich auf die Konsumvereins- und Warenhausfrage ein und weist ein gehend nach, daß die extremen auf Unterdrückung der Kon kurrenz hin-auslaufendeu Mittel, wie Umsatzsteuer und Be fähigungsnachweis, weder berechtigt, noch auch dem Mittel stände wie der Allgemeinheit nützlich sein, vielmehr ihnen große Schädigungen bringen würden. Wahre Hilfe könnten den Kleingewerbetreibenden nur die Mittel der Selbsthilfe bringen, d. h. solche, die die eigene Leistungsfähigkeit erhöh ten. Nur rnfawvit die Staatshilfe hierzu beitrage, d. h. Einrichtungen schaffe, wie Schulen aller Art, Meister kurse usw., die dazu dienen sollen, die Fähigkeiten der Staats bürger auszubilden und für den Daseinskampf auszurüsten, sei auch sie berechtigt. Darum müsse mit aller Kwcrft an die Erhöhung der gewerblich-techuifch-kaufinänurschen Ausbil dung, ferner an die Förderung der Genossenschaften und sonstigen gewerblich-wirtschaftlichen und technischen Vereini gungen an die Hebung des ^Kreditwesens, an die Ausrüstung des Kleingewerbes mit Maschinen, Motoren und Werkzeugen gegangen werden. Aber nicht nur das. Auch die körperliche Ausbildung und Leistungsfähigkeit, der bei uns das Bierphsiiftertum leider noch so sehr im Wege stehe, die ganze Persönlichkeit mülle gehoben werden. Amerika und England seien uns darin leider weit voraus. Dort rufe keiner mehr nach Staatshilfe, sondern jeder fühle sich dort verantwortlich. Nur, wenn es uns gelinge, unser Volk zu selbstveranrwortlicheii. energischen und unternehmenden Persönlichkeiten zu erziehen, könnten wir dem zukünftigen internationalen Wettkampf getrost ent gegensetzen. Hörten aber die Kleingewerbetreibenden nicht auf, nach rückwärts zu schauen und sich ans fremde Hilfe zu verlassen, dann würden sie bald von den kraftvoll aufstreben den Arbeiterklassen überflügelt werden, denen sie dann ihre bisherige politisch-soziale Bedeutung abtreten müßten. Aber schon rege es sich glücklicherweise auch in den Reihen der Kleingewerbetreibenden. Man beginne allen diesen Gebie ten der Selbsthilfe, der praktischen Gewerbeförderung, der Steigerung der listigen und körperlichen Leistungsfähigkeit, die regste Aufmerksamkeit zuzuwenden, und in diesem Zeichen, aber nur in diesem, werde der kleiugewerbliche Mittelstand siegen. rik- * Die parlamentarische Marinefahrt hat den Wunsch ent stehen lassen, diese Form der persönlichen Information auch für die Zukunft beizubehalten. Es ist infolgedessen, wie Zentrumsblätter mitteilen, eine zweite Reise, die sich nach der Nordsee (Wilhelmshaven und Helgoland) erstrecken soll, angeordnet. Die Einladungen hierzu wird die Reichs marineverwaltung an dieselben Abgeordneten, die an der ersten Reis« teilgenommen haben, zu dem ihr geeignet er scheinenden Zeitpunkt ergehen lassen. * Podbiclskis Befinden soll nach der Kenntnis der -Deutsch. Togcsztg." durchaus nicht so schleckt sein, wie dieser Tage dem „Hannov. Tagebl." gemeldet wurde. Von einer Verschlechterung sei nicht die Rede. Der frühere Minister werde demnächst in Bad Nenndorf eine Deputation des Bundes der Landwirte aus der Provinz Hannover emp fangen. b. Hauptmann Tocrschlag. Hauptmann Doerfchlag, welcher im östlichen großen Namaland einen so schönen Erfolg über aufrührerische Sckwarre davongetragen, gekörte in Süswest- afrika zur zweiten (Proviant) Kotonnenabteilung. Er ist erst am 16. August 1905 in Vie Schutztruppe eingetreten. Hier ist er auch an Kaisers Geburtstag im vorigen Jahre Hauptmann geworden. Hauptmann Doerschlag stand, bevor er nach Südwestasrika ging, beim Pommerscken Füsilier- Regiment Nr. 34. Er gehörte hier zur 3. Kompagnie. Er galt als ein tüchtiger und umsichtiger Offizier. * Christlich-sozialer Parteitag. Der elfte christlich soziale Parteitag wird, dem „Reich" zufolge, vom 8. bis zum 10. September in Elberfeld stattfinden. Tas Programm sieht einen Bericht des Llbgeordneten Dr. Vurckhardt über die Erfahrungen aus den letzten Wahlen, ein Referat des Abgeordneten Behrens über englische Vorbilder zum sozialen Frieden, sowie ein Referat Stöckers über die Sozialpolitik im neuen Reichstage vor. irrenden und suchenden Tochter dar. Lulu von Strauß predigt immer einen freudigen, starken Optimismus, der immer und überall an das Leben glaubt, der selbst, wo es ungütig ist, es durch lgrast und Güte zwinat und überwindet. Die Dichterin Kat sich in diesem Roman einer alten Technik bedient. Der größte Teil der Bekenntnisse ist in Tagebuch blättern wicdergcgebcn: diese Ichform jedoch, die auf die Tauer ermüden würde, durch Briefe des Batcrs uard der Freunde unterbrochen. Hat man sich einmal an die Form gewöhnt, so empfindet man den Stil nicht als störend, zu mal die Notizen sich nicht zu sehr in Einzelheiten verlieren und die Treue_ der Wiedergabe immer gewahrt bleibt. — Einen guten Schritt vorwärts, und wieder, auf ihrem eigenen Felde der Bauernkultur, tat die Dichterin mit den beiden Erzählungen „Der Hof am Brink" und „Das Meer- minnck". Tie erste Novelle ist auch die wertvollste. Die Erzählung spielt >n den Nöten des 30jährigen Krieges. Das Ton darbt und hungert; nur der Bauer am Brink lebt mit den Seinen in Hülle und Fülle. Dem Zcitacsctz der Selbsthilfe gemäß brandschatzt er mit seinen Löhnen nächtlicherweile die Umgehung, bis der Unwille und der gärende Haß der Bewohner in bitterster Stunde durch bricht, sein Anwesen in Brand setzt und das Geschlecht er- schlägt. Gewiß ein grausiger Stoff: aber wie hat die Dichterin ihn gemeistert. Da ist alles restlos verarbeitete Anschauung, großzügige Charakteristik und lebendiges Leiben. Namentlich ist ihr die Darstellung des Bauern vorzüglich gelungen, die vielen divergierenden Eigen ickasten hat sie zu einem einheitlichen Charakter zu ver schmelzen gewußt. Gerade solch balladenartigen, heldischen Figuren wird ihre rcalistisch-hartc Schilderung am gc- treuesten gerecht. Gut, aber weniger wertvoll scheint mir die zweite Er zählung zu sein; so packend einzelne Stellen und so treffend die Charakterisierung einzelner Personen auch sind, es fehlt der Geschichte der mitreißende Schwung, die be geisternde Kraft. Tic wachsende Macht des neuen Evan geliums — die Novelle spielt zur Reformationszeit ist nicht genügend herauSgcarbcitet worden: ja der S'ea der neuen Lehre erscheint mehr als persönlicher Widciivans einem zürnenden und eifernden Dominikaner gegenüber und als Rache eines enttäuschten Volkes, das durch die Flucht der Ketzer um Gericht und Sck)eiterhauscn gekommen ist, denn als geistiger Durchbruch der neuen Lehre Ihre beste Leistung, ihr reifstes Buch, hat uns Lulu von Straub und Torney in diesem Jahre geschenkt: den Roman „Luzife r". Es handelt sich um einen aus dem Bauernstamm hervorgeganaenen Mönch, den bittere Leiden und Er- labrungen, Enttäuschungen mancherlei Art durch Leben und Kirche zu der Lehre drängen: „Im Anfang war die Eins, die vier war: der Vater, der Sohn, der Geist, der Luzifer. Und Luzifer halt« soviel Macht wie die andern drei. Da erhoben sich die drei gegen ihn und stießen ihn unschuldig aus den Himmeln und ließen ihm nur soviel Macht, als einer von ihnen hatte. Aber er ist Gott von Ewigkeit, der teil hat an der Welt, und cs wirs der Tag kommen, da er sich aushcbt in die Himmel und wird ei'. e heilige Vier fein wie im Anfang." Uns derselbe BisckG. durch dessen Trcubruch im liege gegen die Srcdinger dce Mönch der Kirche entfremdet wurde, bereitet '-hm Len Scheiterhaufen. — Die Kunst der Dichterin hat sich auck in diesem Roman namentlich wieder in der Kraft der Charakterisierung und der Anselm ul ick keil der ^cki se : : bewährt. Hart und eckig steht der Mönch vor uns, nut allen geschichtlichen Eigenschaften seiner Rasse und seines Standes. Die Wahl des Mönches aus dieser dvpp'!t-flarr- köpfigcn und eigensinnigen Umwelt geschah seitens der Autorin sicherlich mit voller künstlerischer Absicht. Sie Hai den Charakter konsequent bis znm Schluffe entwickelt, sein Rechtsgcsühl und seinen Bauernsinn, ohne je nach dic'cr oder jener Seite hin unnatürlich zu werden. Auch der Bischof mit seiner zweifelhaften Moral, wenn es sich um Ketzer, und seinem ticfrclioiöscn Verständnis, wenn eS sich um das Wohl seiner Kirche handelt, ist in dieser Zwie spältigkeit vortrefflich gezeichnet. — Gewiß riecht nicht alles nach Weihrauch, was Lulu von Strauß und Torney von der Kirche und ihren Machthabern erzählt; dock darr nicht vergessen werden, daß es die Kstrchc des Mittelalters ist, die sie darstellt, die beten und fluchen, singen und kriegen konnte. Ihre Verkörperung ist der Bsichof. Geradezu prachtvoll sind die Schilderungen: in einzelnen .Kapiieln hat sie die Vietzig erreicht, so in der VerbrcnnungSszene und in der nächtlichen Abrechnung zwischen Bsichot und Ketzer. Ihre Spraciw ist dann von wunderbarer Modu- lativn, majestätisch und klangvoll in Ser Wiedergabe der Messe, bart und spitz in dem Rededuell der beiden Priester. Wir sehen, dai; sie Dichterin ihr Bestes und Eigenstes gibt, wenn sie sich und ihrer Heimat und seinem Bauern stamme getreu bleibt. Von Jugend auf diesen Bosen ge- ltcllt — die Dichterin ist Bückeburgerin — Kat sie Land nnd Volk in stetem Umgänge immer t:e'er und besser er kannt. Die Bauernicele ist ein eigen Ting: ihre Untiefen und Strömungen, ihre Rätsel und Güten sind nur wenigen Einaenicihten erkennbar: dazu birgt sic zu viel gerettete Heiligtümer ans alter Zeit, zu viele oen modernen Auge fremde, ja feindselige Elemente, denen unser Verständnis hilflos gcgenübcrstctzt. Wer sic recht erkennen will, muß Fleisch von ihrem Fleische sein, muß lieben und verzeihen können und einen rückwärts gerichteten Blick besitzen, der tief in Geschichte und VolkStum hine'nsiekt. Dem er scheinen die guten und bö'en Eigenschaften, die äußerlichen Ecken und Härten, die verborgene Zartheit uns das tief- treue Gefühl als Aeußerungen ernes einheitlichen geschicht lich gewordenen Charakters. Lulu oorr Strauß und Torney
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