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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070710025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071002
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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Nr. 188 Mittwoch Juli 1907. * Das norwegische Ministerium Michelsen ist mit knapper Not einem Mißtrauensvotum entgangen. sS. Ausl.) 181. ZabMnq * Das englische Oberhaus hat die Territorialarmee- Bill nach kurzer Debatte angenommen. — Im Unterhaus« wurde die Sitzung wegen eines plötzlichen Todesfalles vorzeitig geschlossen. lS. Ausl.) * In Tanger hat die Zollverwaltung durch europäische Kontrolleure begonnen. sS. Ausl.) Das wichtigste vorn Tage. * Major Puder ist zum Kommandeur der Schutztruppe für Kamerun ernannt worden und ist mit Gouverneur Seitz dorthin abgereist. * Am heutigen Tage verurteilte das hiesige Schwurgericht den ehemaligen Stadtkassierer Ern st Paul Grützmann wegen Unter, schlogung von 136 548 Mark städtischen Geldern zu fünf Jahren Ge- fängnis und fünf Jahren Ehrverlust. sS. Ber.) symratbisch, so daß sie darum fern geblieben sind. In der Tat, diese Heiml-ch5 it wird letzt besonverS mißoeutet. Zur Beurteilung der ganzen Situation in der katholischen Kirche intereisieren ferner folgende Nachricbien desselben BlatteS: Im Vatikan herrsch« eben zurzeit eine ganz ungewöhn iche Nervosität, die zum großen T<il darin begründet ist, daß die obersten Stellen von den deutschen Verhältnissen keine Ahnung haben. Man weiß außerdem, baß der Jnvex in feiner gegenwäitrgen Forn« eine durchaus veralteie Institution ist und von den katholitchen Forschern nur beachiet werden kann, wenn ihre Absicht ist, wissenschaftlich ins Hintertreffen zu geraten oder sich brs zur Unmöglichkeit ;u blamieren. Die so enrstanbene Fieberhitze bat Zunächst zu bem unglückseligen Schellbrief geiübrt, und der nächste Schlag ist die Absicht, demnächst mit einem neuen SyllabuS gegen alle fort schrittlichen Bestrebungen auszutreten. In vatikanischen Kreisen tpricht man schon seit Wochen davon, und jetzt wird ojfi lös bestätigt, daß in ver Tat die Veröffentlichung des neuen Syllabus, der sich in erster Linie gegen vie „Reformist," richten soll, im Lause veS August wahricheinlich sei. Der Syllabus werde wie sein Vorgänger durch eine Enzyklika eingeleitet werd.n. Der erste Teil deS Brieses stellt die verkaminenswerten Irrtümer aus. der zweite widerlegt sie und der dritte verbammt sie. »Man erwarte im Vatikan bestimmt, daß der Syllabus der modernen Richtung und den neuen Theorien, Vie ,m Klerus immer mehr um sich greisen, den Todesstoß verletzen wird." Um bas Material der Sorgen redlich denkender Katholiien zu ver vollständigen, sei zum Schluß noch mugeteilt, baß in va'ikanilcken Kieisen, die ben Papstbrief an Commer gegen die Ebrung Schells nicht gern gesehen haben, j tzt die Beloignis herisckt: die w ikere Anordnung, Viesen Brief in ben Diözesanorganen zu veröffentlichen, könne den treff lichen Bamberger Er;bi ckos Dr. v. Abert uno den Regensburger Bischoi Dr. v. Henle, vie zugleich beide mit dem Eizbiichof Dr. v. Stein Reichsräle der Krone Bayern sind, zum Rücktritt von ihren Aemtern nötigen. In einem inneren Zusammenhang sieben jedenfalls alle diese Dinge, und es ist nicht unmöglich, daß d>e geheimnisvolle Initiation, die von Münster auegegangen ist, jetzt im Stil ver Räubergeschichten und Ver- tchwöiungen von ben leiuitiich bee nflußien römischenPreßorgancn darum so aufgebaulchl wird, bam t die Kurie vor den Gläubigen in ber Gloriole deS Schutzes der Grundlagen ver Kirche und der Abwebr gegen licht scheue Treibereien erscheine und — der Iesuitismus sich in seinem ver hängnisvollen Einfluiie aus den frommen, weltabgewandten, alles, nur nicht extrem gearteten Papst behaupten kann. den Leuten, die angeblich am 12. März 1896 in einem Berliner Cafä den sogenannten „Tuckerbrief" verfaßt haben, die Gebrüder Denhardt genannt werden oder deren Name angedeutet wird, so ist demgegenüber an die Tatsache zu erinnern, daß ich erst im Herbst 1896 nach Europa zurückgekehrt bin, also nicht im März 1896 in einem Berliner Caf« sein konnte; daß aber auch mein Bruder Clemens Denhardt am 5. d. M. sJuli 1907) in Berlin vor Zeugen erklärt hat, daß er mit dem „Tucker brief" niemals das geringste zu tun ghabt hat. Ter Unterzeichnete legt nachdrücklichst Verwahrung dagegen ein, daß sein und seines Bruders Name auf völlig haltlose und unkontrollierbare, unwahre Gerüchte hin mit dieser Sache in leichtfertiger Weise in Verbindung gebracht und so vor aller Welt diskreditiert wird. Leipzig, Dresdener Str. 36, 8. Juli 1907. Gustav Denhardt." 8. 2. Aus dem 2N. städtischen Landtagswahlkreise. Die heutige Nummer des „Erzgcb. Volkssreundcs" in Schneeberg veröffentlicht eine Erklärung des Herrn Bürgermeisters Dr. Kretzschmar in Aue, nach welcher er die ihm von den Konservativen und „wirklich National liberalen" der Städte Schneeberg, Aue und Neustädte! angebotene Kan didatur für den 20. städtischen Wahlkreis annehmen wird. Seltsam mutet der Ton des Herrn Kandidaten an, mit welchem er seine Gegen kandidaten öffentlich behandelt. Auch Herr Dr. Kretzschmar sucht Herrn Stadtrat Bauer, der wiederholt und in allen bisherigen für ihn ver anstalteten Versammlungen seine volle und uneingeschränkte Zugehörig, leit zur nationalliberalen Partei erklärt und sich verbindlich gemacht hat, im Falle seiner Wahl der nationalliberalen Fraktion beizutreten, immer wieder als Teutschfreisinnigen (die es gar nimmer gibt! und so gleichsam als Schreckgespenst in dem bisher stets konservativ vertretenen Wahlkreis hinzustellen. Ja er fügt noch hinzu, daß er es in seiner fast zwanzigfachen Tätigkeit als Bürgermeister von Aue wiederholt habe erfahren müssen, wie schädlich die Wahl eines Teutschfreisinnigen und gerade des Herrn Stadtrat Bauer für die Stadt Aue sein würde. An das Abkommen mit Eibenstock in den Jahren 1895 und 1901 fühlt sick der Herr Kandidat nicht gebunden, weil er nicht für einen Gegner von Aue und auch nicht für einen Kandidaten eintreten könne, der von der Mehrheit von vornherein entschieden abgelchnt worden sei. Man könne doch nicht verlangen, daß sich der Bürgermeister lächerlich mache. Eine derartige Behandlung der Gegner durch den Kandidaten einer bürger lichen Partei muß sehr befremden. Kennt Herr Dr. Kretzschmar die „wirklich Nationalliberalen" aus den genannten Städten, so kann er diese getrost für den konservativen Landesverein anmelden; die „eigent lich Nationalliberalen" aber weisen jede Beurteilung ihres Stand punktes durch einen Konservativen Mehnertscher Richtung entschieden zurück. Natürlich ist es unerhört, daß Liberale und Industrielle im 20. städtischen Wahlkreise nach 18 Jahren wieder sich gekreisten, einen der Ihrigen in den Landtag schicken zu wollen und nicht wenigstens erst die Konservativen um Nennung eines „wirklich Nationostiberalen" ge- beten haben! Tie gehörige Entgegnung wird Herrn Dr. Kretzschmar wohl bald werden. — Ter „Reichstreue Verein" zu Aue, angeblich politisch farblos, hat sich für die Kandidatur Dr. Kretzschmars erklärt!! — Eine in Aue abgehaltene Besprechung von Vertretern des Mittelstandes war so schwach besucht, daß ein Beschluß nicht gefaßt werden konnte. Herr Fahrenbach-Dresden erstattete Bericht über die mit den Kandidaten gepflogenen Unterhandlungen. -o- Ein sächsisches (besetz gegen die Berunzieruitg der Natur. Im Anschluß an niedrere in letzterer Zeit ertchicnene Zeitungsartikel, in denen über die Verunzierung der Umgebung Dresdens und ins besondere auch der Sächsischen Schweiz durch Rekiameaussckristen geklagt wird. Wird von oifizieller Seite gemeldet, daß sich zurzeit im Ministerium res Innern ein Gesetz gegen solche Vernnzierungen in Vorbereitung befindet. * Tie Sp, achenfrane in den Rcichslanden. Gegen die Verfügung der reichslänviichen Regierung im französischen Sprachgebiet Lothringens, wo statistnch nur noch l5 Prozent Kinder sranzösiicher Muttersprache verbanden sind, den französischen durch deutschen Unterricht zu erietz.n, machen die Abaeordnelen, Gemeinderäte und OrtSschuloorstänbe ter betreffenden Gemeinden Front. Die Staiistit soll ungenau sein, da sie die Kinder von Ellern italienischer, luxemburgischer und gemilchter Deutscher Reich. Leipzig, 10. Julk. * Das übliche Dementi ist der Nachricht, der Zar werde demnächst nach Darmstadt kommen, auf dem Fuße gefolgt. Das offiziöse Tele graphenbureau versichert, daß von einem heoorstehenden Besuch des Zaren am hessischen Hofe nach Auskunft an Darmstädter amtlicher Stelle nichts bekannt sei. * Die Strafprozeßreform. Die „Neue pol. Korr." schreibt: Es ist uns bekannt, daß der Staatssekretär des Reichsjustizamts sich unmittel bar an diejenigen Bundesregierungen gewendet hat, welche bei den Kon- ferenzen über die Strafprozeßreform durch Delegierte vertreten waren, um diesen Gelegenheit zu geben, die Wege aufzudecken, auf welchen die vertraulichen Aktenstücke zur Kenntnis der „Köln. Ztg." gekommen sind. * Eine Erklärung zur Tuckerbriefaffäre. Wir erhalten folgende Zuschrift: „Der Unterzeichnete ist mit Herrn Giesebrecht erst während der Berliner Gewerbeausstellung im Jahre 1896 bekannt geworden, hat aber niemals in näheren Beziehungen zu demselben gestanden. Wenn der Name Denhardt im Prozeß Peters gegen Gruber als der des Gewährsmannes von Vollmar für seine Angriffe gegen Dr. Peters im Jahre 1895 genannt ist, so kann sich das keinesfalls auf mich beziehen, denn ich war von 1890 bis 1896 ununterbrochen in Afrika. Wenn zu Roin und die deutschen Katholiken. Wir haben schon gestern in einem Telegramm aus Rom gemeldet, wie erregt man in vatikanischen Kreisen über die angeblich klrcbenfeind- liche Adr ßliga gegen die Index-Kongregation ist. Es hanre't sich bei dieser Aktion, die als eine bereiis pertekte internationale Verschwörung gegen die Kurie kargestellt w rd, nach den „M. N. N." zur Zu lediglich um vorbereitende Akte in einer noch nicht abgeschloffenen Sache. D>e Aktion geht von durchaus glaubens- und kirchlich treuen deutschen Katho liken aus und ist allerdings bisher unter dem Siegel streu st r Dis kretion geheim betrieben worden, lediglich, damit nach Rücksprache mit katholiichen Autoritäten vie Angeleg nbeit ungestört, sowohl kirchlich korrekt wie praktisch bezüglich des Erfolges formuliert werden iönne. Kiichlich-korrekt insofern, als eS sich um eine Eingabe von Laien au den Papst in einer Angelegenhe-t sozusagen der kirchlichen Verwaltung bandelt und bei der Zurückhaltung, die dem Laien in kirchlichen Dingen obliegt, auch der Scheu euer vorschriftswidrigen Einmischung von Laien in die Sphäre der Hierokratie vermieden werden tollte. Und auch praktisch, damit die Aktion, von deren Nützlichkeit und Noiwuvig- keit ihre von den besten Absichten und im Interesse der Kirche teilst geleiteten Urheber überzeugt sind, nickt an dem herkömmlichen Miß trauen ber vatikanischen Kreise gegen Anregungen solcher Art von vorn herein scheitere. In den römischen Meldungen befinden sich mancherlei Unrichtig keiten, die zur Sunde sich nock nicht korrigieren lasten, weil eben die Beteiligten zur Diskretion verpfl chtet sind, die diejenigen, die in Rom die Verräter und Denunzianten gemacht, natürlich nickt bindet. Eine unzutreffende Meldung, die auch jetzt schon berichtigt sei, betrifft die Mitteilung, daß zu den L itern des Bundes Professor Dr. Freiherr v. Hertling in München gehöre. Diese Mitteilung ist falsch; Freiherr v. Hertling steht den Dingen, welche die vatikanische Publrzistit mit dem Namen „Katboli'cher Kulturbund" versiebt, fern. Er ist allerdings eine Zeitlang damit in'vtern in Be- riebung gekommen, als auch an ihn in seiner Eigenschaft als Reichstagsabgeotkneler jür Münster II die Väter jenes Gedankens herangetrcten sind, um seinen Rat einzuholen; er hat aber vor längerer Zeit — auS welchen Gründen ist uns unbekannt — jede Beziehung mit jenem Unternehmen abgebrochen. Von anderen hervorragenden Katho liken, die mit ben Absichten der gedachten Initiation bekannt gemacht worden sind, verlautet, daß bei ihnen bezüglich ver Kirchlichkeit des Projektes leine Bedenken bestanden. Es erscheine ihnen aber gerade jetzt inopportun, und bann war ihnen die Heimlichkeit deS Vorgehens nicht Feuilleton. Ein Knabe ist weniger feige als ein Mann, weil er weniger reif ist, denn die Reife macht leicht niederträchtig und selbstisch. c» „ _ -rrr er ' ' ' Robert Walser. mit schwärmerischen Worten verbrämen und feierlich pathetisch gerade zielen, gewinnen Sie an reeller Bedeutung nichts. Die heilige Ottilie wird kerne Französin, wie verzückt Sie sie auch als Nothelferin anrufen mögen. Indessen laßt sich über historische Realitäten mit einem Manne nicht reden, der keine andere Verwendung für sie hat als, gelinde ge sagt, zu gewaltsamen Konstruktionen, und der überdies offenbar nicht übermäßig mit historischen Kenntnissen belastet ist. Sie übertreiben, geehrter Herr, wenn Sie behaupten, daß unsere Zivilisation bloß auS Disziplin und Unterricht bestehe. Wahr ist, daß beides in ihr noch zu sehr überwiegt. Wir können Ihnen in der Tat davon abgehen, und unr scheint, daß Sie persönlich davon gebrauchen könnten. Ein Kursus Logik und Weltgeschichte wäre Ihnen wohl zu wünschen. Auch empfehle ich Ihnen, von Goethe mehr zu lesen als die „pseudohellenische" Iphigenie. Wer von deutscher Art und Bildung anders reden will, als der Blinde von den Farben, sollte Goethe kennen, und wer dann von ihnen noch so redet, wie Sie, verdient, in wie schöner Sprache er es auch tun möge, das Gegenteil von Bewunderung. Man würde von ihm sagen müssen, daß er entweder unfähig ist, eine fremde Kultur zu begreifen, oder daß es ihm an Respekt und Gewissen fehlt, daß er ein.leichtfertiger Schwäher ist. Auch die Ausrede, daß Goethe einer deutschen Vergangenheit an gehöre. die durch das neue Deutsche Reich verschüttet sei, niedergetrampelt von den berühmten Kürassierstiefeln des „Herrn von Bismarck", Offener Brief an Herrn Manrtee Barre». Mitglied der französischen Akademie und der fran zösischen Deputiertenkammer. Von Otto Julius Bierbaum.*) Geehrter Herr! Ich gestehe Ihnen, daß das Gefühl eines Schreckens, der von irgendwelcher Furcht für mein Vaterland völlig frei ist, mich ergriffen hat, als ich kürzlich Ihre Schilderung der Er- lebnisse eines Elsässers als deutscher Einjährig-Freiwilliger in der Uebersetzung **) las. Daß man dieses Buch ins Deutsche übersetzt hat, ist zu begrüßen, denn der fatale Eindruck, den seine Lektüre hinterläßt, schließt eine heilsame Belehrung in sich. Dir lernen aus ihm, daß auch wir Deutschen einen Glauben abzulegen haben, der gleichfalls fast zu einer fixen Idee geworden ist, zu der Ueberzeugung nämlich, als sei der französische Ueberlegenheitsdünkel, die gefährliche Oberflächlichkeit in der Beurteilung des deutschen Wesens, als sei der Geist jener Chauvins jetzt zu den Unbeträchtlichen hinabaestiegen, zu den professio nellen und skrupellos unüberlegten Lärmmachern aus der Kindertrom- pete billiger Phrasen fürs Volk. Ihr ganzes Buch, geehrter Herr, sagt nicht bloß mit Guizot: Da Nnaires wanobs a la tat« cks la oivilisatäon sein Wort, das für gewisse Zeiten so gut Wahrheit ist, wie für andere der Vers unseres Walther von der Vogelweide: Deutsche Zucht acht vor allen), sondern eS behaup tet: Frankreich hat ein Recht auf Elsaß-Äothringen und die Pflicht, dieses Land, obwohl es nicht französisch ist, wieder zu gewinnen, weil der Franzose dem Deutschen gegenüber der zum Herrschen geborene Aristokrat ist, weil Frankreich die Kultur repräsentiert und Deutschland die Barbarei. „Die Roman,sierung der Germanen ist eine beständige Tendenz Elsaß-Lothringens." „Wir warten, bis unser Boden die germanische Flut eingesogen hat" sdie ihn durch Jahrhunderte befruchtet) „und seinen unwandelbc-sn. keltischen, romanischen, französischen Grund, d. h. unsere Spiritualität wieder erscheinen läßt." „Ottilie lerne deutsche *) Aus dem neuen Hefte des „Morgen" Marquardt L Co.). **) „In deutschen Heeresdiensten." Erster Band von „Schutzwälle im Osten" von Maurice Barres, autorisierte Uebersetzung von Armin Schwazz, Pest. Verlag von G. Grimm. Fürstentochter) „ist der Name eines Sieges der lateinischen Rasse"; es war notwendig, daß jede Generation der Tochter Adelings zustimmt, daß sie sich der brutalen Ueberlicserung ihrer Väter entgegensetze". Mit dieser überraschenden historischen Wendung komme ich auf das, was natürlicherweise Ihr schwächster Punkt sein muß: auf Ibre histo- rische Logik. Davon, wie schwach fundiert ihre Rassenkonstruktion ist, scheinen Sie keine Ahnung zu haben. Und doch sollte ein Mann, der bald von einer lateinischen, bald gar von einer elsässiscken Rasse spricht, das dringende Bedürfnis empfinden, sich durch Studium den Begriff der Rasse im allgemeinen aufzuhellen und in allen Ein zelheiten dieses sehr problematischen Gebietes so viel als möglich exakte Kenntnisse anzueianen. Dadurch würde Ihr logischer Eiertanz aller dings noch grotesker werden, als er es jetzt schon ist, wo Sie nur den elementarsten historischen Tatsachen auszuweichen haben. Zum Beispiel der, „daß germanische Spiritualität es war, die „Ihrem" Boden Sprache und Namen gegeben hat". Sie ahnen offenbar gar nicht, wie ergötzlich es wirkt, wenn Sie Ihre gallischen Entzückungen an Oert- lichkeiten knüpfen, die so französische Namen tragen wie Nieder- Linden, Geraldseck, Pfalzburg, Truttenhausen, Wärmelstetn, Blockshöbe, Elsberg. . . . Sie geben eine verblüffende Prestigiateurvorstellung, »n- dem Sie mit Hilfe einer Logik, die doppelten Boden hat, und einer Dia lektik, die mit falschen Karten die Volte schlägt, alle unbequemen Tat sachen verschwinden und stets das Aß Ihrer Wünsche erscheinen lassen. Auch dann, wenn Sie^Jhre Kunststücke als S a l o n h e x e n m e i st e r zielen, gewinnen Sie an reeller Bedeutung nichts. Die mögen. nicht reden, der keine ^andere Verwendung für sie hat als, gelinde ge- ubermäßig mit historischen Kenntnissen belastet ist. dessen preußisches Gcwaltmcnschentum das gegenwärtige Deutschland be- herrsche, — auch diese Ausrede würde einen solchen Menschen in unseren Augen nicht rehabilitieren und geeigneter dazu erscheinen lassen, in Fragen der Kultur mitzureden. Denn diese Ausrede beweist, daß der, der sie im Munde führt, keine Empfindung für das Unsterbliche, für den Geist eines Volkes hat, der immer der gleiche bleibt, wie er sich auch manifestieren möge. Bismarck war keine goethische Natur, aber wie Goethe eine Verkörperung des deutschen Genies. Ich habe mich angesichts Ihrer oft kindischen Zerrbilder immer wieder fragen müssen: Für welches Publikum 'chreibt dieser Aka demiker? Alle deutschen Frauen, die Sie vorführen, sind entweder „dick", oder „dick und rund"; mehr wissen Sie von ihnen nickt zu berichten, außer, daß eine etwa noch blond ist und „sehr weiße Augen und stark zurückgestrichenes Haar" hat. Doch, noch etwas: „Ihre mit weißen Strümpfen bekleideten Beine schienen am Boden in zwei schwarzen Säcken zu enden. Denn sie im Tanze innehielt, um zu verschnaufen, war sie eine Walküre." Sie fragen sich selbst, inwiefern, indem Sie als Bestandteil eines Walkiirenantlitzcs ansübrcn: „eine fleischige Nase, die ziemlich gerade sitzt, Nasenlöcher, die nicht ausgeschiirzt sind, eine Ober- lippe, die nicht gerundet ist". Noch drolliger alt dies aber klingt es, wenn Sie auch teierlich erklären: „Ich kann nicht behaupten, datz ans diesem Balle alle Frauen häßlich gewesen wären." Es ist, als ob Sie sich selber parodierten. Doch Sie haben noch Erstaunlicheres gesehen und gehört. Sie haben in einem Tingeltangel einen Assessor gesehen, der sich dort mit einer Studenten mutze auf dem Kopse bewegte. Das glaubt Ihnen „unter den Völkern jenseits des Rheins" kein^Stiesel- wichser. Wer aber in Frankreich glaubt Ihnen dies? —: „Sie" ldic deutschen Studenten in demselben Straßburger Tingeltangel) „hatten lange Angelruten in den Händen, an deren Spitze Heringe hingen, die sie den Leuten im Parterre vor die Nase hielten. Von Zeit zu Zeit warfen sie Hände voll kleiner Kupfermünzen in den Saal. Ich sah einen, der am Rande seiner Loge saß und ein Bein hcrabbaumeln ließ: auf den Knien hatte er einen Teller, und er aß in unflätiger Weise eine Kalbskeule,*) deren Tunke auf das Publikum bernicdertross." Wenn Sie auch sonst über eine so üppige Phantasie verfüaen, geehrter Herr, müssen Ihre Bücher sehr kurzweilig zu lesen sein. Doch rate ich Ihren Landsleuten, sich um so weniger aus Ihre Exaktheit zu verlassen. Es könnte schlimme Folgen für sie haben, wenn sie sich z. B. Ihre Charakteristik der Preußen zu eigen machten: „Alle Preußen sieben unter der Einwirkung des Bieres; das Bier berauscht und schläfert ein, dämpft den Zorn oder die Leidenschaft, macht gutmütig und ver- K b ^enn ich an andere französische Schriftsteller von heute denke, die *) Ach, wenn Sie wüßten, wie viele Portionen ein deutscher Wirt einer Kalbskeule abzugewinnen weiß. Bezug»-Prel» Ur Lei»»«» und Vororte durch uns«, Drit^o und Spediteure in« Hau« gebucht: «ul- Gab« t (nur morgen«) vtertrljihrlich 3 Dk., monatlich l Di ; «u^zabe I (morgen« und abend«) vierteljährlich 4^0 Di., moaaUtch 1.50 Dk. Durch die Pust bezogen f. mal täglich) innerhalb Deutschland« u der deutschen Kolonie» »ierteljikrlich 5,28 Di., monatlich 1.75 Di. auäschl. Poftbestellgeld, für Oesterreich 9 N 88 d, Ungarn 8 U vierteljährlich. Abonnement-Annahm«: Uugustusplatz 8, bet unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. 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