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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070710019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-10
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Vez«-».Pre» Ltr et»»elL« «»»»« wstet 1» etrdaktt»» and GemdMoar Joh«mü»g-sle L tÄrp-onUr. I4SSS, we. 1««^ §de. 14SS«. d^K-<E§EHLD»VNrAmr L«Nn »rr. 7, Vrt«, L-»t, F«di»«d. Strafe 1. TelrPhou I, «r. S27S. Nr. 18S. Morgen-Ausgabe L MWMTaMM Han-elszettung. Ämtsvlatt -es Rates im- -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. »«zeige«-Preist sür Inserat« an» Letptta und Umgednna dt« S-«ssaltene P-tttzeU« 2S M., finanziell« »n^i,«n Sö W., «ellaiuea 1 M.; von «n»«Lit» SV Pf., Reklamen I.M M.s vom«u»land S0Pf., ftnan».«n»et,en75Vs., Reklamen I.A) «. Inserate v. veUrden im amtlichen Tril 40 Wf. Beilag eg ebllbr S vi. p. Lausend exkl. Vos«, gebühr, »eschäftlan^igen an bevorzugter Stelle im Preis« «rhbht. Rabatt nach Taris. Aesterteilte Aufträge känne» nicht zurück» g«j°gen werden, tzür da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. «neigen»Annahme: «u,us»«»,latz tz, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Expeditionen de» In» und An-lanbe«. Haupt »Filiale verltnr Earl Duncke , Herzogl. Payr. Hofbuch» Handlung, Lützowstrahe 10. (Telephon Vl, ?kr. 4MS). Mittwoch 10. Juli 1907. 101. Jahrgang. Var Wichtigst« von» Tag«» * Der Kaiser hat gestern nachmittag 1A Uhr die Reise von Bergen »ach Nordfjord bei kühlem und regnerischem Wetter fortgesetzt. * Im Reichskolonialamt trat gestern die vom Staats sekretär deS Reichskolonialamtes einberufene Konferenz zur Kodifikation eines Eingeborenenrechtes -uiammen. lS. Dtschs. R.). * Der Präsident deS ReichSversicherungsamtes Dr. Kauf mann hob gestern in einer Rede die soziale Bedeutung der Berufsgenossenschaften hervor. IS. Dtschs. R.) * Gegen daS Münchener Urteil im Peters-Prozeß haben beideParteien Berufung angemeldet. * Im österreichischen Abgeordnetenhause wurden zahlreiche Interpellationen wegen der Wekerle schen Entgleisung eingebracht. IS. AuSl.) * Jussuf Bei Cusa, bisher Staatssekretär im Ministerium deS Avußern, ist -um Gouverneur d es Libanon ernannt. * Amerika will Hawaii befestigen. IS. Ausl' BSlom und p>osadorvrkv. Bon einer mit den Verhältnissen intim vertrauten Seite erhalten wir die folgende Zuschrift: Der große Personenwechsel in Berlin ist geschehen, die öffentliche Meinung hat für und gegen Stellung genommen, und da- Endergebnis der zahllosen Betrachtungen läßt sich nicht kurzer und bester au-drücken als indem Wort: .Abwarten", da- ja von allen vielleicht die geeignetste neue Devise de» Fürsten Bülow wäre. Der Reichskanzler selbst hat den Wechsel mit der Notwendigkeit begründet, daß ei» festerer Zusammenhang zwischen der Leitung de« Reich« und Preußen« dergeftellr «erd« müffe. Ma» wird nun zu der Frage berechtigt fein, warum er selbst, der doch gleich zeitig der erste Beamte im Reich wie in Preuße» ist, seit lange» Jahren praktisch für die« Zusammenwirken so wenig eingetrete» ist, ja ob er jemals in dieser laugen Zeit auch nur einen Versuch nach dieser Richtung gemacht hat. Und d»ese Frage führt dazu, die letzten Vorgänge nicht bloß vom hohen Standpunkt staatsmännischer Interpretation, sondern mehr vom menschlich-persönlichen Gesichtswinkel au- zu betrachten. Für den praktischen Politiker, der mit den täglichen Ereignissen und den kommenden Möglichkeiten zu rechnen hat, gibt sogar diese letztere Be trachtungsweise nützlichere Fingerzeige, weil sie die eigentlichen Beweg gründe bloßlegt. Zwischen Fürst Bülow und Graf PosadowSky hat zu keiner Zeit eine wirkliche Sympathie bestanden. Man wird vielleicht in der Lage sein, zahlreiche Versicherungen de» Reichskanzler» in der Oeffentlichkeit nachzuweiseu, in denen er seinen ersten Mitarbeiter als seinen besonderen Freund bezeichnet hat. Indessen, wer weiß: die Herren mögen Miquel oder Eulenburg (auch Phili), PodbielSli oder PosadowSly heißen, zu nächst und solange sie in der Macht sind, werden sie al» Intime öffentlich gepriesen. PosadowSky speziell ist von Anfang au dem Kanzler al» ein nicht genehmer Koulurreut erschienen, und nur seine geistige Ueberlegenheit und daran» resultierende Unentbehrlichkeit haben ihn so lauge in der Stellung gehalten. Wo aber sich eine Möglichkeit ergab, die Bedeutung diese» al« Reffortchef ungewöhnlich begabten Beamte» herabzudrückrn, ist sie mit Eifer ergrifft» worden. E« war eine der ersten Aktionen des heutigen Kanzler», wenige Wochen »ach seiner Ernennung, daß er im Reichstage daS Verhalten de» Grafen PosadowSly in der bekannten Angelegen heit der Beschaffung von AgitationSgelderu durch den Zentralverbaud der Industriellen i» einer Weise rügte, die auf alle Anwesenden einen peinlichen Eindruck machte. Dieser hatte ohne Zweifel weuig geschickt gebandelt; aber eine solche Bloßstellung in Gegenwart de» Betroffenen dürfte schwerlich eiuem so hohen Beamten je widerfahren sein. Alle Welt hatte damal» den Eindruck, daß damit die Stellung de» Grafen, wen» nicht erschüttert, so doch für die Zukunft kompro mittiert war. Da bereit» damal» da» Gerücht ging, PosadowSky habe sich mit Hoffnung« auf da» Kanzleramt getragen — wir wissen nicht, mit welchem Recht —, so schien jetzt die Nebenbuhlerschaft für ablehbare Zukunft beseitigt. Nuu verdient aber bei dieser Erinnerung erwähnt zu werde», daß PosadowSky damals nicht» andere» begangen hat, al» vor weuigea Monat« Fürst Bülow selbst, da er d« Betrag von 30 000 u» von einig« reich« Industriell« und Finauzmäuueru für die Beeinflussung dir Wahlbewegung «tgegeuuahm. Ma» mag sich zu der artige» heimlich« Unterstützung« stell« wie man wolle — und ihre Heimlichkeit beweist, daß die Beteiligt« sie nicht für unbedenklich hielt« — in jede« Kalle aber wird man zugebe», daß mit verschieden»« Maß-, und -war zm» schwer« Nachteil de» Staatssekretär» gemeffra Word« ist. Weun nun auch der Kanzler und sein erster Mitarbeiter im Reich äußerlich erträgüch auSkameu und die Fernstehend« von de« Mangel innerer Haruroaie weuig «erklw, so war man au den Zeutralämteru selbst i» keiuer Weise zweifelhaft wie die Diuge wirklich lag«. Posa dowSky herrschte i» sei«« Reffort souverän, und der Kanzler war nicht i» der Lage, ih« da erheblich hineiuzured«. Äu dieser Beziehung be steh« ja iu weit« Kreis« höchst u»zuireff«de Anschauung«. Dauk eiuer ih« gefällig« Presse weiß Fürst Bülow d« Eindruck zu verbreite», al» üb« er auch i» der iuuere» Tätigkeit der Reich»orga»e «iu« bedeutend« Einfluß au». Die Eiugeweihta wissen, daß da» sicht der Kall ist. Fürst Bülow hat für die iuuereu Borgäuge iunuer nur ein platonische» Inter- esse bewies». Bo, de» Staatssekretär« fleht er verschied«« um ga» seit« i« Sah«. A»ch die iuuere Verwaltung und Gesetzgebung Preußm» gewährt ih» «r ei» sekundäre» J-tereffe. Richt» bereitet ib« ei» geringere» vergnüg« al» die Abhaltuug vou Staat»- miuistrrialfitzunge», »ad höchst seit« beteiligt er sich a» eiuem eigen« Bota«, wie ffe »ter d« «iuiste» vor d« Sitz«-« üblich sind. Lr steht »ach sch»« ga»M Vorbildung dies» Di»ge» durch«» ftr», und wenu er sich beteiligt hat, so geschah e», wenn er durch die nationalen Verhältnisse zur Beteiligung gedrängt wurde und sein persönlicher Ruf in Gefahr stand, und auch dann eigentlich nur in oratorischrr Weise. Um so näher hätte e» gelegen, daß er nach dem Ausscheide« Miquels die stellvertretende Leitung des StaatSministeriumS einem anderen Mitglied! dieser Körperschaft über ließ. Aber daran hinderte ihn die Abneigung und da» Mißtrauen gegen PosadowSly. Die Stockung, die in der Tätigkeit dieser ersten Behörde Preußens seit Sommer 190l eiutrat, ist wesentlich diesem Zustande zu zuschreiben. Es gab eigentlich keine rechte Leitung des StaatSministe- riumS. Jeder Minister herrschte unabhängig in seinem Ressort, und jeder kümmerte sich möglichst wenig um den Nachbar, und am wenigsten der Präsident um die Kollegen. Eist allmählich hat sich hier wieder durch die Not der Verhältnisse ein mockus vivouäi gebildet. Aber zunächst hieß die Parole: Lieber nichts tun, als einen Mann an die Leitung lassen, an dem der Kanzler die pupillarische Sicherheit wie in früheren Epochen — zu vermissen glaubt. Im Frühjahr 1906 traf den Kanzler daS Mißgeschick eine» ernsten Leiden». Es wurde, nachdem die erste Gefahr geschwunden, der Gedanke erwogen, dem Kanzler einen Stellvertreter im Reiche zu stellen. Als solcher wurde der Botschafter in Madrid, Herr v. Radowiy, in Aussicht genommen. Hiergegen aber erhob Graf PosadowSly Einwand: er sei der gegebene Stellvertreter deS Kanzler- und könne nicht übergangen werden im ersten Falle, wo diese Vertretung sür längere Zeit erforderlich werde. Fürst Bülow zog es auch diese- Mal vor, keine allgemeine Stellvertretung zu bestellen, als da» Steuer des ReickSsckiffS auch nur vorübergehend dem Staatssekretär zu überlassen. Natürlich wurden Gründe der auswärtigen Politik hierbei zur Geltung gebracht — obwohl ernstere Frage» — nach Erledigung der Marokko- Angelegenheit nicht mehr Vorlagen, und die Leitung dieser Politik in den berufenen Händen geblieben wäre. Die klare Absicht war aber auch hier, den unliediamcu Grafen fern von der leitenden Stelle zu halten. Man sieht, e» war ein wenig erfreuliche» Verhältnis, und man muß sich eigentlich wundern, daß e» so lange hat halten können; trotzdem lautete nach wie vor die Parole: Der Kanzler befindet sich „in gutem (!) Einverständnis" mit seinem Staatssekretär. Da eS aber ganz daS Gegenteil war, hätte eS wohl nahe gelegen, dem Verhältnis auch in loyaler Weise eia E»de zu machen. Der Kanzler war der Vorgesetzte und außerdem der Stärkere durch den Rückhalts über den er verfügte. Warum konnte die Scheidung nicht statlflnden, wie sie unter gereiften Männe«, deren gemeinsame» Ziel doch ohne Zweifel da- vater ländische Interesse ist, sich von selbst verstehen sollte? Aehnlich Wie dem Minister Miquel kam e» auch diesem hervorragenden Staatsmann ganz unvermerkt, urplötzlich. Bülow darf sich rühmen, die zwei bedeutendsten Minister, die seit Bismarcks Abgang im preußischen und ReichSintereffe tätig gewesen sind, mit einer eleganten Handbeweguug kaltgestellt zu Haden, in einem Augenblick, wo sie eS am wenigsten ahnten. Jetzt ist Bülows Dahn frei. Unter dem Jubel seiner Myrmidonen verkündet er, daß nun erst eine wirkliche Einwirkung auf die preußiiche Verwaltung möglich sei. Alle Augen schauen gespannt auf da» Werk und seinen Meister. Im Winter wird er den Bew.'iö seine- lang zurückgehaltenen Können» liefern und der staunenden Mitwelt zeigen, wie er — Fürst Bülow — den Satz versteht: Mo Lkoäus, bio salb»! Die Fsrieirveisen unter -er Lisenbahnrefornr. Die Gepäcksracht. Zur Beurteilung des am 1. Mai eingeführten Gepäcktariss zunächst eine allgemeine Vorbemerkung über das Gepäck der Eisenbahnreiseuden überhaupt. Vielfach begegnet man der Auffassung, es sei Loch ganz in der Ordnung, daß der Reisende für sein ausgegebenes Gepäck besonders bezahle. Die Beförderung deS Gepäcks bedeute eine besondere Leistung, und Leistung müsse durch Gegenleistung ausgewogen werden. Wenn man'» so hört, möcht'S leidlich scheinen, ist aber doch bei näherer Prüfung weder leidlich noch gerecht. Der deutsche Reisende ist kein Zigeuner, auch kein Handwerksbursche, der seine ganze Reisehabe im Schnupftuch mit sich fichrt, sondern er ist das, was man einen „zivilisierten Mltteleuro- pLer** nennt, und diese Gattung Mensch reist regelmäßig mit einer ge wissen Menge Gepäcks. Wer dies als Luxus bezeichnet, der hat selt same Begriffe von Luxus und gar keine von dem, was der Mensch deS 20. Jahrhunderts notwendig braucht, um nicht in seiner körperlichen Kultur minderwertig zu werden. Darum behaupte ich: der Reisende und sein notwendiges Gepäck bilden eine Reiseeinheit, und der Fahr- preis, so hoch oder so niedrig er sein mag, hat für diese Einheit zu gelten. Hieraus folgt: angemessenes Freigepäck für jeden Reisenden, also etwa freie Beförderung bis zu 50 Kilogramm. Ich bin auch nicht der Mei nung, baß für Kinder hiervou eine Ausnahme zu machen ist. Laß meine Forderung deS angemessenen Freigepäcks nichts Ueber- triebeueS, nichts Utopisches, wie die Entgegnung in solchen Fällen so gleich heißt, sein kann, dafür dienen zum Beweise zwei Länder mit der höchsten Reisekultur: England und die Vereinigten Staaten. In beiden Hauptreiseländern herrscht in der Wirklichkeit geradezu unbegrenzte Gepäckfreiheit. Auf dem geduldigen Papier des Tarifs stehen -war die Höchst-ahlen deS zulässigen Gepäck», und wenn die Eisenbahnen wollten» so könnten sie für Reisegeväck von mehr al» 100 Pfund Geväckfracht er heben. Da» fällt ihnen aber gar nicht ein; denn dazu würde ein teurer Stab von Beamten nötig sein, und die Verwaltungen haben sich längst auSaervhnet, daß solche oesonderen Gepäckbeamten mehr kosten würden al» die ganze Einnahme auS dem überschießenden Gepäck. Jeder, der iu England oder Nordamerika gereist ist, weiß, daß dort kein Mensch sich »m da» Gewicht deS aufgegebeaen Gepäckes kümmert, daß so gut wie j^e» Gepäckstück — ganz außergewöhnliche Fälle ausgenommen — umsonst befördert wird. Ja Norddeutschland hat, wie an» noch in neidvoller Erinnerung steht, oi» vor Ävei Monaten die Gepäckfreiheit wenigstens bis zu 25 Kilo gramm geherrscht, und in den meist« Fällen reichte diese Gewichtsmenge am». Seit dem 1. Mai 1907 ist jur ganz Deutschland die Gepäckfreiheit atgeschafft, und an ihre Stelle ist ei« sehr verwickelter Gepäcktarif von 14 EutsernungSzo»« und einer Nahzone von sieben GewichtSstufen und einer Vorstufe sm» zu 25 Kilogramm) aetreteu. Die Entfernungszonen betragen, außer der Nahzone von 25 Kilogramm, meist 50 Kilogramm »ud fur die 11. bis 14. — dies« letzte alle Entfernung« über 800 Kilo meter umfassend - je 100 Kilometer. Kür die uns am meisten geläufioe GewichtSftufe von L Kilogramm wird bis zu 800 Kilometer ein Preis von 0150 Fl, darüber hinaus von 1 Fl erhoben. Soweit ist der Gepäcktarif verhältniSmäßia „einfach" und, wenn Überhaupt ei« Gebühr erhoben werden soll, nicht zu teuer. Verwickelt ruw kostspielig werde» die Gepäckpreis« erst bei schwere» Gewicht, und hier treten so große Anforderungen an den Geldbeutel der Reisenden, zugleich aber auch so schreiende Ungerechtigkeiten ein, daß deren Beleuch- tung gerade jetzt zu Beginn der Hochreisezeit dringend geboten ist. Die Ungerechtigkeit besteht zunächst darin, daß nur für die Gewicktsstufen von 26 bis 35 Kilogramm und von 36 bis 50 Kilogramm ein Springen der Preise für Stufen von 10 und 15 Kilogramm erfolgt, darüber hinaus aber die Preise sogleich um die Stufe für 25 Kilogramm steigen. führe ein Beispiel an, das die herbe Ungerechtigkeit ins belle Licht setzt. Ein Reisender mit 25 Kilogramm aufgegebenen Gepäcks hat für die weiteste Entfernung 1 zu zahlen; gibt er 26 Kilogramm auf, ia auch nur 25^2 Kilogramm, so verfünffacht sich die Gepäckfracht: er hat 5 Fl zu zahlen! Für 35s4 Kilogramm sind 10 Fl zu zahlen, d. h. 9 Fl mehr als für 25 Kilogramm. Ter Reisende muß also für IOV2 Kilogramm über 25 Kilogramm hinaus 10 bezahlen. Diese Steigerung erhöht sich für die höheren Gewichtsstufen bis zu Gepäckvreisen, die den Per sonenfahrpreis bei weitem übersteigen! Ein Reisender, der 810 Kilo meter weit in der 3. Klasse fährt, hat für seine Person 24,30 Fl zu zahlen; gibt er 101 Kilogramm Gepäck auf, so muß er 25 Fl bezahlen, für 126 Kilogramm 30 *! Daß diese Gepäckpreise durch und durch ungerecht und viel -u teuer sind, ist klar. Ungerecht, denn die Steigerung der Gepäckpreise steht außer allem Verhältnis zu den Selbstkosten der Gepäckbeförderung, die ja keineswegs im nennenswerten Verhältnis zum Gewicht des einzelnen Gepäckstückes wachsen. Die Selbstkosten hängen vielmehr, da der Gepäck wagen als Schutzwagen nach den Polizeivorschriften über das Eisenbahn wesen unter allen Umständen lausen muß — weit überwiegend von der Stückzahl ab, denn mit dieser wächst die Tätigkeit der Beamten beim Ein- und Ausladen. Zu teuer, denn die Gepäckpreise müssen vernünf tigerweise in allen Fällen weit unter den Fahrpreisen der Reisenden bleiben, und sie dürfen jedenfalls nicht die Beförderungspreise für Post pakete um ein Vielfaches übersteigen. Daß sie dies tun, folgt aus den obigen Beispielen. Wenn für das eine Pfund über 25 Kilo für die weiteste Entfernung 4 Fl zu bezahlen sind, so ist dies das Achtfache deS Preises für ein Postpaket! Die Folgen eines solchen außerordentlich hohen Gepäcktarifs werden sich alsbald zeigen. Weit mehr noch als früher werden sich die Reisen den die Gepäckfreiheit dadurch wieder zu verschaffen suchen, daß sie den Begriff des Handkoffers, der ohnehin schon in des Wortes wörtlicher Bedeutung sehr dehnbar war, ins Unendliche erweitern, sich selbst und den Mitreisenden zur Belästigung, der Eisenbahnverwaltung zur ärgsten Störung des pünktlichen Betriebes. Die bisherigen Vorrichtungen in den Abteilen zur Unterbringung des sogenannten Handaepäcks werden nicht ausreichen, ja, es können geradezu Gefahren für Gesundheit und Leben der Reisenden durch herunterstürzende Gepäckstücke entstehen. Auch die Aufenthaltszeiten, zumal für die Schnellzüge, werden verlängert wer- den müssen — kurz, die Beseitigung des Freigepäcks und die Einführung eines ungerecht hohen Gepäcktariss wird den Betrieb stören und aller Wahrscheinlichkeit nach dieselbe Folge haben, die ja auch die Fahrkarten steuer gehabt hat: die Einnahme aus dem Gepäck wird unter der er warteten Summe bleiben. Zum Glück wissen sich nachdenkendc Reisende noch auf andere Weise zu helfen. Wenn eine Familie von vier Köpfen für 126 Kilogramm aus gegebenen Gepäcks auf weite Entfernungen hin und zurück 36 Fl zahle» soll, so lohnt es sich, zu überlegen, ob eine solche Ausgabe, die dem Fahr- vreis einer Person für 1200 Kilometer entspricht, nicht vermieden oder doch wesentlich vermindert werden kann. Ganz vermieden werden kann sie schwerlich, denn mehr als etwa 100 Kilogramm werden selbst die ge schicktesten und unverfrorensten Reisenden nicht in den Wagen als Hand gepäck mitnehmen können. Wenn man aber die überschießenden 26 Kilo gramm in 6 Postpaketen um einen Tag voraus sendet, so beträgt die Er- sparnis 30 F, und der Reisende bat obendrein die erfreuliche Genug- tuung, der ihn überfordernden Eisenbahn ihre Einnahme entzogen und sie der bescheideneren Postvcrwaltung zugewendet zu haben. Ich empfehle dieses bequeme Mittel der Versendung von Reisegepäck in Postpaketen — von Damenkleidern natürlich in den flachen, festen, leicht zu hand habenden Kartons — wäre es auch nur, um durch dieses durchaus ge rechtfertigte Mittel die Eisenbahnverwaltung zum Nachdenken über die Angemessenheit oder Nichtangemessenheit ihrer Apothekerpreise kür Ge päck zu ermuntern. Die Voraussendung solcher Postpakete kann ja für denselben Preis auch nach Oesterreich, also z. B. bis in die entferntesten Seitentäler Tirols erfolgen. Der Reisende hat dabei sogar den Vorteil, daß er die Verzollung in aller Behaglichkeit am Bestimmungsort und nicht mit der bekannten Fieberhast an der Grenze vornehmen zu lassen braucht. Die Voraussendung von Postpaketen empfiehlt sich übrigens auch nach der Schweiz, ja dorthin erst recht; denn da auch in der Schweiz keine Gepäckfreiheit besteht, der Preis eines Postpaketes aber von 5 Kilo nach der Schweiz nur 80 Pfennig beträgt, so wird sich in den meisten Fällen die Voraussendung eines halben Dutzends solider Postpakete so reichlich belohnen, daß für die ersparte Summe beinahe eine ganze, sicher eine „halbe Person" umsonst nach der Schweiz fahren kann. Äbraten möchte ich von dem scheinbar naheliegenden Mittel der VorauSsendung größeren Gepäcks als Frachtgut, ja selbst als Eilgut. Ich habe einmal durch Vergleichung der Besörderungszeiten in den beiden letzten Jahrhunderten die kaum glaubliche, aber buchstäblich wahre Tatsache festgestellt, daß Frachtsendungen zur Zeit des lungen Goethe auS Italien nach Deutschland weniger Zeit brauchten als lm 20. Jahr- hundert. Die Erfindung der Eisenbahnen hat den Frachtverkehr für Stückgut eher verlangsamt als beschleunigt. Aber selbst auf Eilgut- bekörderung ist kein Verlaß: die Lieferfristen, die sich die Eisenbahnver waltungen ausbedungen haben, übersteigen den Zeitaufwand, den ein Postwagen brauchte oder noch braucht. Tie Bost bleibt für die Beförbe- rung von Reisegepäck das bei ausreichender Geschwindigkeit billigste Be förderungsmittel, und ich hoffe, die Reisenden werden unter der Herr schaft deS „Eisenbahnreformtarifs" reichlichen Gebrauch von dieser Ein richtung machen. Unsere Industrie wird gewiß dafür sorgen, daß deu Reisenden recht billige und doch feste KartonS zur Verfügung sieben, und dann kann die Eisenbahnverwaltung, wie man zu sagen pflegt, „etwas erleben". Deutsches Reich. Leipzig, 10. Juli. * Nettere Reis« des Kaiser»? Der .Frlf. Ztg." wird au» Skutari berichtet, daß der Kaiser auf der nächstjährigen Mi ttelmeerfahrt, die ihn asgeblich nach Monaco bring« soll, auch eiueu Ausflug uach Südalbauieu beabsichtige und Apollouia »ad Dodonn besuch« wolle. Die Nachricht habe in ganz Albanien ein« großen Eindruck gemacht; alle bedeutttderen Städte und Stämme Albauieu» beabsichtig«, Depu tationen an die Plätze zu entsend«, wo der Deutsch« Kaiser albauefischen Boden berühren wird, um ihm eine Huldigung zu bereiten. Maa glaubt aber, die Veranstaltung nicht au« eigener Initiative uuternehmea zu sollen, da man nicht sicher sei, ob sie den Beifall de» Sultan» findet. * Minister von Mollke, der bi»herize Oberprafideut vou Ostpreußen, bat bei seinem Abschied vou Königsberg 'auf di« Red« de« Rektor» der Universität Prof. Dr. Bolkmaun mit einer Reo« geantwortet, ia der er aus die Wichtigkeit der Jugenderziehung hinwie«. Hierbei jährte er u. a. zum Schluß au«: „In unseren Zeit« muß e« auch de« Sstnaisbeamteu, der außer halb de» Gebiete» der Wissenschaft« steht, «MHerz« lieg«, daß hier
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