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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.06.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190706303
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- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070630
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- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070630
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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A«-ilSumS-Rmrrmer. lich hätte» die AllerweltS-Deutschenfeinde von 1871 den Mut zu Vereinbarungen mit unverkennbar unfreundlicher Spitze gegen Deutschland gefunden. Heute sehen wir'' unS dieser gewiß nicht erfreulichen Tatsache gegenüber. Immerhin braucht sie unS nicht zu beängstigen. Mögen der deutschen Orient- und Marokkopvlitik, unseren ost» asiatischen Bestrebungen usw. Erschwerungen bereitet wer» den, die vor den „Garantieverträgen" in geringerem Mähe zu befürchten waren: einer zielbewußten, kraftvollen und zugleich besonnenen Diplomatie werden solche Hindernisse nicht unüberwindlich sein. Vollends ehe es zu einer offen siven Zuspitzung der «ns abträglichen Vereinbarungen kommt, dürfte noch oft auö Morgen und Albend ein Tag werden. Selbst der Zweibund der uns feindlichsten Nationen, die mindestens ein ganzes Jahrzehnt vor seinem formellen Abschluß mit dem Gedanken eines Koalitions krieges gegen Deutschland gespielt haben, ist in 16 Jahren nicht zu einer kriegerischen Verwickelung mit Deutschland gelangt. Im Gegenteil: in der ganzen langen Zeit ist die Gefahr eines Zweifrontenkrieges niemals so akut geworden, wie sie es während der Dauer des gefeierten „Nückvcrsiche- rungsvertrages" jahrelang gewesen war. Wir glauben noch lange nicht daran, daß, selbst den schlimmsten Fall ange nommen, wir mit dem unseren Kanaluferstaatcn verbünde ten Japan die Waffen kreuzen werden. lieber das völlig bedeutungslose Spanien sollten besser gar keine Worte ver loren werden. Das einzig« ernsthaft in Betracht kommende Moment der seit 20 Jahren veränderten Lage ist die ge wachsene Spannung gegen England, daS damals anläßlich seiner Differenzen mit Rußland unS mindestens wohl- wollend gegenübergestanden hätte. Aber so wenig sicher da mals aus Englands tatkräftige Unterstützung zu bauen war, so wenig zuversichtlich dürften Englands heutige Freunde bei einem Angriff auf Deutschland sein, daß eng lische« Wohlwollen zu einem kriegerischen Entschluß sich verdichten könne. Die Jricdenspartei des gesegneten Lan des ist sehr stark: alle wissen, daß der mögliche Gewinn die sicheren Nachteile nicht auszuwicgen vermag. Allein selbst den allerschlimmsten Fall angenommen: daß Deutschlands sehr berechtigte Weigerung, sich aus die Ab rüstung einzulassen, den Koalitionskricg entzündete, so brauchte ein solches Ding noch nicht ohne weiteres außer gewöhnliche Angstgefühle auszulösen, so wenig wie das bloße Wort „Einkreisung" Besonnene gruseln macht. Die großen Koalitionskriege, die Deutschland durchgemacht hat, be- sonders die der Revolutionszeit und der 7jährige, haben den politischen Vorzug der einheitlichen Leitung auf t-cr Seite des Angegriffenen, den militärischen Vorteil der inne ren Linie zur Genüge inS Licht gestellt. Wer Deutschland kriegerische Pläne andichtet, weil cS von der Abrüstung nichts wissen will, solange nicht die For- mel entdeckt ist, welche eine wirklich gerechte, gleichmäßige Verminderung der Friedensheere gewährleistet, ist ein Ver leumder. Ein Ignorant bliebe er. auch wenn die bezeich nete, an die Quadratur des Kreises in ihrer Schwierigkeit erinnernde Formel iu der Tat gefunden würde, Deutschland aber nichtsdestoweniger an seiner bewälptten militärischen Ordnung um ihrer selbst, um seiner körperlichen und geistigen Volkserziehung willen fcsthalten wollte. DaS antike Volk in Waffen, daS lykurgische Sparta, war wäh rend des eigentlich klassischen Jahrhunderts der griechischen Geschichte fast ohne Unterbrechung die konservativste Frie- densmacht Griechenlands: so sriedfelig, daß seine Politi' nicht ohne Grund der Kurzsichtigkeit geziehen wurde. Deutschland hat in 36 Jahren zahlreiche Gelegenheiten zur Expansion unter weit günstigeren Verhältnissen vorüber gehen lassen, obwohl die Geschichte des deutschen Volkes es eigentlich mehr auf kontinentale Ausbreitung, als auf über seeische Kolonisation hinweist, und obwohl sein rapider Be völkerungszuwachs an sich geeignet wäre, ihm feine Grenzen zu eng zu machen. Welcher Mißgünstige findet einen An halt für den Wahn, daß Deutschland jetzt unter ungünstige ren Umständen in die früher verschmähten Bahnen einlenkcn möchte? Aber in das Heiligste eines freien Volkes: in unser unbedingtes Selbstbestimmungsrecht und die volle Souveränität unserer Gesetzgebung lassen wir unS von keinem Weltareopag hineinreden. Leipziger Tageblatt. Italien una Oie ciitlrei. lVon unserem römischen Korrespondenten.) Als Italien während de» russisch-japanischen Krieges seinem Wunsche bei der Durchführung der sogenannten Reformen in Makedonien, sowie bei der Orientpolitik über haupt eine größere und vor allem aktivere Rolle zu spielen als bisher, entschiedenen Ausdruck verlieh, durfte man Zweifel hegen, ob Italien selbst bei der wohlwollendsten Haltung der übrigen beteiligten Großmächte sich in Kon- stantinopel überhaupt würde zur Geltung bringen können. Denn der Einfluß Oesterreichs und Rußlands basierte auf militärischen Argumenten, und der Deutschlands, Englands und Frankreichs in erster Linie auf finanziellen und industriellen von gewaltigem Gewicht. Italien aber hatte' selbst nach dem tiefen Fall« der russischen Macht keine ver gleichsweise ansehnlichen militärischen, und ebenso wenig finanzielle und industrielle Argumente zu einer Fundierung seiner Prätention. Heute nun ist das Bild zugunsten Italiens bereits bedeutsam verschoben. Italien hat eine Anzahl von eigenen Finanzinstituten mit zwar noch ge ringem, aber bei Bedürfnis sehr leicht vermehrbarem Kapital auf dem Balkan, in der asiatischen Türkei, in Tripolis, neuerdings in der Kprenaika und vor allem in Konstantinopel selbst eingerichtet. Italien hat sich Kon zessionen für Hasenbauten und Verkehrsmittel in Antivari und Saloniki zu verschaffen gewußt und ist am Werke, sie zu nutzen. Italien- Handelsverkehr mit der Türkei, der noch 1896 sich auf nur 53 526 000 FrcS. belief und biZ 1900 erst auf 69 639 000 FrcS. gestiegen war, beträgt heute 132 823 000 FrcS. Das will viel besagen, denn mit diesen nalwzu 133 Millionen steht Italien Oesterreich nur um 12 Millionen nach und steht weit vor Rußland, das nur 60 Millionen zu erreichen vermocht hat. Der Fortschritt Italiens aber schlägt denjenigen aller anderen Mächte ganz bedeutend: im letzten Jahrfünft hat sich im Vergleich zu dem voraufgehenden Jahrfünft die Einfuhr nach der Türkei vermehrt bei Oesterreich-Ungarn um 38 Prozent, bei Ruß land nm 86, bei Deutschland um 30, bei England um 13, b«i Frankreich um 3, bei Italien aber um 80 Prozent; in dem gleichen Zeitraum und Verhältnis die Ausfuhr ans der Türkei vermindert bei Frankreich um 1 Prozent, vermehrt bei England um 8, bei Rußland um 13, bei Oesterreich- Ungarn um 18, bei Deutschland nm 37, bei Italien aber um 69 Prozent. Hierzu kommt noch eine Mehrung deS natio nalen Prestige und des moralischen wie vielseitig effektiven Einflußbereichs der Italiener infolge des Ueberganges des Protektorats über die meisten und wichtigsten katholischen Missionen von Frankreich an Italien, der sich dermaßen günstig vollzogen bat, daß einer neuen großen Kirche von den Missionen der Name „italienisch« Nationalkirche" bei gelegt worden ist. Alles in allem, wie man sieht, ein Auf schwung, der es rechtfertigen würde, wenn Italien eines Tages auch größere politische Anläufe im Orient nähme. Das Deutsche Reich, dem man hier mit Recht oder Unrecht einen maßgebenden Einfluß aus die Hohe Pforte zuschreibt, wird gut tun, di« bisherige Starrheit in der Stellungnahme zu den konkurrierenden Mächten, die unS eine nicht geringe Schwächung der Lebenskraft des alten Dreibundes einge. tragen bat, aufzugcben, und gegenüber realen Faktoren auch in Konstantinopel keine Vogel Strauß-Politik mehr zu machen. knglana u»<> zeit» «MrierZttratr. (Bon unserem Londoner L-Korrespondenten.) Die Haldanesch- Armeereform hat, wenn sie schließlich i» der Ausführung doch noch scheitern sollte, doch daS eine Gute fürs Land gehabt, daß alle Heeresfragen einer so gründlichen und schonungSloien Kritik von all n Seiten unterzogen worden sind, daß nunmehr eigentlich nichts mehr zu p>S- kutieren bleibt, und daS Handeln beginnen konnte, wbbei man sich freilich immer erinnern muß, daß Großbritannien „dukch Reden verwrltet wird". Es ,st aber auch gar wicht so leicht, mit dem Handeln zu beginnen, wenn die wichtigsten Handhaben dazu in ungenügender Beschaffenheit oder in durch aus unzureichender Zahl vorhanden sind. Bei der Erschaffung einer krieg-fertigen Armee für England, speziell einer Armee, d,e einem kontinentalen Feind gegenüber das Feld halten könnte, konzentrieren sich alle militärorganisatorischcn Schwierigkeiten in der Frage des OsfiziersersayeS. Dieser har quantitativ be deutend nachgelassen; er ist qualitativ gut nur noch bei den Stabsoffizieren, die akiiven Dienst vor dem Feind« gesehen baden, also etwa den Herren, die während de» Burenkriegs Hauptleute und Majore waren. Darüber hinaus ist das Osfisierkorps meist »u alt und droht mit der Verlangsamung der Beförderung infolge der Ausschaltung einer ganzen Reihe von Bataillonen noch älter zu werden. Da» Subaltern- offizierkorp» — bei einer fast ganz aus Reservisten und Frei willigen bestehend-« KriegSarmee jedenfalls ein, wenn nicht der ausschlaggebende Faktor — ist zu jung und verliert rapide die alten sportsmännischen Qualitäten, die ihm bei den weit weniger straff als bei unS disziplinierten Mann schaften, bei den weit unabhängiger denkenden Halbzivilisten einen natürlichen Anspruch auf Führerschaft gewährten. Ma>or von Basedows Buch über die englische Armee, das wir im allgemeinen allerdings für eine flüchtige Reisestubie halten, hat diese Punkte bereits gestreift und deshalb großes Aufsehen in den britischen Osstsier-kreiseu hervorgerusen, weil man dort selbst die Berechtigung dieser Ausstellungen am deutlichsten, ja so deutlich empfindet, daß der liberale Kriegs minister den aktiven und auf Halbsold stehenden Offizieren die Erörterung ihrer Sorgen in der Tagespresse und sogar in den Lpe,ialblättern des Heeres bei Dienstentlassung ver boten Hai. Natürlich ruht deshalb die Diskussion keines wegs. Es gibt genug wohlhabende Offiziere a. D., die mit einer reichen Erfahrung eine gute Federführung verbinden, und denen die Organe der konservativen KriegSpartei, welche leit 1904 unablässig an der Wehrhaslmachung der Nation für einen Konlinentalkrieg arbetteu, gern ihre Spalten öffnen. In diesen Auseinandersetzungen nimmt augenblicklich die ungenügende Versorgung der Armee mit Ossizieren scbon auf Friedenssuß, besonder» aber im Mobllisatwnsfalle den breitesten Raum ein. Mr. Haldane hat den Osfizieröbedarf bei der Mobilisation und zur Auffüllung des Abganges während eines nur sechsmonatigen Feldzuges aus >0 200 Köpfe berechnet. Er gelangte zu einem Defizit von vollen 4000 Offizieren. Für die Feldarmee sind 6494 Offi ziere erforderlich; bei den Depot-Etappen und Stab- kommandoS werden 2674 gebraucht; zusammen für die Mobilisation also 9168. Aber zur Verfügung stehen einschließlich sämtlicher Reserveoffiziere nur 7457. Die Kalamität wird aber «och bedeutend schlimmer, wenn man berücksichtigt, daß mit Ausnahme von 782 Offizieren alle Chargen der Reserve im Range von Stabsoffizieren stehen, während bei der kriegsmäßigen Auf stellung das Erfordernis in erster Linie auf Subalternoffiziere geht. Wollte man aber auch kiese Olfiziersrefcrve zum vollen Mobilisierungswerte einseyen; wollte mau den Abgang gänzlich unberücksichtigt lassen, so wäre immer noch ein Defizit von 2000 Offiziere» vorhanden! und dies bet einer Armee von 150 000 Mann. Gut mit Offizieren sind eigent lich nur die Garde, die reitende Artillerie, die Kavallerie und die Ingenieurabteilungen versehen. Aber auch da fehlt es am Ersatz für den Abgang. Am schlunmsten steht es mit der Feldartillerie, sür die sich am allerwenigsten der OffizierSersatz improvisieren laßt, und mit dem G.neralstab, der von vornherein auf das Offizierkorpo der Infanterie drückcn muß, um die Lücken auSMÜsten, wodurch natürlich der Gefecht-wert der Zusanterre bedenklich ver- riugert wird. Die FreiwilligeniorpS, also die zweite Linie, zum OffizierSersatz m größerem Umfange heranzuzieheu, würde bei fraglichem Nutzen die Aktionsfähigkeit dieser Korps auf Null reduzieren; Indien hat selbst mit Offizier-Mangel zu iämpsen und kann auf Jahre hiuau- nicht als Ersatzquelle in Betracht kommen. Will man nicht auf massenweise Einstellung von Kadetten zurückgreifea, so bleibt nur die Eugrosbeförderung von Unteroffizieren. In England hat der Unteroffizier aber keineswegs die Stellung, wre etwa in der preußischen Armee; er genießt bei der Mannschaft nicht das Ansehe» des geborenen Führers; vor allem aber hapert es schon jetzt mit dem Unter- osfizicrsersatz; der Kompagnieführer würde seine Leute nicht mehr sicher m der Hanv haben. WaS der Unteroffiziers- er>atz zu bedeuten hat, ist ja im russisch-japanischen Kriege deutlich hervorgetreten, und wer ru einer deutfchen Regiments geschicht« die KriegSjabre Nachlesen will, wird darüber keine» Augenblick im Zweifel sein. Am allertchlimmsteu aber steht e« im Sauitälskorps aus. Im Sanitätskorps, dessen Arbeit I im Grunde keiner anderen Aufgabe als der Verringerung deS Sonntag, 89. Zimt 1907. Ersatzbedürsnifscs dient. Hier fehlen 800 Offiziere und nicht weniger als 4200 Unteroffiziere und Mannschaften. Und hier kann der Ersatz noch weniger als bei der Feldartillerie au» dem Boden gestampft werden. Da weder BesörderungSverhältnisse, noch gesellschaftliche Stellung, noch Bezahl»,>a befriedigend sind, andererseits aber die Verteuerung der Osfizier-eristeuz mehr und mehr dem reichen „Bummlertum" Eingang in die Armee verschafft, und so dem B-rusSfoidaten die Behauptung feiner Position immer schwerer wird, wie sich aus den massenweisru Abschieds gesuchen von Offizieren aller Rangklassen ergibt, so ist vor läufig gar nicht abzuseheu, wie dem Uebrl gründlich gesteuert werden kann. Deutsches Deich. Leipzig, 30. Juni. * Bundesrat. In der gestrigen Sitzung des Bundes rates führte StaalSminister Staatssekretär deS Innern v. Beth mann-Hollweg den Vorsitz. Er begrüßte die Versammlung und gevachte mit rhrenven Worten keü aus dem Bundesrat geschiedenen seitherigen Staatssekretärs reS Innern, SlaatömimsterS Dr. Grasen v. Pofadowsly- Wehner. Der bayerische Gesandte Graf v. Lercbcnseld- KöferingschloßsichnamenSdcrVersammlungvieien Worten au und dankte dem Vorsitzende» sür feine Be grüßung. * Tiplomatenwcchsrlff In ewigen Blätter» wird die Ersetzung des Fürsten Radoffn sie Paris durch Freiherr» v. Marschall und die Besetz»« g des BotschasterpostenS in Konstantinopel durch Herrn v. Kr-erlen-Wächter zum Herbst angekündigt; ferner soll der jetzige Gesandte in Buenos Aires v. Waldlhausen an Herrn Mumm v. Schwarzensteins Stelle treten, wenn dieser Nachfolger d:S Freiherr» Speck v. Stern burg i» Washington wird. Es mag dahingestellt bleiben. Wie weit es sich hier schon um feste Dispositionen handelt. * Tas liberale „Menu". Wie die „Frantf. Zig.* zu berichten weiß, bat der Reichskanzler in veu letzicn Tage» eine Anzahl von Parlamentariern aus der bürgerlichen Linken und der Rechten zu politischen Besprechungen empfangen, die hauptsächlich dem "Paaruug-programm gegolten haben dürften. Bei dieser Gelegenheit erzählt das geuanute Blatt eine hübsche, bisher unbekannte Geschichte von rer Unterhaltung des Reichskanzlers mit einem süddeutschen Liberalen, die beim Zusammentritt des Reichstags statt fand und natürlich sich um die gegenwärtige politisch- Situaüon drehte. Der Reichskanzler entwickelte seine Ideen, wobei „dieser sehr aus daS Sachliche gerichtete süvdeulkche Herr" eiuwark, welche positive» gesetzgebersiche» Maßregeln der Kanzler bald vorzujchlagcu gevenke. „Ach so", meinte der Reichskanzler, „Sie wollen nickt bloß die Speisekarte seb«n, eS soll auch balo die Suppe aufgetrage« werden?" „Ganz richtig, Durchlaucht, die Suppe und dann auch bald Fleisch." 81 non s voro . . .1 * Ter Rücktritt des Herrn v. Stützt wird selbst in den Kreisen der konservativ gesinnte» Lehrerschaft als eine Erlö'ung empfunden. Dre „Deutsche Lehrerztg.", das offizielle Organ der kouservaiiv-orthodoxeu Lehrerschaft, kanu seiner Tätigkeit nnr ein Verdienst »achrühme», daS Zustande kommen dcs Bolksschulunlerhaltungsgeictzes, muß aber selbst dabei die Einschränkung machen, daß diescS Werk „nicht einzig und allein seinem Geschick und keiner aufopferungsvollen Tätigkeit gelang." Alsdann aber heißt eS weiter: Andererseits müssen wir mtt tiefem Bedauern erwähnen, daß er sich die Llcbe der Bolksschnllehrer aller Richtungen nicht zu erwerben verstanden hat. Er hinterläßt de» Eindruck, dasz er für die Lehrer keine Neigung besaß, und daß er demgemäß nicht nur sein Herz, sondern auch keine Hand den Lehrern gegenüber verschlossen hielt. Es bleibt ihm unvergessen, daß er, obwohl ihm zur Beseitigung der dringendste» Notstände uuter den darbenden Lehrer» 5 Mill. Mark zur Verfügung standen, nur 3 Mill, zu verwenden wußte. Auch hat dm Lehrerschaft rne vermocht, seinem BremSerlaß da» Verständm» entgegen- zubriogen, das er dafür in Anspruch nahm." * Tas Ergebnis ve» Schulstreiks. Zu dem zu Ende gehenden polnische» Schulstrelk ist solgende Statistik vou Feuilleton. 8 Auch Kleider sind kein Ding, ganz zu verachten, 8 nichts ist bloß äußerlich: was wären Blumen? I 8 In diesen Dingen steckt ein Teil von uns: 8 die Römer ließen Sklaven hinter sich > 6 8 hergehen, deren Köpfe schwer beladen 8 8 i mit dem Gedächtnis wundervoller Verse gj aus großen Dichtern waren: unsre Kleider ^8 8 sind solche Diener, und sie atmen Träume, 8 8 die unsre eigene Phantasie erschuf. s 8 8 Hugo von Hofmannothal. 8 Von deutschen Dingen. Von Otto Ilakc sLeipzig). Ter Deutsche hat darum keine Kultur, weil er zu tief ist. Man kann auch an seiner Fülle leiden. O Deutschland mag die Seele der Welt sein; aber bisweilen ist cs nur die Provinz von Europa. * Es geschieht nichts in der Welt, wobei man nicht ver sichert sein könnte, daß es ein Deutscher zu verpfuschen versteht. * In Frankreich bietet die Literatur mittelmäßige Auf tastungen in künstlerischer Form; die Köpfe sind dort ge- icbmackvoll und einförmig. In Deutschland ist man entweder unbrauchbar oder gleich ein Genie. * Als Goethe die Antike erlebt hatte, dichtete er Iphigenie, die Priesterin der Gottheit, und brauchte das Menschliche nur fern und gebändigt anzudenten. Aber die Nation goß in sie alles hinein, was sic in ihrer Tiefe an Schwerfälligem und Philisterhaftem hat. * Ter Deutsche lebt zuviel in den Dingen und verdankt dieser Eigenschaft freilich seine großen Musiker. Er liebte den Weg in die dunkeln Schächte, weil er in ihnen suchen und ahnen, in ihnen 'chwer und tief sein kann. In der Peripherie der Tinge, um sie herum zu leben, ist gleichwohl das Reifere; um so viel reifer, als es schwerer ist das einzelne abzu grenzen, statt unbestimmt das Weite zu umarmen. Wir sind zu viel Dichter und zu wenig Künstler, wir haben nicht genug Sinn für das Oberflächliche, unter dem die Tiefen ruhen. In der Licbcsnovclle eines deutschen Poeten, eines Poeten, geht ein Mädchen, mit einem großen Verrat in der Seele, auf das Zimmer eines, den sie lieb hat. Sie steht warm und innig da und — beginnt, des Abwesenden Schreib tisch in Ordnung -u bringen, mit dem Staubtuch Sofa und Man muß bei allen deutschen Charakterzügen, demnach auch bei allen Einrichtungen dieser Nation immer fragen: welcher geniale Trieb liegt.zugrunde? Ihre Pedanterie — noch ein kleiner Schritt, und ys wäre die unvergleichliche Bändigung des Stoffes durch die logische Anschaulichkeit; ihre Schematisierung — sie entspringt einem Verstände, der sich zur Intuition vervollkommne» will, ihre Wissenschaft lichkeit einer grandiosen Objektivität. Ein Kleines noch, und ihre Schwere wäre die sieghafte.Wucht der größten Energie. Wer ihre Forderung des Humors wirklich versteht, findet die Anlage ^ur großen Künstle.rschaft in ihnen, wenn auch ihr Humor, ko wie er vorliegt, inr triviale Plumpheit ist. Und da ist ihre andere Forderung, daß die Kunst ohne die großen Gedanken nicht auskommt. ihre z ihe und einzigartige Aus einandersetzung mit dem Moralischen, die ein beneidenswertes kosmisches Grundgefühl verrät. Man darf nicht vergessen, daß zu einem schwierigen Weg lange Zeit gehört, aber man muß ihnen Künstler wünschen, die sie mit Hohn geißeln, damit sie nicht stehen bleiben. Der Deutsche ist das unver gleichliche Material zu allen Möglichkeiten. Neber deutsche Kultur wird man erst in fünfzig Jahren urteilen können. Gibt es ein größenwahnsinnigeres Volk als die Deutschen, war je eine Nation in einem größeren Irrtum befangen? Mit welchem Recht predigt man-uns auf den Schulen und im Lcbcu, in unserem Lande lei die Heimat der Seelenhaftig- kett, der Tiefe, der Kraft .inv der Befruchtung? Warum vergeht heute kein Tag mehr, der nicht unter uns, gerade unter uns, zehn neue höhnende stimmen bringt, daß unsere Stillosigkeit, unsere Plumpheit unerträglich sind? Es gibt eine europäische Kultur, in der alle westlichen Völker ihr Bestes und Gemeinsames sehen— was an ihr ist deutsch? Der Glanz, der verlöschend aus ihr liegt, ist noch immer ein Wiederschein der Königin Paris, und die Menschen, die sich in ihr bewegen, lernten es im Mittelalter auf französische, dann auf italienische, dann auf svvnische, daun wieder aus französische und heute auf britische Art. Nie ist etwas Deutsches stilbildend geworden, nie galt es draußen der Mühe wert, beachtet zu werden. Wäre die abendländische Kultur eine andere, wenn Deutschland nie bestanden hätte? Griechen- land, Rom, die Gotik, die Renaissance, die Niederländer, das Rokoko und Paris sind die Etappen, in denen die europäische Kunst Gestatt und Bewußtsein gewann. Und auch in der Literatur — war die deutsche Klassik ein internationales Ereignis? Sie war ja nur eine >ener Auseinandersetzun gen mit der Antike, deren oie Kunsthistorie deute ein paar Dutzend kennt und deren wir nun müde sind. Die Refor mation? Aber Frankreich überholte uns und ist heute in seiner Unabhängigkeit vor uns ein moderner Staat. Die Philosophie? Rian braucht sie nicht begraben, sie ist ja tot. Worin zeigt sich die Wirkung Goethes auf Europa? In zwei Opern, „Margarete" und „Mignon". So bleibt nur die Musik; oder die Musik ist immer nur wie eine große freiwillige Zugabe zur Kultur: wenn die Phantasie sich das Stuhllehnen abzuwischen; sie ist ja nun seine Haus-I frau und er ist ein Mensch mit breiten Händen und ehr lichen Augen, sicher ist seine Seele tief. ... Da sind die beiden Bestaudtcile deutscher Kunst: die seelenvolle Philister- Hastigkeit und die poesiereiche Stimmung gedrückter Schwere. * DaS Ausland ist eine Prüfung, ob man zu Hause sich benehmen gelernt hat. Der Deutsche lernt im Ausland nicht einmal, dav man sich muß benehmen können. Die Deutschen sind die ewigen Anfänger der Kultur. Bild der europäischen Jahrhunderte zurückruft, denkt sie an die architektonischen Stile, zu denen Ornament und Malerei bedeutsam passen, und an den Lebensstil, mit dem sich die Geschlechter in diesem Nahmen bewegen. Man kann Kultur geschichte schreiben, ohne die Musik zu erwähnen. Ein Volk ist ein Kulturfaktor, wenn eS die lichtbaren Dinge ge fördert hat, und es ist für uns unorganische Menschen von heute bezeichnend, daß wir alle mit Musik durchdrängt und vergiftet sind, daß unsere Nerven wie Blattgold heftig er zittern, wenn wir die Töne hören. Doch wie kommt es, daß gleichwohl der Gedanke von der Größe seiner Nation jedem Deutschen eingeboren ist? Werl dieses Land trotz allem wie ein liebenswertes Weib ist, das alle Gedanken mit einem tiefen und mystischen Muttergefühl umarmt. Aber sie gebärt schwer, diese eiu wenig männliche nnd nicht lxhr sinnliche Frau Germania, und immer starb ihre Frucht ab oder war nur ein zu spät geborener Held. Die Deutschen sind wie die berühmten „unglücklichen, genialen Naturen", die ein Uebermaß hemmt, die ewig nur fühlen, wo ein leichteres Talent veranschaulicht. Und sür die ge schichtliche Entwicklung haben bloß die Gedanken Wert, die sich durch sinnliche Verwirklichung in Bewußtsein umschen. Anlagen sind unmaßgeblich, Resultate sind alles. So bieten wir das Schauspiel, daß wir vici können, aber niemand bei uns etwas zu lernen findet. Die Möglichkeiten sind un geheuer, der tatsächliche Wert gleich Null. '* ... Der ausschlaggebende Grund, weshalb eS anständig ist, patriotisch zu sein, ist ein künstlerischer. Die Künstlerschaft vermeidet — cs ist für sie Existenzbedingung. — das Auf gelöste, Unbestimmte, das Verallgemeinerte; sie liebt also das Einzelne, Gegebene, sogar das Verengte. Das Welt bürgertum ist eine der pantheistischen Ideen, welche die ge heimen Kunstmörder sind — das Vaterland ist eine Sinn fälligkeit. Ter Künstler weiß ferner darum, baß er Ideen nötig hat, die er bewußt akzentuiert, trotzdem sie vielleicht unzulänglich sind. Aber überhaupt kein Verhältnis zu sei- nem Lande haben, verrät, daß man phantasielos und un regsam ist. Ideen sind darum da, daß wir klar über sie werden, und eine existieren wissen, ohne sich mit ihr ausein andergesetzt zu haben, ist rnerträzlich. * Theater vsr hundert Jahren. Von W. Widmann lStuttgarts. Im Sommer 1807 herrschte unter Leipzigs Theaterfreun den anläßlich des Gesamtgastspiels der Weimarer Hofschau- spieler große Aufregung. Die Darstellungen der Weimarer Gäste riefen heftige Debatten und Zcitungsfehden hervor und spalteten das Publikum in zwei Lager. Tie einen nahmen für die heimischen Künstler iOvitz, Ochsenheimcr, Schirmer, Christ, Madame Hartwig, Madame Schirmer nsw.s und ihre naturalistische Dcirstcllungsweiie Partei und schalten die Weimarer Darsteller der Goetheschen Schule „pedantische Seminarkünstler. Ihre Anschauungen fanden den schärfsten Ausdruck in der Flugschrift „Saat von Goethe gesäet", die gegen den „sylbcnzählendcn Predigerton, die ein- lönia singende Deklamation, das prätentiöse Mantelspiel, das kalt formelle Theaterdeeornm und das ganze abgemessene und marioncttenmäßige Agiren" ins Feld zog nnd zu dem Schlüsse kam: „Tic Weimarischc Schule lehrt keine eigent liche Menschendarstellung, sondern will nur gewisse Forme» durchsetzen, welche, dem antiken Theater entnommen, olle Mannigfaltigkeit der Lebenserscheinungen in die grell ab- gesonderten Gattungen der Teklamationstragödie und der Posse einzwängen." Die anderen, darunter das Gros der Leipziger Studenten, feierten die Kunst der Weimarer Gäste als die echte und rechte. An der Spitze dieser Partei stand der angesehene und einflußreiche Kritiker Hosrat Mahlmann, der namentlich in der „Zeitung für die elegante Welt" den Gästen aus Weimar begeistertes Lob zollte. Am 24. Mai eröffnete die Weimarische Gesellschaft ihre Gastvorstellungen mit einer Ausführung des „Don Carlos", die ein von Goethe gedichteter Prolog einleitete. Die schöne Tragödin Amalie Wolff geb. Malcolmi, Goethes Lieblings schülerin, sprach diesen Prolog, besten Hauptstelle lautet: „Und wie man überhaupt das Wollen schätzt, Wenn das Vollbringen auch nicht alles leistet. So haben wir ein Recht an Eure Gunst: . ' Tenn keiner ist von uns, der sich vollendet, ' Der sein Talent für abgeschlossen hielte, ' Ja, keiner ist, der nicht mit jedem Tage Die Kunst mehr zu gewinnen, sich zu bilden. Was unsre Zeit und was ihr Geist verlangt Sich klarer zu vergegenwärtigen strebte. D'rum schenkt uns freien Beifall, wo's geling^, Und fördert unser Streben nach Belehrung. Belehrung, ja! sie kann uns hier nicht schien, '-i' Hier, wo lich früh, vor mancher deutschen Stadt, Geist und Geschmack entfaltete, die Bühne Zu ordnen und zu regeln sich begann. Wer nennt nicht still bei sich die edlen Namen, Die schön und gut auf's Vaterland gewirkt . ' . Durch Schrift und Rede, durch Talent und Beispiel? Auch jene sind noch unvergessen, die Von dieser Bühne schon seit langer Zeit, ,. . Natur Und Kunst verbindend, herrlich wirkten..." > Da Goethe selbst nicht mitgekommen war, führte Regisseur Genast die Oberleitung dcs Gastspiels, das aus Einladung des Leipziger Magistrats vor sich ging. Das Personal be stand aus den Herren Genast, Becker seigcntlich v. Blumen- ihals. Pius Alexander Wolff sPosa, Leicester, Tasso nsw.s, Graff iberühmt als erster Wallensteins, Oels sCarWs, Max, Orcit, Egmonts, Deny, Tirzta, Eylcnltein, Lortziug sOnkcl des Komhonistenj, Malcolmi, Mvrhard, Reinhold, Röctsch, Strobe, Ctrohmeyr, Unzelmann junior und deiz Damen Amalie Wolfs lJphigenie, Gräfin Sanvitale im „Tusso", Eboli, Johanna d'Arc, Klärchen nsw.s, Caroline Jagemann (spätere Frau v. Hevgendorff, des Herzogs Karl August Herzcnsfreundin; Maria Stuarts, Friederike Silie leigcnt- lich Petersilie, spätere Frau Unzelmann; Leonore von Este, Thekla usw.s, Deck, Becker, Teller, Engels und Elscrmann. Uebcr die Eröffnungsvorstellung berichtete Mahlmann in der „Zeitung für die elegante Welt" lNummcr vom 26. Mais: „Tas Haus war^ ungeachtet dcs schönen Wetters, gedrückt voll; aber die tiefe Stille, welche nur durch oft wiederholtes Applaudisscmcitt unterbrochen wurde, bewies die Aufmerk- samkcit.dcs Publikums und seinen empfänglichen Sinn für das treffliche, von der gewöhnlich"» Manier so abweichende Spiel einer Gesellschaft, die das Glück hatte, sich unter Wie- lands, Goethes und Schillers Augen zu bilden. Alle Freunde der Kunst freuen sich dcs Gcnusics, den ihnen die Anwesen heit dieser Gesellschaft in so reichem Maße verspricht, und das Theater wird in diesem Sommer zahlreicher besucht werden, als je." Tie Weimarer Gesellschaft spielte zunächst bis 5. Juli, woraus st" nach Bad Lauchstädt ging: am 4. August.begann sie in Leipzig mit „Tasto" eine zweite Serie von Gastvor- ffellungen. Mit „Iphigenie "und einem Epiloq, wieder von Amalie Molts gesprochen, sand das Gastspiel am 31. Aimust seinen Abschluß. Jeder der beiden Zyklen umfaßte 25 Vor stellungen. Vorwiegend wurden klassische Stücke gegeben. s Inter« meindi Au» d siche fi haft v betrag Berfal Gelöst 45 M Kinde, rund Straf zu iw erhebl Persoi strafe» Lehrer Provn Regie, und fi sie vw hat, » für d> der S auch i im M d. für d gefetzt Garn Guml nur j es nu geht Die t stein, reich billig mit c 2. Ar ist B Kolb« köstig und < noch 36 P Altor 36 P nison Arm« Haber Feste Male auf t verstc daß ! zahlt um i 42 P halte reicht Ober Berl in de Prof. Mün Eapu Untei Schel Denk nomr so b Com beige folge: er« Nach in d samr Wotl spiet: Dhec wclct bcdw als rühu von geile Herr Auch als Egm noch treff ende alter ordn Sa l als i Läni geris andr störe sind. 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