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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070625023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-25
- Monat1907-06
- Jahr1907
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Umgebung die 6gespaltene PeUtzeile 25 Pf., finanzielle An zeigen 30 Pf^ Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Pf.. Reklamen 1 M.z vom Ausland 50 Pf., sinanz Anzeigen 75 Pf. Reklamen 1.50 M. Inserate v.Behörden im amtlichen Teil 40Ps. Beilagegebühr 5 M. p. Taujeno exkl. Post- gebühr. ÄeschäftSanzeigen an bevorzug!,c Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tari'. Festerteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AngustnSPlat; 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Anuoncen- Expeditionen des In« und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: EarlDuncker,Herzgl.Bayr.Hosbuchhand!g., Lützowstraße 10 (Tel. VI, 4603). 101. JahMNcj. Vas Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegaugenru Depeschen stehen auf der 3. Seite des Hauptblattes^ TcS Königs Reise ins Erzgebirge. Der König hat beute früh 6 Uhr in Begleitung des Generalavjutanten Generalleutnant von Altrock und des Flügeladjutanten Oberst von Wilucki die Reise nach dem oberen Erzgebirge angetreten. Tie österreichische Präsidentenwahl findet heute statt. lieber die endgültigen Verabredungen der Parleiobmänner wird berichtet, es erscheine die Wahl Weiß kirchners zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gesichert. Infolge eines Kompromisses mit den Christlich-Sozialen baden die Tschechen ihren Widerstand gegen die Wahl Weiß- tirchners aufgegeben. Dasür sollen der Tscheche Zaczek zum ersten und der Pole StarczynSky zum zweiten Vizepräsidenten gewählt werden. Die Freisinnigen und die deutschen Sozial demokraten sollen erst dann eine Vertretung, im Präsidium erhalten, wenn zwei weitere Bizepräsidentenstellen geschaffen sind. Ter Aufruhr in Kwangtung wird für endgültig unterdrückt erklärt. San Tomingos Accessio». Präsident Roosevelt hat gestern den Vertrag zwischen den Bereinigten Staaten und der Republik Sau Domingo unter zeichnet, nach dem die Vereinigten Staaten Finanzverwalter der Republik San Domingo werden. Russland. Die Konferenz der Kadetten in Terijoki beschloß, das Zentralkomitee zu beauftragen, an die Provinzorganstationen ein Sendschreiben zu richten, m dem gegen alle Parteien, die sich mit dem Staatsstreiche vom 16. d. M. zufrieden geben, »charf Stellung genommen werden soll. Die Frage, ob sich die Partei an dem Wahlfeldzuge beteiligen solle, wurde mit überwältigender Mehrheit in bejahendem Sinne entschieden. Im Herbst wird ein Parteitag einberufen werden. — Auf das von dem Kongreß der Semstwo-Mitglieder an den Kaiser gerichtete Telegramm antwortete dieser in folgender Depesche: »Ich danke dem Kongreß für die mir ausgesprochenen Gefühle und den einmütig kundgegebenen Wunsch, sich auf richtig über die Fragen der Reform der SemDwos auszu sprechen. Der Kongreß wird in dem Gewissen der Semstwos die feste Ueberzeugung begründen von der Notwendigkeit, sich zu vereinigen und ernstlich zu arbeiten, um die Reformen des Lebens des russischen Volkes zu befestigen, die von mir auf rein russischen historischen Grundsätzen (!) angegeben sind. Nikolaus." Die haben sich ja auch so hübsch bewährt! Auch Knute, Bestechung, Unterschleif gehören zu diesen „rein russischen historischen Grundsätzen". Tie Revolutionäre veröffentlichten eine neue Liste Todesurteile gegen eine Reihe hochstehender Persönlich keiten. Den Häuptern der revolutionären Militärorganisa- tion gelang es größtenteils, der Polizei zu entschlüpfen. Die Gärung unter den Truppen in den verschiedenen Gouverne ments dauert fort, be>onders wird eine Meuterei der Festungs truppen befürchtet. — In Jekaterinoslaw brachen ernste Unruhen ans. Die einschreitenden Kosaken wurden mit Gewehrfeuer und Revolverschüssen empfangen und machten darauf ebenfalls von dem Gewehr Gebrauch. Es gab zahl reiche Tote und Verwundete. Eine große Albernheit auswärtiger Sozialisten ist in Wien geplant. Die sozialdemokratischen Abgeordneten haben beschloßen, in der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses eine Interpellation über die Auslösung der Duma einzu bringen. In der Interpellation wird die Regierung gefragt werden, ob sie gewillt sei, die österreichisch-ungarischen Bevollmächtigten bei der Haager Friedenskonferenz zu beauftragen, gegen das Vorgehen der russischen Regierung Verwahrung einzulegen; ferner, ob die Regierung gewillt sei, daS Ansinnen wegen Unterstützung einer russischen Anleihe, daS binnen kurzer Zeit zu gewärtigen sei, mit aller Entschiedenheit abzulebneu. — So dumm der Einmischungsversuch in die inneren Verhältnisse deS Nachbar reiches ist, so verständig erscheint der zweite Teil der Inter pellation an sich, wenn er nur nicht so falsch begründet würde, sondern mit der Existenz des französischen Bündnisses. Die Nachrichten aus der Provence lauten insofern beruhigend, als der Paroxismus vorüber zu sein scheint. Die wenig nachhaltige Art deS im Süden noch recht getreu bewahrten gallischen Sanguinikertums tritt wieder kraß hervor. Nachdem der seelenlundige, seine Pappenheimer kennende Clemenceau den Heiland der Winzer durch eine wohlstudierte Gardinenpredigt zu wenig übermenschlichen Tränen gerührt har, sind mit einem Schlage alle Tartarins auf den Weg der Ge setzlichkeit zurückgebracht. Sie wollen als gehor same Untertanen abwarlen was die Regierung ihnen Gutes bringt und sich wegen ihrer Ausschreitungen reuevoll dem Spruch der Gerichte unterwerfen. Daß es nicht um Kops und Kragen gehen wird, werden sie Wohl durch den Herrn Minister, der alles einrichten kann, vergewissert sein. — Aus den eingegangenen Depeschen teilen wir folgende mit: Marcellin Albert traf um 5 Ubr nachmittags in Argelliers ein und wurde von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt. DaS Winzerkomitee trat gestern unter Vorsitz Marcellin Alberts zusammen. Letzterer legte über seine Pariser Mission Rechen'chaft ab, wobei er den ihm erteilten Auftrag Cle- meuceaus zur Kenntnis brachte. Die Versammlung tagte über 2 Stunden und nahm schließlich eine Rcsoluiivn an, in der die Vorschläge ClemenceauS abgelehnt wurden. Man beschloß, die Bewegung fortzujetzen. Weiter verlautet, daß die Komiteemitglieder es Albert zur Ehrenpflicht gemacht hätten, sich dem Gericht zu stellen. Als die Verteidiger der Mitglieder des Wmzerkomitees erfuhren, daß eine Subskription eröffnet sei, um ihr Honorar zu decken, ließen sie erklären, daß sie unter keinen Umständen Geld annehmen würden. — In Veziers ist eine Subskription zu Gunsten der Hinterbliebenen der Opfer der jüngsten Wmzerrumulte eröffnet. — — Angesichts der Widersprüche über die Umstände, unter denen die Truppen und die Gendarmerie in Narbonne ihre Schußwaffen gebraucht haben, läßt Clemenceau nochmals eine Untersuchung vornehmen, um die festgestellten Tatsachen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. — Die Ablehnung der Ver- föhnungsvorschläge Clemenceaus ist nicht besonders tragisch zu nehmen. Sobald Albert sich dem Gericht stellt, ist alles für die Sache der Ordnung gewonnen, da dieser Entschluß zeigt, daß man nicht den Willen zum Aufruhr hat. Das andere wird sich dann schon von selbst machen, und eine Wiederholung der Volksbewegung in dem Umfange der letzten Woche ist ausgeschlossen. Die Gegner der Republik haben wieder einmal den Augenblick verpaßt. Auch Vic meuternden Truppen lassen sich ruhig in ihre Strasgarnisonen abführen, wie im Vorjahr das russische Regiment Preobaschenski o tutti guanti. Der Zug mit dem 17. Infanterieregiment traf gestern abend in Marseille ein, wo die Einschiffung nach Korsika oder Algier er folgen soll. Der „Liberte" zufolge hätten einige Sol daten geweint!! Ein Soldat des 17. Regiments be ging, als er hörte, daß das Regiment nach Algier versetzt werden solle, Selbstmord, nachdem er vorher ein junges Mädchen, mit dem er verlobt war, zu töten versucht hatte. Der Zustand Les Mädchens ist besorgniserregend. Dem Generalkommando Lyon ist der Bericht über die Verluste bei der Unterdrückung der Exzesse zugegangen. Darnach hat das 19. Infanterieregiment besonders gelitten; u. a. sind zwei Offiziere und zwei Unteroffiziere schwer verwundet. Die Verluste der 17. Kürassiere sind besonders beträchtlich, dagegen die der 10. Kürassiere geringer. — Natürlich wird eS noch einige Zeit währen, bis alles sich wieder beruhigt hat. In einem Infanterie-Regiment der Garnison Avignon kam es zu Ausschreitungen. Oberst Saint-James, der von einer Studienreise zurückkehrte, wurde vor dem Kaser nentore von Zivilisten verhöhnt und dann im Kasernen hofe von den Soldaten mit Pfiffen empfangen, während draußen Versuche gemacht wurden, das Tor zu sprengen. Vom Piusplatze, wo militärfeindliche Kundgebungen statt sanden, zog die Menge zur Kaserne. Ein Sergeant an der Spitze einer Abteilung drohte den Anziehenden mit einem Bajonettausfall. Dem populärsten Offiziere der Garnison, Oberstleutnant Dalbiez, gelang es nach längerem Parla- mentieren, die Menge zum Abzüge zu bewegen. polnisches. Pofaüowskys „verhängnisvolle" Rede. In der Presse spielt zurzeit eine Rede des Grasen Posadowsky eine Rolle. Diese Rede soll hauptsächlich dazu getieut haben, Bülow gegen „seinen" Staatssekretär einru- nehmen, weil sich in ihr gezeigt, daß ^Posadowsky des Reichs kanzlers Politik nicht vertreten könne oder nicht vertreten wolle. Es bandelt sich um eine am 28. Februar gehaltene Rede. Der Reichskanzler selbst war nach den Tagen des 25. und 26. Februar nicht mehr im Reichstage erschienen und Gras Posadowsky antwortete auf die gegen den Reichs kanzler wegen der Reichstagsauflösung gerichteten Angriffe und auf die Kritik des vom Reichskanzler entwickelten sozial politischen Programms mit folgenden Ausführungen: „Wenn ein Staatsmann in leitender Stellung dem Kaiser und dem Bundesrat vorschlägt, die gesetzgebende Vertretung des deutschen Volkes aujzulösen, so setzt der leitende Staatsmann seine ganze politische Stellung und fein Amt aufs Spiel, und wenn nicht sonstige schwer wiegendste Gründe gegen eine Auslösung sprechen, wird der Bundesrat in solchen Fällen, wo nach dem Gesamt überblick des leitenden Staatsmannes wichtige nationale Interessen in Frage kommen, selbstverständlich zu einem solchen Vorschläge stets seine Zustimmung geben. Sc weit wird der leitende Staatsmann, der mit einem solchen politischen Kampfe sein ganzes politisches Renommee aufs Spiel setzt, immer der verständnisvollen Einsicht des Bundes rats begegnen. Wie der Reichskanzler sein Programm durchführen wird, auf Grund dessen er ausgelöst hat, und wie er sein Programm durchführen wird, das er hier dem hoben Hause vorgetragen hat, das müffen Sie mit einiger Ge duld abwarten. In wenigen Monaten kann das nicht geschehen. Das Programm, das der Reichskanzler hier entwickelt hat, erfordert selbstverständlich den Zeitraum einer längeren politischen Entwickelung und vieler Sessionen. Im übrigen muß ich roch mit Befriedigung feststellen, daß eigentlich von keiner Seite die Gesetzesvorschläge, die politischen Maßregeln, di« der Herr Reichskanzler in Aus sicht gestellt hat, als unzutreffend bestritten sind. Im Gegen teil, im ganzen Hause bat man diesem Programm zuge stimmt. Der Zwiespalt der Meinungen liegt nur darin, daß ein Teil der Redner, der Abgeordnete von Payr und der Ab geordnete Gröber, glaubt, der Reichskanzler werde mit den Parteien, auf die er sich bei Ausjührung seines Programms stützen will — Parteien, die in ihren Grundanschauungen auf Grund langer geschichtlicher Entwickelung bisher aller dings wesentlich auseinandergingen —, die in Aussicht gestellte Gesetzgebung nicht durchführen können. Darüber wollen wir die Zukunft entscheiden lassen, und wir wollen hoffen, daß es dem Geschick des leitenden Staatsmannes gelingen wird, in absehbarer Zeit sein politisches Programm mit Ihrer Unterstützung auch zu verw irklichen." ES ist der Gipfel der Lächerlichkeit, wenn man aus dieser Rede herausleseu will, Posadowsky habe Bülows Politik durch kreuzen wollen. Das kann auch der stärlste Mann nicht, wenn er nicht direkt böswillig verfährt. Und glaubt man vielleicht, daß der Nachfolger Posadowslys, der in Sozialpolitik gänzlich unerfahrene Bethmann-Hollweg nicht noch weit mehr an die „Geduld" wird appellieren müssen? Und worin be steht denn die ganze Bülowsche konservativ-liberale Politik bisher anders, als daß er immer wieder sagt — abwarten, sich gedulden! Einen andern Zweck hat ja der ganze Mi nisterwechsel nicht, als daß Bülow Zeit gewinnen will für daS Experiment, eine praktisch fruchtbare Politik aus der konservativ-liberalen Paarung herauszubrinzen! Dem ehr lichen Posadowsky aber wird eS verdacht, wenn er auf die Schwierigkeit dieses Experiments hinweist. Er muß darüber fallen, damit Bülow Kanzler bleiben kann! * Graf Ballestrcm beging gestern sein fünfzigjähriges Offiziersjubiläum. Zu Ehren des Jubilars gab das Offizierskoips des Leibkürassierregiments im Kasino ein Fest esten, in dessen Verlaufe, wie die Morgenblätter melden, folgendes Telegramm des Kaisers aus Kiel einlief: „Ich freue Mich herzlich. Ihnen Meine Glückwünsche auszu sprechen zu dem Tage, an dem Sie seit 50 Jahren die Uniform Meiner Leibkürassiere tragen. In diejem gewich- Feuilleton. selten nahet, was sie Gnade nennen, heilige, das wirkliche Erkennen. wir erstreben als die höchste Gunst großen Wissens und der großen Kunst. Um uns ist immer halbe Nacht. Wir wandeln stets auf Perlen, staubbedeckt. Bio ihren Glanz des Zufalls Strahl erweckt. Die meisten sind durchs Leben chingegangen. Ein blutleer Volk von Gegenwartsverächtcrn. Gespenstisch wandelnd zwischen den Geschlechtern Durch aller Farben glühend starkes Prangen. Durch aller Stürme heilig großes Grauen. In taubeni Hören und in blindem Schauen, In einem Leben ohne Sinn verloren: Und Das Das Des Denn ihnen ist die Heiligkeit und Reinheit Das gleiche Heil, was uns die Lebenseinheit. Hugo von Hofmannsthal. Die Aieler Woche. Erfahrungen und Beobachtungen einer Landratte von Ernst Heiter. Kiel, 23. Juni 1907. Ein Journalist hat zwar mit einem Juristen das gemein, daß er alles versteht, sogar besser, als andere Leute, deren Urteil durch Sachkenntnis getrübt ist, aber fürchten Sie nicht, daß ich auf Grund dieser Legitimation Ihnen nun einen Vortrag halten werde über den Gefechtswcrt der ver schiedenen Kriegsschissstyps, obgleich die Typographie be kanntlich etwas ins Handwerk schlägt. Ich werde mich nicht über die Vorzüge der 30H-Zentimeter-Geschütze, vor unseren 28zentimetriaen verbreiten, noch über Turbinen- und Kolben maschinen, so schätzenswerte Kenntnisse ich auch in allen diesen Dingen gestern eingejammelt habe. Ich werde Ihnen auch nicht verraten, was ein Ballonsegel und was ein Spinaler ist, nein, ich will Ihnen nur die Eindrücke schil dern, die Kiel auf mein harmloses Gemüt gemacht hat. Da habe ich zunächst die Beobachtung gemacht, daß es in Kiel viel „kiclerist, als ich gedacht hatte. Das Wetter war unfreundlich und raub, und ' ne küble Brise (Wind darf man nicht sagens wehte „steif" aus Südwest. Daß der Konsum > von Grog dabei einen riesigen Aufschwung nabm, wi-d die I geehrte Redaktion verstehen. Meine arme Frau aber, die I ich mit auf die Reise genommen hatte, fror wie eine Schnei derin, trotz eines von der Wirtin geborgten Mantels, und erwärmte sich nicht eher, als bis id: ihr eine blau: Golfblusc gekauft hatte. Zwischen Hamburg und Kiel sind nicht nur 115 Kilometer, sondern ist überhaupt ein großer Unterschied. Das nie rastende Leben der Groß- und Handelsstadt, das selbst in der Nacht nicht erlischt, ist natürlich in Kiel nicht zu finden. Es ist hier alles mehr still, ordentlich und solide. Hier rollen keine Lastwagen, es ächzen keine Krähne, man hört nicht alle paar Sekunden das Heulen der Dampspfcisen, es liegen keine Ozeandampfer auf dem Wasser, die sich nimmer erschöpfen und leeren wollen^ cs erheben sich nicht himmelhohe Speicher, hier ist nicht der Kaufmann oer Alleinherrscher. Dafür aber wimmelt es hier von Blaujacken, Kotte Kadetten steht heißen sic Fähnriche) segeln ini Kielwasser der hochgewachsenen Kielerinnen, bärtige Kapitäne steuern in einen nur ihnen bekannten Hafen, wo sie bis spät in die Nacht vor Anker gehen. Hier ist die Kriegsmarine alles. Jeder anständige Mensch sich natürlich auch) geht mit einer Rcgattamüke ein her, der wirkliche Mensch aber fängt erst bei dem Mitglied des K. J.-K. an. Sie wollen atürlich wissen, was das heißt? Das heißt: Kaiserlicher Jacht-Klub. Zum wirklichen Menschen habe ich es freilich noch nicht gebracht, wenn ich zwar auch am Lande manchmal mit auf die Jagd gehe. Der Hafen bietet einen ganz anderen Anblick dar, als der Ham burger. Hier gibt es nicht „der Schiffe mastenrcichen Wald", hier ragen nur mächtige Schlote in die Höhe, so stark, daß das dickste Leipziger Ehepaar darin bequem Platz findet, und das Gewimmel, das aus dem Hamburger Hafen herrscht, ist hier geringer. Dafür sieht man elegante Gigs, von kräftigen Matrosen gerudert, pfeilschnell einherstreick-en, Torpedo boote, oder wie man hier sagt, Böte, sausen durch das Waßer, und schlanke Jachten mit himmelhohen Masten wiegen sich aus den Wellen. Unvergleichlich 'chöner aber ist der Kieler Hasen vor dem Hamburger. Hier Kunst, dort Natur, hier flache, durch Hobe Speicher verdeckte User, dort grün bewaldete Hügel, hier ost beängstigende Enge, dort Freiheit und Raum. Die Kieler Föhrde ist mit Recht berühmt als einer der schönsten Häfen der Welt. Wir kamen abends an und genossen von Äen Schönheiten Kiels zunächst nichts als ein »ns bisher unbekannt ge bliebenes „Patentbrot", von dem wir nicht satt wurden, so daß wir ihm noch etwas volleres, wenn'auch nicht paten tiertes, nachschicken mußten. Unangenehm siel uns auch das kleine Gefäß auf, das uns schon in Hamburg unsympathisch gewesen war. Man muß sich hüten, das Glas nicht mit zu verschlucken. Wahrscheinlich will man dadurch den Leuten allmählich das Trinken überhaupt abgewöhnen. In einem Hotel waren wir als Leute mit bescheidenen Börsen nicht abgestiegcn, denn 20—30 .E für ein Bett pro Nacht bezahlen, das übersteigt sogar die Mittel eines Korrespondenten vom Leipziger Tageblatt. Indessen soll es mit dem Rupfen der Fremden in diesem Jahre nicht so schlimm gewesen sein, woran außer dem bisher nicht lehr günstigen Wetter, auch die Hamburg-Amerika Linie mit schuld ist, die ihre aus der präch tigen schneeweißen „Oceana" gekommenen Fahrgäste nicht wie sonst in die Hotels abgeladen, sondern an Bord behalten hat. Wir wohnten nett und gemütlich in einem Privatlogis. Gestern früh nun gegen ^9 Ubr fuhren wir mit Dampfer „Heinrich" zur Regatta, zum Hasen hinaus. Da hatten wir nun Gelegenheit, die verschiedensten Kriegsschiffe zu sehen. Kreuzer, mit drei Schornsteinen, Linienschiffe, die ihrer nur zwei führen, Schulschiffe, die mit ihrer hohen Takelage so ganz anders aussehcn, schwarze Torpedoboote, die ganze Ostseeslottc war versammelt. Ein argentinisches Schuljchisf, mit blau-wciß-blauer Flagge, die Jacht „Meteor", mit der der Kaiser vorgestern den ersten Preis gewonnen hat, die daneben liegende „Iduna", der Kaiserin gehörig, der alte „Meteor", jetzt „Orion", den der Kaiser der Oslseestation geschenkt hat, die Jacht des Fürsten von Monaco, vor allem aber zwei abends vorher angekommcne japanische Linien schiffe, erregen besonderes Interesse. Pechschwarz liegen die unheimlichen Kolosse da. Der eine davon, noch älterer Kon struktion, hat den Krieg mitgemacht, und man sieht an der Brust der Mannschaft viele Medaillen blinken. Sonderbar muten uns die gelben Gesichter der flinken kleinen Kerle an, und eS will uns so gar nicht in den Sinn, daß wir sie sollen künftig als uns gleichwertig ansehen. Das andere Schiff ist ganz neu und zeigt eine viel stärkere Armierung. Ob diese Geschütze etwa einmal Kiautschau bombardieren werden? Wer kann cs wissen? Dem Laien erscheinen ja auch unsere Schiffe ganz stattlich, aber auch er sieht, daß die japanischen stärker sind. Ist cs nicht ein beschämendes Gefühl, daß Dcutich- land augenblicklich noch nicht imstande ist, feine Kolonien zu schützen, und daß die gelben Kerle uns jeden Tag, wenn sic wollen, Kiautschau wegnebmen können? Die Notwendigkeit, rastlos unsere Flotte zu vergrößern und zu verbessern, ist mir noch nirgends so klar geworden, wie hier, und ich möchte alle Leser bitten, heute noch ihren Beitritt zum Flottenverein anzumelden. Immer breiter umrde der Hafen, immer weiter entfern ten sich die User. Von links grüßten Holtenau mit dem Ein gang zum Kaiser Wilhelm-Kanal und Fricdrichsort mit leinen Batterien und dem rot-weiß gestreiften Leuchkturm, von rechts Hcikcndvrs und Möltenort. Dort Ivar die Start linie für die kleinen Jachten, ein verankertes Schiss mit roter Flagge und ein rot eingestrichenes Feuerschiff bezeich- ireten dieiclbe. Wie flogen die Schiffchen mit ihren weißen Segeln, jedes durch eine schwarze oder rote Nummer kennt lich, über die mäßig bewegte Wasserfläche. Da hallt ein Kanonenschuß herüber. Es kommt Ordnung in das Ge wimmel, cs bildet sich eine Reihe und mit dem zweiten Schuß geht es los. Glücklich der, der einen guten Start gehabt ha). Er hat von vornherein einen Vorteil vor den Konkurrenten. Alle fünf Minuten wiederholt sich das Schauspiel, bis alle gemeldeten Boote abgelasscn sind. Wir warten den Ausgang des Kampfes, der mehrere Stunden dauern wird, nicht ab, sondern dampfen weiter hinaus, zum Bülker Feuerschiff. Wir kommen an Heul- und Glockenbojen vorbei, die durch das Heben und Senken der Wellen in Bewegung gesetzt wer den. Die See wird unruhiger, denn der Wind webt stark, aber die Götter sind gnädig und kein einziger Seekranker braucht ihnen Opfer zu bringen. Da seben wir, von zwei Torpedobooten flankiert, die ihnen als Schrittmacher dienen sollen, zwei Jachten einherschwcben, die durch ihre hohe Takelage auffallen. Es sind der sranzöslfchc „Ar Men" und die deutsche „Feika". Beide sind von gleicher Bauart, Größe und Segelfläche. Letztere ha! im vorigen Jahre den Eouix- cke b>anc«, den Pokal von Frankreich, nach Teutschland ent führt und Frankreich will ihn sich in diesem Jahre wieder holen, was ihm leider wohl auch gelingen wird. Tie Fran- zoscn haben ein ganz neues, mii allen Schikanen ausge- slattctes Boot gebaut, den „Ar-Men". Mit großer Spaunuug wird der Start verfolgt. Hurra'. Der Deutsche ist glatt durch die Linie gegangen, dem Fran zosen einige Bootslängen voraus. Auch gelingt cs ihm jchneller, den Spuinacker zu fetzen, ein großes Vordcrsegc!, das allerdings beim Wenden gerefft werden muß. Aber der Franzose kommt tüchtig aus. Lange Zeit fahren sie Bord an Bord, noch bei der ersten Wendung ist cs zweifelhaft, wer die besten Aussichten hat, aber dann gewinnt der Franzoie unaufhaltsam an sta, woran denn? denn Terrain darf man ja ans dem Wasser nickt sagen!, sagen wir also an Marain. und als wir nach ungefähr zwei Stunden die beiden wieder- sehen, da ist der Sieg des Franzosen entschieden^ Mindestens ein Kilometer ist er dem Tcutichcn voraus. Stolz geht er durchs Ziel, und aui einem anderen dicktbcsetztcn Dampfer ist man so unpatriotisch, ihm ein dreifaches Hurra zuzurufen. Wir aus dem „Prinzen Heinrich" waren bessere Menschen und trauerten still um die Niederlage des Vaterlandes. Je doch noch ist nicht alle Hoffnung verloren. Noch zweimal werden die beiden Jachten sich in den nächsten Tagen mefien. und nur wer zweimal gesiegt ha», erhält den Preis. Hoffent lich werden dann die Franzosen etwas leichtsinniger segeln als gestern. Der dritte Kamps sand statt zwischen den Jackten der io- genannten Sonderklasse. Diesem Kampfe wohnten wir am längsten bei, denn an ihm beteiligten sich Prinz Heinrich, der ein zwei Hamburger Sportsleuten gehöriges Boot steuerte (Nr. 72>, der Kronprinz lNr. 7l>, Prinz Eitel Fritz lNr. 74>, was natürlich ein besonderes Interesse erweckte. Mit Hille der Gläser waren die betreffenden Niininiern bald heraus- gefunden. Der Startschuß erscholl und nun ging s los. pünkt lich ni» 12 llkr. Zuerst übernahm Nr. 87 die Führung und behielt sie lange Zeit bei. Der Kronprinz kam bald auf und nahm die dritte oder vierte Stelle ein während Prinz Hein rich ankangs etwas zurück lag, aber sichtlich auslwlte. Von Prinz Eitel Fritz war anfangs nicht viel zu seben, >'r war ziemlich zurück, dock mar sein Platz leicht zu iinden, denn die weiß gestrichene „Carmen", ein Torpedoboot, das dem Cta- tivnskommandanten zur Verfügung gc'tellt und dement sprechend eingerichtet und mit Kajüte verielnn ist, hielt fick immer in seiner Nähe. Warum? Weil des Prinzen Gc- mahlin an Bord war, die es sich nicht hatte nehmen lassen, ihm in der Stunde des Kampses und event. dec Geiabr nahe zu sein. Mehrfach mußte gewendet und gegen den ziemlich starken (für eine Landratte natürlich! Wind aiffgekrcnzt wer den. Prinz Heinrich lag zuletzt an dritter Stelle, za schien den zweiten Platz belegen zu wollen, cnde.e aber dock zuletzt, es war nach 3 llhr, als Vierter, während der Kronprinz Fünfter winde, für einen, der nickt Seemann ist, gewiß eine sehr respektable Leistung. In weitem Abstande nach diesen
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