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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070702027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907070202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907070202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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»iprrto fiir LeipM und Bororie durch uulere Irügrr uud Spediteure in« Hau» gebracht: Lus- gäbe ä (»ur morgen»! vierteljährlich 3 M-, monatlich 1 M.: Ni»»gad« > (morgen» und abend»! vierteljährlich 4L0 M., monatlich 1^0 M. Dura, die Do« bezogen (2 mal täglich) innerhalb Deutschland« u..^ der deutscher» Kolonie» vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 W. autlchl, Postbeftellgeld, siir Oesterreich 8 L 8K k, Ungarn 8 L vierteljährlich. rbonnemerrt-Lnuo dme: August» «^l atz 8, bei uujere» Drägern, Filialeu, Sstebiteur« »ad Annahmestellen, sowie Postämter» »ud Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 stkebastttdU ««d Wgstebttiou: Johan» itgaffe 8. Delepho» Nr. 14802, Nr. 14883, Nr. 14«. Mend-Ausgabe L eMgerIagMatt Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und -es V-kizeiamtes -er Lla-t Leipzig. Nr. 181. Dienstag 2. Juli 1907. Berliner sttedaktion« - Bure«»: Berlin irW. 7, Prinz Loui» Ferdinand. Etratze 1. Lelephou I, Nr. 9275. »«zeig«.Preit fstr Auserute «G Setpgia »ud Umgebung die »«etdalteu« P«t^e8»D5 W., stuaigielle E»»ei^» »«I, Nekla»« 1 M.; »» —wär» » M, »w«» D« vom »»»land 50 Ps., stno»z. Lu^ige» 75 W., Reklame» 150 M. Inserate ». vehärdeu im «mUiche» Dell 40 Ps. Betlagegebthi 5 M p. Dausend exkl. Poft gebühr. a>eichäst»an»eigeu a» bevorzugter Stelle im Preise erhäht. Rabatt nach Daris. Festerteilte Austria« können nicht zurück gezogen »erden. Für da« Erscheinen an bestimmten Dogen »nd Plätze« wird keine Garantie übernommen. Iliqeigen. Annahme: Aug»«»Iplatz 8, bet sämtlichen Filialen ». allen Annoncrn- EMeditiouen de» In- und Au«lande«. H«uvt - Filiale Berlt»: Carl Lu»cker, Herzogi. Vahr. Hafbuch- handlung, Lützowstrahe Ist. (Delephon VI, Nr. 4808). M. Jahrgang. Das wichtigste vonr Tage. * Die Ernennnng des Regierungspräsidenten Dr. Freih« rrn v. Coels van der Brügghen zum Nachfolger Holles als Uuterstaatsselretör im Ministerium der öffentlichen Arbeiten ist erfolgt. kS. Dtschs. R.j * Di« Generalversammlung des Allgemeinen deutschen MusikvereinS beschloß, daS Tonkünstlerfest des nächsten Jahres in München abzuhallen. * Während der Mari end ad er Kur König Eduards soll ein: Begegnung mit Kaiser Franz Josef stattfinden. lS. Ausl.) Deutschland und Frankreich. Die liebenswürdige Aufnahme, welche Kaiser Wilhelm dem durch den bekannten Fabrikanten Meunier, einem Teilnehmer der Regatta, ihm vorgestellten Vizepräsidenten und ehemaligen Kriegsminister Etienne zuteil werden ließ und der nachfolgende Besuch Etiennes in Berlin beim Reichskanzler Fürst von Bülow lösen erklärlicherweise eine Reihe von Kommentaren aus, die in diesen beiden Momenten eine hochpolitische Aktion und die Anzeichen einer französisch-deutschen An näherung mit bereits positiven Ergebnissen erblicken möchten. Gewiß läßt sich nicht leugnen, daß das Bestreben Etiennes, Kaiser Wilhelm persönlich kennen zu lernen und in einer zwanglosen Privat- unterhaltnng manche Punkte zu berühren, welche das Interesse beider Länder, Deutschlands und Frankreichs, in Anspruch nimmt, sowie der sich dann anschließende Besuch Etiennes beim Reichskanzler als «in Be weis für die kräftige Strömung in Frankreich gellen können, welche ein Annäherung Frankreichs an Deutschland wünscht und sich auch nicht scheut, offen mit diesen Bestrebungen hervorzutreten. Unter diesem Ge sichtspunkt wird man dem spontanen Schritte eines Mannes von der Bedeutung Etiennes eine gewisse politische Wirkung nicht abzuerkennen vermögen, wenn auch jeglicher Anhalt dafür fehlt, daß seine Begegnung und Besprechung in Kiel mit dem Kaiser und in Berlin mit dem Fürsten Bülow irgendwelche positiven Resultate zeitigten. In der französischen Presse tauchte in angesehenen Blättern, so im »Journal des Dsbats", die Vermutung einer deutsch-französischen .Entente" über Kolonialfragen auf. Dabei wird stets vorausgesetzt, daß Deutschland der werbende Teil für diese Entente sei. Wir wüßten in der Tat aber nicht, was Deutschland nach der internationalen Ab machung über die Marokko-Frag« bewegen könnte, eine andere kolonial« Abmachung mit Frankreich zu suchen. In Frankreich weiß man das jedeufalls auch nicht; das zeigen die gewundenen, rätselhaften und die Vergangenheit äußerst behutsam andeutenden Gedankengänge, in denen sich das „Journal des Dsbats" mit dieser von ihm aufgeworfenen Frage beschäftigt. „Wir dürfe»*, schreibt das französische Blatt u. a., „einen guten Willen nicht im voraus entmutigen, der etwa in Deutschland hervor tritt, um eine Entente au die Stelle der offenen oder latenten Schwie rigkeiten treten zu lasten, für die Marokko Ursache oder Vorwand war. Wenn die Deutschen nichts zu gewinnen haben bei einer Fortsetzung dieser Schwierigkeiten, so würden wir bei ihrem Ende nichts zu ver- kieren haben. Die Erfahrung hat gezeigt, daß einige Liebenswürdig keiten noch nicht das Verschwinden der Schwierigkeiten anyekündigt habe». Di« Besprechungen, die außerhalb der regulären diplomatischen Wege gepflogen wurden, schienen mehrmals ein« Entente anzukündigeu, <cher eS war baö> unmöglich, bei ihnen ein anderes Ziel zu entdecken, al- das, »ns zu bewegen, unsere allgemein« Politik diskutieren zu lasten, dem marokkanischen Köder, der vor uns hin und her bewegt wurde, M folgen, oder in einem Teile der öffentlichen Meinung Illusionen zu verbreiten, die unserer Regierung bei der Politik der M»gheit oder Reserve, zu der sie durch die Brutalität der Tatsachen gezwungen war, Verlegenheiten bereiten könnten . . . Wenn sich eines Tages jenseits des Rheins gute Stimmung zeigt, so muß man sich hüten, sie zurückzuweiseu, aber auch abwart«», ob sie auf unserer Bot schaft in Berlin, die gegenwärtig so vortrefflich besetzt ist, in Erscheinung tritt. In einer Lage, die all« Präzedenzfälle selbst in den Augen der am wenigsten Bedächtigen zu einer heiklen machen müssen, muß man sorgsam eine üble Laune, die rückwärts blickt, vermeiden, aber ebenso auch unverantwortliche Schritte und einen die Dinge zu günstig sehenden Eifer." Die kühle Reserve, welche aus diesen Darlegungen spricht, zeigt einigermaßen, wie man in Frankreich die Schritte Etiennes beurteilt. Nur sucht das „Journal des DebatS" und mit ihm wohl die gesamte französische Presse di« Fiktion zu erwecken, als ob Deutschland bei Frankreich werbe. Dazu liegt kein Grund vor. Sobald aber von Frankreich offene und diskutable Vorschläge zur Verständigung über einzelne Fragen ausgehen, wird es Deutschland jederzeit bereit finden, aufrichtig solche Vorschläge entgegenzunehmen und bereitwilligst zu prüfen. Jedes Zeichen eines solchen Entgegenkommens darf bei uns in Deutschland auf einen solchen freundlichen Empfang zählen, wie er per sönlich dem Vizepräsidenten Etienne jetzt durch Kaiser und Reichs kanzler zuteil ward. Zn den Etienneschen Verhandlungen wird heute gemeldet: * Paris, 1. Juli. Botschafter Cambon aus Berlin ist hier einge- troffcn; er hatte mit Pichon eine Unterredung, welche bezweckte, Cam- bon über das gestrige Gespräch des Ministers mit Etienne zu unter richten. Pichon wünscht nämlkch absolut nicht, daß Cambon irgendwie in seiner Autorität als Vertreter Frankreichs sich beeinträchtigt fühle. Zeitrrngsstiinm-ir. Ja der Wochenschrift „Der Deutsche* bemerkt ein alter Afrikaner, Hans Berthold, zum Prozeß Peter»: Alle alten Afrikaner verfolgen mit fieberndem Interesse die Verhandlung in München. Und sie alle sind der festen Ueberzeugung: endlich, endlich wird ein ungerecht Verschmier feine Kläger niederstrecken l Die Wahrheit ist im Anmarsch; selbst wenn der ehemalige Afcikar.tNende des „Berliner Tageblattes" Eugen Wolff im Schmucke seines Sansibar-Ordens gegen PeterS anstritt, selbst wenn «in halb Düsend von Peter» beleidigter Gernegroßer ihm jetzt heimzahlen möchten: die Wahrbeit kommt! Zehn Jahre laug ist der Mann, dem wir Ost afrika verdanken, durch den Schmutz geschleift worden. Nun erscheint der Tag seiner Rehabilitierung vor dem zehn Jahre lang betrogenen deutschen Volke. Berthold erzählt dann, daß er im Winter 1893—94 in Kairo wiederholt mit Wifsmann zusammenretrosfen sei, und dieser ihm in Gegenwart Dr. Bumillrrs und des damaligen Kanzlers der deutschen Legaten erklärt hab:: Wir haben Dr. PeterS' Schneid allein zu danken, daß wir am Kilimandscharo uns behaupt«» konnten. Die „Hamburger Nachrichten* schreiben: ES ist gewiß nicht mehr als recht und billig, daß jeder für seine Be hauptungen einsteben muß, aber in Verbindung mit obigem muß man doch fragen: Warum bat Herr Bebel den Brief des Zeugen Neubau- nicht auch ver nichtet, sondern ihn, ohne dessen Genehmigung, nach läge und schreibe mehr als zehn Jahren dem Gerichte vorlegen lassen? Aber Bebel erklärt stolz: „Ich wäre «in erbärmlicher Kerl, wenn ich das Vertrauen des Mannes täuschen wollte, der mir die Mitteilungen gemacht hat. Das verträgt sich rwt meiner Ehre nicht." AuS diesen Fällen geht klar hervor, daß Bebel es sehr gut mit seiner Ehre ver einigen kann, einen Gewährsmann zu nennen und ihn ins Gesängnis zu bringen, e» kommt nur darauf an, ob dieser Gewährsmann ein Sozialdemokrat ist, den er schonen muß, oder nicht. Wir verteidigen weder jenen Gutsbesitzer, noch stimme« wir Herrn Neuhaus bei, es fei ober festgestellt, daß die Worte Bebel-, daß nie der Name seines Gewährsmannes über feine Lippen komme, nicht mit der Wahrheit in Einklang stehen. Freilich, Herr Bebel hat „nicht die Auffassung von der Ehre, wie die Klassen, denen Dr. PeterS angehört". Diesen doppelten „Ehrbegriff" des „Genossen' Bebel festgestellt zu haben, wird immer ein Erfolg des Peters-ProzesseS bleiben, und man wird gut tun, sich diesen „Fall" für später zu merken. Die demokratische „Welt am Montag" bemerkt: Wie es schein^ ist auch der alte Bebel, der zuweilen mit einer gewissen Leichtgläubigkeit nnd Kritiklosigkeit seiaeS Amtes als öffentlicher Ankläger waltet, ein Opfer der Einflüsterungen persönlicher Feinde und Neider von Peters ge worden, die, zu feige zum offenen Kampf, durch ihn hinterrücks ihr« giftigen Verleumdungen in die Welt schleuderten. Bebels Gutgläubigkeit ist außer Frage. Um so eher aber hätte er seinen verleumderischen Gewährsmann endlich der Oeffent- lichkeit prrisgrben könne», den er als eine hochgestellte Persönlichkeit bezeichnet. Hat er doch in derselben Verhandlung schonungslos einen kleinen Beamien und früheren Unteroffizier als Gewährsmann preisgegeben, ohne ihn — nach zehn Jahren — zu fragen, ob er jetzt noch ebenso denkt, und trotz dessen ausdrück licher Bitte im Brief, seinen Namen nicht zu nennen! Und dort die zarteste Rücksicht vor dem lügnerischen „Hochgestellten"! Für den Führer des deutichen Proletariats gilt doch nicht etwa der alte Spruch: „Die kleinen Diebe hängt man auf, die großen läßt mau laufen?" Deutsches Reich. Leipzig, 2. Juli. * Holles Nachfolger. Schon vor einer Woche wurde als Holles Nach, folger der bisherige Regierungspräsident von Arnsberg Dr. jur. Frhr. v. Coels von der Brügghen bezeichnet. Das offiziöse Telegraphenbureau dementierte die Nachricht in der üblichen Form, daß „an zuständiger Stelle von einer solchen Ernennung nichts bekannt" sei. Jetzt heißt es im „Reichsanzeiger": Der König hat geruht, den bisherigen Präsidenten der königlichen Regierung in Arnsberg Dr. jur. Franz Freiherrn v. Coels von der Brügghen zum Unterstaatssekretär der Bauabteilungen des Ministe riums der öffentlichen Arbeiten zu ernennen. Weshalb diese Irreführung der Oefsentlichkcit? Tas „B. T." glauot den Grund dafür in dem Umstand zu finden, daß Coels von der Brügghen nicht nur katholisch, sondern auch ein Anhänger des Zentiums sei und schreibt dazu: „Seine Berufung hat den Zweck, die Verbindung zwischen der preußischen Regierung und dem Zentrum auf recht zu erhalten. Von diesem kleinen Techtelmechtel sollte nichts vor zeitig an die Oeffentlichkeit kommen. Gerade deshalb möchten wir recht zeitig darauf aufmerksam machen. Die Berufung des Freiherr» v. Coels von der Brügghen zeigt, wie trotz der Paarnngspolitik in Preußen der Wind weht." Ob diese Deutung des auffälligen Vorfalles richtig ist, lassen wir dahingestellt sein. Ist sie es, dann wäre dieses neue Kokettieren mit dem Zentrum eine treffliche Illustration zu dem Märchen der Bülow-Offiziösen, Posadowsky habe gehen müssen, weil er zu zentrums freundlich gewesen, man wolle letzt mit der konservativ-liberalen Paarung ernst machen! Einstweilen halten wir dafür, daß in die'em Hi» und Her von Berichtigungen nur die schlechte Organisation des offiziösen Dienstes wieder einmal zutage getreten ist. * Zum Peters-Pro-eß- Die „Deutsche Tageszeitung" veröffentlicht aus einem Briefe des verstorbenen Richard Jahnke, des Gefährten Peters am Kilimandscharo, der von dort aus am 20. Oktober 1891 an eipen jetzigen bekannten Berliner Arzt gerichtet ist, die Stelle, in der Jahnke bezugnehmend auf die Hinrichtung Mabruks über die Gefahr der damaligen Lage sich äußert. „Wir stehen mit den Gebirgsvölkern nörd lich von uns in Todfeindschaft, zu der die Leute aber selbst den Anlaß gegeben haben. Sie ermordeten zuerst Gesandte eines uns befreundeten Stammes, darauf zwei Boten von uns, nachdem diesen vorher die Augen ausgestochen und die Hände abgehackt worden waren. In den darauf, folgenden zwei Gefechten wurden sie zwar geschlagen, aber der Sergeani Schubert von 7 bis 8 Lanzenstichen niedergemacht. Wir erschossen zwei Sultane, vier Sultansöhne und ca. 200 Soldaten. Hierauf entbrannte eine Todfeindschaft. Auf den Kopf eines Weißen setzten sie eine Sultans krone als Preis, während wir ebenfalls Preise ausschrieben für jeden Mann oder Kopf, der uns gebracht wurde. Gestern haben wir hier einen Schwarzen wegen nächtlichen Einbruchs und großen Vertrauens- bruchs gehängt. Wir gehen jetzt mit aller nur möglichen Strenge vor und das ist das beste. Daß wir sämtlich nur mit geladenem Gewehr im Arme schlafen, ist selbstverständlich bei diesen Verhältnissen." * Hardens Antwort. Die Klagebeantwortung, mit der Hardens Verteidiger, Justizrat Max Bernstein in München, aus die 37 Seiten in Maschinenschrift umfassende Klageschrift des Grafen Kuno Moltke ent gegnet, besteht aus dem einzigen Satze: „Der Beklagte tritt dem A i- Feuilleton. Entwicklung der Sinne ist die Grundlage der Entwicklung , da» Verstandes der Menschheit. Moleschott. Da« neabekn« Lied. Bon J-C-Lus-tig. Dom die M»D je der Unterstützung durch «ine andere Kunst in bestimmte» Fälle» bedarf, so ist eS die Poesie, die ihr zu Hilfe kommt, mn die Kraft ihre- Ausdruckes zu vermehren. Und mit keiner anderen Knust anch hat sie sich so innig vermählt, als mit der Dichtkunst, deren Kehatt i» de« verschiedensten Formen eifft durch di« Musik zur letzten Aeußerusa gelangt. Im Liede hat sich, seitdem die Menschen Musik üben, das innerste musikalische Empfinden der Musiker ausgelebi. Und keine andere musi- kalische Mr» hat so rasch den Uebergang zum Kunstmäßigen volljührt, wie da- Lied. Aus dem Volke etttanden, durch unfaßbare Einflüsse in de» Rahme» einer allgemeinen Kunstübung eingetreten, hat das Lied die Herrschaft über die Maßen au sich gerissen, und ist bis auf d«n heu tige» Tag der unzweifelhafte Jnterpr«t der in uns schlummernden un- bttonßte» musikalischen Triebkräfte geblieben. Kwy noch ist di« Geschichte des Liedes, das uns nach unseren heutigen Begriffes als die Verkörperung der Gattung gilt. Die Zeit vor Beet hoven war dem kurzen, geschlafenen Liede nicht günstig. Kaum noch war bei dem Auftreten des große« Tonmeisters die Epoche überwunden, in der die Vokalmusik soft uur das Spiel der schönen musikalischen Form zu schaffen berufen gewesen ist. Den programmatischen Gehalt der Vokalmusik brachte erst jene Zeit, die erkannte, daß die Vokalmusik mit der Poesie sich verbinden muß, um musikalische und dichterische Wir- kvng hervorzuvrinoen. Neber den dornenvollen Weg von Reichardt und Zelter führt die Eittwickelungsgeschichte deS Liedes zu Franz Schubert, dem es aus einer genialen Jntuitwn klar wurde, daß es im Liede vor allen Dingen darauf ankvmm«, di« Ausdruck-mittel der Musik dem poetischen Vorwurf anzupassen. Ihn unterstützte bei der AuHührnna des Gedankens ein« fast bei spiellose Produktivität und di« Leichtigkeit im Schaffen, die sich da« noch mit einer unfehlbaren Modnlationsfäh'gkeft im Sinne der p»tt»- schen Auffassung und Umwertung Ker poetischen Ausgabe verbuche» hotte. Kern GÄiet der Poesie gibt es, da- Schubert nicht zu Musik mnznformen gewußt hatte. Und wenn Goethe in Schuberts „Erlkönig" „zn Mel Musik" fand, so müssen wir heute bewundernd anerkennen, w»e weift der Musiker mit dem Stoffe mnzugehen verstand, und wie «r sein« Musik dem Texte entsprechend verteilte, wie «in Maler Licht und Schotte» auf dem Bilde. So behandelte er auch die subjektiv-lyrische Poesie, deren Kern gerade ihm und seiner südlichen Natur willkommene Gelegenheit bot, lein musikalisches Wesen ihr anzuschmiegen. Nicht der melodische Fluß der Linie allein macht uns die Schubertlieder zu den köstlichsten Schätzen der Musikliteratur. Freilich, der sinnfällige Zauber ist groß und machtvoll, der von der Melodie Schuberts allein schon ausgeht. Aber es ist doch die leise, in der Melodie mitklingende Poesie, die die letzte Wirkung aus uns ausübt. DaS Nachzeichuen des Tonfalles im Verse, das Mitgehen mit dem poetischen Motiv des Dichters, die Re- sonnanz der Poesie in der musikalischen Form sind wohl die Ursachen der bezwingenden Kraft in Schuberts Gesängen. Ungewollt und ab sichtslos fließt diese Musik. Sie klingt wie Urmusik, wie der Ton, der in uns lebt und nur der Erweckung yarrt. Der Genießende fühlt die Kunst in diesen Tonreihen so wenig, wie er die Kräfte an der Arbeit sieht, di« ihm den leuchtenden Sonnenschein spenden. Wie die Romantik in der Poesie der ersten Hälfte des 19. Jahr hunderts, trotzdem sie durch natürliche Empfindung wirken wollte, zweifellos den Geburtsschein ihrer künstlichen Entstehung an sich trug und ans Stimmungen erwuchs, di« durch äußere Einwirkungen er standen, so ist auch das Lied Robert Schumanns das Produkt der künst lichen Konstruktion. Nur daß eben Schumann das Glück hatte, zu einer Zett zu sprechen, die, vorbereitet durch die Poesie der Romantiker, von Haus aus auf seinen Ton gestimmt war. Der Widerhall auf seinen Anruf mußte sich einstellen. Er traf auf ein Material, das Antwort geben mußte, ja, sich zur Mitwirkung selbst drängte. Und wenn dann später die Musikwelt sich mit den Gedankensphären Schumanns «ins fühlte, so lag das an der poetischen Erziehung, die sic erlebt hatte. Schumanns Lieder sind Kunstprodukte in des Wortes weitestem Sinne. Das Prinzip, sich ganz an den poetischen Vorwurf anzuleynen ja die Grnndstimmung des Gedichtes über die melodische Linie zu stellen, ihr vor allen Dingen greifbaren Ausdruck zu gehen, ist künstlerische Kultur in jedem Betracht. Schumanns Publikum, das deutsche Volk, ist ja das Ideal einer Gemeinschaft, die derartiges aufnehmen und in sich um arbeiten kann. Denn die blaue Blume der Romantik läßt sich wohl zeitweilig aus dem Gesichtskreis« der Deutschen entfernen, die stille Liebe aber des Volkes gehört für alle Zeiten ihr und ihren Pflegern. Schumanns Lieder können nur Deutsche singen und nur Deutsche in ihrem letzten Ende verstehcn. Was da a» Nnaesungenem mitklinat, das ist daS Wesentliche. Was in der melodischen Linie zittert und bebt, ist der eigentliche Gewinn dieser Kunstschöpsungen. Und geradezu ent scheidend für die weitere Entwickelung der Musik in Deutschland sind diese Gesänge geworden. Sie haben die Begleitung zu «'nem selbst ständigen Wirkungsmittel erhoben und di« Verteilung der führenden melodischen Linie auf die Vokalwirkung und auf den Beoleitkörtzer an- gebabnt. Der nächst« Schritt war die Emanzipation des Orchesters von der dienenden Stellung auf dem Gebiete des Vokalen, — die Ueber- tragung diese- Grundsatzes auf das Musikdrama. Mit Hugo Dolf tritt eine neue Phase in der Geschichte des mo dernen Liedes «in. Jetzt ist di« votale Wirk»« auf daS Mindestmaß des Ausdrucks beschränkt. Der Künstler, der in einer Welt von musi- kalischer Poesie sich sein eigenes Gebäude errichtet hatte, kannte nur eine einzige Richtungslinie: dem letzten Ziele der Dichtung nachzu streben, Stimmung zu finden und der Stimmung die Hilfsmittel der Musil zu leihen. Wolf dichtete musikalisch. Er schrieb keine Musik, er komponierte Gedichte. Was ist ihm das Gesetz von der Wirkung der Melodie, wenn das poetische Ziel ihm winkt? Mit einigen Takten der Einleitung hat er eigentlich in den meisten Fällen alles gesagt, was er des Anssprechens für wert hielt. Die Musik geht dann fast nur noch nebenher mit, und er konnte in der Tat wie kein zweiier den poetischen Grnndton so treffen, daß bei dem poetisch veranlagten Genießenden über seine und des Dichters Absichten kein Zweifel mehr bestehen blieb. Die große Kunst Wolfs hat aber nicht ohne Berechtigung die Frage gezeitigt, ob es der Zweck des Liedes sei, ganz in der Poesie aufzugehen. Richtig ist der Grundsatz, daß der poetftche Vorwurf durch die musikali- sehen Ausdrucksmittel ausgeweitet und wenn nötig, ergänzt werden solle. Ob aber die Musik als Wirkungsmittel so weit hinter dem dichterischen Gedanken zurücktreten darf, daß dieser die Führung voll übernehme, das darf wohl bestritten werden. Auch das Gesamtkunstwerk Wagners verpönt das Ueberwiegen einer Kunst auf Kosten einer anderen. Nur in der Verbindung aller zu einer gemeinsamen und darum einheit lichen Wirkung kann das Endziel des Kunstwerkes angesehen werden, das aus verschiedenen künstlerischen Elementen sich zusammensetzt. Dazu gehört das Lied selbstverständlich schon darum, weil es eben das Wort und den Ton zusammen verwendet. Das moderne Lied unserer jüngsten Gegenwart ist noch um «inen Schritt in dieser Richtung weiter gegangen. Die wesenlose Lyrik unse rer Tage mußte natürlich ebenfalls ihre musikalischen Ausbeuter finden. Die Poesie, die in der Stimmung alles sieht, was auf den Aufnehmenden wirken soll, verlangte aber Musiker, die die Melodie fast ganz abschwören. Sie haben sich in übergroßer Zahl gefunden. Sie haben uns „Lieder" geschenkt, die der melodischen Linie im «rohen Bogen ausweichen. Nnd wie ein moderner Musiker schon die chromatische Tvnrrihe als nicht mehr genügend differenziert bezeichnen muh. wenn er noch «ff den Titel eines „Mitstrebenden" Anspruch zu erheben berechtigt sein soll, so hat sich leider auch in dem allermodernften Liede jene Unnatur breit gemacht, die dem Ohre des Ausnehmenden das Unmöglichste zumutet. Aus den großen Formen der neuen Instrumentalmusik habe« die mo dernen Liedkomponisten da- Prinzip abgeleitet, daß „vertiefter Aus druck" in der Musik, besonder- im Liede, da- Hauptziel ist. Wie kraß der ästhetisch« Fehler ist, diesen an sich pl nicht unmöglichen Gedanken am das Lied anwenden M wollen, geht daraus hervor, daß, wenn der AuSdrnck das Um und Ans der Kunst sein soll, diHe Forderung schon in de« poetischen Gehalt der Dichtung nahem erfüllt sew muß und bei einer echten Dichtung auch in der Regel erfüllt ist. Die Musik so Veit ihre» klanglichen Charakter» zu entkleide», daß fie nur »och hinter da- Wort sich verkriecht, da» ist grundfalsch. Bei einem solchen Beginn«» kommen wir M einer Art von mystischer Mnftk, zu einem Symioli-- «»- im Reiche her Tön«. Mnfik aber »nch Nüven. vwm sie wirklich
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