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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070703028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907070302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907070302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-03
- Monat1907-07
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Abend-Ausgabe 8. Bezug»-Preis für LelpM Mld Vororte durch unser« TrLger und Spediteure tu» Hau» gebracht: Aut- gab« s (nur Moroni») »terMljtthrltch 3M-, monatlich 1 vt.; Au»gab« » (morgen« und abend«) vierteljährlich 4.50 M., monatlich 1.50 «. Durch die Post bezogen l2 mal täglich) innerhalb Deutschland« u: der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., mouoUtch 1,7b M. au»schl. Poftbestellgeld, sür Oesterreich 9 L 66 k, Ungarn 8 L »terteljährlich. «bomiement-chlnn-bme: Augustu«platz 8, bet unseren Dräger», Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Di« einzeln« Bummer kostet 18 Pf^ Redaktion und Expedition: JohanniSgasse 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. 14694. MpMcr TagtblM Handelszeitnng. -LLvML«- Ämtsvlatt -es Rates und des Rolizeiaintes der Ltadt Leipzig. Suzeigen.Preis sttr Inserate au« Letpzia und Umgebung die 6gelpaltene Petitzeil« 2b Ps., stnanzielle Anzeigen 80 Pf., Reklamen 1 Ät.; von aulwärt« 30 Pf., Reklamen 1.20 M.: vomAu«landbOPs., finan,.Anzeigen75Ps., Reklamen l.SO M. Inserate v. Behörden im amtlichen Dell 40 Ps Beilagegebühr 5 M. p. Lausend exkl. Post gebühr. Be>chäst«anzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Dans. Aestcrteilte «usträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Dagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. «neigen. Annahme: Augustu-platz K, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Autlande«. Haupt - Filiale Berlin: Earl Duncker, Herzogl. Bahr. Hosbuch- handlung, Lützowstratze 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 182. Mittwoch 3. Juli 1907 101. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * v. Windheim ist zum Oberpräsidenten von Ostpreußen, v. Hengstenberg zum Oberpräsidenten von Hessen-Nassau er nannt. (S. Dischs. R.) * Der lothringische Bezirkspräsivent hat die Neuanlage kon fessioneller Kirchhöfe verboten. (S. Dtschs. R.) * Die Aussichten für einen ost erreich isch-serbisch en Handels vertrag werden als hoffnungslos bezeichnet. * Die agrarischen Unruhen in der Provinz Ferrara ver schlimmern sich. (S. d. bes. Art.) * In Montenegro sollen zahlreiche Verhaftungen wegen Hochverrats vorgenommen sein. (S. Ausl.) * General Primo de Nivera ist zum spanischen Kriegs minister ernannt. * In Dalny ist ein chinesisches Zollamt eröffnet. Dev italienische Landarbeiter-Ausstand. (Von unserem römischen ^-Korrespondenten.) In der Provinz Ferrara ist abermals ein Streik ausgebrochen, der etwa 130 000 Hektar landwirtschaftlich genutzten und von mehr als 100 000 Menschen bewohnten Landes betrifft, — ein Streik, der schon in seinen Anfängen zu äußerst heftigen Gewalttaten geführt hat und einen uneinbringlichen Schaden von etwa 15, wenn nicht gar von 45 Millionen Lire gewärtigen läßt. Unmittelbar vor Beginn der Korn ernte erhielten die Grundbesitzer von der sozialistischen Liga der Land arbeiter ein Zirkular, das sie anffordertc, zu einer Versammlung zu kom men, in der sie einen neuen Arbcitsvertrag kennen lernen würden, zu dessen Annahme — also eine Erörterung sollte es nicht erst geben — sie sich sofort zu entschließen hätten, andernfalls der Generalstreik er folgen würde. Der gewünschte neue Arbeitsvcrtrag besteht tm wesent lichen darin, daß die Kategorie der Kolonen, die durch einen eine Halb jährliche Kündigung vorsehcndcn Konnakt ,ur Bewirtschaftung um grenzter Territorien und zu einer dem Gesamtumfang nach bestimmten Arbeitsleistung gegen die Hälfte oder ein drittel vom Wirtschaftser- trage oder gegen Weiderechte nsw., sowie gegen einen vorbestimmten Arbeitslohn verpflichtet sind, völlig abgcschafft wird und in die Kate- gorie der auf Tagelohn engagierten Landarbeiter aufgeht. Der Zweck des Vorschlages ist keineswegs eine Begünstigung der Kolonen, die in weitreichendem Maße ihre eigenen Zerren sind, und deren eine gute Lebenshaltung gestattender Gewinn stch e ntsprechend ihrem Fleiße steigert, sondern der, durch Vereinheitlichung sämtlicher Landarbeiter die Möglichkeit zu erhalten, die Grundbesitzer in federn beliebigen und selbstverständlich vorzugsweise in ''dem landwirtschaftlich kritischen Moment durch einfache Streikdrohung zu den jeweils begehrten Zu geständnissen zu pressen: mit anderen Werten, der Vorschlag ist der Ausdruck nicht eines sozial oder wirtschaftlich oder sonstwie gegründeten Bedürfnisses, sondern einer willkürlichen sozialistisch-revolutionären Agitation. Die Grundbesitzer sind gar nicht in der Lage, auf den Vor schlag einzugehen, denn das Kolonensystem ist eine fundamentale, alte und in erheblichem Maße unter den italienischen Verhältnissen unent behrliche Einrichtung, die Verträge mit den Kolonen sind von deren Seite nicht gekündigt gewesen und voll rechtsgültig, und endlich würden sie, wenn sie auf den Vorschlag eingingen, damit das Ende ihrer Existenz besiegeln. Denn die große Zahl, die lange Tauer und die Begleit erscheinungen der bisherigen ländlichen Streiks lassen keinen Zweifel, daß die Agitatoren es auf eine den gitatorischen Sonderzwecken ent sprechende Schraube ohne Ende abgesehen haben und daß auch die be sonneneren Elemente unter den Kolonen und Tagelöhnern nicht mehr Kraft genug besitzen, um sich in Verfolg ihres Interesses der Organi sation nnd dem Willen ihrer Führer cntgegenzustellen. So stehen die Grundbesitzer in Ferrara zunächst vor der Aussicht, wenn nicht ein Zu fall die Dispositionen der Streikenden wandelt, binnen acht Tagen die ganze Kornernte im Werte von etwa 15 Millionen Lire und, wenn der Streik, wie wahrscheinlich, noch weiter geht, die Ernte aller übrigen Feldfrüchte im Werte von etwa 30 Millionen einzubüßcn, also einen Schaden zu erleben, der eine sehr große volkswirtschaftliche Tragweite haben muß. Wie gewöhnlich, hat der Streik mit gewaltsamen Maß nahmen gegen Arbeitswillige, mit Verheerungen der Felder, mit blu tigen Angriffen auf die Polizisten, mit Insulten und Vandalismen gegen die Grundbesitzer und die Vertreter ocr Behörden eingesetzt, und wie gewöhnlich, haben die Weiber der Streikenden die meisten mehr und minder rohen Gewalttaten — darunter den noch glücklich vereitelten Versuch, einen ernst verwundeten Polizisten zu entmannen — auf ihrem Gewissen. Die Regierung hat sich nicht rechtzeitig zur Aufrechtcrhal- tung der gesetzlichen Ordnung in der Lage befunden und schickt erst jetzt Infanterie und Kavallerie zur Verstärkung der unzulänglichen Polizei in das Streikgebiet. Heute geht folgende Depesche ein: * Rom. 2. Juli. Der Verwalter eines großen Gutes, der Streik arbeiter engagierte, wurde ermordet. Daraufhin ließ die Regierung in Ferrara fünf der angesehensten Führer der Landarbeitervereinc ver- haften. In der Kammer protestierte der Radikale Aroldi gegen die Ver haftungen und meinte, da einige Verhaftete die Ausgleichsverhandlnngen führten, treibe die Regierung statt zu beschwichtigen zum Bürgerkriege. Der Unterstaatssekretär des Innern erwiderte unter ungeheuren Pro testen der Linken und unter stürmischem Beifall der Rechten, die Ver hafteten ständen unter dem begründeten Verdacht, gewöhnliche Verbrecher zu sein. Zeittrngsstimmen. Aus der Fülle der Peters-Artikel geben wir heute nur wenige Proben. Die „Tägliche Rundschau" gIäl-c sich in Maßlosigkeiten r Mehr als 10 Jahre ist Peters, wie der schlimmste aller Verbrecher verfolgt, auS seinem Vaterland vertrieben, und noch ist dem Hass-: nicht Genüge geschehen, noch vereinen sich ganze Parteien mit dem Znhältergesindel der Münchener Vorstadt An, um den Gehetzten weiter niederzuknütteln. Er kämpft den ver zweifelten Kampf um seine Ehre, und jene Parteien nnd ihre Presse versagen ihm selbst den Versuch einer unbefangenen Würdigung, beweinen jeden Peitschenhieb, den ein Schwarzer zu tosten bekam, tn fünfzehnjähriger Trauer, aber haben nicht die Spur eines Verständnisses für den Gedanken, daß außergewöhnliche Menschen und außergewöhnliche Verhältnisse auch ein außergewöhnliches Maß verlangen. Wenn die Sozialdemokratie Peters verfolgt, so gilt ihre Hetze nicht so fast dem wilden, eigenmächtigen „Uebcrmenschen'', der ihr unchmpa'hisch, sondern vielmehr der ganzen Mannhaftigkeit des Volkes, die nach Taten drängt, dem Kampsessinn unserer Nation, der ihr verekelt werden soll, der Kolonial- und Ueberseepo'.itik, die nicht in das sozialdemokratische Parteiprogramm der heutigen Kladderadatsch- Fanatiker passen. Daß ihr dabei jedes Mittel recht ist ujw. Die „Germania" schreibt: Die Urteile der Zeugen und Sachverständigen km Prozeß PeterS gehen so vollständig auseinander, daß man nach diesen äußerlichen Bekundungen kaum mehr zn unterscheiden vermag, was Wahrheit und was Dichtung ist. Aber selbst bei diesem Widerstreit der Meinungen bleibt für Dr. Peters, namentlich aus seinem eigenen Memoirenwerke über seine Emin Pascha-Erpedition, so viel un- zweiselbaft belastendes Material bestehen, daß man das Disziplinarurteil gegen ihn auch heute noch als richtig anerkennen mnß, wie dies auch auf Grund der jetzigen Beweisaufnahme von Pater Acker geschehen tst. Das christlich-soziale „Reich" schreibt: Alles in allem aber haben wir aus dem Gang des Prozesses den Eindruck gewonnen, daß dem Dr. Peters in einigen Punkten tatsächlich Unrecht geschehen ist, daß er aber von dem Vorwurf einer unnötigen Härte nicht freizusprechen ist. Ihn wegen dieser Härte zu ächten, geht zu weit. Doch ergibt sich auch, daß er im Rcichsdiensl nicht bleiben konnte. Auch die „Deutsche Tageszeitung", die im wesentlichen sich auf Peters Seite stellt, hält sich doch davon fern, an ihm alles gut zu finden. Wir geben folgende Stelle wieder: An diesem Widerspruch seiner ersten Taten und Wünsche und seiner wirk lichen Erfolge ist er gescheitert; nicht ohne eigene Schuld, aber doch ohne tieferes Verschulden. Mit überreiztem Nervensystem, einer durch die außerordentlichen Strapazen seiner Asrilajahre geschwächten Gesundtieit war er schon nach Deutsch, land zulückgekommen: einer hygienischen Lebensführung mochte sich seine starke, eigenwillige Natur nicht anbequemen; so wurde er immer überreizter, immer „ungenießbarer", zumal als übelwollende Aeußernngen über ihn zu formellen An- tlagen sich verdichteten; je mehr er auf Widerspruch stieß, um so schärfer und überspannter setzte er ihm seine Anschauungen entgegen; gab sich immer brutaler und schuf sich so immer neue falsche Beurteiler ult» Gegner. Es ist bedauerlich, daß er in einer gefährlichen Zeit seines Lebens nicht das Maß an Selbstzucht sand, das bei einem Männe nm so notiger gewesen wäre, der so vieles geleistet hat und auf den sich jo stark die Ausmerkiamkeit weitester Volkskreise richtete. Aus dieser Zeit seines Lebens stammt der Ruf, der ihm io lange und zäh anhastele, uno den er grundsätzlichen oder gar böswilligen Gegnern gegen über nicht mehr ganz von seiner wirklichen Persönlichkeit wird lostrennen können. Aber er hat sich doch Lmnit nur selbst im Lichte ge standen. Was an ihm wirklich zu tadeln war, das waren Schwächen, wie sic doch den meisten Sterblichen anyaften; die bei ihm nur greller hervortraten, die aber nicht vor ein gerichtliches Forum gehörten. Man kann auch über seine asrikanischen Methoden verschiedener Ansicht sein. Aber er hat immer in ehr licher Uebeczeugung von der Notwendigkeit seines Tuns gehandelt. Von An- klagen, die wirklich schwerwiegender Natur waren, hat er sich jetzt in München voll gereinigt. Die menschlichen Fehler, die er gezeigt hat, reichten nie Mi den Kern seines durchaus ehrenhaften und in starkem Maße hochherzige» Charakters heran. Die „Vossische Zeitung" urteilt über den Ausgang des Prozesses: In jedem Fall ist das Ergebnis bisher alles eher als der Nachweis, daß die Disziplinargerichte an Herrn Peters einen „Justizmord" verübt und das deutsche Volk mit Schmach bedeckt haben. Mit 500 glaubte das Schöffen gericht die maßlosen Ausfälle gegen Herrn Peters genügend gesühnt. Ob Herr Peters selbst diesen AuSgang des Prozeßes als den Triumph ansieht, sür den ihn seine Freunde ausgeben ? Dann müßte er seine Ansprüche tiefer herab gestimmt haben, als man nach seinem Austreten im Gerichtssaal glauben konnte Deutsches Reich. Leipzig, 3. Juli. * Personalien. Der „Reicksauzeiger" veröffentlicht die Versetzung des Oberpräsiventen von Hessen-Nassau v. Windheim als Oberpräsident nach Ostpreußen und die Ernennungen des Unterstaatssekretärs Hengsten berg zum Oberpräsideuten von Hessen-Nassau und des Vortragenden Rats in der Reichskanzlei Dr. v. Guentber zum Uuterstaatssekrelär des Staatsministeriums. — Nach der „Deutschen Tagesztg." soll als Nach folger des jetzigen Unterstaatssekretärs Dr. v. Guenlher der Geheime Regierungsrat und vortragende Rat im Landwirtschaftsministerium Wahnschaffe zum Vortragenden Rat in der Reichskanzlei ernannt worden sein. * Dr. PeterS. Die „Münchner Neuesten Nachrichten" melden: Dr. Peters teilte in der gestrigen ihm von nationalen Vereinen ver anstalteten Abschiedsfeier mit, er kenne beide Leute, welche am 12. März 1896 in einem Berliner CafS den Tucker »Brief zusammengeschrieben haben. Er kenne beide Leute, aber unter Diskretion, und er wisse auch, daß einer davon seine Kenntnis von der Sache um bare 10 000 Feuilleton. Das Publikum fordert unnachsichtlich Eines, wodurch es eben zu einer so vortrefflichen Kontrolle für den drama tischen Dichter wird, und dieses Eine ist Leben. s Grillparzer. wiener Theater. Von Ludwig Hirschfeld. In das Jauchzen, das in den ersten Sommertagen auf einigen Wiener Bühnen zu ertönen pflegt, möchte gar mancher vergnügt cin- stlmmen, der sonst kein Freund der gastierenden Theaterbauern ist- Denn ihr Erscheinen ist die sicherste Gewähr, daß die Theatersaison un- widerruflich zu Ende ist, mag man sie verlängern wie man will. Ja, wie -um Trotze gegen alle Bemühungen, den Fremden eine Sommcr- saison zu bieten, haben sich Heuer nacheinander gleich drei Bauern tbeater eingestellt. Außer den altbekannten Schlierscern noch ein Großes oberbayrisches Bauerntheater mit Michel Dengg an der Spitze, das «in unheimlich großes Repertoire von Novitäten mitbrachte, eine derber und geschmackloser als die andere. Dagegen kann man dem Etlichen Bauerntheater aus Innsbruck nur Rühmliches nachsagcn. Nicht bloß in Hinsicht ihres schlichten künstlerischen Spieles, sondern auch ihres bemerkenswert ernsten Strebens, sich über das landläufige Niveau «mporzuheben. Sie spielten Anzengruber in einer nahezu voll endeten Weise und erinnerten uns an den begabten Jungtiroler Franz Kranewitter, von dem man seit seinem „Andreas Hofer" hier nichts mehr gesehen hat. Die Groteske „Der Na-" aus dem Einakterzyklus „Die sieben Todsünden" illustriert den bäuerischen Geiz in einer ganz merkwürdigen eindrucksvollen Manier, die an alte Holzschnitte gemahnt nnd der man selten auf der Bühne begegnet. Gäste waren überhaupt aus unseren Bühnen Heuer nichts seltenes. Nach den erfolgreichen Berlinern kamen die Breslauer, nämlich Di rektor Lobe, der mit seinem Ensemble im Deutschen Volkstheater drei Wochen hindurch die Richard Straußsche „Salome" ausführte. Es war ein Saisonereianis nach Schluß der Saison, eine verspätete Sensation, von der alles sprach und die man gesehen haben mußte. Daran war aber nicht bloß das seinerzeitige Verbot der Hostheaterbehördc schuld, sondern auch die künstlerischen Leistungen des Ensembles und der Solisten. Von den vier Darstellerinnen der Titelrolle hat hier am meisten Fanchette Verhunk entzückt, diese Kroatin mit dem französisch flämischen Namen, obwohl sie den grausigen Künsten und Scherzen Wildes und Strauß' manches schuldig blieb oder vielleicht gerade deshalb. Eine andere verspätete Sensation, aber von weitaus geringerer Bedeutung, brachte ein Berliner Ensemble aus Mitgliedern der Rein- Rollers vielleicht melden, Tlzeater- die sich hardtschcn Bühnen bestehend, das hier mit dem jüdischen Drama „Der Gott der Rache" von Schalom Asch an vier Abenden gastierte. Das Ganze kam recht verspätet — auch mit seinen naturalistischen Gcberven, seinen unechten Gefühlen und noch unechteren Juden. Dagegen gab es bei dicier Gelegenheit ein freudiges Wiedersehen mit Rudolf Schild- krau:, der uns vor einigen Jahren als Possenreißer verlassen hat und Mittlerweile auf dem Umweg über Hamburg, wo Baron Berger den Tragöden in ihm entdeckte, als ein burgtheaterfähiger Künstler wieder- kam — und auch wieder weggefahren ist. Das Bemühen, die Saison zu verlängern, hat keine besonderen Ueberraschungen gezeitigt. Im Wiedener Theater noch ein paar Anf ührungen „D)er lustigen Witwe", im Karltheater die hundertste Auf- ührung der Operette „Ein Walzertraum". Tas Bürgerthcater hat ein zweites, nicht allzu glorreiches Spieljahr mit ein bißchen Skandal und Rummel beschlossen. Die geringfügige Ursache war eine politische Komödie, „Tic Bismarckeichc" von Franz Schumann, einem der ver botensten Dramatiker Jung-Oesterreichs. Er wollte mit seinem Stück einen Ausschnitt aus dem politischen Leben Böhmens bieten, aus dem Partcigetriebc der Alldeutschen und der Tschechen, und stellte zn diesem Bchufe bekannte Gestalten, wie Schönerer und K. H. Wols, kaum mas kiert auf die Bühne. Aber nicht dieser Griff ins politische Leben ist zu beanstanden, sondern die bedenkliche Art, in der ihn der Autor tut. Er vackl dieses Leben nur dort, wo cs pikant und sensationell beschaffen ist, die krasse Wirklichkeit ist in seinen Händen zum noch krasseren Bonlc- vardsrück geworden. Alic unerfreulichen Vorgänge der letzten Jahre werden hier mit bemerkenswerter Ausdauer ausgerührt: Nationale und konfessionelle Hetzereien, Wahlmanövcr und namentlich schmutzige Priva'.cpsären bekannter Parteiführer. Sonst gibt es in dem überaus konfusen Stück nur landläufige Licbesduselci, komplizierte geschäftliche Transaktionen, denen kein Mensch im Zuschancrraum zu folgen vermag, und viel grobe Witzblattsatire. Das Stück übte bei der Premiere keine» wesentlichen Eindruck aus. Bci der -weiten Ausführung gab cs aber Demonstrationen von feiten der Tcutsch.Nativnalcn, die sogar d-c Ab setzung des Stückes verlangten. Dagegen stemmten sich wiederum die sozialdemokratischen Parteifreunde des Autors, und so erlangte die dilettantische Nichtigkeit mehr Aussührungen und mehr Bedeutung, als ihr von rechtswcgen zugekommcn wäre. In der vor einigen Wochen neugcgründcten Hietzinger Sommer- arena wurde eine Posse „Fesche Wiener" aiiiaesuurt, so abgeschmackt possenhaft, wie nur jemals etwas war. Daß ihr Autor ein (leiblicher) Sohn des Dichters Ludwig Anzengruber ist, hat init d.ni Vorfall u chls weiter zn tun. Schließlich noch eine Balletinovität der Hofoper „Rübe zahl", an der nicht die nach Delibcsschcm Muster zusammengeslelltc Musik vcis Neue und Wesentliche war, sondern die Ausstattung. Namentlich, niit der Edelsteingrotte Rübezahls hat die Kunst Professor einen Höhepunkt erreicht, der kaum zu überschreiten ist und auch nicht überschritten werden sott. Und dann ist noch etwas aus dem Hosogcrnthcater zu sicherlich das bedeutsamste und unerfreulichste Ereignis dieses wahres: Gustav Mahlers Demission. Diese Angelegenheit, unterirdisch schon seit Jahren vorbereitet hat, ist Heuer, im zehnten Jahre von Mahlers Wirken, mit einer gewissen eruptiven Heftigkeit an die Oberfläche getreten. Unleidlich oft ist in den letzten Wochen diese Affäre, das Thema von Betrachtungen, Interviews, Feuilletons und selbst Leitartikeln gewesen, und die Sache ist dadurch alles eher als ver ständlicher geworden. Man weiß heute noch immer nicht: Geht Mahler oder wird er gegangen. Ist seine Direktionsmüdigieit die Ursache, seine Tätigkeit als Komponist, seine amerikanischen Plane oder ist seine Demission der Erfolg einer Hofintrige, einer Sängerklique, oder wie auch heimlich erzählt wird, die Folge eines allerhöchsten Zornes? Es ist nicht zu ergründen. Man bat gegen Mahler alles mögliche vor- gebracht. Man hat ihn einer Reihe von Sünden beschuldigt, die ge nügen würden, um zehn Direktoren zu stürzen. Lauter Geflunker; seine sorichwörtliche Grobheit und Rücksichtslosigkeit und ähnliches ist es, was man ihm laut vorwirft, aber seine Hauptsünde, von der man nicht lau: spricht, ist die, eine starke Persönlichkeit zu sein — und das können sie ihr» nie verzeihen. Daß ein Thcaterdirektor demissioniert, ist ja nichts besonderes, zumal nach zehnjänriger Tätigkeit, aber selbst Hein- rieh Laubes historischer Abgang war nicht von einer solchen, mehr schmutzigen als wütenden Brandung begleitet, aus der einem deutlich die hämische Genugtuung entgegenstinkt, wieder einen von Wien weg- geckell zn haben, der ein ganzer Kerl ist. Denn das ist wohl der Schwer punkt dieser Affäre. Nicht um den Direktor, den Dirigenten Mahler, dem wir eine köstliche Reihe von unvLrgcßlichen Opernabenden ver danken. handelt es sich hier, sondern um den Menschen, um die gesamte Erscheinung, um ein starkes Ich, das aus dieser guten Stadt ausge- trieben werden soll. Es ist darum für den Augenblick aum ganz egal, wer sein Nachfolger sein wird. Die Wiener Oper ist ein 'a herrliches und gediegenes Instrument, baß selbst die ärgsten Stiimpcrbände sie nicht so bald verschandeln können. Sie wird weiter blüben, auch ohne Gustav Mahler, ganz gewiß. Nicht die Oper bat den Verlust erlitten, sondern die Stadt und daS Land und wir alle. Und wenn man nun die Bilanz dieses Tbeatcrjabres zieht, kommt man wieder einmal darauf, daß Oesterreichs künstlerischer Erport hauptsächlich im Hinausekeln heimischer Talente und Persönlichkeiten besteht. * * 43. Deutsche Donknnstler-Versammlnng Dresden. (III.) War es weder bei den zwei Kammermusiken noch bei den Overnabenden zu einem musikalischen Ereignis gekommen, io bot das erste Orchesterkonzert, da- am Montag abend im Kgl. Opernbausr stattsand, wenigstens etwas, das beinabe wie ein künsilerischeS Ereignis anSiab; nämlich die stürmisch-beifällige Musnabme der , Kaleidolkov" betitelten Orchestervariationcn über ein Ortginaltbema von HeinrichG. N o r n e. Wenn man daS BeisallStoben der Versammlung hört', gegen welches vereinzelter Widerivruch nicht aufkommen konnte, so war mau geneigt anzunehmen, es habe soeben ein neuentdeckter Meister auS Geiiie- laud -en staunenden Hörern einen Blick in ieine sirablendc Wnnderwelt geöffnet und ihre Herzen mit dem Feuer der Begeinerung erfüllt. In Wahrheit aber bandelt es sich nm die geistvolle, technisch glänzende Arbeit eine» Talentes, dem sich Klugheit und sichere Berechnung des Wirksamen
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