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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070624019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-24
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Ursprünglich beabsichtigte der deutsche Kaiser der Regatta in Cowes beizuwohnen, doch als bekannt wurde, daß der König und die Königin von Spanien zur gleichen Zeit Gäste des Königs von England sein würden, mußte dieser Plan geändert werden, und König Eduard richtet« an Kaiser Wilhelm die Einladung, im Herbst einige Tage im Schlosse Windsor zu verbringen. * Der Reichskanzler ist gestern gegen 3 Uhr nach- mittags von Kiel abgereist. * Der Winzerführer Marcellin Albert bat gestern in Paris eine Unterredung mit Clemenceau gehabt. (S. Letzte Dep.) * Der spanische Kriegsminister General Lvno ist in Madrid gefährlich erkrankt. * Bei der Wettfahrt der Schonerkreuzer fKlasse H hat „Meteo r", wie uns aus Kiel mitgeteilt wird, den ersteu Preis erhalten. sS. Letzte Dep.) * Tas Deutsche Derby in Hamburg flOO 000 ckl.) gewann Weinbergs „DSsir" leicht mit zwei Längen. Die Vertreter der österreichischen Ställe endeten unplacicrt. sS. Sport.) ver Triumph aer fürsten viilow. Man muß umlernen in politischen Dingen. Erst wer sich gewöhnt hat, alle Geschehnisse neueren Berliner Datums unter dem Gesichtspunkte des rein Persönlichen zu betrachten, kann sie verstehen. Wer nach sachlichen Gründen sucht, wird immer auf unlösbare Rätsel stoßen. Fürst Bülow hat die Gelegenheit der Mißstimmung Hardenscher Pro venienz, den Degout vor der garstigen Politik, die sich als Ränkespiel entpuppte, benutzt, um sich eine geruhige Sommerfrische zu schassen. VoilL tont. Herr v. Studt, der unmögliche Kultusminister, wurde endlich geopfert. Er hat es sich selbst zuzuschrciben, daß er nun in der Rolle des Ge stürzten die politische Schaubühne verläßt, der er noch vor Wochen unter dem Anschein der Freiwilligkeit den Rücken kehren konnte. Jetzt hilft ihm alles Gerede von längst beab sichtigtem Zurückziehen nicht mehr. Nicht einmal die Offi ziösen werden ihn darin unterstützen, denn sein Abgang muß als Werk des Meisters gelten, wenn er seinen Zweck erfüllen und die Liberalen und Liberalisierenden heiter stimmen soll. Diese Studtsche Demission ist das Pflaster auf die Wunde der Posadowskyschcn Abhalfterung. Nur-schade, daß es keine Heilkraft hat. Denn Herr Holle, der viel gewandtere Nachfolger des Herrn v. Studt im preußischen Kultusmini sterium, wird die Geschäfte der Reaktion um so leichter und erfolgreicher besorgen können, je mehr er sich bemühen wird, die lauten und ärgerlichen Studtschen Provokationen zu ver meiden. Der Rücktritt Studts hatte im Zeichen der Block politik überhaupt nur einen befriedigenden Sinn, wenn sein Nachfolger ein zuverlässiger liberaler Mann war. Das hätte noch lange keine grundstürzende Bedeutung gehabt. Dafür sorgt die Wucht der stockkonfer- vativen Tradition, der Gesetze und Institutionen gleichen Charakters. Aber es hätte doch eine freiheitlichere Hand habung der Gesetze, eine Modernisierung der Institutionen, einen frischen Zug in die Stickluft gebracht. Der ausdrücklich als Geschastsminister zu Würden gekommene neue Mann bietet dagegen die Gewähr, daß er nicht das Geringste gegen den Geist der preußischen Kultustradition sündigen wird. Da er als politisch farblos ausgegeben wird, darf man sicher sein, in ihm den Typus des tüchtigen preußischen Beamten nrrt der geeichten Normalgesinnung an der Arbeit zu finden. So sieht die Erfüllung der liberalen Hoff nungen aus. Und nun zu der Angelegenheit Posadowsky, in der sich die Bedeutung dieser Krise konzentriert. Der Kanzler hat sich endlich stark genug gefühlt, diesen in seiner staunens- werten Sachlichkeit so unbequemen Mann zu stürzen. Jeder an Sachkunde Ucberlegene fällt dem Unsicheren in höherer Stellung auf die Nerven. Und es müssen schon starke per sönliche Bande vorhanden sein, wenn solch ein Verhältnis sriktionslos und von Dauer sein soll. Die fehlten hier vollständig. Zwei Antipoden. Auf der eineu, höheren Seite der Causeur, immer bereit, mit einem mehr oder minder geistreichen Wort die schwierigsten Sachen abzutun. Auf der anderen der in schwerster Arbeit gereifte Denker, der alle Probleme in ihrer ganzen Tragweite erfaßt, der nicht anders als ernsthaft sein kann, der selbst im Scherz noch sach lich bleibt. Kein Gesellschafter für Leute, denen politische Arbeit nicht eine heilige Pflicht bedeutet, vor allem keiner sür Leute, die nicht gleich ihm in allen Volksgliedern zuerst den Menschen erblicken, die nicht gleich ihm die soziale Arbeit nm ihrer selbst willen betreiben wollen, sondern immer als Mittel zu ganz anderen Zwecken, und sei es der, sich selbst in der Glorie des Segeuspenders zu zeigen. Dem Kanzler ist nicht ganz wohl bei dem Akte gwesen, der den Grafen Posa dowsky zum Weichen brachte. Er hätte schon früher, schon im März, den ihm herzlich Unsympathischen ausgcschifft, wenn er sich die Kraft zugetraut hätte, den unvermeidlichen Sturm der Entrüstung zu überstehen. Aber die Sache schien zu gefährlich. Das Parlament konnte unbequem werden. Die Montag 24. Juni 1907. 101. Jahrgang. eigene Stellung war noch nicht durch Harden fundiert. Alsa abwarten, aber vorläufig unterminieren. Damals erschienen auf Geheiß oder mit wohlwollender Duldung (wo ist die Grenze?) jene gehässigen Artikel gegen den Grafen Posa dowsky. Damals wurde zuerst die Zweckgcschichte Verbreiter, der Graf stehe der Blockpolitik im Wege, dieselbe Mär, die auch jetzt als einer der Besänstigungsgründe herhalten muß. Die Behauptung ist unglaublich töricht, denn in Wirklichkeit war Graf Posadowsky der einzige aufrichtig liberale Mann. Nicht im Parteisinne ist das zu verstehen. Vielleicht ist er sich selbst darüber nicht klar geworden und hält sich heute für den Konservativen, für den er sich ausgab. Aber er war es. Wer den heftigsten und bösesten Widersacher für den sozialen Fortschritt und die soziale Versöhnung im Bureau- kratismns, im Polizeigeist erblickt, der ist nicht mehr konser vativ. Und das tat Posadowsky. Nun ist dieser Mann gefallen, und die Schleppenträger des jeweilig Mächtigen werfen die üblichen Steine. Nicht sind ibm wie Herrn v. Podbielski, wie Herrn v. Studt Wochen, Monate der Vorbereitung geschenkt worden. Mit einer Rücksichtslosigkeit ohnegleichen, nachdem die alten Märzdifferenzen einigermaßen ausgeglichen schienen, ist er nach ruhmvoller, gerade lOjähriger Arbeit als Staatssekretär der Sozialpolitik zur Entlastung gezwungen worden. Man wird an Miquel erinnert, den Retter des preußischen Staates aus Finanznöten. Nur daß Miquel mitten in einer Krise der preußischen Politik, als die Krone sich für den Kanal ein- gesetzt hatte, versagte, während Posadowsky mitten in der stillen Zeit, ohne unmittelbaren Anlaß, entlasten wird. D i e Schroffheit dieses Vorgehens steht ohne Präzedenzfall da. Doch, einen gibt es: Bismarck! Der Fall muß der Oeffentlichkeit plausibel gemacht wer den. Also Gründe her! Graf Posadowsky soll zu zentrums freundlich gewesen sein. Sollte er vielleicht die einzige sym pathische Seite der Zentrumspolitik, ihr ernsthaftes soziales > Bestreben, aus kindischem Zorn nicht mehr anerkennen? Daß , Graf Poiadowsky schweren Herzens die Auflösung mitgemacht ; hat, wird 'limmen. Es gibt noch mehr Leute, denen nichr wohl war bei der Sache. Es ist aber einfach nicht wahr, daß Graf PosadolvZkv die Blockpolitik des Kanzlers im Parlament nur unmutig oder gar hinterhältig vertreten habe. Jene Rede, die schon im März so niedliche Proben offiziöser Jnterpretationskunst zeitigte, :st der beste Beweis dafür. Daß Graf Posadowsky kein Hurrastürmer ist, wird ja Wohl auch der Kanzler gewußt haben. Das sind Tempera- mentsunterschiede, die den Mann nicht besser und nicht schlechter machen. Graf Posadowsky hat einfach der Wahrheit gemäß, wenn man will, mit zu großer Ehr lichkeit, die Schwierigkeiten der Realisierung des Bülow- schen Zukunftsbildes nicht verschleiert, hat aber gleichzeitig s die Parteien zur Geduld und zu ernster Arbeit, gerade zur Ueberwindnng dieser Schwierigkeiten, aufgerufen. DaS ist die große Sünde. Und zur Sühne wird der einzige Liberale den Liberalen geopfert. Dikliails ost, satiram non saribsro. In dem Bestreben, die Entlassung Posadowskys aus dem Bereich des Persönlichen ins Sachliche hinüberzurückca nnd als politische Notwendigkeit, als preisenswerte Tat erscheinen zu lassen, gelten den Eingeschworenen alle Mittel. Auch das der dunklen Andeutungen. In einem Berliner Blatte, das dies jüngste Revirement als Heldenstück ausgeben möchte, wird bereits mit der „mißlichen Beschwerde" eines höheren Beamten über den ihm vorgesetzten Staatssekretär operiert. Um was es sich handeln soll, wird nicht gesagt. Wir hätten die Angelegenheit kaum erwähnt. Aber es hätte dann doch etwas an dem lieblichen Stimmungsbilde dieser denkwürdigen Junitage gefehlt. Herr v. Bethmann-Hollweg soll den Grafen Posadowsky ersetzen. Ob cs ihm schon graut? Es wird bereits von der Teilung des zu umfangreichen Ressorts gesprochen. Uns war der eine Posadowsky lieber als zwei Ersatzmänner. Ueber- haupt ersetzen ? prerrrtiinmen über üen Minirmmclmi. Wir haben schon in einem Teil der Sonntags-Ausgabe Zitate aus den Urteilen der Presse über den Ministerwechsel unter den letzten Depeschen gebracht. Im folgenden ergänzen wir diese Uebcrlicht. Durchweg herrscht natürlich das Ur teil vor, daß Posadowskys Verabschiedung das wichtigste Moment ist. Studts Abgang war schon viel zu sicher, als >aß auf ihn noch irgend welches Gewicht gelegt wird, wenn ich auch die konservativen Blatter bemühen, den Mann, der oviel iu ihrem Sinne getan, mit Lob zu schmücken. Wir asten denn auch bei der Prcßübersicht vor allem die Urteile prechen, die über Posadowskys Abgang gefällt werden. Die „Kreuzzeitung" sagt da. Was die Bewilligung des nachgcsuchten Abschiedes des Grafen v. Posadowsky betrisst, so darf man viel leicht annehmen, daß Unstimmigkeiten in sozialpolitischen Fragen zwischen ihm und dem Reichskanzler dazu geführt haben. Der Nachfolger des Grafen Posadowsky, Dr. v. B e t h- mann-Hollweg, kann zwar nicht als Konservativer angesvrochen werden, aber cs hat doch seine Verwaltungs tätigkeit und sein Auftreten im Parlament bewiesen, daß es ihm in erster Linie bei sachlicher und treuer Arbeit um das Wohl des Vaterlandes zu tun ist. Sein Nachfolger, der bisherige Oberpräsident von Moltke, bietet durch seine Vergangenheit die Gewähr, daß er das verantwortungsvolle Amt des Ministers des Innern in verständnisvoller Weise verwalten wird. Ganz offen bekennt „Die Post", wie gelegen ihr, dem Organ der unsozialen Scharfmacher, der Abgang des Grafen Posadowsky kommt, wenn sie ihm auch einige Lobsprüchc gönnt. Sie schreibt: Wichtiger noch als der Wechsel auf dem Posten des Kultusminister erscheint die Tatsache, daß der Staats sekretär des 'Reichsamts des Innern Graf von Posa dowsky, den viele als kommenden Reichskanzler an sehen zu dürfen geglaubt haben, schon jetzt, früher als man eigentlich erwarten durfte, aus dem Reichsdienst gänzlich ausscheidet und in dem bisherigen preußischen Minister des Innern von Bethmann - Holl weg seinen Nachfolger erhält. Diese Berufung kann nicht überraschen, wurde doch schon seit längerer Zeit Herr von Bethmann- Hollweg als der zukünftige Staatssekretär des Reichs amts des Innern genannt. Tie Wahl kann als eine glück- licke bezeichnet werden. Gewiß wird niemand verkennen wollen, daß sich Graf Posadowsky durch vielseitige Bil dung und eine ungeheure Arbeitskraft ausgezeichnet hat, aber sein sozialpolitischer Standpunkt hat doch oft in weiten Kreisen Unzufrie- denheit erregt, und seit der Wandlung im Reiche, die durch die Auflösung des Reichs tages eingetreten ist, trat doch immer deutlicher hervor, daß Graf Posadowsky in seinen Anschauungen mit dem 'Reichs kanzler nicht überein stimmte und nicht mehr der geeignete Mann war, um die Wege mitzugehen, welche die neue Politik erfordert. Noch deutlicher weist der „Berliner Börsen-Kurier"" auf den Triumph hin, den der Abgang Posadowskys den sozial politischen Reaktionären bereitet: Es ist lange genug und reichlich gegen ihn gewühlt wor den. Ter Träger der sozialrcformatorischen Gedanken in der Regierung, der Mann, der em ebenso kenntnisreicher, wie arbeitsfreudiger und gewissenhafter Verwalter seines Amtes war, ist den Agrariern sowohl, wie einem Kreise von Großindustriellen ein Dorn im Auge gewesen, und man hat mehr als einmal schon angesichts dieser Feind seligkeiten mit seinem Rücktritt gerechnet, um so mehr, als auch ab und zu von einem Gegensatz der Anschauungen zwischen dem Staatssekretär und dem Reichskanzler etwas verlautete. Ueöeraus erheiternd wirkt, daß sich dann eine Reihe von Zeitungen bemüht, die Verabichiedung Posadowslys als einen Fortschritt zur Durchführung ber konservativ liberalen Paarung zu bezeichnen. Als wenn man von libe raler Seite aus d>e>er Paarung nun gewogener jein könne, wo gerade der Mann herausgeoissen worden ist, der unter allen Vertretern der Rcichsregierung noch am ehesten libe rale Talen wenigstens aut sozialpolitischem Gebiet auswies. So urteilt die „Tägliche Rundschau", nachdem sie Posabowsly als »u zemrumsfreunblich charakteripert hat: Als einen kritischen Tag hat man den 20. Juni, den Tag der Entscheidung in Kiel, bezeitlpiet; wir glauben, daß er für die Entwicklung der inneren Politik als ein gün stiger Tag anzujprechen ist. Die Bülowsche Ausgleichs politik Hal an diesem Tage Vertrauen im Lande gewon- neu, weil nunmehr jeder wissen kann, daß es dem Fürsten mit seinen Versprechungen auch gegenüber dem Liberalis mus ernst ist, und daß er die Kraft m sich und den Rück halt am Kaifer hat, sie auch durchzujetzen. In seinem Ministerium aber werden sich andere Unstimmigkeiten und politische Sonderwünjche nach dieser Kraftprobe leich ter überwinden lassen. Andere Blätter begnügen sich, die Gegensätze hervorzu heben, die ein weiteres Zusammenarbeiten zwischen Bülow und Posadowsky unmöglich gemacht hätten. So schreiben die „Berliner Neuesten Nachrichten": Graf Posadowsky und Herr v. Studt waren die beiden Mitglieder der Regierung, die in ihrem parlamentarischen Auftreten Anlaß zu der Meinung gegeben hatten, dag Fürst Bülow, als er zur Auflösung des Reichstages schritt, nicht die unbedingte Zustimmung aller Mitglieder der Negierung gesunden habe, und daß er von dieser Seite keine volle Unterstützung seiner Politik erwarten könne. Ob cs sich wirklich darum handelte, daß der Reichskanzler einen merkbaren und dauernden Widerstand von der er wähnten Seite zu erwarten hatte, kann dahingestellt bleiben. Der Eindruck war jedenfalls erzeugt und halte seine Wirkung getan. Tas genügte in diesem Falle. Man glaubte bemerkt zu haben, daß Graf Posadowsky nach der Auflösung des Reichstages den Neuwahlen mir größter Skepsis entgegcnsah, und als dann der neue Reichs tag zusammenaetreten war, schienen weitere „Unstim- migkeiten" zwifcken Kanzler und Staatssekretär hervorzu treten. Fürst Bülow konnte sich bei einigen Gelegenheiten mit Recht beklagen, daß einige Aeußerungen des Grafen Posadowsky mit den von ihm angekündigten Bahnen der Reichspolitlk nicht recht in Einklang zu bringen waren. Aufmerksame Gegner bemerken ja dergleichen sofort und wis en den Riß zu vergrößern. Graf Posadowsky hat sich nachher offensichtlich bemüht, diese Eindrücke zu verwischen und sich der Block-Politik anzupassen. Aber es war zu spät sür die einmal hervorgerufene Meinung, daß er sein sozialpolitisches Programm lieber mit der alten Mehrheit, in der das Zentrum den Ausschlag gab, durchgeführt hätte. Wenn aber ein Staatsmann von der Autorität des Grafen Posadowsky im Urteil der Parteien als ein Mann dastand, der innerlich mit der durch die Politik des Kanzlers ge schaffenen Lage nicht einverstanden sei und sich ihr nur notgedrungen anpasse, so konnte das allerdings für den Erfolg der ganzen neuen Politik verhängnisvoll werden. Aehnlich die Deutsche Tageszeitung: Bis in die letzte Zeit hinein konnte es zweifelhaft er scheinen, ob Graf Pofadowskn sich dem veränderten Kurie der Reicksregicrung voll einfügen werde. Es ist nicht der . Fall gewesen. Wir haben schon früher darauf Hinweisen wüsten, namentlich anläßlich einer viel kommentierten Rede im Reichstage, daß der bisherige Staatssekretär des Innern bezüglich der veränderten parlamentarischen Lage im Reiche nicht zur Uebereinstimmung mit dem Reichs kanzler gelangen konnte, obwohl sein bekannter Pessimis mus bei der Neichstagsauslösung durch den Ausfall der Wahlen korrigiert worden war. Wir wollen nicht näher auf die Gründe eingeben, weshalb ganz naturgemäß die Stellung des Grafen Posadowsky durch die Ereignisse seit dem 13. Dezember 1906 eine schwierigere geworden war; und ebensowenig auf Erörterungen der letzten Tage, in denen er in einer tatsächlich di-r- wohl nicht gerechtfertig ten mr-jse in einen sckarfcn Gegensatz zum Fürsten Bülow gestellt wurde; klar ist aber, daß Unstimmigkeiten zwischen ihm und dem verantwortlichen Leiter der Reichspolitik entstanden waren und bestehen blieben, die sich nicht aus gleichen wollten. Auch die „Kölnische Zeitung" urteilt in dieser Richtung, nimmt aber den Grafen gegen den Vorwurf in Schutz, er habe Machenschaften mit dem Zentrum getrieben. Sie ^reibt: Wer heute gefallen ist, das ist nicht der Sozialpolitiker, sondern der Politiker Posadowsky. Nach Ansicht des Kaisers und des Kanzlers war angesichts der neu beschlosse nen und eingeleiteten Politik die erste Rücksicht, vor der alle andern zurückstehen mußten, die unbedingte Einigkeit in der Negierung. An die Mitglieder der Regierung wurde die Aufforderung gestellt, daß sie voll und unbedingt au> dem Negierungsprogramm stehen und sich mit ihm eins fühlen sollten. Dieser Bedingung scheint Gras Poiadowskv leider nicht entsprochen zu haben. Schon als die Frage der Reickstagsauslösung beraten wurde, stand er ihr min destens skeptisch gegenüber. Auch nach der Wahl hat er seine Bedenken gegen die neue Politik im Reichstag nicht zurückgehalten. Diese neue Politik erfordert aber nach der Ansicht derer, die sie unternehmen und leiten, völliges Ausgehen in ihr und eine Hingabe, die gerade ein so bedeu tender Mann wie Posadowsky nicht wohl leisten kann, wenn diese Politik ihm innerlich widerstrebt. Die Unter stellung, als ob Posadowsky Machenschaften mit dem Zen trum getrieben habe, ist zurückzuweisen, aber das eine ist nicht aus der Welt zu schaffen, daß das Zentrum aus ihn seine Hoffnungen setzte und daß er ihm als der Mann erschien, der den vom Fürsten Bülow abgeschnittenen Faden wieder anknüpfen sollte. Dagegen lese man, was die „Kölnische Volkszei tung sagt: Graf Posadowsky stand aue-. schon lange auf der Liste der politischen raoritru-i, vielleicht weniger als ein Opfer der liberalen Aera — manche einsichtigeren Liberalen hätten ihn, sofern ihre Personalienwünsche anderweit be friedigt worden wären, wahrscheinlich gern gehalten — als vielmehr als ein persönliches Opfer des Fürsten Bülow, der ihm nicht verzeihen konnte, daß er seine Plötz- licke Kursschwenkung im Dezember vorigen Jahres nicht als sachlich gerechtfertigt, jedenfalls aber als gefährlich an sah — gefährlich für die Stetigkeit der Politik im Reiche, gefährlich insbesondere für die von ihm vertretene Sozial politik. Der Rücktritt des Grafen Posadowsky macht diese letztere Gefahr akut, denn darüber darf man sich keinen Illusionen hingeben, daß es mit dem Interesse für soziale Reformen in weiten Kreisen des Liberalismus und leider auch eines Teiles der Konservativen nicht weit her ist — und zwar gerade derjenigen Konservativen, die der „Paarung" am meisten geneigt sind, wie z. B. der säch sischen. Und an manchen Regierungsstellen sieht es nicht bester aus, trotz der Versicherungen, die Fürst Bülow gleich nach den Reichstagswahlen abgab. Der freisinnige „Fränkische Kurier" (Nürnberg) urteilt: Graf v. Posadowsky, welcher für die agrarische Regie- rungsmethode, der man in Berlin zuneigt, viel zu gescheit war und der deshalb auch von allen Agrariern ingrimmig gehaßt wurde, hat bekanntermaßen nicht auf fetten bes Reichskanzlers gestanden, als die letzte Reichstagsauf- lösung gemacht wurde, weil er höchstwahrscheinlich der Meinung war, daß das liberalere Gefühl nicht lange vor halten und man dann dem vor den Kopf gestoßenen Zentrum gegenüber in einer och unangenehmeren Lage ein werde als vorher. Die Agrarier haßten den weiß- wrtigen Grafen, welcher seine Tochter Lehrerin werden ich. Es handelte sich bei ihm ganz gewiß um einen un- bedingt konservativen Mann, er war aber nichts weniger als ein preußischer Junker. Er hatte so etwas von dem Gehaben des Grandseigneurs, welcher aus Vornehmheit der Gesinnung auch die berechtigten Ansprüche der an deren anerkennt. Infolgedessen war er der einzig sozial denkende Minister Preuyens und des Deutscken Reiches. Was ihm für Schwierigkeiten auf seinem Wege gemacht wurden, von den Dackeln an, welche bei Vorträgen vor dem Kaiser zu dessen Belustigung ihm durch die Beine hupften und mit ihm allerlei Schabernack trieben, bis zum letzten Negierungsrat in seinem eigenen Reichsamt, das hat er selber vor kurzem im Reichstag mit einem Seufzer geoffenbart. Schließlich wird noch in einer Reihe von Blättern der Umstand als günstig hervorgehoben, daß Bethmann-Hvllwegs in Aussicht genommene Doppelstellung als Staatssekretär im Reichsamt des Innern und Vizepräsident im preußischen Staatsministerium den Weg ebne für eine gleichmäßige Poli tik im Reick und in dem größten deutschen Bundesstaat. Aber was hilft dies, wenn man die konservativ-liberale Paarung nur in dem Sinn versteht, daß aus ihr konservative Früchte zutage gefördert werden? Dafür aber, daß dies in Zukunft anders fein wird, fehlt eben leider jede Garantie. Vie rebeiüenaen un<l Sie lrommenüen Männer. Wir behalten uns auch heute noch vor, die ministerielle Tätigkeit sowohl Posadowslys wie Studts in besonderen Artikeln zu würdigen, geben aber an dieser Stelle ihre Personalien wieder. 1. Posadowsky. Arthur Adolf Graf v. Posadowsky-Wehncr, Freiherr v. Postelwitz, wurde am 3. Juni 1845 zu Groß- ologau geboren, studierte in Berlin, Heidelberg und Breslau die Rechte und Siaatswissenschaften, war dann zwei Jal.re beim Stadtgericht zu Breslau tätig, widmete sich seil 1,869 der Landwirtschaft und trat 1874 bei der Regierung zu Posen in den Verwaltungsdienst. 1873 wurde ->r Landrat des Kreises Wongrowitz, 1877 des Kreises Kröben. 1882 für den Wahlkreis Fraustadt-Kröben in das preußische Ab geordnetenhaus gewählt, schloß sich Graf Posadowsky der freikonservativen Partei an, übernahm 1885 die Leitung der provinKialständiscken Verwaltung der Provinz Po en und wurde 18W zum Landcsdircktor mit dem Titel Landes- Hauptmann erwählt, in welcher Stellung er die ständische Verwaltung der Provinz neu organisierte. Seit 1884 ge- hörte er auch der Provinzialsynode von Posen und der Generalsynode der evangelischen Landeskirche PrcußenS an. 1893 erfolgte seine Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat und zum Staatssekretär des Reichsschatzamtes. 1897 übernahm er an Stelle von Bocttichers das Reichsamt des Innern, wurde mit lxr Stellvertretung des Reichs kanzlers betraut und zum preußischen Staatsminister er nannt. 2. Stützt. Konrad v. Studt, der bisherige Kultusminister, wurde am 5. Oktober 1838 zu Schweidnitz geboren und schlug nach absolviertem Studium die VerwaltungSkarriere ein. Er wurde Landrat, Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern, Vortragender Rat und Regierungspräsident. 1887 ward er llnterftaa^ssekretär in Elsaß-Lotbringen, 1889 Oberpräsidcnt in Westfalen. Seit 2. September 1899, asio fast 8 Jahre lang, war er Kultusminister. Sein „größtes" Werk ist das 1906 zustande gekommene Volkssqnlunter- haltungsgesetz.
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