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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070627017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-27
- Monat1907-06
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Umgebung die 6 gespaltene Petitzeile 25 Pf, knaazielle An« zeige» 30 Ps„ Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Ps., Reklamen I M.; vom Ausland 50 Pf., siaanz Anzeigen75 Ps, Reklamen 1.50 M. Inserate v.Behörden im amtlichen Teil 40Ps. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. GeschästSanzeigrn an beoorzugler Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif Festerteilt« Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an deflimmtrn Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen«Annahme: AugustuSplay 8, bei sämtlichen Filialen n. allen Annoncen- Expeditionrn des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker.Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg., Lützowslraße 10 (Tel. VI, 4M3. Donnerstag 27. Juni 1007. 101. Jahrgang. Var Aicbiigrte vom rage. I * König Friedrich August setzte gestern von Neustädtel aus seine Reise in das Erzgebirge fort. (S. des. Ber.) * Die Leipziger Stadtverordneten traten in ihrer gestrigen Sitzung der Vorlage des Rates, be treffend die Uebernahme einer Zinsgarantie von :)00000 ^l. für einen Elster — S aa le-Ka na l, unter Annahme einiger von Len Ausschüssen gestellten Bedingun gen bei. sS. Sitzungsbericht.) * Der Chef des Admiralstabes der Marine, Admiral Büchsel, wird zum Herbst von seiner Stellung zurücktreten. * Andrew Carnegie hat die Pläne und den Platz des im Zorgolietpark zu erbauenden Friedenspalastes gebilligt und ist heute nachmittag nach Brüssel ab gereist. * Ja Tiflis fand ein großes Bombenattentat statt. (S. Ausl. u. Letzte Dep.) * Der Sulla« vvu Marokko hat seine Reise wegen Geldmangels «ufgcgebeu. kpilsg. Es bleiben einige Worte zu sagen über die Aufnahme des großen Ministerschubs in der Presse. Und es muß zu- gegeben werden, daß manche „Organe der Oeffentlichkcit" bei der Gelegenheit recht eigenartige Proben von Unreife, Haltlosigkeit oder noch Schlimmerem geliefert haben. Zum Beweise dieses Urteils ist wohl nur nötig, anzuführen, daß die „Schlesische Zeitung" den Grafen Posadowsky als eine Art verkappten Anarchisten hinstellt. Er habe „bewährte Grundpfeiler des preußischen Verwaltungssystems" bei seinen Reorganisationsplänen für das Reichsversickerungs- wesen opfern wollen, wofür ihn die gerechte Strafe ereilt habe. Fehlt nur noch der Satz, daß sich Fürst Bülow blutenden Herzens von dem ihm liebwerten Staatssekretär und Mitarbeiter getrennt habe, nur um der Wohlfahrt des Reiches willen. Wir können der „Schlesischen Zeitung" verraten, worin die schauderhaft gefährlichen Pläne des Grafen Plssadowsky bestanden: Er wollte zum eigentlichen Träger der staatlichen Versicherungspraxis den — preu- ßischen Landrat machen. Jedes weitere Wort über dieses Gerede, das nur von Torheit und Tücke diktiert sein kann, wäre Vergeudung. Einen breiteren Raum in den Erörterungen nimmt auch die angebliche Notwendigkeit ein, durch Entlassung des zu zentrumsfreundlichen Staatssekretärs die Homogenität des Ministeriums zu sicher«. Was nun die angebliche Zentrums freundschaft des Grafen Posadowsky anbetrisft, so ist wohl die Frage erlaubt, wo eigentlich der Prinz v. Arenberg aus- und eingegangen ist. Im Reichsamt des Innern jedenfalls nicht. Wenn der Staatssekretär des Reichsamts des In nern mit hervorragenden Zentrumsführern verbandelt hat, so war das bis zur Reichstagsauflösung die natürlichste Sache von der Welt, denn das Zentrum war nicht nur die mächtigste, es war auch die „regierende" Partei. Und diese Verhandlungen, selbstverständliche Folgerungen parlamen- tarischer Arbeit, wurden von dem Staatssekretär im Auf trage des Reichskanzlers geführt. Man vergesse doch nicht, daß Fürst Bülow lange Jahre gar nicht daran gedacht hat, gegen den ultramontanen Stachel zu lökcn. Als er sich endlich, aus tausend und einem Grunde, zur Neuorientierung seiner Politik cntschstrssen hatte, ist Gras Posadowsky in vollster Loyalität den Intentionen des leitenden und allein verantwortlichen Staatsmannes ge folgt. Es kann mit absoluter Bestimmtheit hier fcstgestellt werden, daß alle Versuche, den Staatssekretär gewisser maßen als heimlichen Wahlgegncr der Regierung auszu- geben, sich auf keinerlei Tatsachen stützen können. Weder hat Graf Posadowsky sich auf prophetische Mnstc verlegt und die künftige Zahl der sozialdemokratischen Abgeordneten auf 114 angegeben, noch hat er die Torheit begangen, dies auch noch in einer Denkschrift zu fixieren. Nichts davon ist wahr. Alle diese Geschichtchen sind nachträglich erfunden oder verdreht worden, um dem Staatssekretär ein Bein zu stellen und ihn als Gegner der Bülowschcn Politik zu ver dächtigen und unmöglich zu machen. Posadowsky der Pro- iegee Eulenburgs! Die beiden Dtönner haben einmal in ihrem Leben, als der Fürst Eulenburg noch Graf und Bot schafter war, an einer Tafel gesessen, durch mehrere Plätze voneinander getrennt, haben einander bei der Gelegenheit das erste und das letzte Mal gesehen und einige formelle Worte, an den Nachbarn vorbei, miteinander gewechselt. Schadet nichts: Poladowsky ist in den Eulenburgskandal ver wickelt und deshalb mit ihm in die Wolfsfchlucht! Und damit nicht genug. Ein Berliner Blatt sand es sogar passend, sich mit einer ganz allgemein gehaltenen Verdächtigung an den Mann heranzuwagen. Es liege eine „mißliche Beschwerde" gegen ihn vor von einem höheren Beamten seines Ressorts. Der Ton liegt auf dem „mißlich". Es war die „Tägliche Rund schau", die seit einiger Zeit ihr antisoziales Herz entdeckt und sich nun ans reiner Neigung für den Kanzler und seine Politik zu diesem Angriff entschloß. Das Häßliche an ihm ist, daß nichts Näheres gesagt wird. Liegt hier gegen Posadowskn etwas vor, was einen Angriff berechtigt er scheinen läßt, dann gehe man offen vor, und wir werden mit zu denen gehören, die sachlich prüfen, werden diese Angelegenheit auch weiter im Auge behalten. Nu» aber -u der politischen Frage zurück. Ist denn nun wirklich für den Liberalismus oder auch nur für die konservativ-liberale Blockpolitik durch den Schub etwas gewonnen? Freiherr v. Zedlitz und Neukirch behauptet es im „Tag", und der demokratische Frankfurter Moniteur des Fürsten Bülow meint dasselbe. In dieser Paarung des Urteils dürften die bestrickenden Charmeurkünste des leiten den Staatsmannes ihr höchstes Zuchtprodukt erreicht haben. Ohne Zweifel eine sehr achtbare Leistung. Alle anderen Leute freilich, die nicht im Banne der durchlauchtigen Psyche stehen, werden folgendes Exempcl anstellen: Der wegen feines staatsgefährlichen Liberalismus angegriffene Minister (der einzige im Reiche wie in Preußen, dem dies widerfahren ist) geht. Sein Nachfolger ist eiu konservativer Mann, dessen sozialpolitische Neigungen noch gänzlich unbekannt sind. Ein Politiker nicht L la Oldenburg, aber L In Heyde- braud. Herr v. Studt wird durch einen sehr kirchlich ge- siunteu, streng konservativen Beamten ersetzt. Und Herr v. Moltke ist so gut-konservativ, daß die Konservativen auch nicht das Geringste gegen ihn cinzuweuden haben. Wer rum noch nicht von dem Vorteil überzeugt ist, den die Libe ralen von dem Ministerschub und insbesondere dem Sturze PosadowskyS haben, der ist ein unverbesserlicher Nörgler und soll auch nicht den kleinsten Orden erhalten. Italienizedr simckttbarkri». (Von unserem römischen ^-Korrespondenten.) Daß die Geschichte von Nasi so ausaehen würde, wie sie ausgegangen ist, war vorauszusehen. Die italienische Ge richtsbarkeit ist nicht blind, macht sich auch durch keine Binde blind, sondern bringt sich selbst und den abzuurteilenden Tat bestand in eine bewußte Beziehung mit der Idee oder Stim« mung des Gemeinwesens, oder, noch richtiger, „mit dem, was sie dafür hält". Als die Deputiertenkammer mehr aolons als volsos auf den Lärm von Personen und Cliquen hin, die von Nasi nichts abbekommen hatten und daher die Gelegenheit zu einer Uebung ü lu Caio mit edlem Eifer wcchraahmen, sich mit den Einzelheiten des Budgets des Unterrichtsministe riums in der Periode Nasis belaßt hatte und zu dem Schlüsse gekommen war, Nasis und seiner Leute Berwirtschastuug der Staatsgeldcr und Benutzung staatlichen Gutes sei nicht zureichend legitimiert und deute auf gemeine Vergehen gegen das Eigentum, sträfliche Unterlassung gebotener Sorgfalt usw., und als die Kammer infolgedessen Nasi dem Staats- anwalt auslieferte, da war dieser und daS Gericht weise ge- nug, um die Kammer riHtig zu verstehen. Man befriedigte die ooittribuans xste-bs mit schmetternden Anklagebcschlüssen, machte die Beschwerde gegen die Beschlüsse und den Rekurs gegen die Beschwerde, machte Einwände gegen die Kompetenz der Entschcidungsstelle über den Rekurs und Einwände gegen die Konstitution der berechtigten Entscheidungsstelle, sei es im allgemeinen, sei es im besonderen. Und als Nasi über die Grenze gelangt war, und sein Faktotum Lombardo sich bereits einen guten Teil des nichtitalienischen Europas genauer an gesehen hatte, crwlgten schneidige Haftbefehle gegen Nasi und Lombardo, und sämtliche Polizeibehörden des Königreichs such ten sich so gründlich die Augen nach ihnen aus, daß sie bei spielsweise Nasi nicht mehr erkennen konnten, als er eines schönen Tages in Nom war, um seinem Verteidiger vor Notar und Zeugen die zur Fortführung der juristischen Pro- zeduren unerläßliche Prokura zu unterzeichnen. Dann aber wurden trotz des bändedickcn Promemoria des Verteidiger kollegiums und deren vielen schönen Reden Nasi und Lombardo vom Schwurgericht in Nom im Dezember 1906 auf der Grundlage der Anklage vom Mai 1905 endlich und richtig in contumaciam verurteilt. Aber das Schwur- gericht war so unjuristisch gewesen, sich auf den Einwand der Verteidiger gegen seine prozcßrechtlichc Kompetenz nicht einzulassen, und so mußte selbst der Staatsanwalt nicht bloß anerkennen, daß das Urteil berufungs- und revisionssähig war, sondern er mußte selbst Berufung und Revision pflicht gemäß mit beantragen und unterstützen. Der Senator des Königreichs und Gcneralstaatsanwalt Oronzo Ouarta ließ cs sich nicht nehmen, mit Eifer dem gefährdeten Rechte zur Geltung zu verhelfen, und siehe da! der Kassationshof konnte wirklich nicht umhin, in der Sitzung der vereinigten Sek tionen vom 12. Juni mit Präzision herauszustellen, daß das ganze bisherige Gerichtsverfahren gegen Nasi und Lombardo auf einer falschen Voraussetzung beruhe, und daß Nasi und mit ihm Lombardo ob der von ihm als Minister und im Zu sammenhang mit seinem Ministerium ausgefiihrtcn wie immer gearteten Handlungen überhaupt nicht vor den ordent lichen Gerichtshof gehöre. Wie gesagt, der Gerichtshof hat die Deputiertenkammer sehr gut verstanden, denn die Kammer konnte trotz ihrer anders lautenden Aeußerungen ganz gewiß nicht wollen, daß politische Verhältnisse und Personen vor R.chtern mit dem simplen Untcrtancnverstandc erstens überhaupt und zweitens derart bloßgestellt würden, daß leicht der ganze Regierungs mechanismus und etliche führende Politiker argen Schaden an ihrer Reputation nehmen könnten. Denn cs ist klar, daß Nasis Handlungen höchstens graduell unterschieden sind von den Handlungen feiner Amtsvorgänger und Amtsnachfolger, daß mit anderen Worten der Favoritismus und die un- disziplinierte Verwirtschaftung des Dispositionsfonds von jeher in den italienischen Ministerien geübt wurden, und daß Nasi höchstens in der Vernachlässigung des äußeren Scheins etwas zu viel getan hat. Es ist ferner klar, daß die Depu- tiertenkammer selbst, deren Kommissionen ja nicht bloß die Ueberschriften der Resiortbudgets vor- und nachzuprüfen be rufen sind, ihrer Obliegenheit nicht eben pünktlich oder sonst richtig nachgckommcn sein kann, wenn die Prozeduren Nasis, die sich über mehr als ein Budgetjahr erstrecken, sich so haben ausführen lassen. ES ist endlich eine allbekannte Tatsache, daß die Minister die zu ihrer Verfügung stehenden Posten und Gelder durchaus nicht bloß für die ihnen persönlich zu sagenden Personen und Zwecke verwenden, sondern auch und sogar vorwiegend für die ihren Freunden und nicht zum wenigsten ihren politischen Freunden zusagenden: weswegen denn auch bei Nasis Geschäftsgebarung die „Empfehlungen" von politischen Persönlichkeiten zugunsten mehr und minder obskurer und unlegitimierter Personen und Zwecke eine an sehnliche Nolle spielen, unter ihnen angeblich auch eine des derzeitigen Kobinettpräsidenten Giolitti. Einige Deputierte, die die Logik der Komödie nicht faßten oder nicht fassen wollten, beeilten sich nun, in der Kammer zu erklären, daß Nasi nicht ohne Richter bleiben dürfe und nach dem Versagen der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf aus drückliches Ersuchen der Kammer vor den außerordentlichen und politischen, durch den Senat des Königreichs aus Sena toren konstituierten Gerichtshof gestellt werden müsse. Diese Deputierten haben bereits mit ihrem Antrag, der Minister für Justiz möge die Ueberreichung des Urteilstenors und der Urteilsbegründung seitens des Kafsationshofes an die Deputiertenkammer beschleunigen, damit die Kammer noch vor Beginn der Sommerferien zu einer Entschließung gelangen könne, eine Enttäuschung erlebt: die Mehrheit der Depu tierten drückte sich nämlich ans dem Saale, und bei der Abstimmung über den Antrag fehlte die beschlußfähige An zahl Immerhin darf man schon annehmen, daß über kurz oder lang Nasi vor den Senat gestellt werden wird. Allhier werden von hüben und drüben die großen Gesichtspunkte ausgefahren werden, man wird tief hinabsteigen in den Schacht der psychologischen Voraussetzungen und der soziolo gischen und politischen Notwendigkeiten, und wenn es hoch kommt, wird man ob einiger Kleinigkeiten einen Tadel wegen Mangels an Sorgfalt der Geschäftsführung nicht unter drücken und Nasi zum Ersatz des pekuniären Schadens der Staatskasse verurteilen. Es lebe die Gerechtigkeit! Vier Jahre läßt sie auf sich warten, aber endlich siegt sie doch! Und die Advokaten, die sich um diesen Sieg nach Kräften umständlich bemüht haben, weihen ihr Festreden und danken ihr im besonderen für den neuen „Präzedenzfall", der ihnen schönen neuen Stoff zur Ausweitung und Komplizierung des nächsten „Falles" bietet. Aber: qaock licet kovi, non licet bovi. Die Tänze, die man in Rom um ein so großes Tier wie «inen Minister a. D. aussübr/ darf man nicht auch in Catanzaro und in Genua aufführen wollen, wo allenfalls die streng privat wirtschaftlichen Interessen eines einfachen Deputierten und seiner Clique in Frage kommen. Namentlich in Genua, wo die Richter nicht bloß stramm an der Börse spekuliert, son dern die betrügerischen Manöver bei Emportreiben und Sinkenmachen von Jndustriewertcn aktiv und passiv be günstigt haben, so daß Börsenkrifen von öffentlicher Kala mität entstanden, durfte es nickt so weitergehen: denn wenn gleich das Milieu von Genna die Teilnahme auch von Rich tern an der Mache von spekulativen Börsen-Differenzgc- schäften rechtfertigt, so mußten die Richter doch wenigstens umsichtig genug sein, bei ihrer Amtstätigkeit den Benach teiligten keine Karie gegen sich in die Hände zu spielen. Der Richterstand ist doch wahrlich nicht schlechter als die Kamorra, die den Richter Sorace unter ihren Affiliierten nicht haben mochte, weil er, der sein Disziplinarregister mit mannigfaltigen Daten angefüllt hatte, sich bei der Aus gabe falschen Geldes in Catanzaro batte betreffen und ver haften lassen. Wenn man cs in Genua wenigstens so ge macht hätte wie in Bari, wo der verehrlichc Gerichtshof eine Konkursmasse von 600 000 Lire dividierte in 100 000 Lire für Gerichtskostcn, 250 000 Lire für den Konkursverwalter und 250 000 Lire sozusagen für die Gläubiger, und nachher, erst nachher, die 250 000 Lire des Konkursverwalters zu je einem Viertel dem Konkursverwalter, dem Präsidenten und den beiden Beisitzern des Gerichtshofes zuteilte! Und in Catanzaro hatten die Richter und Staatsanwälte Jahre hindurch unter verständnisvoller Mitwirkung des Kanzlei personals das Zivil- nnd Strafrecht auf ihre Weise und zu ihrer Klientel Wohlbefinden verwaltet, ohne daß ihnen irgend jemand crnsterwcisc beizukommen versucht hätte: da aber wurden die Herren unvorsichtig, übernahmen sich über- mütigcrwcise auch einmal gegen die Freunde des Schwagers des Vetters des Bruders einer Nichte eines Deputierten: eine Interpellation in der Kammer und eine ministerielle Unter suchung kam über sic, und manche mußten ihr Pöstchen wechseln. Im großen und ganzen aber ist Italien stolz auf seine Gerichtsbarkeit, pflegt sic in einer Unzahl von Gesetzen und Dekreten und läßt sie sich ein gutes Stück Geld kosten. Und cs gibt wirklich auch gute, technisch und moralisch gute Richter in Italien. Sie sind freilich alle keine Gesetzes philologen, sondern benutzen in jedem Falle das Gesetz nur als eine Krücke, als auch eine Aeußerungsweisc der Idee und Strebung der Nation und des örtlichen Gemeinwesens, welche Idee und Strebung im übrigen subjektiv zu inter pretieren sic sich selbst vindizicren. Daher erlebt man in Italien auch so viele Freisprechungen und Verurteilungen im Widerspruch mit dem Straskodex, aber in Ucbcreinstim- mung mit den jeweils vorherrschenden Sitten und Ansichten. Und die guten, ihrem Nasi treuen Einwohner von Trapani beleidigen niemand, wenn sie ihren Straßen die Namen von Oronzo Ouarta und einem Kassationsrichtcr geben, weil sic ihren Nasi frcigesprochcn haben. cauae»verein fSl Asdlkadttrei«ricdt«»gen r«m Serien SScdrtrcder Sta-trdeamte». Bestimmungsgemäß ruft der unter dem Protektorate des Königs stehende Landesverein für Wohlfahrtseinrichtungen seine Mitglieder alle drei Jahre zu einer Hauptversammlung zusammen, in der Rechenschaft über seine bisherige Tätigkeit abgelegt und die Wege zur Erreichung neuer Ziele der nicht nur für die sächsische Beamtenschaft, sondern das gesamte Volk bedeutungsvollen gemeinnützigen Korporation angegeben werden. Der Hauptversammlung ging eine gcmeinichastlichc Sitzung des Vcrtraucnsausschnsses und Vor stands des Landcsvcreins voraus. Beide wurden am Sonn- abend im Kaiser Franz Josets-Saal des Hauvtbahnhoss in Dresden unter Leitung des Vorsitzenden des Landesvcreins, des Herrn Oberrechnungsrevisors Greß, abgehalten. Die gemeftsschastlichc Sitzung eröffnete dieser mit einer begrüßen- den Ansprache. Die Rede schloß mit einem von den anwesen den Beamten begeistert aufgenommenen Hoch auf ihren er- lauchten Dienst- und Schutzherrn, den König. Der Vorschlag der Absendung eines Hnldigunqstelegramms fand allseitige Zustimmung. Aus der Sitzung selbst, die eine sehr reich haltige Tagesordnung hatte, sei berichtet, daß Herr Kommer zienrat Georg Arn hold in Dresden zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt wurde. Herr Kommerzienrat Arnhoid hat sein Interesse für die Bestrebungen des Vereins in hoch herziger Weise dadurch bekundet, daß er eiu Kapital von 10 00t) für dessen Unterstützungszwecke zur Verfügung ge stellt hat. Genehmigt wurde der Haushaltplan ans das Jahr 1908 Die Einnahmen und Ausgaben sind aus 24 820 .K ver anschlagt worden. Für die Vollendung und Ausstattung des König Albert-Heims wurden 15 720 .F. eingestellt. Die Gc- samtkosten der Vollendung betragen 78 300 -K, für die 78 970 Mark an Deckungsmitteln vorhanden find. Der Ausbau des König Albert-Heims soll in folgender Weise geschehen: Das vom Verein erworbene ehemalige Förstereigehöft in Gelenau wird zur Ermöglichung eines geordneten Wirtschaftsbetriebs und aus sanitären Gründen mit einem Aufwande von gegen 1800 3k baulich instand gesetzt und verbessert werden. An Stelle des zum Heime gehörigen Scheunengebäudes wird ein zweistöckiges Wohngebäude mit einem Gesamtaufwande von 52 500 .)t anfgeführt werden. Ferner ist ein Waschhaus, ein Schuppcngebäude und eine Wandelhalle geschaffen worden. Der Vorsitzende teilte bei diesem Beratungsgegenstande mit, daß das Heim bis auf wenige Zimmer für die erste Hälfte des Juli bis in den September hinein voll besetzt ist. Die Versammlung stimmte allenthalben den erwähnten Vor- schlügen bei. Von Wichtigkeit für die Beamtenschaft war die Beschlußfassung über die Frage der Bestrebungen um Ein. kommensverbcsserung der Staatsbeamten, der im Ruhe stand lebenden Staatsbeamten und der Hinter bliebenen von Staatsbeamten. Es wurde zu diesem Gegen- stände folgende Erklärung angenommen: „Die Versammlung des Vorstandes und des Vertrauens- ausschnsses des Landesvereins für Wohlfahrtscinrichtungen zum Besten sächsischer Staatsbeamten, deren Angehörigen und Hinterbliebenen erklärt sich mit der Denkschrift vom 22. Oktober 1906 nach Form und Inhalt allenthalben ein- verstanden, indem sie ausdrücklich anerkennt, daß die Er höhung des Wohnungsgeldzuschusses auf di» Reichssätze und die Bemessung der Anfrückungssristen wie im Reiche und in Prenßen auf die Dauer von längstens drei Jahren neben der Festsetzung von Aufriickungsbeträgen, die tatsächlich a!S eine Einkommensverbesscrung empfunden werden, das Ziel der auf die Verbesserung der Besoldungsverhältnisse im allgemeinen gerichteten Bestrebungen der mittleren und unteren Staatsbeamten sein und bleiben muß. Däfern die in der Denkschrift ausgesprochenen Wünsche durch den nächsten Staatshaushaltsetat keine oder keine völlige Er füllung finden sollten, wird der Vorstand des Landesvcr eins ersticht, sich auf der Grundlage der Denkschrift an die Ständevcrsammlung zu wenden und dabei nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Notlage, in der sich an erkanntermaßen die Staatsbeamtenschaft zum größten Teil bcnndet, durch eine mäßige Erhöhung des Wohnungs- geldzusckusses nicht behoben, durch Festsetzung längerer Auf- rückungsiristen nnd zu geringer Anfrückungsbeträgc viei- mehr verschärft werden würde." Tic Beschlußfassung über den Vertrag der „Allgemeinen Renten-, Kapital- und Lebensversichernnasbanl „Teu'.onia" in Leipzig mit dem Verein wegen Gewährung von Ver günstigungen an die Mitglieder und deren Angehörige wurde vertagt. Nachdem noch der Vorsitzende bemerkt hatte, daß die Einrichtung eines Familienbeirats nach wie vor im Auge behalten werde, wurde die Sitzung geschlossen. In der hierauf folgenden Hauptversammlung wurde zunächst der Geschäftsbericht vorgctragcn, aus dem her- vorging, daß der Verein sich rege weiter entwickelt und namentlich auch die Beachtung und wohlwollende Unter- stützuutz der Kgl. Staatsrcgierung gefunden hat. Nach dem Rechenschaftsberichte beliefen sich die Einnahmen des Vereins im Jahre 1906 auf 99 001,55 die Ausgaben auf 88 756,i9 Mark, so daß ein Bestand von 10 245Z6 .E verblieb. Tas Gesamtvermögen betrug 95 010ch7 ^l. Nach Richtigsprcchung der Rechnungen auf die Jahre 1904/06 wurden Ergänzung»- nnd Ersatzwahlen für den Vorstand nnd den Vcrtrauensaus- schuß, sowie die Wahl der Kassen- und Rechnungsprüfungs- kommission vorgenommcu. Ter Vorstand des Landesvereins hat dem Vorstande der Kgl. Amtshauptmannschast zugesagr, das König Albert-Heim dem Landesverein vom Roten Kreuz als Nekonvalcszentenstation im Kriegsfälle gegen Erstattung der Sclbstkvsten in Hypothekenzinsen, Steuern, Abgaben, In- standhaltungs- und Verwaltungskosten zu überlassen. Die Hauptversammlung billigte diese Zusicherung. Weiter wurde beschlossen, gegen erhöhte Gebühren die Benutzung des König Albert-Heims auch Personen zu gestatten, die dem Stande der sächsischen Staatsbeamten nicht angehören, so weit Plätze vorhanden und diese nicht von Mitgliedern und Beamten belegt sind. Die Mobiliarbrandverficherungskassc rind der Krankenuntcrstützunasverein sächsischer Staats beamten haben sich, wie ihre Vorstände berichteten, lebens fähig erwiesen und zeigen einen günstigen Aufschwung. Ucbcr den Stand der Mobiliarbrandversicherungskasse für sächsische Staatsbeamte machte in der auf die Hauptversamm- lung des Landesvereins folgenden ersten ordentlichen Haupt- Versammlung der Kasse deren Direktor nähere Mitteilungen. Tie Kasse hat sich auch im zweiten Jahre ihres Bestehens (1906) erfreulich weiter entwickelt. Es traten in genanntem Jabrc ein 1709 Mitglieder, das bedeutet ein Mehr von 1248. Am Schlüsse des Berichtsjahres wurden 2690 Mitglieder mit 10 040 880 Versicherungssumme gezählt. Die anfänglich mir 2800 angenommene Durchschnittsversichcrungssumwe stieg bis Ende 1905 auf 3360 und bis Ende 1906 weiter auf 3735 .tl. Diese Steigerung läßt das wachsende Vertrauen zur Kasse unter den besser besoldeten, namentlich den wissen schaftlich gebildeten Beamten, von denen in den letzten Monaten namhafte Beteiligung zu verzeichnen ist, erkennen. Gegenwärtig hat die Kasse 3650 Mitglieder mit 13H Millio- nen Mark Versicherungssumme. Für bisher zu verzeichnende 18 Brantssällc sind zusammen 581,80 Entschädigung ge- zahlt worden. Au? das an den König abgesandte Hnldigungstelcgramm ist folgende Antwort eingegangen: „Se. Maicstät lassen den zur Hauptversammlung vereinten Beamten des LandcS- vcrcins für Wohlfohrtseinricktungcn für den gebrachten Hul- digungsgruß mit dem Gnnschc segensreichen Wirken- Aller- höchstseinen Dank auSsprechen. Generaladjutant v. AltrvL*
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