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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070726016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907072601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907072601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-26
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Allg. Zt g." veröffentlicht die von dem Gene, ralleutnant v. Liebert auf Veranlassung des Reichskanzlers abgegebene Erklärung über seine im Münchener Peters-Prozeß gegen die Disziplinargerichte getanen Aeußerungen. (S. Dtschs. R.) * Die französische Regierung hat eine dauernde Kom. Mission zum Studium der schlagenden Wetter ringe- richtet. (S. Ausl.j prozetzberichterstattev und Staatsanwaltschaft. Wir erleben eS jetzt bei nahezu jedem größeren Strafprozeß, daß der Kampf um Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu einem mehr oder weniger stark zugespitzten Kampf zwischen der Person des Staatsanwalts und der des Verteidigers wird. Bis zu einem gewissen Grade ist dies in der Sachlage begründet. Es wird aber in dem Maße verschärft, je mehr der Staatsanwalt sich nur als Vertreter der Anklagebehörde fühlt und darüber zurücktreten .äßt, daß sein Amt auch die andere Aufgabe in sich schließt, rein objektiv zu eruieren, wer der Täter bei dem in Frage stehenden Delikt ist. Auch der Prozeß Hau hat dies wieder gezeigt. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Untersuchungsrichter wie Staats anwalt so einseitig von der Schuld des Angeklagten überzeugt waren, daß es dadurch erschwert wurde, Spuren zu verfolgen, die auf einen anderen Täter als Hau weisen mochten. Haus Verteidiger hat hierauf wiederholt und in scharfer Weise hingewiesen. Dabei spielte die Frage eine große Rolle, ob von der Staatsanwaltschaft aus die Presse beein flußt worden sei. Das gab den Anlaß zu der Episode im Gerichtssaal, die sich zwischen dem Staatsanwalt und dem Vertreter der „Deutschen Journalpost", Herrn Schweder, abgespielt hat. Der Staatsanwalt kehrte den gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe die Presse zu un- gunsten HauS beeinflußt, dahin um — daß er Herrn Schweder ziemlich unverblümt verdächtigt«, im Solde der Familie Hau gestanden zu haben, als Schweder in einem Artikel auf den mysteriösen Charakter der ganzen Affäre hinwies. Herr Schweder protestierte hiergegen in scharfen, der Form nach beleidigenden Worten, die ihm eine Geldstrafe von 30 ^l. ein trugen, und der Staatsanwalt bemühte sich dann, den Streit durch eine beruhigende Erklärung auszugleichen. Dieser Streit ist damit aber nicht aus der Welt geschafft. Um so weniger, als sich jetzt ein Blatt gefunden hat, das seine Kritik in scharfer Weise gegen Herrn Schweder richtet, und dabei Grundsätze verrät, die einer öffentlichen Zurückweisung in der Presse bedürfen. Es handelt sich um einen Artikel im „Zeitungs-Verlag", einer Fach zeitschrift, die zwar nur das Organ einer beschränkten Verlegergruppe ist, aber vielfach in der Oeffentlichkeit als Sprachrohr der deutschen Zeitungsverleger überhaupt angesehen und damit in ihren Urteilen über Preßangelegenheiten leicht überschätzt wird. Der Artikel dieses Blattes sucht zwar Licht und Schatten seiner Beurteilung auf Staats, anwalt und Journalist gleichmäßig zu verteilen, verfährt dabei aber so, daß sich der Staatsanwalt für diese Hilfe, die ihm aus schriftstellerischen Fachkreisen zuteil wird — nur höflichst bedanken kann. Heißt es doch in dem Artikel, „die Voreingenommenheit, die man seitens der Richter gegen die Journalisten im allgemeinen hegt, wird durch solches Ver halten nur gestärkt", und der Artikel gipfelt in dem Urteil, der ganze Zwischenfall „ist weder für den beteiligten Staatsanwalt, noch für den beteiligten Prozeßberichterstatter besonders ehrenvoll, und trägt eher dazu bei, den Gegensatz zwischen Beamtenschaft und Presse zu er weitern, als ihn zu überbrücken". Das klingt genau so, als müßte die Presse den „Richtern" und der „Beamtenschaft" gegenüber sich in einer Zurückhaltung, wenn nicht gar Untertänigkeit ergehen, die den Zweck verfolgt, ja all« „Voreingenommenheit" und Gegensätzlichkeit aus der Welt zu schaffen, oder da, wo sie nicht vorhanden ist, nicht erst auf kommen zu lassen. Wir bedanken uns für eine solche Vertretung journa listischer Standesinteressen. Die Presse hat nicht danach zu fragen, wie sie Vorurteile gegen sich aus der Welt schafft oder wie sie Gegensätze zu anderen Interessen vermeidet. Sie hat den Weg zu gehen, den sie für recht und billig hält, um ihrem Zweck, dem Dienst der Öffentlich keit, gerecht zu werden und sich dabei das notwendige Selbstbewuhtsein zu wahren. Gegen diese Pflicht hat Herr Schweder durchaus nicht gefehlt. Er hat zuerst dafür zu sorgen gehabt, daß die Abnehmer seiner Korrespondenz — zu denen wir übrigens in diesem Falle nicht gehört haben — einen Vorbericht für den Prozeß Hau bekamen, der ohne die gesetzlich verbotene Benutzung der Prozeßakten, die Geschehnisse und Verhältnisse, die zu dem Prozeß führten, schilderten. Das hat er in durchaus sachlicher Weise getan, und wenn er dabei daraus hinwies, daß der Fall mysteriös sei — so hat ihm denn doch in diesem Urteil der Ver lauf des Prozesses völlig recht gegeben. Denn selbst, wer das „Schuldig" der Geschworenen für das richtige Urteil hält, wird nicht imstande sein, die vielen dunklen Momente in dem Prozeß zu klären. Keinesfalls aber hatte der Staatsanwalt das Recht, nun von sich aus eine Notiz in die Zeitungen zu bringen, worin er sagte, di« Sache sei gar nicht mysteriös, sondern die Schuld deS Hau sei so gut wie erwiesen. Damit beeinflußte er die Öffentlichkeit, zu der auch die Geschworenen gehörten, noch vor Beginn des Prozesses. Damit verstieß er allem Anschein nach auch gegen den Paragraphen des Strafgesetzbuches, der die Benutzung der Prozeßakten für die Öffentlichkeit vor dem Prozeß verbietet. Und wenn Herr Schweder darauf fußend, eine Klage gegen den Staatsanwalt ein gereicht hat, so ist das nur zu billigen. Denn angesichts der Tatsache, daß die Staatsanwaltschaft mit Eifer darüber wacht, daß die Presse sich nicht gegen diesen Paragraphen vergeht — ist es dringend wünschenswert, wenn in einem Falle, wie diesem, in dem der Staats anwalt denselben Paragraphen verletzt zu haben scheint, daS Gericht darüber angerufen wird, obhier eine strafbareHandlung vorliegt. Und nun das weitere Verhalten des Staatsanwalts. Kurzerhand stellt er eine Frage an den Zeugen Schweder, die diesen auf das tiefste verletzen mußte. Er bringt ihn in den Verdacht der Bestechlichkeit. Er stellt Herrn Schweder hin, als wäre er ein Schmock, der schreibt, wie ihm bezahlt wird. Es gibt für einen Journalisten keine größere Beleidigung als diese. Wenn Schweder unter diesen Anschuldigungen zu einem be leidigenden Wort kam — dann sollte wahrhaftig die gesamte Presse, auch nicht einen Augenblick zögern, ganz auf die Seite Schweders zu treten und nicht an seinem Verhalten imeinzelnen herum mäkeln, als wäre es geeignet gewesen, Vorurteile gegen die Presse zu verstärken und Gegensätze gegen Richter und Beamte zu verschärfen. Bfaß der „Zei tungs-Verlag" dieses Solidaritätsgefühl nicht, glaubte er statt dessen mit „wenn" und „aber" operieren und Opportunitätsrücksichten folgen zu müssen, die hier wahrhaftig nicht am Platze waren, dann erwies er sich eben nicht als befähigt, bei einer solchen Affäre als Organ der Presse zu dienen. Hat er sich doch auch nicht gescheut, noch neben seinem Artikel gegen Schweder einer Zuschrift Raum zu geben, die sich zu folgendem auch stilistisch skandalösen Urteil versteigt: „Empfinden die Inhaber der „D. I." („Deutsche Journalpost") denn nicht, wie schädlich für das ganze Ansehen der deutschen Presse Seitensprünge, wie dieselben von ihnen in dem Karlsruher Falle beliebt sind, oder irrtümliche Berichte werden können?" Wie wir dem Verfasser dieser Zuschrift nur angelegentlich unseres G. Wustmanns „Allerhand Sprachdummheitcn" (Leipzig, Fr. W. Grü now) zum Studium empfehlen können, so hoffen wir, daß der Zeitungs verlag künftig unbeirrt durch Rücksichten auf die Voreingenommenheit anderer Berufsvertreter die Interessen des Journalistenstandes besser vertreten wird, als er es in seiner Animosität gegen He^rn Schweder in diesem Falle getan hat. Der* iiens Skandal. (Von unserem Pariser Korrespondenten.) Die Familienangehörigen des früheren Unterrichts- und späteren Justizministers, Senators Chaumiä, sind unter Anklage gestellt, Ordens- Verleihungen, Strafaufschub, Begnadigungen usw. gegen Bezahlung be sorgt zu haben! Chaumiä hat seit zehn Jahren eine große Rolle ge spielt; unter Waldeck-Rousseau und Combes war er eine der wichtigsten Regierungspersönlichkciten; man achtete ihn wegen seiner Strenge und Lauterkeit. Vor einigen Monaten begann der „Matin" plötzlich gegen den Exminister eine gehässige Kampagne, beschuldigte ibn der Günstlingswirtschaft und Bestechlichkeit, und zwang ihn, eine Beleidi gungsklage einzubringen. Ueber die Motive, die das Blatt geleitet haben, wurde folgendes von unterrichteter Seite mitgeteilt: Als Chaumiä Justizminister war, hatte ein Reporter des „Matin" seinen Jnformationseifer so weit getrieben, aus dem Zimmer eines Untersuchungsrichters die Akten einer Skandalaffäre zu „mausen", einen Auszug daraus zu veröffentlichen und sie dann wieder mit höflichem Brief dem Richter zuzustellen. Der Richter ließ nicht mit sich spaßeiy und erhob Anklage wegen Diebstahls. Als Buneau-Varilla, der Herausgeber des „Matin", die Geschichte erfuhr, begab er sich zu Chaumiä und bat, die Sache niederwerfen zu lassen, damit die Kon kurrenzblätter kein Kapital daraus gegen den „Matin" schlagen könnten; er habe den Reporter scharf vorgenommen und seinem Infor mationsdienst ähnliche unzulässige Manöver verboten. Der Justiz. Minister sprach sein Bedauern aus, dem Verfahren seinen Lauf lassen zu müssen; der großmächtige Herr Buneau-Varilla scheiterte an einem stärkeren Willen. Glücklicherweise (und nicht ganz ohne das Zutun deS „Matin") fiel das Ministerium Combes; unter dem neuen Kabinett hörte man dann nichts mehr von dem Neporterstreiche. Der „Matzin" vergaß aber Herrn Chaumiä seine Widerspenstigkeit nicht und versprach sich, ihm die Wiederkehr zur Negierungsmacht ein für allemal unmöglich zu machen und ein Exempel zu statuieren. Einem französischen Minister läßt sich unschwer etwas am Zeuge flicken. Herr Chaumiä hatte sich in seinen Ministerien mit seinen Söhnen und Neffen umgeben, die alle Vertrauensämter erhielten. Erwähnt muß werden, daß alle Minister so zu handeln pflegen; sobald jemand ein Portefeuille erhält, ernennt er zu seinen Kabinettsdirektoren und Sekretären Ver wandte und direkteFreunde, die für ihn alle um Ordensbändchen, Tabak, bureaux usw. einkommenden Volksvertreter empfangen und sie Hinhalten müssen. Diese glücklichen Verwandten machen auch Reisen im Namen der Regierung und bekommen großartige Tagegelder. Chaumiä zitierte den „Matin" vor das Schwurgericht von Agen, seiner Heimat. Zuerst kam es zu einer witzigen Justizkomödie; der „Matin" bestritt die Unparteilichkeit der Richter von Agen, die sämtlich von Chaumiä Avancements erhalten hätten, und zitierte sie alle als Zeugen. Da man nicht Zeuge und Richter zugleich sein kann, mußte die Vertagung des Prozesses eintrcten. Der Pariser Kassationshof be schloß die Kompetenz des Gerichts von Agen und die Ungehörigkeit der Zeugenladung. Zum zweiten Male wurde in Agen verhandelt. Der Redakteur deS „Matin" zog ein Dekret hervor, das die Unterschrift eines Neffen deS Justizministers trug, und auf das nur ein Name eingeschrieben zu werden brauchte, um, wen immer man wollte, zum Offizier der Aca- dämie zu ernennen! Chaumiä sagte, man habe das Dekret vielleicht ge stohlen, und kündigte Enthüllungen an, wie der „Matin" auf den Mini sterien Erpressungen verübte. Die Verhandlung mußte erneut auf den 6 August vertagt werden. Auf dem Bahnhof von Agen schlug sich der Neffe des Herrn Chaumiä, Jean Lascombes, mit dem Redakteur Gustave Täry. Inzwischen hat der „Matin" ein umfangreiches Material erhalten, das zwar nicht die Schuld Chaumiäs, wohl aber die seiner beiden Neffen Paul und Jean Lascombes, ersterer Privatsekretär seines Onkels, der andere Kabinettsadjunkt, beweist; Täry beantragte die Ver folgung der Lascombes, die es einer hohen Intervention verdanken sollen, noch nicht hinter Schloß und Riegel zu sitzen. Man höre! Wegen kaufmännischer Fälschungen war ein Pariser namens Geraud zu einem Monat Gefängnis verurteilt worden; Jean Lascombes be sorgte ihm wiederholt, dank seiner Stellung im Justizministerium, Auf schub der Strafe, indem er ihm für bald völlige Begnadigung versprach; nicht umsonst. Geraud mußte die Schulden des Ministerneffen bezahlen, bei Buchmachern Tausende von Francs! Da er doch schließlich ins Gefängnis mußte, und obendrein heute noch Schulden Lascombes' zu bezahlen gezwungen ist, hat er den gesamten Briefwechsel dem „Matin" ausgeliefert, der ihn heute veröffentlicht. Es geht daraus hervor, daß Lascombes wie ein gemeiner Erpresser gehandelt hat. Schon in Agen hatte der Ministernefse von der Auslieferung seiner Briefe an Geraud erfahren, weshalb er sofort eine raffiniert« Komödie inszenierte, die dem Falle große Aehnlichkeit mit der berühmten Affäre Wilson gibt. Sein Onkel behauptete in Agen, der „Matin" wolle sich gegen ihn gefälschter Briefe seines Neffen bedienen. Jean Lascombes hatte bereits seinen Onkel glauben gemocht, «S zirkulierten Ernennungsdekrete und Doku mente, die die Unterschrift „Lascombes" trügen, aber gefälscht seien, da ie auf ein ministerielles Papier geschrieben seien, das erst mvnate- ang, nachdem Chaumiä und seine Angehörigen das Ministerium ver- assen hatten, in Gebrauch genommen wurden. Zum Beweis zeigte er seinem Onkel mehrere Dekrete mit angeblich falschen Unterschriften, und zwar auf einem besonders gerippten Papier, wie es nie zu Chaumiäs Zeit existierte. Wer sollte diese Fälschungen begangen haben? Der Unter suchungsrichter, der Jean Lascombes wiederholt verhörte, hat ihm das Geständnis abgerungen, daß er selbst die „Fälschungen" fabriziert habe, nachdem er sich die neuen Formulare im Justizministerium zu ver schaffen gewußt hatte, um die Anklage gegen sich zu entkräften! Der „Matin" behauptet, daß Zsean Lascombes noch nicht der schlimmste von der „Bande Chaumiä" gewesen sei, daß sein älterer Bruder Paul ein wahrer Wüstling war, der mit seiner Geliebten in einem Bohtzmienkabarett des Quartier latin die Nächte durchschwelgt und aufs schamloseste den Ordenshandel betrieben habe. Auch in Amerika, als Chaumiä ihn als Kommissar des Ministeriums des Unter richts und der Schönen Künste nach St. Louis gesandt hatte, wo er außer den Spesen 50 Francs Tagegeld erielt, habe er den Ordenshandel aufs schamloseste fortgesetzt. Chaumiä könne vielleicht geltend machen, seine beiden Neffen hätten in großem Jugendleichtsinn gehandelt. Wen trifft dann die Schuld? fragt der „Matin". Warum wagte der Minister es, einen noch nicht zwanzig Jahre alten Menschen wie Lascombes auf einen verantwortlichen, höchst einflußreichen Posten der Republik zu stellen? Die Verantwortung Chaumiäs ist in der Tat sehr groß, und sein Prozeß droht schlimm für ihn auszugehen, zumal der „Matin" der. spricht, daß er noch eine Menge Material besitzt, um zu beweisen, daß im Ministerium Chaumiä für Geld alles zu hahen war. Deutsches Reich. Leipzig, 26. Juli. Eisenhahukonferenz. In Salzburg sind Vertreter Deutsch lands und Oesterreich - Ungarns zu einer Konferenz über eine in allen wesentlichen Punkten übereinstimmende Gestaltung der Eisenbahn - VerkehrSordoungen beider Länder zusammengctreten. Deutscherseits nehmen daran teil die Geheimräte Dr. ElSner und die Mitglieder der preußischen Technischen Deputation für Gewerbe Geheimräte Dr. Rösing und Professor Dr. Will, Ober - Reg.-Rat Stiegelschmidt und Reg.-Rat Rost vom bayerischen VerlehrSministerium. Den Vorsitz führt bei der Besprechung der Sektionschef im österreichischen Eisenbahn-Ministerium Dr. Röll, neben dem die Ministerialräte Dr. Frhr. von Runfer, Dr. Dervyer. Dr. Mayer uns Dr. Ondraczek von der österreichischen Negierung delegiert worden sind. * Militärärztliche Untersuchungen. Es war schon früher im Reichs-Versicherungsamt erwogen worden, ob die bei den militärärzt- lichen Untersuchungen gemachten Wahrnehmungen über den Gesundheits zustand einzelner Gestellungspflichtiger und zum Truppendienst Einbe rufener für die Durchführung der vorbeugenden Krankenpflege und der Heilbehandlung nicht mehr als bisher verwert« werden könnten. Neuerdings bat der NeichskanzlersReichSamt desJnnern) Anlaß genommen,sich in dieser Angelegenheit mit den Bundesregierungen zur Erzielung einheitlicher Maß nahmen in Verbindung zu jeden. Es haben daraus sämtliche Regie rungen, mit Ausnahme der königlich sächsischen Regierung, die sich zunächst abwartend verhalten will, au die Zivilvorsitzenden der Ersatz- kommiision und die unteren Verwaltungsbebörden (8 57 Ziffer 4 des Jnvalidenversicherungsgesetzes) entsprechende Anweisung erlassen. Auch ist an die Truppenteile, Behörden und Sanitätsojfiziere das Erforderliche verfügt worden. * Zur sächsischen LandtagSwahlbewegung. Am 19. Juli sand in Löbau eine Veriammlung der Lausitzer Vertrauensmänner der Mittelstands-Vereinigung statt. Nach einem Vortrag des Generalsekretärs Ludwig Fahrenbach-DreSden wurde folgender Beschluß gefaßt: Die Mittelstands-Vereinigung unterstützt im 1. städtischen Wahlkreise (Zittau-Löbau) Herrn Lehrer PH. Pflug-Zittau (natlib.), im 1. ländlichen Wahlkreise (mittlerer Teil der Amishauptmannschasl Zittau) Herrn Gutsbesitzer Held in Eckartsberg bei Zittau (kons.), im 2. ländlichen Wahlkreise (südwestlicher Teil der AmtShauptmann- schäft Löbau und westlicher Teil der AmtShauptmannschast Zittau) Herrn Fabrikbesitzer Theodor Richter-Großschönau (natlib.), im 4. länd lichen Wahlkreise (nordöstlicher Teil der Amtshauptmannschaft Löbau) Herrn Geh. Oekonomierat Hähnrl-Kuppritz (kons.l, im 5. länd lichen Wahlkreise (nordöstlicher Teil der Amishauptmannschaflen Löbau und Bautzen) Herrn Gemeindevorsland Sobe-Zschorna, im 6. ländlichen Wahlkreise (westlicher Teil der Amtshauptmannsckaft Löbau und südlicher Teil der AmtShauptmannschast Bautzen) Herrn Fabrikbesitzer Förster-Spremberg (kons.). * Zum katholische« Streit. Der katholische NniversitätSprofessor Leo v. Savigny in Münster veröffentlicht in der „Osnabrücker Zeitung" eine scharfe Erklärung gegen ultramontane« römisches Wesen und gegen den Bischof von Münster wegen der Maßregelung deS Professors Renz. * Krupp, Shrhardt uup Pie griechische Regteruug. Wie wir kürz lich mitteilteu, haben die beiden deutschen Firmen Krupp und Ehrhardt, die an dem von der griechischen Regierung veranstalteten Wettbewerb zur Erlangung von neuen Geschützen beteiligt waren, ihr Geschütz material zurückgezogen, nachdem sie sich überzeugt haben, daß die französische Konkurrenz von vornherein in unzulässiger Weise begünstigt wurde. Die deutsche Regierung hatte, solange der Wettbewerb einen ernsten Untergrund zu haben tchien, die deutschen Werke nach Kräften unterstützt; letzt besteht für sie kein Anlaß mehr, sich in Erörterungen mit der griechischen Regierung über die Bevorzugung de« einen oder deS anderen Konturrenten einzulasfen. cä. Folgen der Wittener Katastrophe. Aus Dortmund meldet uns ein Privattelegramm: Nach dem Unglück in Witten wurde auf die gefährliche Lage der Sprengstofflager im Jndustriebezirk Hingewielen. Die Regierung ordnete Untersuchung an, deren Folge nunmehr eine allgemeine ministerielle Verlügung ist, welche die Verlegung der Sprengstosflager in dichte Waldungen fernab von bewohnten Gegenden vorschreibt. Ferner ist angeordnct, daß auch die Verladung von Sprengstoffen auf stark besuchten Bahnhöfen nicht mehr stattfinden darf. Ebenso sind die BauauSführungS- bkstimmuugen für die neuen Sprengstofflager bedeutend verschärft. Mlt der unter Assistenz von Regierungsbeamten vorzu nehmenden Verlegung der Sprengstofflager im Ruhrgebiet ist bereits vor einigen Tagen begonnen worden. * NeperkS Entschuiviaung. Die „Norddeutsche Allgem. Zeitung" schreibt: In dem vor dem Münchner Schwurgerichte verhandelten PeterSprozeß hatte der ReichStagSabgeordnete Generalleutnant z. D.
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