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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070628019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-28
- Monat1907-06
- Jahr1907
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2. Beilage Krritag. 28. Jaul 1SV7. Leipziger Tageblatt. Rr. 177. 10U Jahrgang. Sencdtrraal. ^eh-ffangerieht. ; Leipzig, 27. Jrrni. Lj» einer argen Schlägerei kam es in den Abendstunden Kes 11. März in einer Gastwirtschaft in Leutzsch, wo die Geschirrführer R-, A-, I-, Br: und H. eingekehrt waren. Aus ganz geringfügiger Ursache gerieten die Leute mit einigen ebenfalls in der Wirtschaft sich aushaltenden Ar- heitern aneinander, aus dem Wortwechsel entwickelten sich Tätlichkeiten und nun wurden die Arbeiter zuerst im Lokal und dann auf der Straße in ärgster Weise mißhandelt, mit den Fäusten geschlagen, zu Boden geworfen und mit den Füßen geswßen. Besonders haben sich R. und A. bei diesen Rohheiten ausgezeichnet, sie wurden denn auch vom Gericht aauz empfindlich bestraft, wo sich die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu verantworten hatten. R. wurde zu zwei Monaten und zwei Wochen, A. zu vier Mo naten und F. sowie Br. zu je zwei Wochen Gefängnisstrafe verurteilt, dagegen wurde H., dem eine Teilnahme an den Mißhandlungen nicht nachgewiesen werden konnte, kostenlos freigesprochcn. 2iSnialiche» Landgericht. -ab. Leipzig, 27. Juni. Ein Reiscgeldschwindler. Aus dem Brandenburger Zuchthausc vorgesührt, in dem er gegenwärtig eine ihm von den Landgerichten Naumburg und Berlin I zuerkanntc Gesamtstrafe von zwei Jahren drei Monaten verbüßt, hatte sich der angebliche Musiklchrer Anton Göggel aus Sig maringen vor dem hiesigen Landgericht wegen schwerer Ur kundenfälschung und Rückfallsbetrugs zu verantworten. Am 4. Mai vorigen Jahres war der 81 Jahre alte, sehr ost vor bestrafte Angeklagte in der Wohnung der Frau Hofrat v. H. erschienen und hatte ein Schreiben des Professors Dr. W. vorgelegt, in dem dieser ibn dem Wohlwollen der Frau v. H. empfahl. In dem Schreiben teilte der Pro fessor der Frau Hosrat mit, daß der Ueberbringcr des Brieses durch Krankheit in Not geraten sei. Er habe eine Stellung als Musiklehrcr in Stuttgart in Aussicht, es fehle ihm aber das Reisegeld. Er sder Professor) habe dem Bittsteller bereits die rückständige Miete gezahlt. Frau Hofrat v. H. hielt den Inhalt des Briefes für wahr und gab dem Göggel, der die Angaben des Briefes noch münd lich bestätigte, das Reisegeld in Höbe von 22F0 .E. Nach träglich stellte es sich heraus, daß der Brief gefälscht war. Göggel verübte dann in der Hamburger Gegend noch ähn liche Reisogeldschwindeleien, bis er schließlich festgenvmmen wurde. Während er noch) in Naumburg in Untersuchungs haft saß, wurde bekannt, daß er auch in Berlin ein gleich artiges Schwindelmanöver ins Werk gesetzt hatte. Göggel ist in Wirklichkeit gar 'kein Musiklehrer, wie er den Per- ionen, die ihn aus Gutmütigkeit unterstützt batten, vorqe- schwindelt hatte, sondern er ist von Beruf Kellner und hat sich nebenbei nur fleißig mit Musik beschäftigt. In der Hauptverhandlung legte der Angeklagte, der bis dahin hart näckig geleugnet und den Vergeßlichen gespielt hatte, ein offenes Geständnis ab. Vor allen Dingen gab er auch an, den Brief geschrieben zu haben, was er früher ebenfalls in Abrede gestellt batte. Das Gericht verurteilte Göggel, der nach dem ärztlichen Gutachten geistig etwas minder wertig ist, einschließlich der obenerwähnten Strafe zu ins gesamt zwei Jahren sieben Monaten Zucht baus, 3M .kl. Geldstrafe und fünf Jahren Ebren- rcchtsverlnst. 8H. Schwerin, 26. Juni. Unterschlagungen in einer Irrenanstalt. (Fortsetzung.) In der heutigen Verhandlung werden die Unterschlcifc bei der zweiten mecklenburgischen Landesirrenanstalt Gchls- heim bei Rostock erörtert. Der Angeklagte Landwirt Baack hatte auch für diese Anstalt die Butterliefcrung. Er soll erheblich mehr in Rechnung gestellt lmben, als er in Wirtlichkeit lieferte. Der Angeklagte Baack bestreitet jede Schuld. — Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Schmidt, hält ihm wiederholt vor, daß er dadurch, daß er alles bestreite, sich nur noch mehr verdächtig mache. — Angckl. Baack: Ich kann doch nicht sagen, was ich nicht weiß. — Hierauf wird in die Z e u g c n v e r n c h m u n g eiugctreten. Erster Zeuge ist der Geh. Obcrmcdizinalrot Schuch ardt, der Direktor der Anstalt in Gclshcim. Er erklärt, daß er die Entscheidung bei Submissionen stets selbst treffe und daß er den Lieferan ten sowohl als den Beamten verboten habe, mlt einander zu verkehren. Er habe bei den Lieferungen nichts von Un regelmäßigkeiten bemerkt. Er habe auch nicht bemerkt, daß der verstorbene Bctriebsinspektor Gram in ungerechtfertigte Sporteln aus seiner Stellung gezogen hatte. Allerdings ici ibm ausgefallen, daß die Fleischlicfcrung vorübergehend ein mal nur aus Hammcllöpfcn bestanden habe. Gramm wollte ihn überreden, daß das eine sehr gute Sache sei, er habe ihm das aber nicht geglaubt und daraufhin schärfere Kontrolle ausgeübt, so daß späterbin die Lieferungen zu seiner Zu friedenheit ausgefallen sind. Es wird dann Frau Gramm, die Witwe des Betricbsinspektors Gramm, vernommen. Sic erklärt, daß sie wöchentlich 3 Pfund Butter vom Angeklagten Baack erhalten und daß ihr Manu diese Butter auch bezahlt habe. — Der Vorsitzende legt ihr daraufhin die Rechnungen vor, die ihre Handschrift haben. Nach längerem Zögern gibt die Zeugin zu, daß sic selbst diese Rechnungen später ausge stellt habe, damit sic nach dem Tode ihres Mannes nicht in die Lage käme, Rechnungen noch einmal zu bezahlen, die so und so alt wären. Die Witwe Gramm bekundet noch, daß der Angeklagte Baack nach dem Zusammenbruch gesagt hätte: Wenn der Untersuchungsrichter zu meinem Mann käme, so wisse er doch, daß er ihm alles bezahlt habe, wenn sie sich zufällig in der Kneipe trafen. — Der Vorsitzende meint, daß das doch sehr für die Schuld des Angeklagten Baack spräche. — Der Angeklagte Baack behauptet, sich hieran nicht mehr zu erinnern. — Hierauf berichtet der Sachverständige Kolz über die Ergebnisse seiner Prüfung der Bücher usw. An seine Ausführungen knüpft sich eine lange Erörterung über die Frage, ob in Geblsheim überhaupt Unterschleife vor gekommen sind oder nicht, worauf die heutige Sitzung ge schlossen wurde. sssrszes; peterr. (Fortsetzung.) Lk. München, 27. Juni. Als erster Zeuge wird heute der Reichstagsabgeordnete Bebel auigerufen. Aus die Frage, was er zur Angelegenheit selbst lagen könne, erklärt er, daß er die Sache zum ersten Male am 13. März 1896 im Reichstage besprochen habe. Er sei dazu veranlaßt worden durch das bekannte PeterSsche Buch über die Emin Pascha-Expedition und durch private Mitteilungen von anderen über das Treiben von Dr. Peters am Kilimandscharo. Er habe aus allen den Mitteilungen entnehmen müssen, daß Dr. Peters ein rücksichtsloser und gewalt tätiger Mensch war. U. a. wurde erzählt, daß Dr. Peters bei der Emin Pascha-Expedition rücksichtslos auf Schwarze habe schießen und Dörfer habe niederbrennen lassen. Ein ganz charakteristischer Fall dieser Art sei ibm erzählt worden, daß Dr. Peters auf einem Marsche einen Häuptling niederschießen ließ, der nichts Weiler getan habe, als daß er ihm über de» Weg gelaufen war. In seinem eigenen Buche erzählt Dr. Peters noch ganz andere Sachen. Er sagt darin selbst, daß er seine schwarzen Träger sehr hart behandelt habe. Bei allen den Sachen habe Dr. Peters eine .Härte gezeiqt, die durch nichts gerechtfertigt war. Er habe dann auch die Fälle Mabruk nud Jagodja zur Sprache gebracht und ebenso den Tuckerbrief. Letzterer Brief war ein angebliches Ge ständnis des Dr. Peters über seine Taten am Kilimancscharo. Ter Brief sei allerdings alS eine Fälschung später erkannt worden. Seine Rede habe seinerzeit im Reichstage und in der Oessent- lichkeit das größte Aussehen erregt. Im Reichstage wurde drei Tage darüber debattiert. Der Kolonialdirektor Dr. Kayser habe mehrmals in der Sache das Wort er- grifseu und das Verhalten des Auswärtigen Amts und der Kolonialabteilnng gegen Dr. Peters verteidigt. Dr. Hammacher habe schließlich erklärt, er verstehe nicht, daß Dr. PeterS noch immer im Dienst sei. Später wurde der Bischof Tucker aufgefunden, erklärte aber, daß er von dem Brief, der an ibn gelangt sein sollte, nichts wisse. Es wurde dann behauptet, es läge nur ein Irrtum in der Person des Empfängers vor. Nicht der Bischof Tucker, sondern der englische Bischof Smith habe den Brief erhalten. Die Ermittelungen, die hierüber angestellt wurden, ergaben aber auch kein Resultat. Er, Bebel, habe dann später im Reichstage erklärt, nachdem er sich überzeugt batte, daß der Tnckerbrief nicht existierte, daß er die hierauf bezüglichen Borwürfe gegen Dr. Peters zurück nehme. Um übrigen habe er vom Auswärtigen Amt noch einmal Aufklärung verlangt und die Vorlegung der Geheimakten über die Fälle Peters gefordert. — Ich erkläre schon jetzt, daß ich diese Angelegenheit im Herbst im Reichstag wieder Vorbringen werde und dann erwarte, daß vom Regierungstisch selbst und vom Reichstage eine durchgreifende Be- spreckung der ganzen Sache noch einmal stattfindet. Hierauf erbebt sich Dr. Peters und bemerkt: Herr Abgeordneter, Sie sind von der Emin-Pascha-Expeditiou ausgegangen und stellen mich als einen ungerechten grausamen und rücksichtslosen Menschen hin. Sie haben das auch schon früher getan. Sie tun das aber immer, ohne auf die betonteren Verhältnisse hiuzuweisen, unter denen die Emin- Pascha-Ervedition tatsächlich vor sich ging. Sie sagen, ich hätte einen Häuptling nicderjchießcn lassen, nur weil er nicht vom Wege gegangen sei. Sie vergeßen aber ganz, daß wir uns im Kriegs zustände befanden, und daß der Häuptling zu unseren Feinden ge hörte, die nns erst am Tage vorher eine Schlackt geliefert hatten. Er gebürte zu dem feindlichen Stamm der Massai. Glauben Sie, ich habe die Massai zu meinem Vergnügen bekämpft. Das geschah lediglich ans dem Gebot der Selbstverteidigung. Ich mußte strenge Maßregeln ergreifen, um überhaupt zn Emin Pascha zu stoßen. Sie werden mir zugeben, daß, wenn Sie nur von einem Gesichtspunkte aus erzählen und nicht auch die Ansicht der Gegenseite hören, Sie zu falschen Schlüssen kommen müssen. Wenn erzählt wird, daß ich einiach den Häuptling niederschießen ließ, weil er nicht von der Straße weggiug, so muß man allerdings i auuchmen, ich sei em grausamer Menich. Sie erzählen seiner, ich ! hätte eine Anzahl Dörfer niederbrennen lassen. Tas geschah aber s in Deutschoslafrita und nicht auf der Emin Pascha-Expedition. Sie : werden zugeben, es ist etwas ganz grausames, wenn plötzlich Dörfer medergebrannt werden. (Bebel, dazwischen rufend: gewiß.) Aber Sie werden ohne weiteres zugeben, daß ich in Ostafrika anders handeln mußte als m Oberdauern. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Bebel, damals Afrika kennen gelernt hätten, ich bin überzeugt. Sie würden ebenso gehandelt haben wie ich, denn Sie scheinen mir doch auch ein sehr energischer Herr zn sein. Nach Ihrer Angabe sollen alle Parteien mit Aus nahme der freikonservativen Partei ihren Abscheu über mich und meine HandlimgSwrise am Kilimandscharo ausgesprochen haben. TaS ist nicht richtig. Die Herren haben nicht meine Handlungs weise verabscheut, sondern nur das, was Sie als authentisch über meine Handlungsweise im Reichstage vorgetraqcn haben. Das ist etwas ganz anderes. Diese Taten hätte ich ebenfalls verabscheut, genau wie Sie das tun, Herr Bebel: es ist angenommen worden, daß der sogenannte Tuckerbrief echt sei und deshalb bin ich von so vielen verurteilt worden. Nun sich aber der Tnckerbrief als falsch erwiesen bat, so sind dock alle Ihre Folgerungen aus dem Briese hinfällig. Es wird hierauf der sogenannte Tuckerbrief verlesen. Es heißt darin, Dr. Peters sei mit der Jagodja nach afrikanischem Recht verheiratet gewesen und er habe sie deshalb nach ihrem Verkehr mit Mabruk als Ehebrecherin hängen lassen. — Dr. Peters: Solche Behauptungen werden von einem alten Parla mentarier, wie es der Abg. Bebel doch ist. mit vollster Bestimmt heit im Reichstage vorgebracht und ausgesprochen. Er bat es nicht für nötig gehalten, bevor er öffentlich Anklage erhob, sich darüber zu orientieren, ob der Brief an Len Bischof Tucker wirklich ab gesandt worden war und ob er überhaupt existierte. Nach Ver lesung dieses gefälschten Briefes erfolgte natürlich allgemein« Ent- rüstuug, nicht nur in Deutschland, sondern west über Deutschlands Grenzen hinaus. Wären die Tatsachen richtig, die dort behauptet wurdeu, so würde ich sie selbstverständlich ebensalls verurteilen. Ich will dem Abg. Bebel nicht den Vorwurf der Leichtfertigkeit machen, aber bevor er den Brief vortrng, mußte er sich überzeugen, ob er richtig war. Das war Pflicht eines Ehrenmannes. Diesen Borwurf kann ich dem Abg. Bebel nicht ersparen. Bebel hat selbst erklärt, daß der Bries falsch war. Trotzdem wurde ich verurteilt. Intrigen führten dazu, daß das Verfahren gegen mich auch nicht eingestellt wurde, als die Fälschung längst bekannt war. Tie damaligen Verhandlungen hatten nichts gegen mich ergeben. Ich halte es für Ihre Pflicht, hier öffentlich zn erklären vor dem Gericht und vor dem ganzen Lande, wer Ihnen die Mitteilungen von dem Tnckerbrief gemacht hat. Sie haben früher gesagt, eS sei ein angesehener Mann gewesen, der Ihnen das alles vorgelogen hat. Nennen Sie uns den Namen, dainit Sie sich von dem Vor wurf der Leichtgläubigkeit reinigen können. — Sachverständiger Pater Acker: Es liegt wohl ein Mißverständnis vor. Der englische Bischof Smitby hat einmal gesagt, er sei entrüstet über die Vor gänge am Kilimandscharo und wolle mit einem Mörser nichts zu tun habeu. Es liegt hier vielleicht doch ein Mißverständnis vor. und bandelt es sich um ein Schreiben an Bischof Smithy, iu dem Dr. Peters zugegeben hat, daß die Hinrichtung von zwei Schwarzen startgefunden habe, selbstverständlich nach Unter suchung des Tatbestandes und nach ordentlichem Gerichts verfahren. — R. «A. Dr. Rosenthal: Dieser Brief ist von Dr. Peters später selbst veröffentlicht worden und ich finde in seinem Inhalt abiolnt nichts Belastendes. — R.-A. Dr. Bernheim: Tie allgemeine Entrüstung war nicht nur ans den Inhalt des TuckerbrieseS zurückzufübren, sondern auch auf Uumenschlichkesten in anderen Fällen, die der Kolonialbirektor Dr. Kayser im Kolonialrat vorbrachte. — R.-A. Dr. Rosenthal: Das Verhalten Dr. Kaysers war doch sehr sonderbar. Man weiß nicht, ob er aus eigener Initiative gehandelt, oder ob er von mächtiger Hand zu seiner Intrige getrieben worden ist. — Dr. Peters: Ich kann folgendes erklären: Kurz nach dem Ver lassen der Kilimandscharostation kamen Leute z« mir. Schwarze und Weiße, die allerlei Gerüchte über mich wußten. Einige Zeit nachher kam ich durch das Gebiet des Bischofs Smitby von der englischen Afrikamission. Es kam zu Verhandlungen, ob ich dem Bischof einen Besuch machen sollte. Der Bischof schrieb zurück, er bedauere, mich nicht empfangen zu können, weil er von mir verschiedenes Belastendes aus dem Kilimandscharo- gebiet gehört habe. Ich sollte mich zunächst darüber erklären. Nachdem ich schon vorher von den unerhörten Beschuldigungen ge hört hatte und nun auch aus dem Munde des englischen Bischofs daS wiederholt erfuhr, wurde ich selbstverständlich empört. Ich fragte mich, wie kommt ein englischer Untertan dazu, mich als kaiserlich deutschen Reichskommiffar zur Rede zu stellen, noch dazu über Dinge, die ich gar nicht begangen habe. Ich gebe zu, daß ich dann einen sehr hochmütig gehaltenen Brief an den Bischof Smithy geschrieben babe, den ich aber schließlich nicht absandle, um keine Differenzen hervorzurufen. Der Brief war in dem Sinne gehalten, daß ich als deutscher Reichskommiffar mir von einem englischen Bischof nichts sagen lasse und daß ich es im übrigen ablehnen müsse, irgendwelche Aufklärungen zn geben. Dieser Bries ist später von mir veröffentlicht worden, und daraus sind die Mißverständnisse entstanden, als ob ich den Tucker brief tatsächlich geschrieben und noch an einen anderen Bischof als an diesen gerichtet hätte. Ich habe also überhaupt an keinen englischen Bischof geschrieben und der angebliche Tuckerbrief bleibt eine ganz niederträchtige, ehrlose Erfindung eines Toten. Zu mir hat der Bischof Smithy nichts davon bemerkt, daß er mit einem Mörder nichts zn tun haben wolle. — Pater Acker: Wie gesagt, es muß ein Mißverständnis vorliegen. Ich gebe Dr. Peters gern zu, daß Bischof Smithy sich nicht in abfälliger Weise über ibn geäußert hat. — Zeuge Abg. Bebel: Zur Charakteristik des Dr. Peters stelle ich fest, daß er in seinem Buche über die ehe malige Paschacxvedition selbst erzählt, er habe einen schwarzen Diener, der ihm ein Perlhuhn gestohlen batte, was er zn Mittag essen wollte, in folgender Weil« bestraft: Ich wiederhole, ich gebe das wieder nach der eigenen Erzählung des Dr. Peters über die Emin Pascha-Expedition. Dr. Peters hat dem Diener zunächst ein Brechpulver gegeben, damit das gestohlene Gut soweit als möglich wieder herauskomme. Zweitens babe er ihm 25 Peitschenhiebe überzieben lassen und drittens mußte der Arme den Tag über in Ketten liegen. Das ist eine unerhörte, barbarische, niederträchtige Handlungsweise. Wester sagt Dr. Peters selbst iu seinem Buche, daß er den Stamm der Massai, der auf den Bäumen saß, als er mit seiner Expedition durch den Busch zog. zu Dutzenden von den Bäumen habe abschießen lassen. — Dr. Peters: Es ist nnglanblich, mit welchen Dingen der Abg. Bebel hier operiert. Ich habe in meinem Buche in humoristischer Weise den Diebstahl des Perlhuhns durch meinen Diener wiedergegcben. Wenn ich nicht einmal das Reckst habe, mein Eigentum gegen Diebstahl zu schützen, so hätte ich bald aufyüren können, als Reichskommiffar im schwarzen Erd teil meine Aufgaben zn erfüllen; wenn ich einen solchen Diebstahl durchgehen lasse, so riskiere ich das Leben der ganzen Expedition. — R.-A. Dr. Rosenthal: Die kann man mit solchen Dingen kommen, wenu 65 Leute durch das Gebiet von etwa 150000 kriegerisch gesinnten, feindlichen Negern ziehen. Frhr. v. Tiede- mann, der mit Dr. Peters an dem Zuge teilgenommcn hat, bat ihm in seinem Buche ausdrücklich das höchste Lob gespendet. Er jagt, Dr. Peters habe Emiu Pascha vom sicheren Tode errettet, und da wagt man hier wegen des gestohlenen Perlhuhns eine Szene zu machen. — Sachverständiger Eugen Wolff: Ich meine, man kann ganz gut ohne Grausamkeiten durch Afrika regen. Ich habe dasselbe Land, das Dr. PeterS ein Jahr vorher bereiste, em Jahr später wiedergesehen, ich habe Expeditionen in franzö sischen, portugiesische« und englischen Gebietsteilen gemacht, war zuletzt noch im Auftrage des Königs von Belgien im Kongoftaat, ich habe Afrika von Norden nach Süden, von Osten nach Westeu durchquert, ich kann nnr sagen, ich habe während der ganzen Expedition durch das Gebiet, das Dr. Peters bereist hat, nicht nötig gehabt, auch nur einen Schuß abzufeuern. Dann möchte ich noch folgendes uritteilen: dtach Beendigung meiner Expedition kamen drei Reichstagsabgeordnete z« mir, darunter die Avgg. v. Masjow und v. Frege-Leipzig. Sie wollten vor der Eut- jchridung des DisziplinarhofeS von mir wissen, was Tr. Peters eigentlich aus seinen Expeditionen alles getan Hot. Ich sagte offen: Peters baut sich seinen Galgen selbst. Zwei Jahre später kamen die Herren wieder. Damals war die neue Untersuchung gegen Dr. Peters eingeleitet. Sie sagten zu mir: Herr Wolff, Sie haben recht gehabt. — Zeuge Abg. Bebel: Ich muß folgendes erwidern: Ueber die Behandlung der Schwarzen in Afrika stehen die Mei nungen der alten Afrikaner selbst sich diametral gegenüber. Ick konstatiere, daß Dr. Peters sich mit seinen eigenen Freunden nicht im Einverständnis^ befindet. Einer verlangt größtmöglichste Rück- sichtnahme auf die Schwarzen, andere verlangen wieder größte Roheit und Grausamkeit im Sinne von Dr. Peters. Daß dieses Rezept nicht richtig ist, hat ja der Afrikareiseader Eugen Wolff so eben dargetan. Ich erinnere da auch noch an Livingstone, Emin Pascha u. a., die ohne jede Grausamkeit ihren Ländern große Gebiete erschlossen haben. Dr. Peters hätte das auch tun müssen im Interesse des Ansehens des Deutschen Reichs. Er hat das nicht ge tan, und das mache ich ihm zum Borwurf. Bebel verliest weitere Stellen aas dem Buch« des Dr. Peters über die Emin Pascha- Expedition, um angeblich« weitere Grausamkeiten nach dessen eigenen Zugeständnissen zu konstatieren. — R.-A. Tr. Rosenthal bedauert im Anschluß Kieran, daß Bebel sich nicht die Mühe genommen habe, vor diesen Verhandlungen anch daS Buch des Herrn v. Tiedemann zu lesen. — Bebel: Ta tst ja noch schöner. Ich denke, wenn man das Buch dcS Dr. Peters selbst gelesen hat, braucht man nicht noch die Schriften seiner Ber- leidiger zu lesen. — Bors. OberlaudeSgerichtsrat Mayer ver mittelt zwischen den heftig hin- und berstreitenden Parteien, deren Wortgefecht man im einzelnen kaum noch zu folgen vermag. Bebel bemerkt zum Schluß: Ich stell« fest, daß der Tuckerbries damals garnicht die größte Aufregung hervorgeruseu hat, sondern die tatsächlich ermittelte« Scheusslichkeiten. Den Namen desjenigen zu nennen, der mir den Tncker brief gegeben hat, habe ich keine Veranlassung, denn da hat mit dem gegenwärtigen Prozeß nichts zu tun. (Große Bewegung im Zufchauerraum.) Bebel (fortfahren-): Ich wäre em erbärmlicher Kerl, wenn ich da- Vertrauen d«4 ManoeS tünschru wollte, der mir die Mitteilungen gemacht bat. Das verträgt sich mit meiner Ehre nicht, obgleich ick freilich nicht die Auffassung von der Ehre habe, wie diejenigen Klassen, denen Dr. Peters augehört. Der Leutnant Bronsart v. Schellendors hatte dabei nichts zn run. Sein Onkel war damals preußischer KriegS- mi nist er und mit solchen Herrrn stehe ich immer kriegerisch. Im Lager des Dr. PeterS waren drei Weiber. Die drei Weiber scheinen im gemeinsamen Besitz aller drei Herren gewesen zu sein, wie man das immer vom Zukunstsstaat behauptet. — R.-A. Tr. Rosen thal: Ich ersuche doch Herrn Bebel, unS -en Urheber des Tucker briefes zu nrnneu. Es ist das em Gebot der Ehre. Wegen dieser Verleumdung ist Dr. Peters 11 Jahre hindurch in grausamer Weise inS Ausland gehetzt worden. (Bebel lacht.) R.-A. Rosenthal (sortsahread): Jawahl, ich halte daS aufrecht. — Bebel: Da ist ja lächerlich. — R.-A. Tr. Rosenthal (sehr erregt): Wenn Herr Bebel auch Reicbstagsabgeordueter ist unv ich seine sozialpolitischen Verdienste nicht verkenne, so hat er doch kein Recht, hier meine Behauptungen als lächerlich bin zu- stellen. (Beifall und Lärm im Zufchauerraum.) — Vorf. Ober landesgerichtsrat Mayer: Herr Bebel hat als alter Parlamentarier hier in dem Tone gesprochen, wie man cS im Parlament tut. Mit Rücksicht hierauf habe ich manches, waS rr im scharfen Tone sagte, nicht beanstandet. Niemand kann ans seiner Haut heraus. Ich bitte die Eigenart des Herrn Bebel zu berücksichtigen. Ich achte jede Eigenart. — R.-A. Dr. Rosenthal: Wenn Herr Bebel Par lamentarier ist, so siebt er doch hier als Zeuge vor Gericht und muß sich anders benehmen als im Parlament. Herr Bebel muß das Material zur Klarstellung des Schwindels vorlegeu. Er mny deu Mann neunen, der die Frechheit gehabt bat. eine unverschämte Lüge als eine Tatsache im deutschen Reichstage Vorbringen zu lassen. — Bors.: Sie sollen daS tatsächliche Beweismaterial zu Ihrer damaligen Rede im Reichstage liefern. — Bebel: Dieses Material und der Tnckerbrief stammen aus ein und derselben Quelle. Ich wiederhole, ich werde den Namen meines Gewährsmannes nicht nennen. — Dr. PeterS: Herr Bebel hat mich im Jahre 1896 — ich finde keinen parlamentarischen Ausvruck — in der schärfsten Weise verleumdet auf Grund falscher Angaben. Er hat den Tucker brief und dir Legende von dem kniefälligen Bitten der Jagodja vor- gebracht und er hat mich aus Deutschland, aus meiner Stellung getrieben. Er hat mir mein Ansehen geraubt und nun weigert er sich den Mann zn nennen, der ihm da- Material gegeben hat. Er muß den Schurken nennen, der diese unerhörten Beschimpfungen Feuilleton. Marken und Münzen. Von Ferdinand Avcnarius (Dresden).*) Leben wir von den Kranken, den Gefangenen, den Ein siedlern nnd den Aevmsten der Armen ab, so dürfen wir sagen: zweierlei Kunsttverkc laufen tagtäglich durch jedes Erwackyenen Hand und nicht ein-, sondern fünf- und zehnmal rind öfter: Geldstücke und Briefmarken. Es gibt kein Erzeug nis der plastischen Kunst, das sich mit den gangbaren Münzen, es gibt kein Erzeugnis der grapbischen, ja, cs gibt kein Druckerzeugnis überhaupt, das sich mit den Briefmaricn an Auflagenhöhe vergleichen lönnte. Alle Werke der gesamten übrigen Plastik zusammengciwmmcn bilden sicher noch lange nicht den zebntanscndstcn Teil der Stückzahl, mit der die Landcsmünze ans allen Eisenbahnen, Strömen, Straßen, Gassen und Pfaden vom Mecrcsstrandc durch alle Häuser aller Städte und Dörfer bis zu den Alpengipfcln und wieder zurück und in tausend Kreisen läuft. Millionen von Vater sandsgenossen bekommen überhaupt ihr Lebtag nie andere Kleinplastik zu sehen, kein cinziacr Deutscher sicht andere öfter. Und die Briefmarken? Was sind die meistgelesenen Lokalanzciger und Tageblätter für Zwerglein an Vcr- brcitung, verglichen mit der Zchnpfcnniqmarkc! An der Grenze machen die Münzen Halt, die Postzeichcn aber laufen an ihnen vorbei ins Weite. Ich habe früher die Briefmaricn Visitenkarten genannt, die ein Land bei dein andern abgäbc. Welch eine besuchslussige Dame wäre dann Fran Germania, wieviel Millionen Visiten machte sie monatlich! Und bis in welche Gegenden erstreckte sic bei Weißen. Gelben, Braunen, Roten und Schurzen ihre Besuche! Nein, mein Vergleich trifft nur nach einer Seite zu: die Visitenkarte gibt den ersten Anhalt dafür, ob ihr Besitzer, wie der Bayer jagt, eine Bildung bat. Ob er ein Mann von leidlichem Geschmack ist. Aber Fran Germania fordert mit den Briefmarken in jeder Minute lmufiycr zu solcher Prüfung auf guten Ge schmack heraus, als der reiselustigste ihrer Söhne mit Visitenkarten sein Leben lang. Man wird zugeben, daß diese Gedanken nichts in irgend einer Weise Geheimnisvolles oder Neues entschleiern. Was sie sagen, liegt, wie der Schinken aus dem Butterbrot, jedem, der'S besehen will, offen. Und sehr viele Leute haben s auch schon besehen. Und schon wesentlich mehr als einer hat gc'ogt: Zudem PreiSentSschrerben deS Dürerbunde» im „Kunst- 'wart*. Da Briefmaricn nnd Münzen vom Staat hcrgcsrcllt werden, warum bemüht sich der Staat nicht, hier das Bestmögliche zu geben, das gegeben werden kann? Warum ruft er nicht seine Künstler für diele volkstümlichsten aller Aufgaben der bildenden Knnsi zum Wettbewerbe auf? Ach, während nm ein Denkmal in irgend einer kleinen Stadt, das nur einmal do ist nnd vielleicht mir .stvcimol im Jahr von andern als Einheimischen besehen wir-, ein großer Llpparat willig in Szene geletzt wird, erhalten wir unsre Münzen nnd Marken mit ihren Millionen von Ausführungen sozusagen auf dem Vcrordnnnqswegc. Weißt du etwa, lieber Leier, wer die verbreitetsten deutschen Klcinknnstwcrkc, die den stolzen Namen des Reiches führen, gestaltet bat? Der Franzose weiß es von seinen Marken und Münzen: Männer, die er unter seinen besten Künstlern nennt. Aber wir in Deutsch land? l.1 nsre Münzen und Marken o, sic nebeln aus u.!- dnrchsichtigcn Höben gelegentlich auf uns herab, ohne daß irgendwer von uns gewöhnlichen Staatsbürgern vor dem Fall von ihren Urbebern wüßte. Selbst wenn sie da sind, erfährt höchstens bei den Münzen einmal der eifrig Forschende Be scheid, hei den Briefmarken bleibt des Erfinders großer Nome in ein wohltätiges Dunkel gehüllt. Denn daß man z. B- für die jetzigen Marken aus dem Rcichspostamt um die Ecke zum nächsten Geschäitsmarkenladen geschickt habe, ist eine nner- wicfcnc Behauptung, geeignet, einen tüchtigen Ladcninbaber in der Leipziger Straße zn diskreditieren. Der Scherz verletze nicht! Die Schuld trifft einzelne Menschen, sie trifft eine Einrichtung, die hier Männer zwingt, über künstlerische Fragen zu entscheiden, die weitab von ihren eigentlichen Arbeiten liegen. Vielleicht spielen auch noch andere Faktoren mit hinein — was hält' es für Zweck, von ihnen zn sprechen, wenn es nicht Vorwürfe un ärgerlich Blut zn machen, wenn es znbcssc r n gilt? Wollen wir endlich Marken und Münzen bekommen, die des neuen Reiches Herrlichkeit würdig sind, so muß man vor allem sehen, wie solche kein könnten. Au der Anschauung wie der Wille erstarken, hierin nicht länger selbst hinter kleine:, Ländern ziirückznstcbcn. Und bat man den Willen lebendig und ernst, io findet man nach dem alten Spruch auch den Weg. . Auf, beginnen wir nun endlich mit der Vorarbeit zu einer künstlerischen Münz- und Markcnrcsorm! * Spanische Zeniorenftrciche. Man schreibt der „Voss. Zta" aus Madrid: Der streitlustige und bissige Abgeordnete Soriano erzählte im Unterhaus eine kleine Anekdote, die die Heiterkeit der Zuhörer in hohem Grade erregte. Soriano teilte nämlich mit. er babe neulich in seinem in Valencia erscheinenden Blatt „El Nadical" einen Artikel vom seligen Alphonse Daudet abgedruckt, der vom Zensoren als strafbar angesehen wurde. Der Zensor fragte den Herausgeber der Zeitung, wer dieser Daudet sei, und ini Scherz antwortete Soriano, das sei einer der Re dakteure dcS „Radical", worauf der Zensor den toten Romancier gerichtlich belangte. Tas erinnert an einen ähnlichen Full, der sich l866 in Leon ereignete, da mals, nach der blutigen Erneute in der Madrider San Gil- Kaserne. wo >cr Belagerungszustand über ganz Spanien verhängt worden. Das Lokalblatt „El Mirlo", dessen Re dakteur der nachmals zu einer gewissen Berühmtheit gelangte Satiriker Jost- Estraff! war, batte einige barmlo)c Verse von Ealderon de la Barca veröffentlicht, die der mili tärische Zensor beanstanden zu müssen ataubtc. Er ließ also den Redakteur zu sich rufen nnd sagte ibm. das Blatt dürfe in der vorgclegtcn Form erscheinen, nur müßten vorher die in Rede stehenden Verse gestrichen werden. „Diese Verse enthalten aber doch nichts Strafbares", wandte der Re dakteur ein. „Ich streiche sie", sagte der Zensor, „nicht weil sic straibor", sondern weil sic sehr schlecht sind." „Diese Veric find von Pedro Ealderon de la Barca", sagte der Redakteur, worauf der Zensor barsch erwiderte: „Ich kenne den Herrn nicht, wenn er sich aber zn mir bemühen will, werde ich cs ihm ins Gesicht sagen, daß seine Verse nichts taugen." * Zum Arionentan in Meisten. Der Arionen-Frauen- chor und Mitglieder des Alt-Arion aus Leipzig veranstalteten am letzten Sonntag unter Leitung ihres Cbormeisters Oberlehrer Hans Hofmann im Dom zu Meißen ein geistliches Frühkonzert, über dessen ausgezeichneten Verlauf folgendes berichtet wird: An eine solche Auslese von Säugern und Sängerinnen darf man selbstverständlich die höchsten Ansprüche stellen, und diese sind durchaus erfüllt worden. Unsere heimischen SangeSkräfte haben hier einmal ein Muster vor sich gehabt tn der Zusammen setzung nnd Färbung der Stimmen, im mannigsastigen Aus druck, in der Verfeinerung des Vortrages, in der straffsten Zuckst nnd Selbstbeherrschung und vor allem ein Vorbild ssir ein voll kommenes. in dem herrlichen Raume wie überirdisch wirkendes Piano. Tie beiden Mannerchöre dirigierte Herr Tr. Paul Klengel, d'e gemischten Cdöre Herr Oberlehrer Hans Hof mann. Frau Martba Wermann, die mit ihrer großen edlen Stimme guy im Cbvre den weiten Raum beherrschte, ist eine seltene Besonderheit, indem sie die Frische und Naivetät der Naturjänge.in mit vollendeter Virtuosität verbindet; ihre Aus sprache ist vorbildlich, ibr Ton keusch und srcmm: man kann sich vorstellen, daß die Engel im Himmel so singen müssen wir sie. Was ibr fehlt, wurde aber deutlich, sobald der vom Studium znm Hofopernsänger berufene Tenor, Herr Seydel-Altenburg, leine warme verführerische Stimme erhob, in der alle verhaltene dramatische Kratt zitterte, und die all« Nerven de« Hörer« zum Mitschwingen brachte. Seine Höh« ist fast sopranhaft. hell und jugendlich, di« Mittellage von wunderbarer Fülle nnd Rundung, nur di« Tiefe muß noch breiter und kräftiger werden, nm einen lvriscben Tenor zur Vollendung zu bringen von unwiderstehlichem, süßestem Stimmzauber. Fräulein Käte Häbler konnte sich mit der Violine neben zwei so mächtigen Stimmen nnr schwer die ver dient« Geltung erwerben, denn für diefes zarte Instrument ist unser Tom dock zu weiträumig. Mit dxr ihm wohl ganz fremden Orgel fand sich Herr Studiosus Kurt Gorn erstaunlich gut ab." * Hochschulnachrichte«. Aus Dresden schreibt uns uw'er z-Korrespondent: Die durch den Tod des Geheimrats Professor Stern erledigte Professur an der Kgl. Technischen .Hochschule in Dresden für Literatur ist dem Literarhistoriker nnd Schriftsteller Prof. Dr. Oskar F. Walze! an der Universität Bern übertragen worden. Walze! hat sich durch Herausgabe von Brieten Schlegels und Chamissos, durch Schriften über Schiller und Goethe, sowie über einzelne Werke Schillers und KleiilS, ferner durch Herausgabe der „Uutersuchnngen zur neueren Sprach- und Literaturgeschichte" bekannt gemacht. In Frage kamen für die Professur noch Ferdinand Avenarius, der ablehnte, sowie Prof. Werner-Frei burg i. Br. Der König hat die Berufung bereits genehmigt. — Zwei amerikanische Professoren werden im nächsten Wintersemester an der Berliner Universität gleichzeitig lehren. Professor Hadley, der, wie wir vor einiger Zeit meldeten, von der Aale - Universität als Inhaber der Roosevelt-Professur nach Berlin kommt, wird Vorlesungen über Volkswirtschaft und Sozialpolitik in den Vereinigten Staaten in deutscher Sprache halten. Ferner ist als Austauschprofesior Professor Schosield von der Harvard-Universität in Cainbridge (Mass.) sür Berlin be stimmt worden. In seinen Vorlesungen, die er in englischer Sprach« hält, trägt er englische Literaturgeschichte von der nor mannischen Eroberung bis zur Zeit der Königin Elisabeth und über die Arthur-Romanzen vor. Die Vorlesungen beider Professoren lind unentgeltlich. * Kleine Chronik. Zur Münchener JahreSausstkllung 1907 im kgl. Glaspalast wird uns geschrieben: Tie Kollektion von Gemälden, Handzeichnungen und Entwürfen des verstorbenen Meisters Wilhelm von Diez ist noch des weiteren ergänzt worden, namentlich durch ein größeres Werk aus dem Jahre 1889, betitelt ..Plünderung im dreißigjährigen Krieg". Auch ist der Raum für das Publikum jetzt zugänglich, in welchem die Entwürfe von Professor Fritz Erker sür die Fresken im Wiesbadener Knrbaufe zur Aufstellung gelangten. — Bernhard Stavenhagen ist alS Leiter einer Meistcrklosse für Klaviersviel an da- Konservatorium nach Genf berufen worden, wo er auch die Abonnementskoinertc des Konservatoriums dirigieren wird. Nebenbei wird der Künstler auch mehrere Kaim-Konzerle in München und da- neue Tonkünstlerorcsicster in Wien dirigieren. — Julius Spielmann, der bekannte Operettrn-Tenor ist sür das neue Overetten-Theater in Berlin verpflichtet worden.
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