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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070719023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-19
- Monat1907-07
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Ader»--A«dgabe 8. Bezug-Preis für Leipzig und Bororte durch unsere Br»g«r und Spediteure in« Haut gebracht: Lut gabe t (nur morgen«) oiertelithrlich 3 M.. monatlich I M.; Auigabe » (morgen« und abcnd«) viertelsährlich 4.50 M., monatlich 1.50 M. Dur» die Poft bezogen ('- mal täglich) innerhalb Deuilchland« u der deutschen Kolonien »ierteljäbrlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. autschl. Postbestcllgeld, süc Oesterreich 9 8 66 d, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahm«: Au-uftuSplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Tic einzelne Nummer kostet W Pfh Aedaktion und Lrpedtlion JohanniSgasie 8. Telephon Nr. 14692 Nr. 14693 Nr. 14694. MiWgtrTaMM Handelszeitung. Ämlsvlalt des Rates und des Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Nr. 198. Freitag 19. Juli 1907. Berliner «edaktion« vuroau Berlin blVV. 7 Prinz Loui« Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 9275. Anzeigen-Prei- für Inserate au« Leipzig und Ummeftung dl« Lgespalten» Petit,eile 25 Ps., finanzielle Anzeigen 30 Ps., Reklamen 1 M.; von -u«wärt« 30 Ps., Reklamen 1.201».,' vomAutland5OPs., finanz. Anzeigen 75Ps., Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behärdeu,m amtlichen Teü 40 Ps. Beilagegcbübr 5 M. p. Tausend exkl. Poft, gebühr. Geschäft«anzeigen an bevorzugter stelle im Preise erhäht. Rabatt nach Taris. Festcrtcilte Austräae sännen nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Luguftu«pla, 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen. Expeditionen de« In- und Auslände«. Haupt--Male Berlin: Carl Duncks-, Herzogl. Barr. Hosbuch» Handlung, Lützowstraßp lü. (Telephon VI, Nr. 4603). 101. Jahrgang. Das wichtigst- vom Sage. * Ein Telegramm aus Selsövik von gestern meldet: Der Kaiser ist soeben, um 7 Uhr abends, hier eingetroffen und hat nach der Abendtafel eine Partie nach dem Svartisengletscher unter nommen. An Bord ist alles wohl. Die nächste Telegraphenstation ist bis Freitag, vormittags 9 Uhr, Roervik, dann Trondheim. * Ter frühere Reichs- und Landtagsabgeordnete Graf von Wintzingerode-Bodenstein, Mitbegründer des Evan gelischen Bundes, ist gestorben. sS-Dtschs R.) * Wie der „Vogtländische Anzeiger" meldet, hat der Stadtge« meinderat von Plauen gestern abend die Einführung einer neuen städtischen Verfassung beschlossen. Der bisherige Stadtgemeinderat wird aufgehoben, und dafür werden getrennte Kollegien des Stadtrates und der Stadtverordneten eingeführt. Die neue Einrichtung tritt am 1. Januar 1908 in Kraft. * Ter Kaiser von Korea hat in seine Abdankung ein gewilligt. Das Ministerium war schon vorher zurückge treten. lS. Ausl.) . * Der Romancier VictorMaIot ist inPariS im Alter von 73 Jahren gestorben. Schrilstr-it, Erzbischofwcchl, V-sie-elung. Von den drei Aufgaben, die die jüngste Phase der polnischen Frage der Regierung gestellt hat, ist die eine, die des Kampfes um die staatliche Hoheit in Schulsachen, so gut wie gelöst, die von den Polen aufgeworfene Machtfragc ist entschieden. Von polnischer Seite wird allenthalben zum Rückzug geblasen. Den letzten noch im Widerstand befindlichen Vätern wird die Unterschreibung eines Formulars empfohlen, das die Er klärung enthält, sich den getroffenen Anordnungen zu fügen, aber daran die Verwahrung geknüpft, der Unterschreibende betrachte nach wie vor die Erteilung des Religionsunterrichts in einer anderen als der Muttersprache als Gewissenszwang. Ter alte Spruch „Der Tapfere weicht mutig zurück" ist damit recht geschickt und aktuell ins Polnische übersetzt, man erwartet aber dafür, daß jetzt die Negierung Zugeständ nisse in der Unterrichtssprache macht, und glaubt, daß das im Zusammen hang mit der Neubesetzung des Erzbistums Posen- Gnesen geschehen werde. Tie bisherigen Bemühungen, dafür «inen polnischen, aber unbedingt auf dem Standpunkt der staatlichen Forde rungen stehenden Kandidaten ausfindig zu machen, sind ebenso erfolglos geblieben, wie die von deutschen Wortführern vertretene Forderung der Ernennung eines deutschen Erzbischofs als Demonstration gegen die fort- lebenden Traditionen des Gnesener Erzbistums als Sitzes des Primas und Jnterrex. Abgesehen davon, daß für die Rolle eines derartigen Sturmblocks Bewerber recht dünn gesät sein dürften, wird der Staats regierung nach mancherlei Erfahrungen mit der Besetzung von Bischofs stühlen der historische Ausruf vorschweben: „Ein Papst kann nicht Ghibelline sein!" Die staatlichen Interessen werden durch die Staats vakanz eher gefördert als benachteiligt, je länger sie dauert. Umgekehrt liegt das Verhältnis bei der Frage, ob die fieberhaften und von Erfolg zu Erfolg schreitenden Bemühungen, deutschen Grundbesitz in polnische Hand zu bringen, nicht schon das mühsame Werk der deutschen Neubesiedelung aufzuwiegen drohen. Auf polnischer Seite rechnet man auf die Abneigung der deutschen Großgrundbesitzer gegen den Gedanken der Verleihung des Enteignungs rechtes an die Ansiedelungskommission sehr stark, und sucht ein An zeichen dieser Abneigung in jedem Gegenvorschlag, der in der deutschen Presse diskutiert wird. Man schöpft immer neuen Mut aus der von Zeit zu Zeit wiederholten Mitteilung, daß über den Inhalt der so oft angekündigten Vorlage noch immer nichts feststehe. Es handelt sich hier um den Widerstreit von Interessen, die der publizistischen Diskussion kaum zugänglich sind. Die gesamte gesellschaftliche Struktur der Ost provinzen beruht auf dem Großgrundbesitz; der Gedanke, sein Ent eignungsrecht grundsätzlich zu beschränken, bedeutet tatsächlich eine Er schütterung festgewurzelter Anschauungen. Man befürchtet von der Verleihung des Enteignungsrechtes an den Staat einen Preissturz der Güter, der den deutschen Großgrundbesitz ebenso wie den polnischen in seiner Kreditfähigkeit schwer gefährden würde. Der Gegenvorschlag, diese Kreditfähigkeit zu stützen, mit Beschränkung auf die deutschen Be sitzer, ist aus dieser Befürchtung heraus leicht zu verstehen Das wilde Geschrei der polnischen Presse über die Barbarei des Enteignungs gedankens ist zum größten Teil nur darauf berechnet, das Vabanque der polnischen Spekulation zu unterstützen, die mitten in der Unsicher heit noch alles aufkauft, was zu haben ist. Denn sie lebt der Hoffnung, selbst unter dem Damoklesschwert der Enteignung die Preise so hoch als nur möglich zu halten. Da aber das Werk der deutschen Besiedelung schon durch die rapide Preissteigerung für Grund und Boden immer kostspieliger geworden ist, und bei Fortdauer der Ueberspannung der Zweifel an seinem Einfluß immer stärker sich regen muß, kann die Ent. icheidung nicht mehr hinausgeschoben werden. Eine streng objektive Darstellung des Anwachsens der Güterpreise wird die durchschlagende Begründung eines tiefeingreifenden Wandels in den Grundsätzen der Besiedelung geben. Sie ist durch ihre Entwickelung zum Kernpunkt der polnischen Frage geworden und wird für die nächste Session des Land tags wohl auch die wichtigste Entscheidung der inneren Politik bringen. Mittelstands-V-r-inigrrng nnd Wnhlrechtsrefoviir. Der Geschäftssührende Ausschuß der Sächsischen Mittelstands vereinigung hat sich in seiner letzten Sitzung neben anderen Fragen auch mit der Stellung zum Wahlgesetzentwurf der Regierung beschäf tigt. Ter offizielle Bericht hierüber heißt: Allgemein war man der Meinung, daß man die Regierungsvor schläge trotz verschiedener Bedenken nicht ohne weiteres von der Hand weisen dürfe. -Die Mittelstandsvereinigung bedauert es, daß die politischen Parteien samt und sonders die Wahlreform unter dem Gesichtspunkte beurteilen, ob sie Mandate gewinnen oder verlieren, und daß für sie die Bedürfnisse der Berufsstände, für die doch eigent lich die Parlamente die Gesetze machen, erst in zweiter und dritter Linie kommen. Der Vorstand der Vereinigung wird die einzelnen Bestim mungen de? Entwurfs in "gewissenhafter Weise prüfen und in den nächsten Tagen seine Stellungen einer öffentlichen Erklärung zur allgemeinen Kenntnis bringen, i Soviel kann schon heute gesagt wer den. daß die Mittelstandsvcreinianna keine Sondervorteile erstrebt, sondern lediglich danach trachtet/daß die allgemeinen Mittelstands interessen, die mit dem Slaatswohl und dem Gcsamtwohl identisch sind, bei der Wahlreform zu!der ihnen gebührenden Anerkennung gelangen. ' '' - Man wird mit einer Beurteilung dieser Stellungnahme zu warten haben, bis die hier angekündigte öffentliche Erklärung erfolgt ist. So viel wird man aber schon beute sagen müssen, dah der Vorwurf, die politischen Parteien beurteilen den Entwurf unter dem Gesichtspunkt, ob sie Mandate gewinnen und verlieren, der Wahrheit entbehrt. Wollte man z. B. von liberaler Seite aus nach diesem egoistischen Gesichts punkt verfahren, so würde man durchaus nicht so viel Wert darauf legen, daß die bisher so gut wie entrechteten Wähler aus dem Arbeiterstand mehr Rechte erhielten. Denn ihre Stimmen werden zu einem großen Teil der Sozialdemokratie zugute kommen, nicht dem Liberalismus. Die Wahlen lediglich unter dem Gesichtspunkt der Berufs- und der Standesinteressen aufzufafsen, wie es augenscheinlich die Mittelstands vereinigung will, verrät ein sehr geringes Verständnis für die kul turellen Aufgaben, die auch die Zweite Kammer mit zu lösen hat. Z-itungsstiinni-n. In der „Köln. Ztg." finden wir folgende bemerkenswerte Aus lassungen über das Thema Liberalismus und Atheismus: Aus München geht die Meldung durch die Blätter, ein fanatischer Frei denker, namens Sontheimer, habe in der Weise Propaganda für seine Ansichten gemacht, daß er regelmässig in die von den Schulkindern benutzten Vorortzüge cingestiegen sei und Len Kindern unter Verspottung religiöser Vorstellungen seine eigenen Lehren vorgetragen habe. Man mag über das Freidenkerlum urteilen wie man will, jeder verständige Mann wird es für einen Unfug kalten, daß jemand sich an fremde Kinder herandrängt, um ihnen, vielleicht im Gegensatz zu dem, was ihre Eltern sie gelehrt wissen wollen, seine Ansichten auszudrängen. Ein Freidenker mag seine eigenen Kinder zu Freidenkern erziehen, wenn er LaS süc richtig hält, anderer Leute Kindern gegenüber bedeutet eine solche Propaganda nicht Gewissensfreiheit, sondern Gewissenszwang, zu dem niemand ein Regit hat. Wer kirchlich leben will und darin einen Halt im Leben findet, hat das gute Recht auf die Betätigung seiner Anschauungen und auf die Erziehung seiner Kinder nach seinem Sinne. Ter wahre Liberalismus bedeutet Toleranz in jeder Hinsicht, er bestebl nicht in der Hervorhebung eines „dezidierten Anti christentums", besteht nicht einmal in programmäßiger Gleichgültigkeit gegen das Kirchentum, sondern fordert nur, daß jede Frage nach der Religion, der Kon fession, nach der Weltanschauung überhaupt ausgeschaltet wird, wo es sich um Politik bandel». Es gibt allerdings eine Art „Liberalismus", die es für wesentlich hält, die Religion als eine abgetane Sache zu behandeln, und der Konfessionalismus aller Richtungen macht ein gutes Geschäft, indem er den echten Liberalismus, der für jeden Denk- und Gewissensfreiheit fordert, die er weder durch den Staat noch durch Private behindert wissen will, absichtlich vermengt mit solchen in- dulvsamen und im Grunde illiberalen Anschauungen, wie sie Herr Eontbeimer und Genossen zu bekunden sich berufen halten. Der Fall Sontheimer bietet die Gelegenbeit, um gegen die von Zeit zu Zeit besonders in der ultramontanen Preße beliebte Vermengung beider Arten von Liberalismus Einspruch zu er heben, eine Vermengung, die nur den Zweck hat, zum Besten des Zentrums den religiösen Leser vor dem Liberalismus gruseln zu machen. Die „Nat.-Ztg." schreibt über das Thema „Die Gelehrte» des Vatikans": Tie Angst vor den Deutschen geht in den klerikalen Kreisen Italiens so weit, daß sie, nicht ums Sterben sich dazu herbeilassen würden. Deutsch zu lernen. Man muß sich die Zahl der Leute, die im Vatikan die deutsche Sprache verstehen und das deutsche Schrifttum mit innerer Teilnahme zu verfolgen ver mögen, außerordentlich gering vorstellen. Dieser Umstand erklärt manche Irrungen zwischen dem Vatikan und den deutschen Katholiken. Auch die klerikalen italienischen Redaktionen sind nicht mit deutschen Sprachkenntnissen gesegnet. In einem Schweizer Blatte, den „Neuen Züricher Nachrichten", wird in einem römischen Briefe Klage darüber geführt, Laß die klerikalen italienischen Blätter mit Bezug aus die Angelegenheit der in Deutschland geplanten Index-Bittschrift gar nicht von dem Notiz nehmen, was die am nächsten beteiligten, d. h. die katho- lifchen deutschen Zeitungen darüber schreiben. Ter römische Berichtkrstatter be zeichnet ironischerweise als Enlschnlvigungsgrund biersür die vollständige Unver- trautheit der betreffenden Redaktionen mit ver deutschen Sprache. Ter Bericht erstatter verbürgt sich für die Tatsache, Laß die als Tauichexrmplar beim kleri kalen „Lsservatore Romano" einlangende ultramontane „Kölnische Volkszeitung" gewöhnlich uneröffnet bleibt; nicht einmal das Postband derselben wird auf gerissen. Das ist allerdings hart für das führende katholische Blatt am Rhein. Vom Vatikan aber könnte man wohl verlangen, daß, wenn er eine universtlle Macht, die über alle Völker der Erde ihre Hand breitet, sein und bleiben will, er Loch wenigstens sich mit der Sprache eines Kulturvolkes wie des deutschen vertraut macht, um Las Leben und Weben dieses Volkes in unverfälschter reiner Gestalt kennen zu lernen. Deutsches Reich. Leipzig, IS. Juli. * Genc»al Nishi über Deutschland und Japan. Der japanische General Nishi veranstaltete gestern abend im Palast-Hotel zu Berlin ein Bankett, zu dem zahlreiche deutsche und japanische Offiziere geladen waren. Nishi kielt dabei eine Ansprache, in der er sagte, als vor vierzig Jahren Japan sich in modernem Sinne umgestalten wollte, habe eS in Europa sich nach Vorbildern umgesehen und sich schließlich für Deutschland entschieden, dessen Lehren es seit zwanzig Jahren treulich Feuilleton. Es kostet nicht viel Mühe, mit jemand liebenswürdig zu sein, der einem völlig gleichgültig ist. Oskar Wilde. O Japanische Skizzen. Von Th. Ebner (Ulm). Ich wohne augenblicklich in einem Zimmer, das mich mii Heizung und Frühstück die Kleinigkeit von 125 ^l im Monat kostet. Mittag- und Abendessen kommen mich auf 125 ^l zu stehen, wozu noch etwa 60 ^l für Getränke kommen. Im Klub, wo ich einstweilen als Gast verkehren darf, kostet es nochmals 60 all den Monats so daß das nackte Leben aus etwa 400 ^l zu stehen kommt, nach vorläufiger Schätzung. Es wird aber eher mehr werden, denn ich muß mich für Einladungen revan chieren, und die kosten hier viel Geld. Hier in Jokohama, wie in Kobe oder Tokio und Nagasaki, wo Fremde wohnen haben diese ihr Settlement, das ihnen von der Re gierung angewiesen ist. Das schließt indessen natürlich nicht aus, daß sie sich auch unter den Japanern selbst ein Haus bauen oder mieten. Die unverheirateten Herren mieten sich gewöhnlich ein Haus zu zweien, zu dreien oder allein, je nach Mittel und Wunsch. Dieses Haus wird dann möbliert und mit Dienerschaft versehen. Ge wöhnlich besteht diese Dienerschaft nur aus einem Zimmermädchen für den Mann und einer Köchin, beides Japanerinnen. Es gilt als seiner, einen männlichen Bedienten und einen männlichen Kock in der Küche zu haben. Ersteres ist aber bester, nicht wegen der Weiblichkeit, sondern wegen der größeren Sorgfalt und geringeren Neugierde im allge meinen. Solche gemeinschaftlichen „Messen" sind ost ganz gemütlich und sehr nett, wenn die Teilnehmer zusammen Pasten und sich verstehen. Dl« Leute leben da ganz gut und so gut, wie es viele von ihnen zu Haus« nicht haben; alles macht der Diener. Der Koch kocht meist gut und man findet in den Messen drei bis vier Gänge mit Wein. Um 6 Uhr abends geht man in den Klub, trinkt starke Getränke, Cocktails usw.: gegen 8 Uhr fährt man nach Hause, und zwar in einem „Djinrikischa", einem leichten, zweirädrigen Wagen, der von einem Kuli gezogen wird. Nun wird gegessen und selten geht noch jemand auS. Denn die Stadt ist tot und man findet nur noch japanische Vergnügungen, die, mit unserem Maß gemessen, recht zweifelhafter Art sind. Freilich haben viele auch andere Anziehungspunkte zu Hause sitzen, und schon mancher hat sich auS Gewohnheit und Mangel an Kenntnissen von etwas Besserem später legitim verheiratet. Aber solch eine platt- riasige, krummbeinige, uninteressante Tochter deS SonnenIandeS ist nicht nach jedermanns Geschmack. Also wie aesagt, um 6 Uhr ist alles tot, und wenn ich von meinem Oriental-Hotel komme, sitze ich zu Hause vor meinem Kaminfeuer und lebe der Erinnerung. Ich habe schon einige Reisen ins Innere gemacht, die weniger schön als interessant waren. Laßt euch einmal so einen Aufenthalt in einem japanischen Hotel oder Teehaus schildern. Wer glaubt, jemanden zu finden, der eine andere Sprache spricht als japanisch, ist schön hereingefallen. Das ist ebenso selten, wie ein Kenner der russischen Sprache bei uns. Nehmen wir also einmal eine Reise nach Ashikaga. Von der Jokohamastotion fahren wir ab, wir, mein japanischer Be gleiter, der in unserem deutschen .Haupthause war, ein lunger Färber, und mein Koch. Nach dreimaligem Umsteigen sind wir in Ashikaga an- gekommen, nun geht es in den zweispännigen Wagen hinein, und nach einigen Minuten landen wir im Hotel oder Teehaus. Hier ist nun alles auf den Beinen, Wirt, Buchhalter, Dienerinnen, und alle knien am Eingang, legen den Kopf au? die Erde und verbeugen sich, immer grinsend: „Guten Tag, wie geht's, besten Tank für die Einkehr" usw. Am Eingang zieht man die Schuhe aus, die vor der Türe verwahrt werden, und begibt sich in sein Zimmer. Tie'eS besteht aus einem kahlen Raume, mit Strohmatten belegt, auf drei Seiten Schiebtüren, oder besser leichte Hokzrabmen mit Papier über zogen, an der Hinteren Wand ein Kakemono, d. h- ein Hängebild, be stehend aus einem Gemälde, auf Seide gemalt, davor auf dem Boden ein«. Vase und ein Zweig Kirschblüten, Pfirsichbliiten oder Kiefer darin. In der Mitte des Zimmers steht eine Holzkiste, oder auch ein Ton oder Metallgefäß, mit Holzkohlen darin, zum Erwärmen des Zimmers und der Hönde. Dieses Möbel kann man auch Nasenwärmer nennen, denn die übrigen Körperteile bleiben kalt. Um dieses Kohlenbecken liegen Kisten von der Dicke einer Steppdecke, mit Seide überzogen, die als Sitze dienen. Nun wird eine trübe, gelbliche, bittere Flüssigkeit tn kleinen Porzellanschalen gereicht, der berühmte japanische Tee. Dann zieht man sich ans oder nm, wobei einem die Dienerin behilflich ist. und nimmt, wenn man Lust hat, ein Bad. Dieses Bad wird gewöhnlich morgens frisch bereitet und hat eine Temperatur von etwa 60 Grad. ES wird den Tag über von jedem, der gerade Lust hat, benutzt, so daß man eS, immer frisch gewärmt von feinem Vorgänger, allein oder auch in Ge sellschaft benutzen kann. Nachdem man also mit Hilfe der Dienerin seine Kleider abgelegt hat, läßt man sich außerhalb der Wanne einseisen, ab reiben und abspiilen und besteigt nun die Holzwanne mit der Fleischbrühe, wenn man Lust hat. Nach einigen Minuten,entsteigt man den Fluten, läßt sich abtrocknen nnd begibt sich nun, gestärkt und ge- reinigt, wieder in sein Zimmer. Auch die Wascheinrichtung ist recht praktisch. Es gibt in demselben Badehause zwei Waschbecken ans Messing, die abwechselnd von den Gästen, Hausinsassen und Dienern benutzt werden. N >r ein Handtuch muß man sich mitbrinoen. Es gibt sogar auch einige Reformier, die ihre eigene Zahnbürste haben. Man raucht nun seine schlechte japanische Zigarette und trinkt Tee. wobei man sich Hände und Nase am Kohlenfeuer erwärmt. Nun wird gegessen. Mein Koch bringt mir natürlich europäisches Essen, denn Konserven und Fleisch haben wir mitgenommen, aber meine Begleiter stärken sich nach LandeSsitte. Ein Tablett wird gebracht, das auf ein kleines Tischchen gesetzt wird, und nun geht es mit den Holzstäben an die Arbeit. Und was für gute Gerichte sind da aufgelciden. Roher Fisch, rohe Austern, gebackener Fisch, getrocknetes Seegras mit Sauce, Aal geräuchert, Huhn usw. Dazu wird japanischer Schnaps, „Sake", auch Reiswein genannt, getrunken, den man meist warm zu sich nimmt. Zum Schluß kommt als Teckel auf den Magen Reis mit Tee, damit es besser rutscht. Während des Essens bemerkt man ein Schlürfen und ein Lutschen zwischen den Zähnen, daß es einem Menschen mit europäischem Anstandsgcfühl nicht gerade Wohler dabei wird, und das Rülpsen als Zeichen des Wohlgenusses gehört auch nicht gerade zu den Gesellschaftsspielen bei uns. Wenn man nun gut gegessen hat und guter Stimmung ist, dann muß sich der Mensch auch unterhalten. Schon die Alten und Aeltesten haben sich am Saitenspiel ergötzt und erquickt. Um so mehr muß das ein Kulturmensch tun. Alio wird die Geisha bestellt. Eine Sing-Geisha! Gei heißt Kunst und Sha Persönlichkeit. Endlich kommt die Geisha anqetrippelt, mit dem linken über den rechten Zehen, denn das ist schön. Eine schlanke Dame, meist mit schmalem Gesicht, und auf ihm eine dicke Lage Schminke, in langem, auf dem Boden schleifendem, crepescidenem Gewände mit großen Rücken schleifen. Sie macht ihren umständlichen Kotau, reicht jedem die schmale zierliche Hand und setzt sich in den Kreis der Fröhlichen nach japanischer Sitte. Nach einigen einleitenden Witzen und Schmeicheleien bringt sie ihr Wimmerholz. Nun kann man etwas erleben. Mit einem kei/sSimiycn Elfenbein schlägt sie das dreisaitige Instrument und krächzt etwas dazu, daß einem das Herz im Leibe wackelt. Dazwischen schreit sie selbst: „O das ist schön", damit man es auch sicher weiß, wenn man je zweifeln sollte. Endlich beruhigt sie sich und darf mittrinken. Man reicht ihr die kleine Sakeschale, spült diese in einem gemeinschaftlichen Spülnapf mit warmem Wasser, gibt ihr das „Näpfchen" in die Hand und füllt es dann mst Sake. Hat sie getrunken, so spült sic es wieder im gemeinschaftlichen Topf und gibt eS mit Dank und Verbeugung zurück. Auf dieselbe Weise wird auch der Zutrunk ausgeführt. 11m 11^4 Uhr wird die Geisha ad- geholt und man geht zu Bette Es werden nun im Zimmer einige mit Baumwolle gestopfte Decken hingelegt, ein weißes Bettuch kommt darüber und das Bett ist fertig. Als Kopfkissen dient ein mit Seegras gestilltes Säckchen oder die Kissen, auf denen man zuvor gelegen. Am andern Morgen findet die oben schon geschilderte Wasserprozedur statt. Plötzlich hört man lautes Händeklatschen, langes Gemurmel und wiederum .Händeklatschen. Als ich nach der Ursache Kes Lärms forschte, sah ich den Wirt sich mit seinem Schinto-Gott unter halten, und damit dieser Gott bei der Sache ist und nicht etwa sich setzt anderweitig beschäftigt, klatscht der Beter in die Hände, um seine Auf merksamkeit auf sich zu lenken. Dieses Schauspiel wiederholt sich drei-
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