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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070715011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-15
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07. luszügeu kneisrl. : Gertrud r. »I8LL rinden 1 ktndenau/ tlZl« choriginell! .F.Körner. >. v. Moier. SV4» ^50 A), ds- und »IS46 pfe »r»8 «ss. 0141S Ater iter-Passage. itags 3 Uhr. l Programm. IN7SL ltllhtlllt, tze IS. isrt ier - Kapelle >ävr", ren. Udr, -12 Uhr. IN Iler MM. tas nkvnii tlimpt. 8! "ML 0111- P-ig 168 I8titllt8 lert : — Norver- ad 6. »»72 »ÜI7ZI Bezug»-Prett für und Vororte durch »nie« TrL-er und Hpedtreure tu« Haus gebracht: Nu»- gab» ä (nur morgen») »ierteljLhrllch 3 Ul., tuonallub 1 Ut.; «»«gäbe > (morgen» and abend«) vierteljLhrlich 4.50 »., monatlich 1.50 M Lurch die Post bezöge» (2 mal täglich) innerhalb Leutichland» u der deuNchen Kolonien vierteljährlich 5.25 M , monollrch 1,75 Ul. aullchl. Poftbestellgeld, für Oesterreich 9 8 66 o, Ungar» 8 X vierteljährlich. Ldonnement-Annahme: Au-ustustplatz 8, bei untere» Trägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, lvwi« Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Stummer lostet W PsP Stedaktton und Lrpedition: Johanniigasie 8. Delephon Nr. 14692, Nr. 14693. Nr. 14ÜS4. Berlin« Nedaktion«-Bureau. Berlin XV. 7, Prinz Loui« Ferdinand- Straße 1. Telephon l, Nr. 9275. Nr. 194. Morgen-Ausgabe 8. Montag 15. Juli 1907. NPZMrTMbM Harldelszeitimg. Amtsblatt -es Rates und -es Nolizeiamtes -er Lta-L Leipzig. Luzeigev-Prei» für Inserate au« Leipzig und Umgebung di, «gespaltene Petitzeile 25 Ps., stnanzrell« Lazeigeu 30 Ps., Reklamen I Uk.; von auäwtrt» 30 Ps., Reklamen l.S0Ui.; vom«u»laad50Ps., finanz. Anzeigen 75 Ps , NeklLMen l.Ä) M. Inserate v. BehSrden im amtlichen Teil 40 Pi «eilagegebühr 5 Ul. p. Tausend exkl. Post- gebühr. Geschästtanzeigen an bevorzugter Stelle im Preis« erhöht. Rabatt nach Taris, gesterteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeige».Annahme: Uugostutplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. alle» Annoncen- Expeditionen de« In- und Au»lande«. Haupt - Filiale Berlin: Earl Duncke-, Herzogl. Vahr. Hofduch- handlung, Lützowftraße 10. (Telephon VT, Nr. 46M-. 101. Jahrgang. Das wichtigste vonr Tage. * Drr Kaiser hielt gestern vormittag in Hammerfcst Gottesdienst ab. Um 3 Uhr nachmittags wurde die Reise nach dem Nordkap fortgesetzt. Das Wetter klärt sich auf- an Bord alles wohl/ * Die Kaiserin ist nach Beendigung der auf der Segeljacht „Iduna" von Kopenhagen aus unternommenen Kreuzfahrt gestern nachmittag im Kieler Hafen eingetroffen. Sie setzte in Begleitung der Prinzessin Victoria Luise und des Prinzen Joachim die Reise nach Kabinen fort. * Am gestrigen Tag hielt der nationalliberalc Landesausschuß in Leipzig eine Sitzung ab, in der zu dem Wahlgesetzentwurf der Regierung Stellung genommen wurde. (S. d. des. Art.) * Präsident Curtius erklärt, daß er nicht von seiner Stellung zurücktritt. sS. Dtschs. R) * Der österreichische Minister des Aeußern Freiherr von Aehrenthal ist gestern in Des io eingetroffen und vom Minister Tlttoni empfangen worden. sS. Letzte Dep.) * Allem Anschein nach ist gestern auf den Präsidenten FalliLres nach der Truppenschau in Longchamp ein Atten tat verübt worden. sS. Letzte Dep.) * In Paris und Toulon haben sich gestern Straßen tumulte ereignet. (S- Letzte Dep.) * Den Großen Preis von Berlin (76 600 D gewann Weinbergs „Fels" im Kanter. — Im Grand Criterium d ' Ostende (50 000 ^) siegte „Czarin a". (S. Sport.) * Bei dem Schwimmfest des Deutschen Schwimmverbandcs im Kochsse bei Charlottenburg siegte im Springen um den Kaiser preis Otto Hoof- Leipzig mit 72 Punkten. (S. Sport.) j)avt-rpolitische Entscheidungen zuin sächsischen wahlgesetzentrvrrvf. Seitdem am 6. Juli der sächsische Wahlgesetzentwurs durch daS amtliche „Dresdner Journal" veröffentlicht worden ist, hat es zwar nicht an einem regen öffentlichen Meinungsaustausch über diesen Ent wurf in der Presse gefehlt und auch in einer Reihe kleinerer Versamm lungen ist er besprochen worden. Es fehlte aber an offiziellen Partei erklärungen. Das ist seit gestern anders geworden. Der national- liberale Landesausschuß hat gestern im Fürstenhof zu Leipzig getagt und hat nach gründlicher Beratung in einer Resolution zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Zugleich aber ist auch von konser vativer Seite eine Erklärung erfolgt, über die Näheres mitzuteilen sein wird. Die Verhandlungen des nationalliberalen Landesausschusses tragen einen vertraulichen Charakter. Die Diskretion ^erbietet uns daher, Einzelheiten über sie mitzuteilen. Wir lassen den offiziellen Bericht folgen, der auf den Gang der Verhandlungen hinweist und vor allem die wichtige Resolution enthält, die einstimmig gefaßt worden ist. Dieser Bericht lautet: Der Vorsitzende, Herr Franz Gontard, eröffnete die Versamm- lung nach 11 Uhr, begrüßte die sehr zahlreich erschienenen Mitglieder und kennzeichnete die Aufgabe, der alle Kräfte zu widmen, Ehrensache der Partei sein müsse. Er erteilte sodann Herrn Generalsekretär Dr. Westenberger das Wort zum ersten Gegenstand der Tagesordnung: Der Wahlgesetzentwurs der sächsischen Regierung. Der Redner erörterte an der Hand der im Wahlaufruf enthaltenen all gemeinen Grundforderungen die Frage, ob und wie weit sie durch den Gesetzentwurf erfüllt seien. Die Wiedereinführung der direkten Wahl, die Beseitigung der Unterscheidung zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen, die Ersetzung der Drittelerneuerung der Kammer durch Neuwahl im ganzen Lande seien gewiß als Zugeständnisse im liberalen Sinne aufzufassen, aber ihre Wirkung sei von vornherein stark begrenzt durch den großen Schnitt, den der Entwurf durch l e Kammer ziehe, indem er für die Hälfte der Mitglieder ein besonderes Wahlsystem auf Grund der kommunalen Verbände einrichte. Diese Neuerung stoße auf starken Widerspruch. Die Begründung der Vorlage reiche nicht aus, gewichtige Bedenken zu beseitigen, zumal da jetzt eine Neuordnung in der Zusammensetzung der Bezirksverbände im Sinne einer berufs ständischen Gliederung angekündigt werde. Im 2. Teil des Gesetzent wurfs sei durch die Einführung der Verhältniswahl in Verbindung mit Doppelstimmen dagegen ein Weg gezeigt, der vielleicht zur Verein fachung des ganzes Gesetzes und damit zur dringend erwünschten Ver ständigung führen könne. Soviel sei klar: wenn man ein politisch tak tisches Prinzip, die Zurückdrängung der Sozialdemokratie, ausschlag gebend mache, gleichzeitig aber ein liberales einfaches und einheitliches Wahlrecht verlange, werde man von dem allen Drehschemel nie herab- kommen. Jedes Wahlgesetz, das diesen zwei Seiten gleichzeitig und gleich gut gerecht werden solle, werde notwendigerweise ein schiefes Ge sicht zeigen. Sei es nicht lehrreich genug, daß letzt die Regierung ruhig mit dem Einzug von 15 Sozialdemokraten rechne, also mit einer Zahl, die fast genau die Stärke der sozialdemokratischen Fraktion vor Erlaß des jetzigen Wahlrechtes bezeichne?! Nichts werde das Uebergreifen der Sozialdemokratie auf die bürgerlichen Schichten mehr beschleunigen als ein die Unzufriedenheit steigerndes Wahlgesetz. Man werde dann alle zehn Jahre immer neue und höhere Schranken ziehen müssen. Wohin solle das führen? Es gelte, einiges Vertrauen zu dem im ganzen ge- sunden Sinn der Bevölkerung zu fassen und ein Wahlgesetz zu schaffen, das zwar die politische Gefahr nicht außer acht läßt, also eine gewisse Sicherheit bietet, aber diesen taktischen Zweck nicht zur Hauptsache macht. Diese gewisse Sicherheit sei bereits mit dem zweiten Teile des Gesetz- entwurfs, wi: die Zahlen zeigen, in Aussicht. Hier müsse eingesetzt wer den, um etwas Vernünftiges zu schaffen. Die nationalliberale Partei werde nicht kleinlich ihre Vorteile auSrechnen: sie werde, wenn sie die Regierung auf einem guten Wege sehe, selbstlos mitarbeiten, getreu ihrem alten Grundsatz: DaS Vaterland über die Partei! (Beifall.) Die nachfolgende Verhandlung nahm mehrere Stunden in Anspruch. Es beteiligten sich die Herren Dr. Zöphel, Landtagsabgeordneter Langhammer, Dir. Herrich, Landgerichtsdirektor Hettner, Lehrer Clauß, Rechtsanwalt Martin, Professor Dr. Bran denburg, Geheimrat Dr. Schill, W. Carlssohn, LandtagS- obgeordneter Prof. Dr. Nühlmann , Lehrer Liesche, Dr. O e st - reich. Weitgehende Uebereinstimmung ergab sich gegenüber dem 1. Teil der Vorlage. Es wurde besonders der grundsätzliche Standpunkt be ¬ tont, wonach im Gesetzentwurf durch die Hereinziehung der Kommunal- verbände die Einheitlichkeit der 2. Kammer aufgehoben wird. Zwar wurde auch die Ansicht geäußert, daß eine Vertretung der Gemeinden sachlich gerechtfertigt werden könne, aber auch von dieser Seite wurde das Maß des Einflusses, den die Regierung den Kommunal, verbänden einräumt, nicht als annehmbar bezeichnet. — Weit mehr Neigung zeigte sich, den Weg einzuschlagen, den der Entwurf im zweiten Teile eröffnet, wenngleich Bedenken gegen die Verhältniswahl stark hervortraten. Die Bestimmung über die Steuergrenze bei der Ver leihung der Doppelstimmen (1600 .X Einkommen) wurde allgemein gut geheißen, dagegen die Heranziehung für den einjährig-freiwilligen Dienst als belanglos abgewiesen und die Bevorzugung der Wähler zum Landeskulturrat verworfen. Bon felbst ergab sich während der Ver handlungen eine sehr ausgiebige Erörterung der allgemeinen politischen Verhältnisse in Sachsen, die anscheinend in einer bedeutsamen Wand lung begriffen sind. Einstimmig wurde schließlich folgende von Landgsrichtsdirektor Hettner vorgeschlagene Erklärung angenommen: „An dem am 6. Juli 1907 veröffentlichten Wahlgesetzentwurf der sächsischen Regierung erkennt der nationalliberale Landesverein für das Königreich Sachsen an, daß durch die Beseitigung der Unterschei- düng zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen und die Ein führung einer gerechten Wahlkreiseinteilung, sowie durch die Ab schaffung der indirekten Wahl zwei seiner bisherigen Forderungen befriedigt werden sollen: er erklärt sich auch, an seinem Beschlüsse vom 24. Januar 1904 festhaltcnd, mit einem gemäßigten Pluralwahl recht, wie es der Entwurf, wenn auch nur für einen Teil der Ab geordnetenwahlen, vorsieht, grundsätzlich einverstanden, verhehlt je doch nicht seinen Widerspruch gegen mehrere Einzelheiten. Dafür, daß durch Verhältniswahlen den Minderheiten eine entsprechende Vertretung im Landtage gewährt wird, tritt er ein, er hält aber den Vorschlag der Regierung für keine glückliche Lösung dieser Aufgabe. Vor allem aber hat er gegen die Uebertragung des einen Teils der Wahlen an die Kommunalverbände und die dadurch herbeigeführte Spaltung drr zweiten Kammer in zwei ihrem innersten Wesen nach verschiedene Gruppen von Abgeordneten so schwere Bedenken, daß er dem Entwurf in der vorliegenden Form nicht zuzustimmen vermag." Die Annahme der Erklärung wurde mit lebhaftem Beifall begrüßt. Noch einer kurzen Besprechung des zweiten Punktes der Taaesordnung: Landtagswahlen, wurden die Verhandlungen geschlossen. Von den Laudtllgsabgeordncrcu wäre.-: erschienen: Franz Gonlard, Langhammer, Neidhardt, Merkel, Schieck, Schill, Otto Müller, Kretzsch- mar, Poppitz, Ehret, Rühlmann. Ferner nahmen teil: Reichstagsabge- ordneter Dr. Junck und Generalsekretär Breithaupt aus Berlin. An demselben Tage, an dem der nationalliberalc Landesausschuß in dieser Form zum Wahlgesetzentwurs der Regierung Stellung nahm, ist, wie schon berichtet, nun auch von konservativer Seite eine Erklärung zu der gleichen Materie erfolgt. Während man vergeblich darauf war tete, das offizielle konservative Organ „Das Vaterland" werde in seiner am Sonnabend erscheinenden Nummer, für die es eine Besprechung der Vorlage in Aussicht gestellt hatte, diese nun auch bringen — konnte man am Sonntag früh in einem Leipziger konservativ-agrarisch- nationalliberalen Morgenblatt lesen, daß sich die Mitglieder der säch sischen konservativen Landtagsfraktion mit Ausnahme einzelner Abge ordneter, denen das Erscheinen bei den Besprechungen nicht möglich war, einmütig auf eine Erklärung geeinigt hätten, in der es heißt: Wenn auch die Konservativen der Zweiten Kammer schwere Be denken gegen eine Reihe von prinzipiellen Bestimmungen des Ent wurfs haben, so werden dieselben doch in eine unbefangene und gründ liche Prüfung des Entwurfs eintreten, um den Versuch zu machen, ein brauchbares Gesetz zustande zu bringen. Die hauptsächlichsten Bedenken gegen die Ver hältniswahlen sind: 1) Eine ganze Reihe von Wahlkreisen mit geringer Stimmenzahl wird voraussichtlich einen Abgeordneten überhaupt nicht erhalten, während Wahlkreise mit größerer Stimmenzahl mehrer- Abgeordnete in die Kammer entsenden werden. Tas Gefühl der ungleichen Be- Handlung und des Nichtvertretenseins im Landtage wird zu steigender Unzufriedenheit und bei späteren Wahlen zur Wahllauheit führen. 2) Unter der bisherigen Einteilung des Landes in städtische und ländliche Wahlkreise haben sich alle wirtschaftlichen Verhältnisse, in sonderheit diejenigen der Industrie, auf das Günstigste entwickelt. Die Industrie hat auch auf dem Lande eine Ausdehnung genommen, wie in keinem anderen Teile Deutschlands. Ein zwingender Grund für die Aufgabe der bisherigen Wahlkreiseinteilung liegt nicht vor. Dagegen dürste die Zahl der Wahlkreise einzelner Städte zu erhöhen bleiben. 3) Die Zahl der sozialdemokratischen Abgeordneten bei den Ver hältniswahlen wird nicht auf 15 beschränkt bleiben. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die Mehrheit der aus den Verhältniswahlen hervor gehenden Abgeordneten Sozialdemokraten sein werden. 4) Zur Erhaltung der Autorität des Staates hat man es bisher als Pflicht der Regierung und aller königstreuen Bürger gehalten, den Kampf in geschlossenen Reihen gegen die Sozialdemokratie zu führen. Dadurch, daß der Regierungsentwurf jede einzelne Partei geradezu zwingt, in jedem einzelnen Wahlkreise des Landes Kandidaten aufzustellen, wird ein Kampf aller gegen alle proklamiert, der zu Parteizänkcreicn und Parteiverfeindungen unter den Ordnungsleuten führt und in seinem Endeffekt der Sozialdemokratie nützt. Was die Wahlen durch Kommunalvcrbändc anlangt, so muß auf das Tiefste beklagt werden, daß die bisherige gedeihliche Wirksamkeit der kommunalen Körperschaften und Verbände durch Hineintragcn der Politik, die bisher ausgeschlossen war, geradezu ge fährdet wird. Auch hiervon haben die Sozialdemokraten den größten Vorteil, die ihrerseits alles ausbieten werden, um auch in der kleinsten Gemeinde Vertreter ihrer Partei zur Wahl zu bringen. Hieraus muß Unsegen und Unfrieden für das ganze Land entstehen. Sollen die kommunalen Körperschaften Wahlkörperschaften im richtigen Sinne des Wortes sein, so darf die Regierung auf deren Zusammensetzung künftig keinerlei Einfluß mehr ausüben. Bei aller Anerkennung für die ausgezeichnete Tätigkeit unserer Amtshauptleute muß auch der Schein vermieden werden, als könnten dieselben oder die Regierung durch sie irgendwelche Einflüsse auf die Gestaltung der Landesver- trctung erlangen. Der neue Entwurf erhöht den plutokratischen Charakter, weil er den bisherigen Wählern der ersten Abteilung in einem Bezirke einen verhältnismäßig größeren Einfluß einräumt. Die gegenwärtige indirekte Wahl will man beseitigen. Dafür führt der Entwurf der Regierung eine indirekte Wahl mit größeren Män- aeln «in. > Zu dieser Erklärung wird ferner noch hinzugefügt: Trotz aller dieser Bedenken wird man von feiten der konservativen Fraktion in die Beratung der Regierungsvorlage vorurteilsfrei eintreten. An dererseits wird man aber auch aus der Mitte der Konser vativen im Landtage, um den vollen Ernst zu dokumentieren, der die Fraktion bezüglich der Frage der Neuordnung des Wahlrechts er füllt, einen Entwurf vorlegen, der auf viel einfacherem Weg« das Ziel erreicht, daß niemandem, der bisher dos Wahlrecht hatte, das selbe genommen und daß auch den weniger bemittelten Klassen der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben wird, Vertreter aus ihrer Mitte in den Landtag zu entsenden. Dieser Entwurf wird sich unter teil weiser Neubildung von Kreisen an das Wahlrecht von 1868 anlehnen. Zu diesen beiden parteipolitischen Erklärungen sei vorläufig fol gendes ausgeführt: Vergleicht man die konservative Erklärung mit der scharfen Kritik, die das konservativ-agrarische Organ, die „Deutsche Tageszeitung" in Berlin, über den Wahlgesetzentwurs gefällt hat, dann erscheint, was hier konservative Landtagsfraktionsmitglicder sagen, wie lindes Säuseln noch Sturmes Wüten. Und doch ist es nur der konziliante Ton, den man hier anschlägt, der über die scharfe Gegensätzlichkeit gerade zu den freiheitlich fortschrittlichen Teilen des Gesetzentwurfes Hinwegtäuschen könnte. Es tritt klar hervor, daß man vor allem von der bisherigen Einteilung des Landes in städtische und ländliche Wahlkreise nichts wissen will. Gegen die Verhältniswahl kämpft man nicht mit >ach- lichen Urteilen über dieses Wahlprinzip, sondern sucht eine Einschränkung zu erzielen mit dem Hinweis auf den Nutzen, den die Sozial demokratie haben könnte — ja man stimmt in diesem Zusammenhang dos alte Lied von Jnteressensolidarität der Ordnungsparteien an, die ge fährdet werden, als wäre sie nicht immer, soweit Landtagswahlen in Be tracht kamen, nur zum Vorteil der Konservativen ausgebeutet worden, unter Mithilfe all der Kreise des Volkes, die in politischer Charakterlosigkeit der Entscheidung „konservativ oder liberal" aus dem Wege gingen und unter der Flagge „national" oder „Ordnungspartei" die konservativen Parteigeschäfte unterstützten. Glaubt denn weiter die Resolution damit Eindruck machen zu können, daß sie einen eigenen konservativen Wahlgesetzentwurf in Aussicht stellt, der sich „unter teilweiser Neubildung von Kreisen an das Wahl recht von 1868 anlehnen" soll, so merkt man denn doch die Absicht zu deutlich, als daß man sich hiermit irreführen lassen wird. Das, was liberal an dem Wahlrecht von 1868 war, wird ganz gewiß nich: konservativen Beifall und Verwendung finden. Zu gleich aber zeigt man damit, daß man trotz gegenteiliger Erklärung wohl nicht ernstlich an dem Regierungsentwurf Mitarbeiten will. Denn das schließt doch aus, daß man einen Geaenentwurf einbringt. Datz dieser aber jetzt noch nicht veröffentlicht werden soll, vielmehr erst im Landtage, spricht nicht gerade dafür, daß man mit ihm vor die Wähler massen zu treren wagt, die iw Herbst zur Wahlurne ziehen. Kurzum — die ganze langatmige Erklärung der konservativen Fraktionsmitglieder ist nichts anderes als eine verschleierte Ablehnung des ganzen Entwurfes der Regierung und spricht damit für die Wahrheit des im Lande verbreiteten Gerüchtes, es habe sich schon die erdrückende Mehrheit der konservativen Landtags abgeordneten verpflichtet, den Neaierungsentwurs abzulehnen. Zu einem anderen Resultat ist der nationalliberale Landesaüsschuß gekommen. Auch er begegnet dem Entwurf mit schweren Be denken. Sie richten sich vor allem gegen das zweifache S y st e m, mit dem der Regierungsentwurf arbeitet. Genau wie wir es bei unserer ersten Besprechung des Entwurfs ausgesprochen haben. Und vor allem ist es die Wahl aus den Kommunalverbänden, gegen die sich dann prinzipielle Bedenken erheben. Welcher Arc diese Bedenken sind, ist ebenfalls schon an dieser Stelle ausgeführt worden und wird noch weiter ausgeführt werden. Die Nationalliberalen empfinden aber die Verpflichtung, mit dem alten Wahlrecht aufzuräumen und etwas Besseres zu schaffen, viel zu unmittelbar und viel zu stark, als daß sie von diesen ernsten Bedenken aus kurzerhand zu einer Ablehnung der Mitarbeit auf Grund des Entwurfs kommen könnten oder gar durch einen eigenen Entwurf, wie es die Konservativen planen, die Arbeit der Wahlresorm noch erschweren möchten. Sie anerkennen darum das Gute, das in dem Entwurf geboten ist und wollen es als die Grundlage zu einer ersprießlichen Reformarbeit ansehen, bei der dann freilich möglichst all das auszuscheiden ist, was, wie vor allem die Wahl aus den Kommunalverbänden, mit liberalen Grundsätzen unvereinbar erscheint. In diesem Sinn bat man sich gestern auf die oben abgedruckte Resolution geeinigt und in diesem Sinn ist zweifellos für das sächsische Volk eine ersprießliche Arbeit im Landtag möglich, als in dem Geist, den die Er klärungen der konservativen Landtagsfraktion aufweisen. Deutsches Reich. Leipzig, IS. Juli. m. Zur LandlagSwahl. Aus Aue wird unS vom 13. Juli ge schrieben: Am heutigen Abend fand hier eine vom Ausschuß für die nationalliberale Kandidatur Bauer veranstaltete öffentliche Versammlung statt, die trotz des großen Unwetters, das herrschte, auch auS der Um gegend sehr gut besucht war. Herr Parteisekretär Dr. Günther hielt einen trefflichen Vortrag über Landtagswahl und Mittelstands fragen, worin er nachdrücklich und überaus einleuchtend die Verdienste gerade der nationalliberalen Partei an der Forderung dcö wirtlichen Wohles deS Mittelstandes hervorhob und in ebenso ent schiedenen wie überzeugenden Ausführungen gegen den Abg. Ente unv seine Darlegungen auf dem MittelstanvStag polemisierte. Nach dem überaus beifällig aufgenommenen Vortrag fand eine Debatte statt, in der Vertreter auS Schneeberg, Neustädte!, Schwarzenberg, Johann georgenstadt und Aue erklärten, daß die Aussichten der nationalliberalen Kandidatur Baucr äußerst günstig seien. Die Gegenkandidatur Kretzschmer wurde von den einzelnen Vorstandsmitgliedern sogenannter „reichStreuer Vereine" unterstützt. Die wirklich Liberalen deS Kreises bringen ihre Sympathien einmütig der Kandidatur Bauer entgegen. Neugründungen nationalliberaler Vereine im Wahlkreis stehen in mehreren Orten bevor. * Gegen den LegarionSrat von Nostitz-Wallwttz. Wie schon ver- lautete, wollten die Konservativen im Landtag eine Interpellation ein bringen, die sich gegen die Ausführungen des Herrn von Nostitz richtet. DaS haben jetzt die konservativen Landtagsabgeordneten im Zusammen hang mit der im Leitartikel mitgeteilten Erklärung zum Wahlgesetz entwurf bestätigt. Es sei notwendig, daß derartige Verdächtigungen (über die Nebenrcgierung), die bisher in der Hauptsache nur zu den Kampfmitteln der Sozialdemokratie gekört haben, vor dem ganzen Lande öffentlich klargestellt und auf ihre Wahrheit oder Unwahrheit einwandSfrei untersucht werden. Urber dir ZcilungSlcktüre -es Kaisers, ein neuerdings wieder viel fach erörterte« Thema, wird der „Post" von angeblich wohlunterrichteter Beile geschrieben: Kaiser Wilhelm erwartet, daß er über alle politische
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