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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070708027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907070802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907070802
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-08
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dir. 187. 1111. Jahrg» Leipziger Tageblatt. L'^7. irgend jemand Partei ergriffe. Auf die Reichstags Wahlen über gebend, de,eichlute er das Wahlen eines Sozialdemokraten als grobe Verletzung der Pflichten als Bundesmitglicd. Diejenigen, die sich ibrer schuldig gemacht hätten, wären zum Teil schon auSgestoßen, zum Teil schwebte das Verfahren gegen sie. Auf Antrag des Rittmeisters Mathias kam dann folgende Resolution mit allen gegen drei oder vier Stimmen zur Annahme: ,,Der Abgeordnetentag spricht dem Bundesvorstand den aufrich tigsten Dank aus dafür, daß er wann für KönigStreue und vater- ländliche Gesinnung anläßlich der Wablbewegungen eingetreten ist, und zwar ohne den unpolitischen Charakter des KriegervereinSwesenö zu verletzen." AuS den sonstigen Verhandlungen ist noch erwähnenswert, daß der nächste Abgeordnetentag in Eisenach stattfinden soll, und daß das kommende Iabreöbudget mit rund N/i Millionen in Einnahme und Aus gabe abschlicßt. Tic polnischen Forderungen und die Enteignungsvorlage. Zur Rechtfertigung der preußischen Polenpolitik ist eS nur erwünscht, wenn die Wortführer des Polentunis von Zeit zu Zeit von der Leber weg sprechen. So Hal jüngst der „Dziennik KujawSkr" den Gedanken der Verleihung deS EnieignungSrechlS an die Ansitdelungskommission mit der üblichen moralischen Entrüstung belämpst und seine Gegenwünsche formuliert. .Wir fordern" — lo beißt eS da nämlich — .die Auf hebung der Ansicdelungskommissioir, des AnsiedelungSgesetzeS, wie über- bauet sämtlicher Ausnahmegesetze. Wir fordern Vie Einführung der polnischen Unterrichtssprache in den Schulen und anderer Lehranstalten, Anstellung ausschließlich polnischer Beamten, die Einführung eines allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechtes für die Landtags» und Stadtoerordnetenwahlen; wir verlangen die sofortige Auflösung deS OstmarkenvereinS, die Unterstützung polnischer wissenschaft licher und gewerblicher Organisationen nach dem Maßstab, wie sie den deutschen bereits zuteil wird, wir verlangen weitergehende Frei heiten der Presse und der polnischen Vereine und die allergrößte Freiheit des Wortes, der Person und des Gewissens. Das sind untere berechtigten Forderungen, ihre Erfüllung ist uns übrigens versprochen worden und wir können sie daher mit Fug und Recht erheben!" DaS Versprechen findet der „Dziennik Kujawski" in den viel mißbrauchten An'prachen deS Königs Friedrich Wilhelm III. vom Jahre 18lS. Be sonders kennzeichnend ist aber die Forderung sofortiger Auflösung des Ostmarken-VereinS, denn die Freiheit, die der .Dziennik Kujawskr" meint, ist eben nur daS Recht der Polen, die Deutschen in den ehe maligen polnischen Ländern können zufrieden sein, wenn sie Duldung genießen. Es zeigt sich eben immer wieder, daß diese Art Polen nichts gelernt und nichts vergessen bat in den drei Generalionen preußischer Staatsangehörigkeit. Es wäre Torheit, von der Zeit allein die Be lehrung zu erhoffen. Rur fortschreitende planmäßige Verstärkung der deutlchen Sicdelungen kann dieses Gemisch albernen Dünkels und dreister Herausforderung des preußischen StaalSgedankeus erfolgreich bekämpfen. * Arbettskümpfe. Die streikenden Seeleute in Hamburg haben sich bereit erklärt, die Arbeit wieder auszunehmen, wenn sich die Reedereien schriftlich verpflichten, Verhandlungen vor der Handelskammer einzugehen. — Der Verband rheinisch-westfälischer Brauereien beabsichtigt einen Teil der organisierten Arbeiter auszusperren, da in mehreren Ortschaften ein von der Arbeiterschaft verhängter sogenannter .Stiller Bierboykott" der Brauereien besteht. — Die Hauptversammlung der schlesischen Textilindustriellen hat der Aussperrung der LandeShutcr Textilarbeiter zugestimmt. * kleine Nachrichten. Ter Staatssekretär im Reichsamt des Innern von Betstmann-Hollweg ist in Kissingen zur Kur eingetroffen. — Der Bürgermeister KrackowSki in Schildberg in Pofen wurde wegen Begünstigung Les polnischen Schulstreiks und öffentlichen Eintretens für diesen vom Amte suspendiert und das Disziplinarverfahren m t tem Ziele ans Dienstentlassung gegen ihn eingeleitrt. Der Posten wird kommissarisch verwaltet. — DieBremer Bürgerschaft lehnte mit allen gegen die sozialistischen und ganz wenig bürger- liche Stimmen den sozialdemokratischen Antrag auf Herbeijührung des allge meinen Wahlrechts für die Bürgerfchaitswahlen ah. Ausland. * Von der Friedens-Konferenz. Wie polnische Blätter melden, beabsichtigen die polnischen Reichstags- und Landtagsabgeordneten einen Protest an die Friedenskonferenz gegen jede Grundenteignungsvorlage zu senden. * Anklage gegen den Banns. In Kroatien wird Stimmung dafür gemacht, daß in der ersten Sitzung deS am l l. d. M. zusammentretenden kroatischen Sabor (Landtag) der neue BanuS, Dr. v. Rakotczay, unter Anklage gestellt werde. Man beruft sich hierbei aus ein kroatisches Staaisgrundgesetz vom Jahre 1874, in welchem ausdrücklich gesagt wird, der Banus sei unter Anllage zu stellen: „wegen jeder Handlung und Unterlassung, durch welche die gesetzliche staatsrechtliche Selbständigkeit der Königreiche Kroatien und Slawonien im Bündnis mit den Ländern der ungarischen Krone eine Einbuße erfährt oder ernstlich gefährdet wird". Durch dieses Staatsgrundgesetz, daS die Sanktion des Königs erhielt, werde das Verhältnis zwilchen Ungarn und Kroatien ausdrücklich als Bündnis bezeichnet, waS den ungarischen „Einheitsstaat" vollkommen aussckließe. Ta aber Dr. v. Rakodczay nach der ausdrücklichen Er klärung deS Ministerpräsidenten Dr. Wekerle die Mission übernommen habe, die Idee vom ungarischen Einheitsstaat in Kroatien zu propa gieren, so habe er die staatSrechliche Selbständigkeit Kroatiens gefährdet. Nach der Meinung kroatischer Blätter dürfte eine erdrückende Malorität des Agramer Landtages dafür stimmen, daß die Anklage gegen den Banus erhoben werbe. Die Stimmung sei überhaupt so, daß man an- nehmen könne, daß die Kündigung des ungarisch-kroatischen Ausgleichs unmittelbar bcvorstehe. * Frankreich in Petersburg. Zur Stärkung des französischen Ein flusses in Petersburg betont der „Temps" nachdrücklichst die Notwendig keit einer Aenverung in der diplomatischen Vertretung. Eine vorschauende französische Politik müsse den militärischen Wert Rußland gebührend in Rechnung stellen und auf seine werttätige Unterstützung in einem kon tinentalen Kriege rechnen. Unter den Kandidaten für die Nachfolge deS Botschafters Bompard nennt man neben DeSchanel den Brüsseler Gesandten Ormesson und den Londoner Geschäftsträger Geoffrey, diesen, weil er zu den Millionären im BeamienstaiuS des Auswärtigen zählt. DeSchanel wurde, als jüngst Crozier den Vorzug für Wien erhielt, auf einen gleichbedeutenden Posten vertröstet. * Französische Wahlen. Bei der gestrigen Wahl zur Deputierten kammer in Boussac wurde der Sozialiftstch-Radikale Judet, bei der Wahl zum Senat in Digne der Sozialistisch-Radikale Pelessier gewählt. * Tie agrarischen Bewegungen in Ferrara. (Privattelegramm unseres römischen ^-Korrespondenten.) Der Landarbeiterstreik in Ferrara ist teilweise beendet, teilweise seinem Ende zuneigend, nachdem die Re gierung hunbertdreißig unter der Anklage der Ordnungsstörung hatte verhaften lassen, und die Versuche, einen Generalstreik Hervorzulufen, fruchtlos geblieben waren. * Tie provenyalische» Maires. Aus Narbonne wird gemeldet: Eine Versammlung der Bürgermeister des Arrondissements, die ihren Abschied eingcreicht halten, bat beschlossen, daß die Mitglieder der Munizipalität jedes für seine Person nochmals die Demission einreichen sollen. — In Montpellier hielten etwa hundert Bürgermeister eine Ver sammlung ab, in der sie beschlossen, ihre Tätigkeit nur wieder aufzu nehmen, wenn die Wähler 'hr Verhalten billigen sollten, und wenn die Regierung im Parlament Abwehimaßregeln gegen daö Elend im Süden durchsetzen sollte. Weiler wurden eie Freilassung der Gefangenen und die Zurückziehung des Militärs verlangt. * TaS Flottenmanöver im Pacific. Präsident Roosevelt hat durch den Admiral Brownson erklären lassen, bei der für den Winter bevor stehenden Fahrt der amerikanischen Schlachtschiffe nach dem Siillen Ozean handle eS sich um eine Schnelligkeitsprobe und ferner darum, zu zeigen, baß die amerikanische Flotte imstande ist, gleichzeitig die Küstcnlinie sowohl des Atlantischen wie des Stillen Ozeans zu schützen. Diese Kundgebung finve nicht etwa statt, weil man an eine Kriegsgefahr glaube. Rookeveltü Absicht möge vielmehr dahin ausgelegt werden, daß die Flotte zur Siche rung des internationalen FrieoenS verwendet werden solle. (?) — Der letzte Satz ist eine höchst närrische Phrase. Japan wird überhaupt wissen, woran eS ist, und wenn die amerikanischen Offiziösen sich die Zunge wund reden mit ihren Kommentaren. * UntonS-Kohlenstation in Mexiko. Von dem stellvertretenden Staatssekretär Aeee wird in Abrede gestellt, daß die Regierung vorhabe, von Mexiko eine Seestation anzukausen. Adee erkläit, der Nachricht liege lediglich zugrunde, daß Mexiko vor kurzem seine Zustimmung dazu gegeben habe, daß eine ständige Kohlen station der Vereinigten Staaten in der Magdalenenbucht die Kohlenlieferungen für die alljährlichen Schießübungen der ameri kanischen Kriegsschiffe übernehme. Eine zweite Depesche meldet: Tele gramme aus Washington besagen, daß die Verhandlungen, die den Ankauf der an der Magvalenenbai in Unterkalifornien gelegenen See skation von Mexiko bezwecken, von Staatssekretär Root gelegentlich seines bevorstehenden Besuches in Mexiko geführt werden lollen, da zahlreiche Offiziere den Wert der Magvalenenbai für die Bereinigten Staaten für groß genug halten, um den Kauf von ganz Unter kalifornien zu rechtfertigen, wenn dieser notwendig sein sollte. " * * Deutsche Finanz in Persien. Wie mitgeteilt wird, waren die Bemühungen der deutschen Finanzgruppe in Persien sowohl auf die Gründung von Filialen in Teheran wie in Schiras und im Süden-ds-. Reiches gerichtet. Wie jetzt auö Paris gemeldet wird, hat Herr Direktor Herbert Gutmann, der Sohn des Direktors Engen Gutmann, Teheran verlassen, nachdem er seine Mission mit bestem Gelingen zu Ende ge führt hat. In welchem Zeitpunkt daö Projekt realisiert werden wird, läßt sich heule noch nicht übersehen. Leipziger und Sächsische Angelegenheiten. L«. etterberrcht -es köngl. sächs. meteor. Instituts zu Dresden. Voraussage für Sen i>. Juli. Vielfach heiter, nur strichweüe Gewitter, schwache Luftbewegung, wärmer. * Auszeichnung. Eine hohe Freude wurde dem Frauenverein „Hand arbeitsunterricht" für Post- und Telegraphenunterbeamte für Leipzig und Vororte zuteil, indem ihnen am Geburtstag des jüngsten Prinzen des Deutschen Reiches aus der Schatulle der Kronprinzessin Cäcilie das Bild desselben in einem herrlichen, mit der Krone verzierten Nahmen zuging. * Tas letzte Feuerwerk ans de» Spvrttzlatz. Erst gab gestern der Himmel ein kurzes Feuerwerk. Nicht grandios wie gewöhnlich, sondern nur einige armselige Blitze. Tann folgte ein kurzer Regentusch. Vorspiegelung falscher Tatsachen! Tie böse» Menschen aber glaubten nicht an den Ernst deS Himmel- und strömten refp. fuhren nach dem Sportplatz, allwo das letzte große Feuerwerk der James Pain K Sons-London — New Kork vor sich gehen sollte. „Eine Nacht aus Coney Island" heißt es. Warum? Tas ist Nebensache. Jedes Kind, jedes Rennpferd und jedes Schiff muß eine Namen haben. Warum nicht auch ein Feuerwerk? Die Hauptsache ist, daß es gelungen ist. Und das letzte Feuerwerk auf dem Sportplatz war gelungen wie alle anderen vorhergehenden. James Pain L Sons bürgten ja dafür. Sie haben ja auch neulich im Palmengarten den Hellen Tag des lieben Gottes illuminiert und bengalisch beleuchtet. Die Kapelle Curths ließ die Kühle des Abends vergessen. Ouvertüren, Märsche, Walzer — und natürlich die lustige Witwe. O — o! Und dann stieg eine Bombenrakete empor — hoch — hoch — ganz hoch! Und oben gab sie einen Kanonenschuß ab. Tie Feuerwerksschlacht oegann. Zwei „Riesenlustballons" stiegen hintereinander empor. Riesen waren sie nun zwar nicht. Nicht eine Katze hätten sie mit in die Lüste empor nehmen können. Aber Wunderwerke waren sie. Allerhand Feuerwerk ließen sie in den Lüsten los. Es regnete bunte Kugeln und feurige Schlangen zischten herab. Und dann stiegen aus dem dunklen Hinter- gründ von der profanen Erde zu den immer höher schwebenden Luft- ballons pfeifende Feuergarben empor, entluden sich hoch oben prasselnd und knallend und streuten Leuchtkugeln, rote, blaue und goldene, her- nieder. Und plötzlich erglänzte am Gelände bengalisches Massenfeuer, das in alle Farben wie auf Kommando überging. Nun begann ein toller Feuerwerkswettstreit: Ein Riesenblumenrad drehte sich wirbelartig Bomben knallten in den Lüften: ein Juwelenbaum erblühte: ein feuriger Affe turnte zum Gaudium der Kinder am Reck: ein Radfahrer und eine Radfahrerin machten ein Wettfahren — leuchtend und glänzend, dis sie plötzlich verlöschend zusammenbrachen' zwei Maibäume sproßten empor: indische Sterne erstrahlten: das sächsische Landeswappen drängte sich durch Rauchwolken — ein hellglänzendes Schauspiel für Götter und Menschen! Und dazwischen Knallen, Knattern, Prasseln und Zischen; Musik und Beifallsklatschen des Publikums. Und draußen auf der Straße standen Tausende und sahen, soviel sie ersehen konnten. Aber nur was da droben am Himmel sich entlud, konnten sie schauen. Was auf der Erde passierte, blieb ihnen verborgen. Wie immer! Der Himmel ist freigebig: die Erde aber ist so karg. . . . — Der Allgemeine Turnverein zu Leipzig beging gestern in An- Wesenheit zahlreicher Freunde, Gönner und Ehrengäste — als solche erschienen Oberst Leimbach, Schulrat Professor Dr. Müller, Stadtrat Pfeiffer, der Vorsitzende der Deutschen Turner- chaft Dr. Ferd. Goetz und der Vorsitzende des XIV. Turn- reifes Sachten Seminaroberlehrer Fickcnwirth aus Dresden, owie Vertreter hiesiger und auswärtiger Turnvereine —, die Feier eines 62. Stiftungsfestes durch ein glänzendes Schau turnen auf dem Tunplatzc der Städtischen Turnhalle. Die Heerschau, welche bei dieser Gelegenheit erneut über die Getreuen des Vereins ge halten wurde, ergab ein erfreuliches Ergebnis an gesunder Kraft, Be geisterung und turnerischem Sinn aller Mitglieder, rom ältesten bis zum jüngsten bei den Aufgaben dieses in großem Stil geübten Examens, bei dem auch die gerühmte Schule des Vereins in bewundernswerter Weise in Erscheinung trat. Einem glatten Aufmarsch folgten Frei übungen, denen sich ein Niegcnturnen ohne Wechsel der Geräte anschloß, bis Hantelfreiübungen, von Mitgliedern der Frauenabteiluugen aus geführt, und ein Turnen der Vorturner am Barren mit Federbrett das Ende des trefflich zusammengestellten Programms bildeten. Die Freiübungen wurden vom Obertrunwart Hentschel geleitet, die Hantel- Freiübungen vom Vereinsturnlehrer Kunze, während das Turnen ber Vorturner unter Turnwart Arthur M üller geschah. Unmittelbar nach der Aufstellung richtete der Vorsitzende des Allgemeinen Turn vereins Herm. Linckc eine kurze, kernige und eindrucksvolle Ansprache an den versammelten Kreis, ihm un Namen des Vereins einen herzlichen Willkommensgruß zurufend. Als sich vor nunmehr 62 Jahren eine An- zahl erfahrener Männer unserer Stadt, an ihrer Spitze die Professoren Bock, Biedermann unb Schreker, Dr. Stephani unb Kauf mann Lange, zur Bildung eines Turnvereins verbanden, so sollte es ausgesprochen ein Allgemeiner Turnverein sein, der dem tur nerischen Bedürfnis aller Stände und aller Lebensalter Rechnung zu tragen hätte, und Professor Bock hatte hierbei nicht nur das männ liche, sondern auch bas weibliche Geschlecht mit ins Auge gefaßt. Aber selbst einem Professor Bock gelang dieses Vorhaben nicht, weil man darpals noch der Meinung war, daß eine solche Beschäftiguna für das weibliche Geschlecht „ungeziemend" sei. Später wurde der Versuch noch mals gewagt, und zwar durch den Turnlehrer Zörnitz. Tie weibliche Abteilung trat auch ins Leben, doch nur für kurze Zeit. Erst vor zwan- zig Jahren glückte es dem Allgemeinen Turnverein, das Turnen für Frauen und Jungfrauen neu zu beleben und fest zu begründen, so daß seitdem in Wahrheit von einem Allgemeinen Turnverein gesprochen werden darf, der allen, Männern und Frauen, JüngliKgen und Jung frauen, Knaben und Mädchen die Möglichkeit bietet, die heilsamen Wir kungen des Turnens sich nutzbar zu machen. Und wie eS die Gründe des Vereins vor 62 Jahren erstrebt und erreicht, so ist es auch seitdem geblieben, daß alle Stände und Klassen sich friedlich zu frischer und fröh licher Turnarbeit, zu friedlichem Wettstreit und zu frohem Spiel ver einigt haben. Und das gilt von fast allen Turnvereinen der beutschen Turnerschaft. Um so unverständlicher ist es, und bedauerlich, daß man in neuerer Zeit besondere Turnvereine geschaffen hat, die ausgesprochen der Arbeiterschaft dienen sollen. Der Allgemeine Turnverein bestreitet auf das entschiebenste, daß hierzu eine Veranlassung gegeben war, und er beruft sich hierbei lediglich auf seine Vergangenheit, wie die seiner Brudervereine. Gerade die Turnvereine haben sich stets des Vorzuges rühmen dürfen, daß unter ihren Mitgliedern die Standesunterschiede sich nie geltend gemacht haben, und daß mit dem Ablegen der Oberkleidcr zu Beginn der Turnübungen auch alles, was sonst die einzelnen unter schied, beseitigt wird. Ob reich und vornehm, ob arm und schlicht, ein ander abgestimmt, daß jede einzelne Figur für sich ein Meisterwerk be deutet. Ter „Johannes im Kerker" geht dagegen für mein Empfinden ein wenig zu stark ins Naturalistische und streift ein wenig zu sehr die Kari katur. Es fcblt diesem Bilde bei aller künstlerischen Exaktheit jenes innere Feuer, das uns den Meister Eduard von Gebhardt so teuer macht. Mit diesen Ausführungen kann man getrost die Akten über die Düsseldorfer Maler schließen; Bildhauer gibt es in der Rheinstadt nicht, obgleich mehr als zuviel Menschen auch hier den Meißel führen. Wem im Münchener Glaspalast an der Mehrzahl seiner plastischen Werke die Freude an der Bildhauerei unserer Tage noch nicht vergeht, hem rate ich eine Reise noch Düsseldorf zu machen, um sich das anzusehen, was hier an Plastik entsteht. Er hat Zeit seines Lebens genug davon. Und solche Dinge, bei deren Erinnerung einen heute noch ein leiser Schauder über kommt, stellt man ans in einer Revue, bei der nur die Höhenleistungen unserer deutschen Knust vertreten sein sollten. Entsetzlich, dreimal ent setzlich. Eins dieser lieber nicht genannten Werke der Herren 1. und P. genügte, um einen ästhetisch empfindenden Menschen die Lust an der ganzen Ausstellung zu verekeln; aber in Düsseldorf sind die Herren, die über das Wehl und Wehe dieser Kunststadt beraten, anderer Meinung. Nun gut, Iloloant sua Iota.... Ich denke und hoffe, das heurige Unternebmen der Deutsch-Nationalen Ausstellung gibt dem Düsseldorf, das sich so gern in den Strablen der Sonne wärmt, die die Kunstfreunde in den Ländern am Rhein über der Stadt leuchten lassen, den Gnaden stoß. Vielleicht, daß man von den Jungen, den Elarenbach, Schmurr und wie sie alle beißen, in absehbarer Zeit eine Besserung erwarten darf. Tie müßten sich freilich schon gewaltig ausrappelu, um zu verhindern, daß je wieder in Tnst'eldors eine Ausstellung vor die Ocffentlichkcit tritt, in der so wahllos und kunterbunt Gutes und Schlechtes beieinander ist. Or. 6oc>rx Liorinaun. «k * Tßcaterkrise in Prag. DiestS Jahr scheinen die Tbenterkrisen epitemllck meiden zu wollen. Auch bei dem Deutschen Theater in Prag kriselt es. DaS Deutsche Theater ist eine vom Lanke Bödmen subventionierte Kunstanstalt. Ter jährliche Beitrag beläuft sich aus ungefähr 240 MO Kronen. Außerdem hat es noch einige fiuchtlragenve Privilegien So hat Kaiser Josef II. bei Errichtung im Indre I78l idm das Recht verlieben, von allen öffentlichen Veranstaltungen im al en Weichbild Prag- 5 Prozent der Bruttoeinnahmen zu erbeben. Ueber cie'eS Recht wurde später mit dem tschechischen Nationaltheater eine Vere u arung getroffen; immerhin trögt es der deutschen Landeebühne mindestens 10 000 ./r ein. Ter LandeSausschuß als das Volttugsorgan i ergibt Las Theater au einen ^Unternehmer, doch laben die 8 Besitzer ker sogenannten Erblogei auch ihre Stimme i abzugeben, deren Mehrheit ein Velo ist, so daß ein ihnen nicht genestm.r Bühnenleiter nicht berufen werden kann. Tiefe Erblogenbeützer sins die Nachkommen ker Gründer Les Theaters und gedören den Familien Kaunitz, v. Tdun, Nostitz, Sternberg. Hohenlohe, Wattslein und Czernin an. Das Prager Deutsche Theater hat noch den Vorteil, einen Abonnentenstamm zu besitzen. Tie Einnahme aus den AbonnementSgelderu beträgt ungefähr 250000 Kronen. Leit dem Jahre 1887 ist Angelo Neutüann Direktor. Sein Kontrakt läuft noch bis 1915, vor einem Jahre ist bekanntlich dieser in Prag mit Recht sehr beliebte Direktor schwer erkrankt. Obzwar die Krankheit behoben ist, will er, wie ver lautet, von der Direktion im Herbst zurücklreten, so daß daS Theater neu ver geben werden müßte. Seit mehr als einem Jahr hat der Sekretär Karl Rosen heim mit großer Umsicht und Verständnis in Vertretung des erkrankten Direktors die Geschäfte gefühlt, doch gibt er hier seine Stellung auf, um in gleicher Eigenschaft nach Wien ans RaimunS-Tbeater zu Tiiektor Lautenburg zu gehen. Im deutschen Theaterpublikum sind nun allerhand Gerüchte verbreitet. Mit Sorge wird der Zukunst entgegeagejehen, denn das Theater ist in Prag eine Lebensbeeingung deS Deutschtums. So wird behauptet, daß der deutsche Tbealerverein, dem das neue deutsche Theatergebäude und der gesamte FnnkuS tzehött welche beide aber dem jeweiligen Leiter der Landes-bühne zur Benützung überlassen werden, daS Theater in eigene Regle übernehmen und einem kunst verständigen Direktor gegen Gestalt übergeben will. Weiter werden viele be kannte nnd unbekannte Namen als Bewerber genannt, u. a. auch Herr Wilhelm von Wymetal, der von nächster Spielzeit ab als Lberregisseur in Leipzig gebunden ist. Ein weiterer Umstand, der namentlich bei den Bühnenmitgliedern Auslegung erzeugt, ist der, daß init dem Rücktritt Neumanns sämtliche Kontrakte gelöst erscheinen. Hoffentlich wird eine allerseits befriedigende Lösung dieser Theater krise gefunden nnrden. * Sardon nnd Dante. Man erinnert sich vielleicht noch an den Feder krieg. der in ker italienischen Presse beim Ertcheinen der „Tante" von Sardou entbrannte, weil der alte Slückemacster in seinem vstanlasti'chen Drama das Leben des großen Gbibellinen zu einem richtigen Pariser Spektakel- und Sen« jationSstück verarbeitet hatte. Jetzt veröffentlicht die „Rivisla di Roma" einen noch unbekannten Bries, den Snrkou im Jahre 1904 an einen jungen Schrift steller schrieb, der Len „Dante" ins Italienische übersetzen wollte; in diesem Briefe liest der Nestor dcc französischen Theaterdichter Len Italienern und dem Tante ganz energisch die Leviten. „In Wirklichkeit", schreibt er, ,war unser Dante" (Sardou hatte, als er das Verbrechen an Dante beging, einen Komplizen. Die Ned.l nie für Italien bestimmt. Wir wußten ganz gut, welche Ausnahme ihm Ihre Landsleute bereiten würden, erstens, weil sie voreingenommen waren kdie Eriahcnng hat uns ja recht ge geben). und dann, weil dieser „Dante" nicht den falschen Vorstellungen ent spricht, die man sich in Ihrem Lande von dem großen Manne gemacht bat („hier" — so bemerkt der Schriftsteller, an den der Bries gerichtet ist — „folgten ein paar Worte, die so scharf waren, daß Sardou selbst sie als beleidigend er kannt und nachträglich gestrichen dal"). Man lat uns vorgeworjcn, daß wir nicht den historischen Taute auf die Bühne gebracht haben. Zum Glück für uns und sür ihn. Denn man darf den historischen Tante nicht aus allzu großer Nähe betrachten. Wir staben mit Astiick t sein Privatleben, das durchaus nicht lobenswert war, und seine politiiche Tätigkeit, die ost scharfen Tadel verdient, im Dunkeln gelassen, um in it>m nur den unvergleichlichen Dichter zu sehen. Wir staben seine Sünden vcrs.i leiert nur ibn mit Tugenden auSafftatlct, die er nie batte: mit einer Vnieiliebe, L'e iüm fremd war, und einer Verehrung für Florenz, die sich in Wirklichkeit in der Weise luittgab, daß er Heinrich von Luxemburg ausiorderle, die Stadt zu vernichten." Sardou erklärt dann weiter, daß es seine Absicht gewesen lei, Dante „als die Verkörperung der italienischen Vaterlandsliebe binzustellen"; in Wirklichkeit sei er das gar nicht gewesen. Und alle die Italiener, die einen so tiefgründigen Dantr- sorjcher, wie Sardou es ist, bernntcrzureißen wagten, sind „nichts als Snobs", die von Danle nur das wissen, was offiziell verlautbart hat, und die sich nicht die Mühe geben, ihn io zu leien und zu erforschen, wie er, der gründliche Sardou, ihn studiert hat. Nach dem berühmien Verfasser der verschiedenen Toren, Fecwren und Theodoren war Taute ein ganz gewöhnlicher Schürte, der nur daS Verdienst batte, ein ganz nettes Gedicht zu schreiben, und die Italiener, die ihn für ein Muster von bürgerlicher Tugend und Würde halten, sind Scstafs- köpse, die gut täten, wenn sie bei Bictorien Sardou Unterricht in der Dante« künde nähmen. * Münchener Jahresans,tUlnng ISO 7 im König!. Glaspalast. Aus München wird uns ge chrieben: Vom bäurischen Staat wurden an- gekaust die Oelgemälde: Franz Tüicke „Vorfrühling im Gebirgsdors"; Otto Strützel „Mühlgraben im Winter"; Otto Sinding „Tiefer Schnee"; Gilbert v. Eanal „Stimmung bei Dordrecht"; Knut'Hansen „Kaprice" (Aquarell). Vom Schlesischen Mu'eum der bittenden Künste in Breslau wurde erworben das Oelgemälde: Wilhelm von Diez ch „Marketenderin". Von Privaten wurden ferner angekaufi die Oelgemälde: Otto Frö hlich , Fcenreigen"; Edmund Harburger ch „Herrgollswin el"; Paul von R ivensteiu . Hochmoor tm Wolken schalten"; Paul Paeschke.,Von der Mosel"; Walter Gefscken „Abend aus der Tei rasje"; Hans Gabriel Jentzsch „Tafelrunde"; Edgard Farraiun , Das RetuingSbcot"; Franz Crässel ..Weiße Enten'; Hermann Urban „Sommernacht": Jacob Gehiig „Winterliche Mondnacht": Carl Marr „Studie": Wnstelm von Diezch „Pierbe- handel", „Aus den Bauernkriegen" ,Aquarell) „Landlchaitlicste Studie ' ( ' q>:a:rll), 3 Zeichnungen; Hermann Roter..Winter" tt'arbigr Radiciung nach Hans von Petersen); T. Franz Simon „Pariser Büchertrüdler" (Radiecniist; Daniel Staschus „Ter erste Schnee" (Originalbol-schnitt>; Ernst Liebermann „Landstt in Thüringen" ffarb ge Zeichnung); Friedrich Kallmorgen , TresLen" -Z i i nun,,); Christovh Roihch „Rahmen mit Zeichnungen"; Jo epst Wnckerie . Porzellan gruppe" „Sitzende Tame" iPorzellansigurHerman i Pcrich „Dec Kuß" (Brornegruppe); Weia von BattelS „Ein Ara ' (sacb Wachs; Ernst Seger „Statuette Les Fräulein Lilly Marberg als Salome' (Bronze). * Kleine Ehronik. Die vorzügliche jugendliche Pianistin Anny Eisele wurde soeben von der Knrdireklion zu Wiesbaden unter glanzenden Be dingungen sür ein Konzert im neucrbauten großen Kursaal gcwo-nen. — „Der Kaiser" ist der Titel eines fünfaktigen Dramas von Hans von Kahlenberg (Helene von Mombart). — „DaS Lied vom bravcn Mann", Jon Lehmanns Lustwiel, geht als Eröffnungsvorstellung LeS Wiener Deutschen VolkstheaterS am 10. August in Szene. — „Ter Turm bau zu Babel", rin Schwank von Bertram, wurde im Vikloriatbealer in Magdeburg zum erstenmal aufgesührt. Das Stück wurde sehr freundlich aus genommen. — Kammersängerin Luise Reuß-Belce aus Dresden wird in der kommenden Spielzeit bei einer Neueinsintierung deS „Nibelungenringes" im Hamburger Stadttheater die Regie führen. — AuS Rom wild gedrahtet: Wie Pnccini einem Redakteur des „Giornate d'Jtalia" erzählte, ist er im Begriff, zwei neue Opern zu komponieren. Tie eine be handelt Len tragischen Stoff Maria Antoinette; die andere hat eia Ereignis auS dem Leben der kalifornilchen Goldgräber zum Gegenstand.
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