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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070629011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-29
- Monat1907-06
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Umgebung die bgespaltene Prtüzeile 25 Ps„ finanzielle An zeigen 30 Pf, Reklamen 75Pf.; von auSwärtj 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland 50 Pi., finanz Anzeigen 75 Ps„ Reklamen 1.50 M. Jnierate v.Behörden im amtlichen Teil 40Pj. Beilagegrbühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. (SeschästSanzeige» an keoor izUc Stelle im Preise erhöbt. Rabatt na h Tarif. Festerteilte Austiage lönnen mcht zurück gezogen werben. Fnr das (5r>cheinea an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine lLiarautir übernommen. Anzeigen - Annahme: Augustusplaft 8, hei sämtlichen Filialen n. allen Annoncen« Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker.Hcrzgl.Bayr.Hofbuchhandlg. Lützowstraße 10 (Tel. VI, 4603 . Nr. 178. Sonnabend 29. Juni 1907. 101. Jahrgang. Var Wirbligste vom Lage. * Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" veröffentlicht die Handschreiben des Kaisers an Posadowsky und Studt. sS. Dtschs. R.) * Der Staatssekretär des Innern v. Betk- mann - tzvllwcg ist bis auf weiteres mit der allgemeinen Stellvertretung des Reichskanzlers beauftragt worden. * In einer stark besuchten, vom Vorstand des Natio ¬ nalliberalen Vereins einberufenen Versammlung sprach gestern im Zentraltheater Reichstagsabgeordneter Dr. Junck über die Tätigkeit des Reichstages und die nächsten politischen Aufgaben. (S. Bericht i. d. 2. Beil.) * Im Prozeß Peters wurden gestern die Ur- teile des Disziplinargerichtshofes geg-n Peters verlesen. (S. GerichtSsaal.) * Der mit der Funktion als Vizegouverneur der Karolineninsek beauftragte Bezirksamtmann Re gierungsrat Berg ist in Panape an den Folgen eines Hitz- schlageS gestorben. * König EduardvonEnglandhat dem Präsidenten des Instituts der Journalisten Wilson, Führer der Journalistengesellschaft, die kürzlich Deutsch- l a n d besuchte, sowie dem Professor Hubert v. Herkomer die Rittcrwnrdc verliehen. * Die Kroaten protestieren lebhaft gegen die Er nennung eines neuen Bonus. Sic erklären sie für ver- fasiungswidrio. sS. Ausl.) * Der rusfifch-italie nische Handelsver trag ist gestern unterzeichnet worden. Var passive Wahlrecht cier Semeinae- beamten. Nach Z 46 der Revidierten Städteordnung und § 37 der Revidierten Landyemeindevrdnung sind die besoldeten Ge- meindebeamten vom passiven Wahlrecht, d. h- von der Wähl barkeit zu den Stadt- und Gemeindevertretungen ausge- schlossen. Begründet wird diese Ausnahmestellung mit dem kollidierenden Verhältnis zu den kommunalen Behörden. Die Gemciudedeamten sind schon seit längerer Zeit be strebt, diesen Zustand zu beseitigen, und drei Gesichtspunkte sind cs, die sic im wesentlichen gegen diese Bestimmung ins Feld führen. Bei einem Vergleich mit den Staatsbeamten und Reichs beamten suhlen sic sich im Nachteil. Beide Kategorien be sitzen das passive Wahlrecht zum Land- und zum Reichstag. Sie stehen dort ihren vorgesetzten Behörden als gewählte Vertreter des Volkes gegenüber. Der Pvstsekrctär hat im Reichstage dem Staatssekretär das Gehalt mitzubewilligcn. Ter Staatsbeamte hat über Gesetzesvorlagen seines Ressortministers mitzucntscheiden. Darin erblicken liberale und konservative Politiker eine Gefahr. Letzteren verstößt es gegen den Gü>anken der Autorität. Nach ihrer Meinung darf der untergeordnete Beamte überhaupt keine eigene Meinung haben. Sic über- .sehen dabei völlig, daß niemand besser in die Projekte der Behörde cingearbeitct sein kann als der Beamte. Durch seinen ständigen Verkehr mit dem Publikum ist er aber weiter in der Lage, zu Ergänzungen und Verbesserungen der Vorlage die notwendigen Fingerzeige zu bieten und so dem Gemeinwesen zu nützen. Sollte sich dabei wirklich ein mal eine Kollision ergeben, so ist dabei nicht außer acht zu lassen, daß es im Interesse der Allgemeinheit geschieht, der beide, Behörde wie Beamte, dienen wollen. Solche Unzu- lräglichkeiten haben sich aber bisher weder bei den beam teten Reichstags- oder Landtagsabgeordneten ergeben, daß deshalb die Gemeindebcamten unter einen Ausnahmezu stand gegenüber anderen Kategorien gestellt werden müßten. Beachtenswerter erscheinen die Gegcngründc liberaler Politiker, die da befürchten, es möchte den Beamten an der nötigen Unabhängigkeit fehlen. Mit dieser Unabhängigkeit ist cs aber ein eigenes Ding. Irgendein Abgeordneter, der aus seiner Stellung zur Behörde geschäftlichen Vorteil ziehen möchte, der einem sogenannten unabhängigen Berufe angehört, kann durch geschäftliche Rücksichten der ab hängigste Abgeordnete werden. Ein Beamter, der ein Streber ist, auch. Das Verhalten der Reichstags, und Landtagsabgeordneten aber, die dem Beamtenstande an- gehören, liefert den Beweis, daß diese es Wohl verstehen, sich ihre Unabhängigkeit zu wahren. Es kommt dabei alles auf die Persönlichkeit an. In der Tat besitzen nun aber schon viele Gemeinde bcamten deutscher Staaten das passive Wahlrecht. Eine Schrift, „Das passive Wahlrecht zur hamburgischen Bürger- schäft und die Beamten" nennt als diese Länder: Bayern, Württemberg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Neuß ä. L., Bremen, Lübeck und die preußischen Provinzen Hessen-Nassau und Hannover. Weiter weisen die Gemeindebcamten Sachsens darauf hin, daß Diätisten, Hilfsarbeiter und alle im Gemeinde dienst beschäftigten Arbeiter das passive Wahlrecht besitzen. Ein Arbeiter mit gewiß nicht größerer Bildung kann über Vorlagen seiner vorgesetzten Behörde zu Gericht sitzen. Einem Beamten ist die Mitwirkung an kommunaler Gesetz- gebsLg versagt, sowie er in die Stellung eine« Beamten ein rückt. Als Diätar und Hilfsarbeiter hat er das passive Wahl recht besessen. Sowie ihn also das Vertrauen seiner Behörde in eine bessere Stellung bernft, ist er nicht mehr geeignet zur Annahme des Ehrenamtes als Stadtverordneter. Er ist dazu aber wieder befähigt, wenn er aus dienstlichen Gründen oder wegen eines Vergehens, das ihn mit dem Strafrichter in Konflikt bringt, wegen dessen ihm aber die bürgerlichen Ehrenrechte nicht vertagt werden, aus seinem Amte entlassen wird. Man kann cs verstehen, wenn die Gemeindebcamten die Bestimmung der Revidierten Städteordnung als eine un soziale, illiberale und dem Gemeinwohl schädliche bekämpfen. Noch dazu, da es bereits Bestimmungen gibt, die etwaiger Unzuträglichkeit von vornherein begegnen können. Stehen die Privatinteressen des beamteten Gemeindevertreters zur Beratung und Beschlußfassung, so kann er ebenso wie jeder andere Vertreter, um dessen Privatinteressen es sich handelt, von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen werden. Ohne eine Aenderung der Revidierten Städte- und Land gemeindeordnung dürfte nun zwar an eine Beseitigung des bestehenden Ausnahmezustandes kaum zu denken sein. In der Sitzung der Ersten Kammer vom 14. Februar vorigen Jahres wies aber Herr Oberbürgermeister Beutler auf eine wohl bevorstehende Aenderung der Städteordnung hin. Viel leicht findet dann neben anderem auch die behandelte Materie eine zufriedenstellende Regelung. Papst?>«; gegen Zcdell. Pius X. geizt nach dem Ruhme Pius' IX.. ja, er möchte ihn übertrumpfen. Am 16. Juni I9o7 erging aus seiner Kanzlei ein Schreiben an den Wiener Theologicprostssor Ernst Commer, das im ganzen eine feierlich: päpstliche Approbation der „papstvergötternden" Theologie dieses rück ständigsten aller katholischen Gelehrten, eer nach rein mittel alterlichen Rezepten lehrt, darstellt. Commer hat nämlich die Konsequenzen aus dem Unfehlbarkeitsvozma gezogen, die gerade noch fehlten. In einem seiner letzten Aussätze nennt er den Papst geradezu den alter Obrirtns, dem darum, weil er Christi Perlon, Macht und Majestät repräsentiert, auch in weltlichen Dingen die höchsten Rechte eignen, die Völker zu leiten und die Könige. Einer solchen Theologie gibt ein römischer Papst immer gern sein Plazet. Damit erschöpft sich aber die Bedeutung des päpstlichen Schreibens längst nicht. Die „AugSb. Abendztg." erinnert daran, daß Commer auch ein Pamphletist von Rang ist, der kaum einen angesehenen deutlchen Theologen mit leinen Verdächtigungen venchont hat. Mit besonders glühendem Haß verfolgte er die beiden Männer, denen er seine Be rufung an die Universität Wien zu ranken hat, Schell und Ehrhard. „Es existieren Briese Commers an diese beiden Gelehrten, die von Dankbarkeit über stießen." DaS hinderte aber nicht, daß Commer, als Schell gestorben war, gegen sie eine Schmähschrift schrieb, denen der Würzburger Professor Kiefl in der „Köln. Bolksztz." „wissemchastltche und moralische Verstöße ganz ungeheuerlicher Art nackwieS". „Das Pam phlet strotzt von Textsälschungen, Verdächtigungen, Anklagen aller Art." Und was schreibt Pius X. zu diesem Pamphlet an Commer: „Lummn. voluptata umplexi sumus opns I'uum" — „Mil wahrem Entzücken haben wir dein Werk in unsere Arme geschlossen". Und dann wird in ganz maß losen Lobeserhebungen alles gut geheißen, was Commer gegen den zwar „sittenreinen, frommen und religionsestrigen", aber eben doch „von der katholischen Lehre abirrendcn" Schell gegeifert hat. Doch damit nicht genug. Der Papst verfolgt gleich seinem „geliebten Sohne Commer" den Prof. Schell bis übers Grab hinaus. Er legt sein Velo gegen die Errichtung eines Denkmals zu Ehren Schells ein. Und hierin liegt die kirchenpolitischc Tragweite dcS Brieses, und die „Augsb. Abendztg." tut gut daran, wenn sic im Zusammen bang damit auch über den eigentlichen Anlaß, den politischen Zweck und den mittelbaren geistigen Urheber des Brieses, den sie im Kardinal Fischer von Köln zu finden glaubt, rum , Nachdenken anregt. Den Ausruf zur Errichtung eines bescheidenen Grabdenkmals für Schell, den die ganze deutiche Zenlrumspresse abdruckle, haben nämlich neben hervorragen den Zentrumssühreru und fast sämtlichen Mitgliedern ver deutschen latholisch-tkeologischen Fakultäten auch zwei Bischöfe unterschrieben, der Erzbischos von Bamberg und der Bischof von Regensburg. Man merke wohl.» Folgende Namen stehen unter dem Aufruf: v. Abert. Erzbischof von Bamberg, Professor Braun Würzburg), Professor Diekamp (Münster), Professor Dyrofs (Bonn), Professor Ehrhard (Straßburg), Professor Finke (Freiburg), Professor v. Funk (Tübingen), Professor Happel (Passau), Professor Hehn (Würzburg), Professor Henner (Würzburg), v. Henle, Bischof von Passau, Professor Heß (Bamberg), Professor Holzbey (Freysiug), Freiherr v. Hügel (Londons Professor Kenuerknecht (München), Berlagsbuchhändler Kirchheim (Maiuz), Redakteur Kirsch (Köln), Professor Knecht (Bamberg), Professor Kneib (Mainz), Professor Knöpsler «München!, Pro fessor Koch (BraunSberg), Professor Krieg (Freiburg', Professor Messer (Gießen), Graf MontgelaS (Würzburg), Professor Merkle (Würzburg), Professor Nagle (Passau), Pro fessor PeterS (Paderborn), Professor Pohle (Breslau), Justizrat Porsch (Breslau!, Professor Pseilschifter (Freiburg), Professor Rohr (Straßburg), Stiftsbibliothekar I'. Odilo Rottmanu er (München), Professor Sauer (Freiburg), Geh. Regierungsrat Scherer (Straß burg), Professor Schnitter (Münchens BerlagSbuchbäudler F. Schöningh (Paderborn), Professor Domkapitular Sdralek (Bres lau), Professor Sickenberger (Würzburg), Professor Switalski (BraunSberg), Rektor Zipperer (Würzburg). DaS sind geistige und kirchliche Grüßen ersten RaugeS des Katholizismus. Und nun heißt eS in dem päpstlichen Schreiben u. a.: Es ist zu unserer Kenntnis gelangt, daß e» Leute gibt, die kein Bedenken tragen, seine Lehre zu empfehlen und ihn selbst mit Lol- jprüchen so zu erheben, alS ob er ein Hauptverteidiger des Glaubens gewesen fei, ein Wann, den man sogar mit dem Apostel Paulus vergleichen dürfe, und durchaus würdig, daß seinem GedächtniS durch Errichtung eine« Denkmal» die Bewunderung der Nachwelt gesichert werde. Freilich, die so denken, müssen als Leute gelten, die von Unkenntnis der katholischen Lehre besangen sind, oder der Auwliiüt des Apostolischen Stuhles Widerstand leisten. DaS ist scharf und deutlich. Aber vielleicht istS um den Bamberger Bstchos, dem zu guler Letzt doch noch eins wegen der Grandingerei ausgewischt werden soll. Aber daß Kardinal Fischer, der Erzbischof von Köln, auf der Seite derer steht, di: den ersten kaiholilchen Kiichcistiusten und Theologen Bayerns diese schroffe und so schlgreisende päpstliche Zensur besorgt haben, das ist das Kennzeichen der für alle Be teiligten höchst peinlichen Situation. Ein Erzbischos uud ein Bischof und Unkenntnis der katholischen Lehre! Gespannt darf man nun sein, ob sich diese deutschen Bischöfe und hohen katholischen Würdenträger, diese hervor ragenden katholischen Laien, die die Grabstätte Schells würdig auSstatten wollten, ohne weiteres dem päpstlichen Diktum beugen werden. Es verlautet, in Würzburg an der theologischen Fakultät, an der Universität, herrsche große Erregung. Prof. Merkle soll nach München zum Nuntius gereist sein, über dessen Kopf hin ja augenscheinlich die ganze Sach: gemacht ist. Wird man Rom gegenüber stanvhallcn oder sich löblich unterwerfen? vom Dole ües Negus. Erst seitdem unsere werten Dreibundgenossen bei Adua so schmählich in die Grube schlidderten, die sie dem Negus gegraben halten, hat man sich in Europa die Mühe genommen, sich mit Land und Leuten Aethiopiens vertraut zu machen. Seitdem sieht Europa den Negus mit anderen Augen an, ja. cs macht ihm schöne Augen. Zunächst natürlich England. Sir John Harrington hat mit Erfolg in Adis Ababa gearbeitet und manche harte Nuß geknackt. Den Teufel auch — in Abessinien liegen die Quellen des blauen Nils, der Tanasee ist das natürliche Wasserreservoir sür Aegypten, und wenn man sür schwere Millionen die Niesenstauwerke bei Assuan gebaut hat, so will man doch des natürlichen Reservoirs sicher fein. Daher der englisch-abessinische Vertrag, laut dessen der Negus keinerlei Arbeiten am Tanasee zulabt, die auf den Wasserstand des blauen Nils Einfluß haben könnten. Die Franzosen machten dazu gute Miene, obwohl der Negus bei dem Vertrag einen Zugang zum Weißen Nil von England erhielt und so auf diesem Wege eine Verbindung mit der Außenwelt hat, wenn er will. Nack, den guten Absichten der Herren Franzosen sollte der Negus Negesti nur über Dschibuti und die französische Bahn linie mit ber Welt verkehren dürfen. »Aber er rach zu früh Lunte und machte der Oompspcnis cku «bsmin 6s 4er ötbiopien, welche viele Millionen guter französischer Francs in die Wüste hinter Dschibuti gesteckt hatte, einen dickenStrich durch die Rechnung. Nur wenn die Verwaltung der Bahn international wird, darf sie bis Adis Ababa weitergebaut werden. Damit war der Traum von einem französischen Monopol zu Ende. Die Russen bandelten ebenfalls mit Mcnclik an. Herr Leonticfs entpuppte sich zwar als ein stark hockstaplerisch veranlagter Vertreter, erst Herr Lischin, der nach bewährtem Rezept als barmherziger Samariter mit Acrztcn, Lazarettbarackcn, Apotheken und christlicher Näch stenliebe kam, sich natürlich nicht den Deut um die Politik kümmerte, festigte die Beziehungen mit dem weißen Zaren. Auch die Amerikaner, die etwas von Baumwolle und Petroleum in Abessinien hatten läuten hören — und dafür sind sic höllisch feinhörig — schickten eine Sondermission; sie fand allerdings keine Gegenliebe bei Mcnclik. Nachdem nun sämtliche Machte von guten Referenzen ihre Aufwartung beim Negus gemacht, entschloß sich — o Wunder! — endlich auch unser Deutsches Reich dazu, eine Gesandtschaft nach Abessinien zu schicken — im Jahre 1905 — und heute haben wir sogar einen beglaubigten Diplomaten dort, Mr. Coa- tes, und wenn wir den Augenzeugen glauben dürfen, hat unsere Mission unter Führung des heute in Marokko be glaubigten Dr. Rosen bei Menelik einen guten Eindruck gemacht und manche alte, nicht gerade freundliche Erinnerung bei ihm weggeblasen. Einst stand Menelik nicht gerade mit uns auf dem Duzkomment. Man erzählt da eine Historie von einem kaiserlichen Briese aus Berlin, in dem der abessinischen Majestät deutlich zu verstehen gegeben wurde, daß sic sich nur durch Vermittelung des italienischen Ge sandten, mit dem deutschen Kaiser ins Benehmen zu setzen habe. Das war nach Ansicht unseres Aus wärtigen Amtes ganz korrekt. In den italienisch abessinischen Vertrage von Utschalli stand — nach italienischer Lesart — deutlich: „Se. Maiestät Mene lik II. muß sich der Vermittlung Italiens bedienen, falls er mit anderen europäischen Negierungen Beziehungen an- zuknüpscn wünscht". Menelik allerdings und seine Unter händler sind noch heute der Meinung, daß in dem Vertrags instrument der Passus lauten muß: „Sc. Majestät Mene lik II. kann sich der Vermittlung usw." Die Kaiserin Taitu soll dem italienischen Gesandten ob dieses kleinen Irrtums in der Ucbersetzung böse die Meinung gesagt haben. Item: wir hatten uns mit Menelik verknurrt. Erst unser Landsmann Holtz, der seit Jahren bei Menelik in Ansehen steht, zum Schmerze des Schweizers Jlg, des ausgesprochenen Franzosensrcundes, wußte neue und bessere Beziehungen zwischen Berlin und Adis Ababa anzuknüpicn. Er brachte den Negus dahin, dem Kaiser Wilhelm zum Ge burtstag 1904 zu gratuliereu, und wußte auch in Berlin die Absendung der Mission Rosen in die Wege zu leiten. Seit her haben wir einen Handelsvertrag mit Abessinien und sind dort hoffentlich nicht zu spät gekommen. Neber die Gesandtschaft, die 1905 nach Abessinien ging, hat der Oberstavsarzt Dr. Vollbrechtein Buch erscheinen lassen: „Im Reiche des Negus Negesti Menelik II. , aus dem das Kapitel über den Empfang der Mission am Hose und über die Hauptpersonen des Hoflagers der afrikanischen Majestät interessante Mitteilungen enthält. Der Mission waren neun Gardes du Corps aus Potsdam beigegeben, die im blanken Küraß und Adlerhclm einen guten Eindruck auf Menelik machten. Am 19. Februar 1905 fand beim Negus große Audienz zur Neberreichung der Geschenke statt. Das Auto mobil war freilich nicht darunter, es funktionierte nicht. Ob Menelik es überhaupt erhielt, ist nicht bekannt geworden. „Menelik, angetan mit hellscidencn Gewändern, um den Kopf turbanartig ein weißes Tuch geschlungen, saß mit untergeschlogencn Beinen auf einem kleinen Thron. Zunächst überreichte unser Gc- sandter das Großkreuz des Noten Adlerordens." Die lieben Freunde von den andern Fakultäten haben nachträglich Menelik bcizubringen gewußt, daß der Schwarze Adler orden ein höherer Orden sei. — „Dann wurde dem NeguS ein Bild unseres Kaisers in Lebensgröße in der Parade uniform des Regiments Garde- du CorpS übergeben. In einem schweren, vergoldeten Eichenrahmen war es vor dem Throne aufgebaut. Auf einen Wink fiel die gelbseidene Hütte. Menelik sah einen Augenblick tiefbewegt zu dem Bilde herüber, sprang dann auf und trat dicht heran mit den Worten: „Nun sehe ich ihn vor mir, als s.u er selbst zum Besuch bei mir." Tann folgten Albums mit Ansichten von Berlin und Potsdam und Bilder der Hohen- zollernfürsten. Lange behielt der 'Negus die Bilder Kaiser Wilhelms des Ersten und unseres jetzigen Herrn in dec Hand und schaute sinnend darauf. Nach Beendigung der Audienz wurden wir in den großen Saal geführt, in dem „Gibr" startfand. Menelik saß auf seinem Thron, umgeben von den Großen. Wir wurden an eine links vom Thron stehende Tafel geführt. Das Tafeltuch und die Servietten waren mit dem abessinischen Löwen bestickt. Tas Porzellan, die Gläser und schweren silbernen Eßbestecke trugen den Namenszug Meneliks mit der Krone in Gold. Es gab ein Riesendiner von fünfzehn Gängen. Dazu wurde Rotwein, Tetsch fHonigmets und Champagner gereicht. Menelik selbst aß nicht, wohl aber seine Hofleute. Der Tetsch wurde aus kleinen, enghalsigen Flaschen getrunken. Rohes Rindfleisch wurde von Dienern — icder trug ein Viertel eines Ochsen auf der Schulter — herumgereicht. Die Herren Abessinier zückten ihre Dolchmesser, wählten und schnitten sich ein Stück ab, nickt zu klein; mit der linken Hand wird das Fleisch in den Mund gesteckt, und der Bissen von den Zähnen abge schnitten, um schmatzend verzehrt zu werden. Mancher Viel fraß leidet an Verdauungsstörungen und weiterhin an Bandwurm. Ich glaube, es gibt keinen Abessinier, der nicht einen Bandwurm hätte. In bestimmten Zeitabschnitten, alle vier bis sechs Wochen etwa, wird eine Kur mit Kosso durchgemachl. Der Abessinier ist dann zwei Tage krank. „Er braucht seine Kur". Diese Kur ist ost auch ein Vor wand, um Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Temperenzler sind die Abessinier gerade nicht; auch die Großen des Negus scheinen gern und oft tief in den Becher zu gucken. Dem obersten Richter hielt ich eine Standredc über sein Scklemmerleben. Er nahm das mit Humor aut. meinte, ich könne froh sein, seiner Gerichtsbarkeit nicht in unterstehen, sonst würde mich diese Rede wohl ein Ohr oder einen Finger kosten. Auch von der Kaftcrin Taitu entwirft Vvllbrecht eine eingehende Schilderung: „Die Kaiserin mag Ende der Vier ziger Jahre sein. Die Hautfarbe ist ein sehr Helles Braun, etwa dem einer Kreolin entsprechend. Sie verschmäht die Iwnstvolle abessinische Frisur. Das Gesicht ist voll gerundet, die Stirn hoch und gewölbt. Das Verhältnis zwilchen den Majestäten ist äußerst herzlich, sie reden sich mit „Vater" und „Mutter" an, obwohl sic keine Nachkommen haben. Menelik äußerte einst traurig: „Mutter, warum hat uns der liebe Gott keine Nachkommen beschert?" Daraus er widerte sie: „Vater, wir haben ja vierzehn Millionen Kinder, um deren Wohl und Wehe wir uns sorgen müssen." Sie ist der gute Genius deS Negus und sein treuester merad im großen wie im kleinen." Der Einfluß der Kaiserin auf die Politik ist größer, als man ahnt. Der Kaiser ist zwar selbst ein kluger und klarer Kops, aber er trifft die letzte Entscheidung erst, wenn er Taitu gehört har — Grund genug, daß die Europäer um ihre Gunst buhlen. Aber sic hält nicht allzuviel von den Fremden: „Warum kommen die Leute zu uns?" fragte sie, .nur, um uns uneigennützig zu Helsen? Tas glaube ich nicht, sie alle wollen ihren Vorteil und haben idre besonderen Ziele." Und sie ist nickt weit von der Wahrheit. Ein wahres Wettrennen um den größten Einfluß in Adis Ababa ist entstanden, und jeder sucht am besten abzusckncidcn. Tie Baumeister haben bei Menelik von vornberein Füns vor, denn seine Passion ist das Bauen. Auch eine deutsche „Sondergesandtschaft" von Handwerkern unter Führung eines Baumeisters, eines Technikers, einer Hebamme, einer wissenschaftlichen Lehrerin kam nach Adis Ababa. Doch kam die Sache anders, als man wollte. Man erzählt von großen Enttäuschungen, Wutausbrüchen, nächtlichem Knallen mit Schießeisen, der Freude der Gesandten, die rabiaten Lands leute — sie hatten eine Kneipe entdeckt — los zu sein; Schluß des Ganzen: Verlobung und Heirat. In Abessinien ist dc-Z Heiraten leicht. Unter den Eingeborenen herrscht freie Liebe, und sobald der zärtliche wilde Ehemann die Lebens gefährtin satt ist, schickt er sic mit schlichtem Ab'ckicd zu den Ihrigen zurück. von Lientrin «brr Oie 5cb!ac!Eürr -er Mantscbmei. XIV. Bei einer näheren Besichtigung des Dorfes Viaiiyupusa am folgenden Morgen <29. September), turz vor unterem Admar)ch, zeigten sich auch hier die Folgen des Krieges, uns zwar mehr, als wir cs bisher an den passierten Ortschaften wakrgenommen hatten. Eine Reihe von Häusern war niedcrgedrannl oder eingeschossen, in anderen waren die Lchmwände und Holzeinsriedigungcn mit Säfteß'char'.cn versehen. An der Dorsstraßc war eine Sclxiöclstattc, oas heißt ein reichlich 3 Meter im Durchmesser großer Knocken- haufcu, aus dem uns Pferde- und Rindcrköpse und sonstige Gebeine angrinstcn. Hier mußte ein Hochbclr.e'o der Schlächterei geherrscht haben, der von den Russen angelegt gewesen sein soll. Ucberbaupt scheint hier die Ostabteilnng der russftchcn Armee während ihrer Offensive in den Ok- tobcrtagcii das Land gehörig abgcgrasi zu babcu, denn die Einwohner klagten über den großen Mangel an Vieh und Geflügel. Von unserem Bagagcnjührcr crsubrcn wir, daß nur 2 Hühner, einer alten Chinesin gehörig, im Orte sein sollten, die sic wie ihre Augäpfel behütete. Die Landesbewohner gaben Im allgemeinen willige Aus- kunft und waren freundlich. Sic hielten unS meistens an- sangs für Russen und fragten ängstlich, ob etwa wieder der Krieg ansange. Aus unsere Auskunft hin, daß wir Deutsche seien, waren sic befriedigt. Im allgemeinen hatten sie eine Vorstellung von Deutschland, England und Ruf',land, ja ein chinesischer Torfschulmcister, den wir schon früher in Syl tvantun ausgefraat hatten, konnte sogar ganz richtige An gaben über die Lage dieser Länder zueinander machen. Wir bestiegen zunächst eine Höhe südöstlich Bianyupusa, von der aus wir einen Blick in die drei sich bei genanntem Orte treffenden Täler hatten, nämlich in das Sckahotal abwärts in nordwestlicher Richtung, in das Tal hinaus nach dem Koutulinpaß nach Osten zu, und in das Tal vom Tschauhsicnlinpaß von Süden her, das unseren gestrigen Weg gebildet hatte. Oben aus der Höhe waren schützen- grüben der Japaner, und etwas zurückgenommen Stellun gen für Batterien ausgchoben. Als wir wieder binob ins Tal zu unseren Ponvs krarel- tcn, gingen aus dem Gestrüpp Fasanen aus. die natürlich die Weidmänner unter uns in berechtigte Erregung verletz ten. Denn das einzige jagdbare Wild, das wir bisher an- getroffen hatten, waren aus dem Wasser liegende Wildenten
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