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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070713016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-13
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Morgen-Ausgabe Z. Bezog». Preis für Lripjia und Borork durch unsere Trä-er und Spediteure int Hau« gebracht: Lu«, gab« 4 (nur morgen«) vierteljährlich 3 M., monatlich l R.: Lu«gade v (morgen« und abend«) vierteljährlich 4 50 M., monatlich I SO M. Durch die Pok bezogen <2 mal täglich) innerhalb Deutschland« u der deurlchen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. ausschl. Postbcftellgeld, für Oesterreich ü 8 68 d, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahme: AuguKutplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, >owie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer lostet 18 -iedaktiou und Expedrlionr Johannirgasse 8. Telephon Rr. 146S2, Nr. 14835, Nr. 146S4. Lerliner «edatttont - vure»»: verlin KW. 7, Prinz Loui« Ferdinand- Straße 1. Telephon I Nr. 9275. Nr. 182. Anzeigen-Prei» KlP.;igerTagcbla!i Handelszeitung. Amts blatt -es Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig Sonnabend 13. Juli 1907 181. Jahrgang Haupt-Siltalr «erlin: Larl Duncke., Herzogs. Bahr. H^buch» Handlung, Lützowstraß« 10. lTclephon VI, Rr. «NN). Utr Inseraie au» Leipzig und Umgebung die «gespaltene Petit,eile 25 Pi., stnanzielle Anzeigen 30Ps, Reklamen IM.; von auSivarl« .D Ps., Reklamen 1.20 M.: oomAueland5i) P!., stnin,.Anzeigen75Ps., Reklamen l 50 M .Inserate v. Behörden >m amtlichen Teil40 Pi. Beilaqegebübr 5 M. p. Tausend ezkl. Post gebühr. Äeschast-anze-gen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht Rabatt nach TarU. Festerteilte Austräge lönnen nicht zurück gezogen werben. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plagen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augu»u«pla, 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Lxpeditionen de» Fn- und Auslandes. Das Wichtigste vorn Tage. * Prof. Merkle bat das Dekanat der rheologischen Fakultät in Würzburg »iedergelegt. (S. 2. Leitartikel.) * Eine Versammlung der Hamburger Seeleute beschloß, die Arbeit sofort bedingungslos wieder aufjunehmen. * Das ReichSgerickt verwarf die Revision des Roßschlächters Liberka und des Arbeiters Kioltyka, von denen jeder wegen zwei fachen Mordes vom Schwurgericht Beuthen am 3t. Mai zwei mal zu-m Tode verurteilt worden ist. * Die Strafkammer des Landgerichts! zu Berlin verurteilte gestern den Schriftsteller Karfunkel st ein zu vier Monaten und den Redakteur Wejdt zu einem Monat Gefängnis wegen Geheimbüudelei zu verbrecherifchen Zwecken. (S. GerichtSsaal.) * In Kalifornien ist ein japanischer Spion verhaftet. Man besürchtet einen Angriff dtt Bevölkerung auf das Asialen-Biertel San Franciscos. (S. AuSl.) * Im Gasthofe zu Gautzsch hat sich gestern nachmittag ein älteres Liebespaar erschossen. (S. Lpzg. Ang.) Der sächsische Wahlgesetzentwurf. Wir geben im folgenden einen Artikel wieder, der aus der Feder eines nationalliberalen Politikers in scharfer Weile die Hauptschwäche des Wablgcsetzentwurfs beleuchtet, ohne daß damit von unserer Seite der Wunsch ausgegcbcn wird, daß der Entwurf nicht doch die Grund lage für ein Reformwerk werden wird. Der Artikel führt aus: Unsere Regierung hat mit ihrem Entwurf zum neuen Wahlgesetz einen kühnen Wurf getan. Die Zweite Kammer soll künftig zur Hälfte aus Vertretern der Kommnnalverbände bestehen. Wenn dieser Ent- Wurf Gesetz wird, so hoffen wir, daß die Halbierung ehrlich durchgcfiihrt wird. Das im Entwurf vorgcschlageuc Verhältnis Von 42 zu -10 ist un schön. Es verschleiert nur die Tatsache, daß die Hälfte der Mandate den Kommunalvertretern eingeräumt werden soll. Dieser Entwurf ist des halb so kühn, weil er eine Volksvertretung schaffen will, wie sie nirgends in der Welt existiert. Er lehnt sich an kein Vorbild an, höchstens an den vereinigten Landtag Friedrich Wilhelms IV. vom Jahre 1847, also an eine vormärzliche Institution. Sollten wir Sachsen wirklich in so hohem Maße den Beruf zur Wahlgesetzgebung besitzen? Die Art und Weise, wie unsere Volksvertreter im Jahre 1895 und 1896 das gute, alte Wahlgesetz von 1868 eingerissen haben, spricht nicht gerade dafür. Vostisia terreut! Noch dazu bewegt sich die Wahlgesetzgcbung in allen Ländern in der entgegengesetzten Richtung. Ueberall geht man zur reinen Volksvertretung über. So hat man in Oesterreich mit der Kuriennerfassung gebrochen, auch in Württemberg hat man im vorigen Jahr die Privilegierten aus der Zweiten Kammer entfernt. Selbst die Duma ist eine reine Volksvertretung. Wie nahe hätte cs gerade in Rußland gelegen, den Semstwos ein Wahlrecht zu übertragen. Der Ent wurf bricht mit dem Prinzip des parlamentarischen Wahlrechts, auf dem alle modernen Volksvertretungen beruhen. Unterhaus, Depu tiertenkammer, Reichsrat, Duma, Repräsentantenhaus, Reichstag, sie alle gehen aus politischen Wahlen hervor. Das heißt: Das Parlament wird von der Bevölkerung gewählt. Deshalb vertritt auch die moderne Volksvertretung prinzipiell die ganze Nation, und nicht die Stände oder die Länder oder die Berufe, ans denen Reich und Volk sich etwa zusammensehen. Im Gegensatz hierzu stand die alte Ständever fassung. So bestand der erste sächsische Landtag aus 20 Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, 25 der Städte und 25 Vertretern des Bauernstandes, dazu kamen noch 5 Vertreter des „Handels- und Fabrikwesens". Im Jahre 1868 ging man dann zur reinen Volksvertretung über, und auch unser jetziger Landtag ist prinzipiell eine reine Volksvertretung. Das Wesen der reinen Volksvertretung besteht eben darin, daß das Wahlrecht auf keiner anderen Voraussetzung beruht, als auf der Staatsangehörig, keit. Nach 8 78 der sächsischen Verfassung sind die Stände das gesetz- mäßige Organ der Gesamtheit der Staatsbürger und Unter tanen. Der Entwurf zum neuen Wahlgesetz stellt neben die Bevölke rung, also die Gesamtheit der Staatsbürger, die „Fläche". Land und Leute sollen wählen. Er berust sich auf Schäffle, dafür, daß „ver tretungspolitisch" zum Volke nicht nur die Einzelnen, sondern auch die Verbände gehören, welche durch das öffentliche Recht gebildet und ge ordnet sind. Die große Frage ist nun die: sollen wir in Sachsen die Grundlage verlassen, auf der nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Eurova das parlamentarische Wahlrecht beruht? Diesen Schritt will die Ne- gierung ja auch gar nicht unternehmen, weil das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts sich nicht bewährt hätte. Wir suchen ja nach weiter nichts, als nach Kautelen gegen die möglichen Wirkungen des all gemeinen, gleichen, direkten Wahlrechts. Wir wollen ja nur verhüten, daß die Sozialdemokratie oder die Masse die Klinke der Gesetzgebung in die Hand bekommt. Soll man nun deshalb das Wagnis unter nehmen, die Volksvertretung auf einer ganz neuen Grundlage aufzu stellen, eine ganz neue Theorie in die Praxis einzusühren? Dieser Saltomortale kann nicht empwhlcn werden. In den großen Fragen der Politik soll man das Selbstverständliche tun, der Zeitströmung folgen, wenn ihre Richtung unzweideutig sesisteht, aber nicht gegen den Strom schwimmen. Der moderne Typ des Parlaments ist nun einmal die reine Volkskammer. Jede Reformation des Wahlrechts muß sich deshalb in dieser Richtung bewegen. Eine Zweite Kammer nach dem Regierungsentwurf würde in Widerspruch treten zu der öffentlichen Meinung der ganzen Welt. Der Zweck der ganzen Wahlreform ist doch der, unseren Landtag auf eine moderne, den Bedürfnissen der Zeit an- gepaßte freiheitlichere Grundlage zu stellen. Tiefes Ziel kann aber auf dem von dem Regierungsentwurf vorgeschlagenen Wege nie und nimmer erreicht werden. Dieser Landtag würde in keiner Weise dem modernen Staatsbedürfnis entsprechen. Wenn der Entwurf bloß den Zweck zu erfüllen hätte, Arbeiterver treter in mäßiger Zahl in unseren Landtag hinein zu lassen, w könnte man ihn begrüßen; denn unter den 42 Volkserwählten würden gewiß l5 Sozialdemokraten sein. Tie Sozialdemokratie würde also mit diesem Entwurf zufrieden sein können, nicht aber das liberale Bürgertum, auch nicht das konservative, sofern es sich zum modernen Staatsgedanken bekennt. Man sündigt nicht ungestraft gegen Prinzipien. In so wich- tigcu Fragen des öffentlichen Lebens soll man keinen Opportunismus treiben, aber freilich auch keine Prinzipienreiter ei! Unserer Zweiten Kammer muß der Charakter einer Volksvertretung unbedingt gewahrt bleiben. Dies könnte geschehen, auch wenn man neben den all- gemeinen Wahlen noch eine besondere Kurie für Kommunaldelegierte errichten wollte. Es kommt alles auf das Verhältnis an. Unter 82 Landtagsabgeordneten würden 12 Kommunalvcrtrcter den Charakter der Volksvertretung nicht wesentlich beeinträchtigen. Deshalb ist ein Ring doch von Gold, wenn er auch mit einem anderen Metall zum Zwecke besserer Haltbarkeit legiert ist. Sicherlich würden die Dele gierten der öffentlichen Verbände nicht d-i-e schlechtesten Abgeordneten sein. Tie Zusammensetzung, wie sie der Regierungsentwurf Vorsicht, ist aber vollständig unmöglich. Sie würde unserer Zweiten Kammer den Charakter einer Volksvertretung vollständig nehmen, denn die 40 Delegierten der öffentlichen Verbände würden die Mehrzahl der bürgerlichen Abgeordneten bilden. Rechnen wir von den 42 Abgeord neten aus allgemeinen Wahlen nur 15 auf die Sozialdemokratie, so wür den den 40 Kommunaldelegierten nur 27 bürgerliche Volksvertreter gegenüberstehen. Tie Volkserwählten müßten Anlehnung bei den Dele gierten der Verbände suche». Der Einfluß der politischen Parteien würde vernichtet werden. Politische Parteien im modernen Sinne gibt es überhaupt erst, seit eä Volksvertretungen gibt. Die Partei erscheint im Parlament als Fraktion. Wo politische Freiheit herrscht, herrschen auch di- Parteien. Weil dies in allen Lärwern parlamentarischen Wahlrechts so ist, muß man annehmen, daß es nicht anders sein kann. Die Parteien sind die Verbände öffentlichen Rechts, die ihre Vertreter in das Parlament senden, nicht die Kommunen oder Bezirke. Neben Konservativen, Libe- rolen und Radikalen ist kein Platz für Voigtländer, Lausitzer, Leipziger und Dresdner. Die Partei stellt die Kandidaten auf, die Parteigenossen tragen die Wahlkosten. Die Partei ist das Organ, in der das politische Leben pulsiert. Man braucht nur einen Blick auf das intensive Partei leben der Sozialdemokratie zu werfen, um zu erkennen, woran es unse rem politischen Leben fehlt: wir ergreifen zu wenig Partei. Seit es eine sozialdemokratische Partei gibt, ist die Frage entschieden, ob die politische Partei ein Segen oder ein Fluch ist. Sie muß sein. Die Sozialdemokratie zwingt uns, zu organisieren und agitieren. Das Ziel jeder Partei ist, Einfluß auf die Zusammensetzung des Parlaments zu gewinnen. Wo dieses Ziel nicht erreicht werden kann, muß das Partei leben verstechen. Wo keine Fraktion, do kerne Partei. Wenn der Rcgiernugsentwurs Ge'etz würde, so würden die politischen Parteien um ihren Einfluß in der Zweiten Kammer gebracht werden. Es verlohnte sich dann nicht mehr, Politik zu treiben. Tenn die Zweite Kammer würde in ihrer Mehrheit parteilos, also unpolitisch sein. Das Gros der bürgerlichen Abgeordneten, nämlich die 40 Kom munaldelegierten, würde von den Parteien vollkommen unabhängig sein. Tie Kommunalvertretungen würden es sogar vermeiden, Parteigänger in den Landtag zu delegieren. Die Herren, die von den Bezirksaus schüssen nach Dresden gesandt würden, würden vollkommen fraktionslos sein Sie würden sich hüten, unter das Joch einer Partei zu kriechen, da sie ja nicht von der Partei delegiert sind. Natürlich würden sich auch im neuen Landtag Fraktionen bilden, wie -es ja solche selbst im preußi- schen Herrenhaus gibt. Diese würden aber nach anderen Gesichts punkten orientiert sein, als die Parteien im Lande, genau wie die Frak tionen im Herrenbause mit den politischen Parteien in Preußen keine Fühlung haben. Die Abgeordneten aus allgemeinen Wahlen, konser vative und liberale, würden voraussichtlich genötigt sein, sich diesen Kammerfraktionen anzuschließen. Die stärkeren Körper würden die schwächeren anziehen. Die Parteien würden also jede Kontrolle über die Abgeordneten im Parlament verlieren. Ties würde das Grab der politischen Parteien in Sachsen bedeuten. Damit würde das politische Leben in Sachsen völlig erlöschen. Was brauchten wir noch politisches Leben im Lande, wenn unsere Volksvertretung nicht mehr aus politischen Wahlen hervorginge! Wer also der Ueberzeugung ist, daß der moderne Staat zu seiner Erhaltung politischen Lebens bedarf, und daß dieses Leben sein Organ in den politischen Parteien haben muß, muß den Negierungsentwurf bekämpfen. Vor einigen Jahren äußerte ein einflußreicher sächsischer Minister, er wisse nicht, was Liberalismus sei. Heute erhebt die Regierung die Partei zu einer staatlichen Institution, indem sie die Verhältniswahl einführen will. Nach Z W des Entwurfes muß jeder, der kandidiert, der Verwaltungsbehörde bis längstens 3 Wochen vor der Wahl eine Er klärung darüber abgeben, zu welcher Partei er sich bekennt. Und durch dasselbe Wahlgesetz würde das Parteileben in Sachsen rettungslos per- nichtet werden. Es geht den sächsischen Parteien so, wie manchen große» Geistern, die erst nach ihrem Tode die öffentliche Anerkennung finden. Tas Verhältniswahlrecht des Entwurfes ist nichts weiter als ein Denk- mal, das man den politischen Parteien in Sachsen errichten will. Die Wirkung, die das neue Wahlgesetz auf die Kommunalverbände ausüben würde, soll ein anderes Mal gewürdigt werden. Ter Amtshauplmann wird der große Mann in Sachsen werden. Der Aampf im Äatholizirniur. Ist auch durch das Vorgehen des Vatikans gegen den „katholischen Geheimbund" das unmittelbare Interesse für den Fall Commer-Schell in etwas zurückgetreten, so ist bei dem nahen Zusammenhang, in dem beide Affären miteinander stehen, auch heute noch von Interesse, wie sich das Urteil über Commer in katholischen Kreisen gestaltet. Wir denken hier an die Krausgesellschast, die in einer Erklärung, die sie veröffent- licht, weder Professor Commer noch den Papst schont. Zunächst wird in der Beurteilung des „traurigen Buches" des Prof. Commer über ihn selbst gesagt: „Ein Mann von der Gesinnung, die aus diesem Buch spricht, das statt christlicher Liebe und Begeisterung für die göttliche Wahrheit starre Rechtgläubigkeit, erbarmungslose Härte und geistigen Hochmut zeigt, ein Mann, der fähig ist, in dieser Weise von seinem Kollegen und früheren Freund zu sprechen, die Größe und den Ruhm desselben verkleinern zu wollen, ist nicht der Mann, der zur Belehrung des Volkes und zum Urteil in religiösen Dingen für berufen erachtet werden kann. Mag Schell in manchen Punkten seiner Lehre geirrt haben, für seine Person, für seine Gesinnung, für seine geistige Größe treten wir Mann für Mann ein gegen einen so unwürdigen Angriff." Dann geht es aber in der Erklärung noch viel ernsthafter weiter, wenn es heißt: „Es ist für die Katholiken überaus schmerzlich, daß ein solches Buch aus dem Munde des Papstes ein uneingeschränktes, öffent liches Lob empfangen kann. Wir sind überzeugt, daß der hl. Vater dieses Lob nicht gespendet hätte, wenn er das Buch selbst aelesen und nicht nur durch Bericht und Empfehlung anderer davon Kenntnis genommen hätte. . . . Nachdem geschäftige und lügnerische Zungen das Ohr des Papstes gesunden haben, ist es Pflicht der deutschen Katholiken, auch die Wahrheit öffentlich zu sagen und zum Ohre des Papstes dringen zu lassen. Deshalb erklären wir: Es ist nicht wahr, daß diejenigen deut schen Katholiken, welche Schell hochschätzen und sein Andenken ehren, seine Lehren empfehlen wollen, so weit sie als dem katholischen Glauben nicht entsprechend von der Kirche erklärt werden sollten. Aber seinen Geist lieben wir, den Geist, der ehrlich die Wahrheit sucht, der alle Menschen mit Liebe umfaßt, der immer das Bessere, das Göttliche er strebt und wie überall, so auch auf dem Gebiete der Religion dem wahren Fortschritt dient. Inzwischen fährt die „Köln. Volksztg." fort, den „Nömerzorn" zu beschwichtigen. Sie begnügt sich nicht mehr mit der Betonung der Harmlosigkeit der Petitionsliga — sie läßt sich jetzt von einem der Herren, welche man zur Beteiligung einlud, schreiben, daß der ganze Plan schon gescheitert gewesen sei, als die „Römische Korrespondenz" ihre Enthüllungen drucken ließ. Das schasst aber die Schärfe des Tones nicht aus der Welt, mit der das offiziöse Hauptorgan des Vatikans, der „Osservatore Romano", die Adreßliga verurteilt und damit alle die Leute, die, wenn auch in bescheidener Form, es wagen wollten, eine Reform der Jndex-Handhabung vom Papste zu erbitten. Unser Römischer O.-Korrespondcnt gibt diese Auslassungen fol gendermaßen wieder: „In einer Zeit, in der Geistliche und Laien, die freilich betonen den Schoß der Kirche nicht verlassen zu wollen und sich nebelhaft und unzulänglich abschwächender Ausdrücke bedienen, sich erkühnen, die Göttlichkeit und die Auferstehung des Heilandes, die Jungfräulichkeit Mariä und die Ewigkeit der Strafen in Zweifel oder zumindest in Erörterung zu ziehen, — in einer solchen Zeit wäre es angezeigt, anstatt an die Unterdrückung des als einzige Wehr der Ausbreitung verderblicher Strömungen entgegenstehenden Index zu denken, den Index vielmehr neu zu schaffen, falls er n o ch n i ch t b e st ü n d e." Er empfiehlt ferner denen, die sich in ihrer literarischen Expansion und Geltung durch den Index gehemmt oder bedroht fühlen, ihre Produkte doch gefälligst zuvor der Approba tion des zuständigen Bischofs zu unterbreiten. „Es ist der Bischof, der die Wache hat über das heilige Gut der katholischen Lehre. Er ist es, der die Herde Jesu Christi zu hüten hat, der sie je nach ihren Kräften zu den intellektuellen Weideplätzen zuläßt oder von ihnen fernhält. Und somit ist die Petition der geheimen Liga nichts als der Ausdruck jenes Gefühls der lieber Hebung, das der schlimmste Koeffizient des Modernismus ist; einer Ueberhebung, die namentlich an zwei Stellen der Petition selbst zutage tritt: dort, wo es heißt, daß von den Dekreten des Index diejenigen betroffen werden, die den „Beruf haben, geistige Führer zu sein , und dort, wo beklagt wird, daß „mitten in den Wechielvcrkehr der Geister sich eindrängt die Vorschrift des Index zu geistigem Fasten". Es ist wahrlich ein beklagenswertes Symptom unserer Zeit dieser individualistische Geist, der von der Hierarchie und der Autorität der Kirche nichts mehr wissen will und der alles vom Individuum entschieden zu sehen wünscht, dem sich günstigstenfalls noch der Beichtvater, der ja das Lehramt der Kirche nicht zu versehen hat, soll beigesellen dürfen. Diese Leute bestreiten der Kirche und den Bischöfen die Mission als Leiter der katholischen Gewissen, und dann maßen sie sich frecher Weise dieMiss.ion von „geisti - gen Führern" an, um die Freiheit zu besitzen, straf- los die falschen Begriffe ihres Intellekts zu ver- breiten. Indem wir ihre eitlen Ansprüche zurück wei sen, wünschenwir ihnen brüderlich, daß sie nicht noch länger unter dem Fasten zu leiden haben mögen, das die Kräfte ihres Geistes so erschlafft zu Haden scheint,daß sieselb st dieDemutunddieErgebenbeit gegen die Autorität der Kirche cingebüßt habe n." Wenn das offiziöse Organ des Vatikans so sprechen darf, dann ist für absehbare Zeiten Männern, die im Sinne der Liga handeln wollten, jeder Erfolg im Vatikan unmöglich geworden. Der Vatikan will das unbelehrbare, das mittelalterliche Rom bleiben, über dessen Pforte auch für die bescheidensten Reformer die Worte stehen: „Laßt alle Hoffnung fahren!" Kurz vor Schlttß der Redaktion erhalten wir die Nachricht, daß Pro fessor Merkle in Würzburg das Dekanat der katholisch-theologischen Fakultät niedergelegt hat. Natürlich bringt man diesen Schritt mit Professor Commers Schrift über Schell und dem Briese des Papstes an Commer in Verbindung; denn beide Publikationen richteten ihre Hauptspitze gegen Merkle, der mit Schell befreundet war und auch den Aufruf zugunsten eines Grabdenkmals für diesen unterzeichnet bat. Deutsches Reich. Leipzig, 13 Juli. * Bennigsen und der Tuckerbricf. Gouverneur von Bennigsen sendet der „Post" folgende Erklärung: „Ich habe selbstverständlich nickt das geringste mit dem Tuckerbriefe zu tun gehabt. Den Herrn Gi-sie- breckt kenne ich meines Wissens nicht, obwohl es nicht ausgeschlossen wäre, daß er bei irgend einer kolonialpolitischen Veranstaltung mir vor gestellt wurde, und daß ich ibn dann aus der Erinnerung verloren habe. Den Herrn Reichötagsabgeordneten Bebel kenne ich persönlich nicht, habe nie mit ihm gesprochen, und weder direkt noch indirekt jemals mit ihm in Beziehungen gestanden." (Die „Post" hatte die Frage aufgeworfen, ob etwa Bennigsen der Hintermann GiesebrechtS sei.) * Eugen Wolf verteidigt sich Der im Münchener Peters-Prozeß als Sachverständiger vernommene Afrikaforscher Eugen Wolf sitzt sich in einer Erklärung gegen die Angriffe zur Webr, die in einem Teile der Presse wegen seiner Aussagen gegen ihn gerichtet wurden. Insbesondere hält er gegenüber einer abweisenden Meinungsäußerung von Rochus Schmidt die vor Gericht gegebene Darstellung seiner freundschaftlichen Beziehungen zu Wiffmann in allen Punkten aufrecht und unterstützt sie durch Mitteilung zahlreicher, in herzlichem Ton abgesaßter Briese und Einladungen, die er von Wiffmann bis kurz vor dessen Tod erhalten hat. * Die neue Eisenbahn-sigiialordnuit«. Nach einer Bekanntmachung in Nr. 29 des ReichsgesetzblalteS tritt am 1. August d. I. eine neue Eisenbabn-Signalordnung in Kraft. Die im Reichseilenbahnamte bearbeitete und mit Vertretern der beteiligten Bundesregierungen durch beratene Ordnung weist nach der „Berl. Korr." rerschiedene Fortschritte in der Vereinheitlichung des deutschen SignalwesenS auf. U. a. soll künftig die Ablenkung vom durchgehenden .Hauptgeleise den Zügen all gemein durch mebrflügelige Haupisignale angezeigt werden. Für die Weichensignale, für die bisher nur eine sehr allgemein gehaltene Vor schrift bestand, die die Anwendung der verschiedensten Formen zuließ, ist jetzt eine einheitliche Form vorgeschrieben. Neu eingesührt wird da« sogenännte GleiSiperrsignal, das als Sondersignal in verschiedener Gestalt der einzelnen Verwaltungen schon bisher im Gebrauche war, für da« aber jetzt allgemein die bisher in Bayern übliche Form angewendet werden soll. Bei den Verhandlungen über diele Neuerungen wurde allerseits größte Bereitwilligkeit gezeigt, die beträchtlichen Kosten für die Umänderung der den neuen Bestimmungen nicht entsprechenden Einrich tungen der Einheitlichkeit zuliebe aufzuwenden.
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