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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070718019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-18
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DaS Wetter ist andauernd regnerisch und kalt. * Mit dem Dampferder Hamburg-Amerika-Linie „Windhuk* ist gestern morgen 1 Uhr 30 Mm. ein Truppentransport aus Deutsch-Süvwestafrika in Stärke von 2l Offizieren und 532 Unter offizieren und Mannschaften in Cuxhafen eingetroffen. * Wie an maßgebender Stelle mitgeteilt wird, beruht die Nachricht, daß sich an die Aussperrung der Textilarbeiter in Landeshut unmittelbar die Ausschließung aller schlesischen Textilarbeiter anscbließen werde, auf einem Irrtum. Bisher habe der Verband der schlesischen Textilindustrrcllen nichts darüber beschlossen, allerdings aber werde die Generalversammlung des Verbandes dieser Tage zu der Angelegenheit Stellung nehmen. * Die Waldarbeiter im Frankenwald sind in eine Lohn bewegung eingetreten, die auch auf den Thüringer Wald über zugreisen droht. * Die vierte Kommission der Friedens-Konferenz hat die Abschaffung des Kaper-RechteS beschlossen. Der Beschluß ist wertlos, weil er mit ungenügender Mehrheit gefaßt ist. (S.Frie dens-Konferenz.) * Die Leipziger Stadtverordneten richteten in ihrer gestrigen Sitzung den Antrag an den Rat, eine Verbrennungsanlage sür Feuerbestattung auf städtische Kosten zu errichten. * Vor dem Karlsruher Schwurgericht begann gestern der Mordprozeß Hau. (S. Ber.) Die Handlanger der „Nebenregierring". Wenn der Chorus der konservativen Presse in Sachsen, der sich nicht so schnell daran gewöhnen kann, daß die sächsische Regierung ein mal ihren eigenen Willen gegen den der Partei durchsetzen will, die sich bisher als Alleinherrscher im Lande betrachtete, «inen EntrüstungSrummel inszeniert und verlangt, die Regierung solle Herrn von Nostitz abschüttcln oder ihn veranlassen, seine Behauptungen zu beweisen, so kann man daS verstehen. Die Agrarier lasten eben ihre Geschütze spielen. Eine kräftige Preßpolemik wirkt reinigend wie ein Gewitter an schwülen Sommertagcn, und die politische Atmosphäre in Sachsen war nachgerade schwül genug geworden. Bedenklich wird die Sache aber, wenn liberale Blätter sich dazu hergeben, den Herren von der Nebenregierung — oder um das nach ihrer Ansicht des Beweises entbehrende Wort vorläufig beiseite zu lasten — den Herren von der äußersten Rechten Handlangerdienste zu leisten resp. ihren Dresdner Korrespondenten gestatten, Herrn Mehnert wissentlich oder unwissentlich als Werkzeug zu dienen, — waS in der Wirkung aus dasselbe hinauSläust. Die Dresdner Neuesten Nachrichten bemerken hierzu in einem von Personal- und Sachkenntnis zeugenden Artikel: „Die politische Welt, in der man sich in den Hundstagen lang weilt, würde sich wunvern, wenn sie die vielfarbigen Preßhennen sähe, die in der Hütte des Reaktionshäuptlings befruchtet werden und dann ganz unschuldig aussehende agrarische Kuckuckseier in liberale Zeitungen legen.* DaS Gleichnis von den KuckuckSeiera der Preßhennen mag zoologisch nicht unanfechtbar sein, aber es trifft den Nagel wundervoll auf den Kopf, wie daS schon gestern von uns wiedergegebene Beispiel zeigt. Wir meinen jenen famosen Dresdner Vertreter eine- führenden liberalen Blattes aus dem Westen, der den Minister des Innern ausfragte und dann seine Weisheit nicht nur an sein Blatt, nein — auch an Herrn — Mehnert, den konservativen Führer, weiter gelangen ließ. Die Folgen solcher — gelinde ausgedrückt — politischen Urteils losigkeit sind leider nur denjenigen klar, die aufmerksam viele Zeitungen lesen müssen und dabei in der Lage sind, die Fäden bis dahin zu ver folgen, wo sie gesponnen werden. Sie verdienen aber diesmal im Interesse der guten Sache niedriger gehängt zu werden. Man laö nicht nur in dem „führenden liberalen Blatt im Westen", sondern auch in einem Blatte der ReichShauptstadt, das gewiß sonst nicht reak tionärer Neigungen beschuldigt werden kann, dieselbe Forderung, die die „Dresdner Nachrichten* und die „Leipziger Neueste» Nachrichten" erhoben, — Herr v. Nostitz müsse sich näher erklären, beweisen usw. WaS seit Jahrzehnten in Sachsen die Spatzen von den Dächern pfeifen, was die gesamte nicht den agrarischen Sonder interessen dienende Presse seit Jahren wiedergekäut hat, — das sollte auf einmal etwas ganz neues sein! Da bleibt eS doch nur merk würdig, daß diese „gänzlich neue Enthüllung* im Palmengarten in DreSven von der ganzen großen Versammlung konservativer Politiker nicht etwa nur schweigend entgegengenommen, sondern mit lautem anhaltendem Beifall begrüßt wurde, einem Beifall, der deutlich zeigte, daß hier keine Enthüllung gemacht, sondern ein erlösendes Wort gesprochen worden war, erlösend in erster Linie für die Konservativen selbst. Weniger wundern wird man sich jetzt allerdings, wenn man sich erinnert, daß dieselben liberalen und demokratischen Blätter, deren „eigene Berichterstatter* jetzt mit den „Leipziger Neuesten" und den „Dresdner Nachrichten" die Regierung in eine Sackgasse zu treiben ver suchen, vor Monaten — besonders kurz vor der Begründung der konservativen Sezession — mit so verdächtigem Eifer betonten, daß in der konservativen Partei die schönste Einigkeit herrsche. Auch hier waren die Preßhennen, die dieses Märchen geschäftig und wichtig in die Welt hinausgackerten, in der Hütte des ReaktionShäuptlingS befruchtet worden, aber nicht alle: in einigen Fällen war die Befruchtung nur indirekt — die Weisheit des Herrn Dr. Mehnert wird auch dann noch gutwillig, ja begierig geschluckt, wenn sie erst einige Kanäle passiert hat, die gerade nicht reinigend zu wirken pflegen. Zu den unfreiwilligen, unüberlegten Diensten, die solche liberalen Blätter der Reaktion leisten, gehören auch iene Entenfabrikanteu, die in den letzten Tagen meldeten, der Minister Graf Hohentbal sei wegen des Legationsrats von Nostitz' Auftreten in Ungnade beim König gefallen oder die, wie die „Frkf. Ztg.* wenigstens davon redet, der König sei höchst peinlich berührt über deS Herrn von Nostitz' Ausführungen. Es wäre dringend zu wünschen, daß die liberalen Blätter, von denen man, im Gegensatz zu den Blättern, die angeblich jeder nationalen Partei dienen wollen, dabei aber doch stets mit wahrem Vergnügen nur Reaktionären, Konservativen oder Reformern Borspanndienste leisten, erwarten kann, daß sie der sächsischen Regierung in ihrem Bestreben, sich die konservative „Nebenregierung" vom Halse zu schaffen, kein Bein stellen wollen, alles auf das Gewissenhafteste prüfen, was ihnen in dieser Angelegenheit zur Veröffentlichung zugeht. Es kann da mit einigem Takt viel getan, mit Ungeschicklichkeit oder Sensationslust viel ver dorben werden. Irrr sächsischen rtanötaarwcchl. Das nationalliberale Vereinsblatt bringt folgende Zusammen stellung der bisher von der nationalliberalen Partei sür die diesjährige Landtagswahl ausgestellten Kandidaten. Städtische Wahlkreise. Leipzig H. Geh. Justizrat Tr. O. Schill, Leipzig. Leipzig IV. Fabrikant O. Müller, L.-Neusch. Dresden I. Lanbgerichtsdirektor Franz Hettner, Loschwitz bei Dresden. Dresden II. Rechnungsrat Anders, Dresden. Dresden IH. Dr. Paul Vogel, Dresden. Chemnitz H. Jleischerobermeistcr Kickelhayn, Neustadt bei Siegmar. Zittau. Löbau. Lehrer Philipp Pflug, Zittau. Dippoldiswalde-Dohna. Lehrer Arth. Richter, Rathen bei Pirna. Döbeln-Leisnig-Waldheim. Prof. Dr. Rühlmann, Döbeln. Burgstädt.Rochlitz. Rechtsanwalt Dr. Georg Zöphel, Leipzig. Crimmitschau-Werdau. Bankier Gustav Händel, Crimmitschau. lVereinigte bürgerliche Parteien.) Aue-Schwarzenberg. Fabrikbesitzer Stadtrat A. Bauer, Aue. Ländliche Wahlkreise. 1. Zittau-Land. Fabrikbesitzer Müller, Hirschfelde. 2. Groß-Schönau-Seifhennersdorf. Kommerz.-Rat Fabrikbesitzer Th. Richter, Gr.-Schönau. 12. Bärenstein-Pirna » Land- Nennrmannsdorf. Gemeindevorstand Zimmermann, Copitz. 32. F l ö h a - Au g u st u s b u r g. Fabrikbes. Ernst Stephan Clauß, Plaue. 36. Stollberg-Land. Theodor Schüppel, Burkhardts dorf i. Erzgeb. 41. Oberreichenbach-Wilkau. Gemeindevorstand Klein. Hempel, Wilkau. 45. Bad Elster-Bärendorf, Dr. med. G. Werbatus, Bad Elster. TtuvsiV-chsel in -er badischen Regierung. Aus Baden wird uns geschrieben: Es tritt immer mehr zutage, daß die Verabschiedung des Ministers Schenkel auch einen Systemwcchsel in der badischen Regierung zu be deuten hatte. Bekanntlich wurde dem geschiedenen Minister von ultra montaner Seite mit einer rührenden Unermüdlichkeit zur Last gelegt, daß er das gegen die Ultramontanen gerichtete Stichwahlabkommen der Liberalen mit den Sozialdemokraten mit seiner Autorität gedeckt und gefördert habe. Schließlich wurde mit den Reichstagswahlcn, die ja allein in Baden der Sozialdemokratie keine Verluste an Stimmen und Mandaten gebracht hatten, der Scheiterhaufen angezündet, auf dem zwar nicht Schenkel selbst, aber doch sein Ministerportefeuille verbrannt ist. Fraglos ist Schenkels Politik auf eine zwar nicht äußerliche, aber um so mehr auf eine innerliche Ucberwindung der Sozialdemokratie ge richtet gewesen. Schenkel hat darum die Sozialdemokratie nicht grund sätzlich zurückgewiesen, sondern hat sich ihre Mitarbeit gern gefallen lassen. Entgegengetreten, und dann unter Umständen auch scharf ent gegengetreten ist er ihr nur da, wo er ihre Forderungen und ihr Auf treten als ungerechtfertigt angesehen hat. So war die Politik, wie sie durch Woerishoffer für das Ressort der Fabrikinspckt:on in Baden bereits traditionell geworden war. Diese Schenkelsche Politik in Ver bindung mit dem Stichwahlabkommen hat dann allerdings nicht zu einer ziffernmäßigen Niederlage der Sozialdemokratie bei den Reichstags wahlen geführt. Aber das hat sie allerdings bewirkt, daß die revisio nistische Richtung gerade in der badischen Sozialdemokratie sich stetig weiter gefestigt und auSgebreitet hat. So lag tatsächlich nicht die geringste Veranlassung vor, mit einer Regierungspraxis, die sich bisher durchaus bewährt hatte und die bei ihrem weiteren Gelingen für ganz Deutschland hätte vorbildlich werden oder vorbildlich bleiben können, z>. brechen. Die jetzige badisch« Regierung hat aus den verflossenen Reichstags wahlen die umgekehrte Konsequenz ziehen zu müssen geglaubt. Sie hat in unmißverständlicher Weise der Sozialdemokratie gezeigt, daß sie sie künftig anders als bisher zu behandeln gedenke. Anlaß dazu gab ihr die Wahl eines Eisenbahnarbciters in den Karlsruher Bürgerausschuß. Der betreffende heißt Schäufele. Er ist seit vielen Jahren sowohl Arbeiter der badischen Eisenbahnbetriebswerkstätte wie sozialdemokra tisches Parteimitglied. Als solches wurde er auf Vorschlag seiner sozial- demokratischen Fraktionskollegen bei einer kürzlich erfolgten Nachwahl in den Karlsruher Bürgerausschuß kooptiert. Unmittelbar darauf wurde er, wie wir schon mitteilten, von seiner vorgesetzten Behörde vor die Alternative der Entlassung oder des Aus- tritts auS der sozialdemokratischen Partei gestellt. Das Ge- somtministerium aber erklärte, daß dieses Vorgehen von ihm ebenso gebilligt werde, wie es nur in Ausführung seiner eigenen Inten tionen erfolgt sei. Der „Fall Schäufele" ist also von der Regierung gemacht. Wie er an den Haaren herbeigezogen war, gebt daraus her vor, daß nicht nur eine ganze Anzahl anderer staatlicher Eisenbahn arbeiter als Sozialdemokraten Mitglieder von Bürgerausschüssen sind, sondern daß auch Schäufele selbst lange Zeit als staatlicher Arbeiter und als Sozialdemokrat unbeanstandet Mitglied deS Bürgerausschusses e.ncr Dorfgemeinde in der Nähe von Karlsruhe gewesen ist. Ebenso will kürlich ist, was die Regierung zur Rechtfertigung ihres Vorgehens als aktuelles Delikt der Sozialdemokratie vorbringt. Denn die Aeußernnp LegienS auf dem vorjährigen Mannheimer Parteitage, auf die die Re gierung sich berukt, daß die Sozialdemokratie die Organisation der 101. Jahrgang. Transportarbeiter zur Durchführung eines Generalstreiks erstreben müsse, hat Legien tatsächlich gar nicht in diesem Sinne getan; dann aber wäre auch der Karlsruher Bürgerausschuß der letzte Ort, wo der Sozialdemokrat Schäufele derartige Bestrebungen verwirklichen könnte. Der Fall Schäufele ist daher und sollte nur sein das Aushängeschild für die Frontveränderung der badischen Negierung. Man will auch bei uns die Sozialdemokratie äußerlich niederreiten, und streicht dazu mit leichtem Herzen und entschlossener Hand alles aus, was an innerlicher Ucberwindung der Sozialdemokratie, an ihrer Einfügung in die aktive Staatspolitik gerade in Baden bereits erreicht worden war. Daß ein derartiger Umschwung im Bereich der Möglichkeit lag, darauf mußte man allerdings bereits seit den letztjährigen Landtags- Verhandlungen gefaßt sein. Damals war nämlich, und zwar sowohl in der Ersten, wie in der Zweiten Kammer, die Frage der Aufbesserung des Gehaltstarifs der niederen Beamten mit der Forderung einer Revision der Beamtendisziplin verquickt worden. Diesen Forderungen auf Ein schränkung des Beamtenrechts war dann zwar von den verschiedensten Seiten widersprochen worden. In der Ersten Kammer waren es namentlich die Oberbürgermeister von Mannheim und Freiburg ge- w-esen, die mit Berufung auf die bewährte freiheitlichere badische Tra dition jede Einschränkung des bisherigen Beamtenrechts als gänzlich unmotiviert entschieden zurückgewiesen. Aber es mußte schon auffallen, daß der energischste Befürworter eines verkürzten Beamtenrechts in der Ersten Kammer, Geheimrat Honsell, bei der nächsten Vakanz zum Minister berufen wurde, obgleich das ihm übertragene Finanzporte'euille mit seiner bisherigen Stellung als Leiter der Wasser- und Straßen- bauinspektion nur wenige Berührungspunkte bot. Ausfallend war es ferner, als in diesem Frühjahr das Ministerium Gelegenheit nahm, den Eisenbahnbediensteten den 8 2 der Verwaltungsvorschriften durch be sonderen Erlaß ins Gedächtnis zurückzurufcn. Tiefer Paragraph be sagt, daß „Angelegenheiten, welche die Verwaltung betreffen, von Be amten ohne Genehmigung der Generaldirektion weder in öffentlichen Blättern besprochen, noch in anderer Weise zum Gegenstand einer öffentlichen Kundgebung gemacht werden dürfen." Da nun die ArbeiiS- bedingungen und Lohnverhältnisse einen Hauptteil der Verwaltungs. angelegenheiten bilden, so wäre mit der genauen Einhaltung dieser Vorschrift den Eisenbahnangestcllten die Besprechung ihrer eigensten Berufsangelegenheiten unmöglich gemacht. Das beste an diesem 8 2 ist es denn früher auch gewesen, daß auf seine Einhaltung nicht gehalten worden ist. Auch das soll nun anders werden. Was aber dieser neuerlichen Negierungspraxis mit ihrem Fall Schäufele eine allgemeine politische Bedeutung gibt, ist die Verschiebung, die sich im Verhältnis der Regierung zu den Parteien anbahnen muß, wenn die Regierung auf dem von ihr betretenen Wege wirklich weiter fortschreiten sollte. Das nächste Ergebnis des Falles Schäufele ist denn auch der einmütige Protest gegen diese Regierungsmaßregcl seitens aller Parteien zweien welche seiner Zeit am Stichwahlabkommen beteiligt waren, also nicht nur der Sozialdemokraten, Demokraten und Frei sinnigen, sondern ebenso der jungen und der alten Nationalliberalcn. Besonders scharf spricht sich die Resolution des Karlsruher jungliberalen Vereins aus, welche es verurteilt, daß die „Eisenbahnverwaltung im Fall Schäufele einem im Vertragsverhältnis zu ihr stehenden Arbeiter die Ausübung eines staatsbürgerlichen Rechtes praktisch un möglich gemacht und dadurch ihre Macht als Arbeitgeberin, unter Zu stimmung der Großh. Staatsregierung, in politischer Richtung miß braucht hat." Aber ebenso bestimmt, und höchstens in der Tonart ver schieden, hat sich die ganze nationalliberale Presse des Landes ausge sprochen; nicht einmal der als besonders scharf antisozialdemokratisch geltende, unter Bassermanns Einfluß stehende Mannheimer „General anzeiger" hat davon eine Ausnahme gemacht. Nur eines der zwei Heidelberger nationalliberalen Blätter macht neuerdings den schüchter nen Versuch einer teilweisen Rechtfertigung der Regierung, während der badische „Scharfmacher" Otto Ammon, der aber in Parteikreisen gänz lich emfsußlos ist, zu seiner Billigung der Regierungspolitik auf die anherbadische Presse — er ist Korrespondent des „Schwäbischen Mer kur" — angewiesen blieb. Die Wiederholung des Stichwahlabkommens zwischen Liberalismus und Sozialdemokratie bei den nächsten Wahlen ist denn auch noch nie auf liberaler und sozialdemokratischer Seite so gesichert erschienen, wie gerade jetzt. Eine politisch belangreiche Rückendeckung findet die Regierung, da die Konservativen in Baden nicht in Betracht kommen, gegenwärtig nur beim Zentrum. Das ist auch ganz in der Ordnung. Denn gerade der Zentrumsführer, Landgerichtsrat Fehrenbach, ist es gewesen, der, wie Honsell in der Ersten, so er in der Zweiten Kammer, der Regierung eine schärfere Handhabung der Beamtcndisziplin zugemutet hatte. Je doch ist nicht mal die Zustimmung des Zentrums eine ungeteilte. Ob aber die Negierung überhaupt wohl beabsichtigt haben mag, ihre Stütze künftig vorwiegend beim Zentrum zu suchen, oder ob sie sich nur in bezug auf die Stärke der gegen sie einsetzenden liberalen Opposition ver rechnet hat!? Wir glauben das letztere. Es wäre jedenfalls ein eigenes und für Baden tragisches.Zusammentreffen, wenn zu derselben Zeit, wo sich im Reich die Abschwenkung vom Zentrum vollzogen hat, in Baden, gerade in Baden, dessen ganze bisherige Geschichte in einer fortdauernden Abwehr des Ultramontanismus bestanden hat, das poli tische Horoskop auf Zentrum eingestellt würde. Der Gedanke ist so absurd, daß noch immer die Hoffnung nicht aufgegebcn werden darf, daß der Umschwung in der Verwaltungspraxis der badischen Regierung doch kein dauernder sein werde. Deutsches Reich. Leipzig, 18. Juli. * Prinz Friedrich Wilhelm Landratk Nach der „Neuen Ges. Corr.* soll Prinz Friedrich Wilhelm an den Verwaltungsgeschäften, mit denen er jetzt bekannt gemacht wird, soviel Freude gesunden haben, daß er an den Kaiser die Bitte gerichtet hat, nach beendeter Vorbildung ein LandratSamt übernehmen zu dürfen. Wie die genannte Korrespondenz weiter meldet, soll diese Bitte schon die Billigung des kaiserlichen Familienoberhauptes gefunden haben. * las neue Wcingcsctz. Zur Forderung eines neuen WcingesetzeS äußert sich die hessische Handelskammer in Bingen vom Standpunkt des Weinhandels ans dahin, daß der dringendste Wunsch nach Ruhe vor allen neuen gesetzgeberischen Experimenten bestehe. Der Weinhandel leide nach wie vor unter den starken Uebertreibungen über unreelle Zustände im Weinverkehr. Alle vorgeschlagenen Allheilmittel werden auch nicht hindern können, daß Fälschungen Vorkommen, ebensowenig wie seit Jahrhunderten eingeführte schwere Strafen sür andere Vergeben letztere auörotten konnten. — In diesem Zusammenhang sei darauf hin- gewieten, daß die rheinische Winzerbewegung stark unter Zen trums-Einfluß zu stehen scheint. * Sin «anal Bremen-Hamburg? In Nordwestdeutschland taucht ein neues Kanalprojekt auf, daS den Bau einer Wasserstraße zwischen Bremen und Hamburg bezweckt. Bei diesem Projekt handelt es sich um eine 'Verbindung zwischen den in ihrem oberen Laute zu kanalisierenden Flüssen Wümme und Este, die beide ihre Quellen in der Lüneburger Heide haben.
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