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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070729013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907072901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907072901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-29
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Morgen-Ausgabe 8. Bezug-Prei» flk veip»<v und Borortk durib unsere Träzrr und Spediteure in» Hau» gebracht: «u». gäbe L (nur morgen») vierteljährlich 3 M-, monatllch 1 M.; «u»gabe » (morgen« u«d abend») vierteljährlich <50 M., monailich 1.50 M. Durch die Poft bezogen w mal täglich) innerhalb Deutlchland» u der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M au»schl. Poftbestellgeld, sür Oesterreich 9 kl 66 d, Ungar« 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahme: Augustusvlatz 8^ bei unseren Dräger«, Filialen, Spediteure« und Annahmestellen, sowie Postämter» und Briefträger». Die ringln« Nummer kostet lv PjH «edakliv» und «xveditiov Johannitgaffe 8. Delephon Nr. I46S2, Nr. I46S3, Nr. 1489«. Berliner Redaktion» Bureau Berlin HIV. 7 Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon 1, Nr. 9275. NrM. KipMerTilgMM Handelszeitung. Hmtsvlatt -es Rates und des Nolizeiamles der Ltadl Leipzig. Anzeigen. Preis Mr Inserate au» Leipzig und Umgebung di, ggespaltene Petüzeile 25 Ps., finanzielle Antigen M Ps., Reklamen 1 M.; von aurwärt» 30 Ps., Reklamen 1.20 M vom Ausland 50 Ps., ftnanz. Anzeigen 75 Ps. Revamen 1.50 M. Inserate v. BchSrden >m amtlichen Deil M Ps Beilogegcbübr 5 M. p. Tausend cxkl. Post gebühr. Gelchästianzeigen an beoorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Feftcrteiltr Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« lkrschcinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Pngustusplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Ausländer. Haupt Filiale Berlin . Carl Tuncki , Herzog!. Bapr. Hosbucj^ Handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4M3). Montag 29. Juli 1907 101. ZabMiiij Dev Ge-anks -es ewigen Friedens nnd -er Abrüstung in -er deutschen Wissenschaft. Bon dem Königl. Sachs. Geheimen Rat Herrn Oberbürgermeister a. D. Dx. Georgi erhalten wir folgende dankenswerten Aus führungen: Bei den vielfachen Erörterungen, die in der deutschen und aus ländischen Presse und von englischen und französischen Staatsmännern der Frage gewidmet worden sind, ob die Abrüstung auf dem Kongresse im Haag zur Berhandlung gebracht werden solle, hat sich die Tendenz gezeigt, Deutschland mit seiner Ablehnung der Abrüstung wenigstens moralisch ins Unrecht zu sehen, wenn man einen praktischen Erfolg der Verhandlung nicht erhoffen könne. Die Gegner der Abrüstung werden als geistig und moralisch rückständige Leute behandelt, die Freunde, in sonderheit die englischen Staatsmänner, als Führer auf den Bahnen des geistigen und sittlichen Fortschrittes. Demgegenüber erscheint eS doch nicht ganz überflüssig, darauf hinzuweisen, daß, ganz abgesehen von der bei vielen Abrüstnngsfreunden zu Grunde liegenden politischen Heuchelei, nach der Ansicht gewichtiger geistiger Autoritäten auch das höhere sittliche Recht auf deutscher Seite liegt. Zwei solche Autoritäten sollen hier angeführt werden. Der erste ist einer der größten deutschen Denker des vorigen Jahrhunderts: Hegel. Hegel hat bereits in einer in die Jahre von 1801—1803, also nach dem Frieden von Luneville und vor dem Rcichsdeputationshauptschluß, fallenden politischen Schrift aus dem Untergange des Reiches seine Folgerungen gezogen. Sie ist ungedruckt geblieben. Was aber Kuno Fischers „Hegels Leben", Bd. I, S. 58, darüber mitteilt, ist u. a. folgendes: „Das Grundverderben Deutschlands ist seine Kriegsuntüchtigkeit und sein Mangel an Lebkraft oder seine Ohnmacht zu handeln; die Ursache aber dieser Uebel liegt keineswegs in den Beschaffenheiten des Volkes, sondern lediglich in den Zuständen seiner Verfassung, in dem Mechanismus des Ganzen. Die Gesundheit des Staates offenbart sich nicht sowohl in der Ruhe des Friedens alsin der Bewegung des Krieges, weil in diesem die Krast des Zu sammenhangs aller mit dem Ganzen erscheint, wie viel von ihnen for dern zu können, der Staat sich eingerichtet hat, und wie viel das taugt, was sie aus eignem Trieb und Gemüt für ihn tun mögen. So hat in dem Kriege mit der französischen Republik Deutschland an sich die Erfahrung gemacht, wie es kein Staat mehr ist, und ist seine- politischen Zustandes sowohl an dem Kriege selbst als an dem Frieden inne geworden, der diesen Krieg endigte, und besten handgreifliche Resultate sind: der Verlust einiger der schönsten deutschen Länder, einiger Millionen seiner Bewohner, eine Schuldenlast, welche daS Elend des Krieges noch weit hinein in den Frieden verlängert; daß außer denen, welche unter die Herrschaft der Eroberer und zugleich fremder Gesetze und Sitten gekommen, noch viele Staaten dasjenige verlieren werden, was ihr höchstes Gut ist, eigene Staaten zu sein. Dieses höchste Gut hat Deutschland verloren: ES ist kein Staat mehr!" Aus diesen geschichtlichen Erfahrungen heraus hat dann Hegel in leinen philosophischen Schriften den Krieg geradezu zu einem Postulate der sittlichen Gesundheit gemacht; so in einem Aufsatze im „Britischen Journal", besten Gedanken Fischer a. a. O. S. 280 folgendermaßen wiedergibt: „Die Völker sind Individualitäten und verhalten sich wie diese; sie stehen zueinander sowohl in positiver als in negativer Beziehung; die positive ist der Frieden, die negative der Krieg. Und da im Zu stande langen Friedens der sittliche Organismus in die Gefahr ge. rät, zu stagnieren, zu verknöchern, fest zu werden und in fortdauernder fauler Ruhe selbst zu faulen, so gibt es zur Genesung und Wieder herstellung der sittlichen Gesundheit kein kräftigeres Heilmittel al ben Krieg, der den Bestand der Dinge bis auf daS Leben selbst Das wichtigste vorn Tage. * Kaiser Wilhelm hat gestern der Kaiserin vugenie in Bergen einen mehrstündigen Besuch auf ihrer Jacht „Thistle" abgestattet. * Wie unS unser Petersburger Korrespondent meldet, wird die geplante Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren vorläufig nicht stattsinden. (S. Ausl.) * Dem Fürstbischof Kardinal Kopp sandte der Kaiser anläßlich des 70. Geburtstages des Kaidinals ein in huldvollen Morien ge haltenes Handschreiben und ließ dem Kardinal seine Büste in Marmor überreichen. * Zur Wiederaufnahme des ProzessesWoermann contra „Sim ¬ pli rissimus" wird gemeltet, daß der Reichskanzler den Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg seiner Schweigepflicht in diesem Piozeß entbunden hat. Prinz Hohenlohe ist bereits lommissarisch vernommen worden. * 33 deutsche Touristen, unter ihnen 6 Reichsdeutsche, die einen gemeinsamen Ausflug in die deutsche Sprachinsel in Welfchtirol unternabnun, wurden von Irredentisten angegriffen, l7 Männer erlitten Verletzungen. (S. Lctzle Drp.) * In PlozSvet (Kanton Plogastel) und Raon l'Etape haben Ausständige schwere Ausschreitungen begangen. Barrikaden sind errichtet woiden. (S. Letzte Dep) * Die spanische Dep utirtenkammer hat nach einem Tele gramm aus Madrid das Gesetz über bie Reform der Friedens gerichte angenommen. * Während eines Morgenrittes deS Königs Peter in Bresto- watz (Serbien) glitt das Pferd bei dem Passieren einer Brücke aus und stürzte. Der König wurde im Gesicht leicht verletzt, kehlte aber zu Pferde mS Schloß zurück. Sein Befinden ist befriedigend. * Die Fernfahrt „Rund um Berlin" wurde von dem Ham ¬ burger Faust mann gewonnen. — Im Großen Preis von Deutschland in Spandau siegte Vanderstuyft. Den deutschen FliegerpreiS giwaoa Bader. (S. Sport.) * Im Versuchs-Rennen zu Kottinzbrunn (23 OOo Kronen) siegte Baron G. Springers br. H. „Gaboriau." — Den Prix Monarque in Maisons-Lassilte (40 000 FrcS) gewann I. Wy sockis „Binion". (S. Sport.) von Grund aus erschüttert und die Nichtigkeiten der Welt als das erscheinen läßt, was sie sind. Noch bevor Schiller durch den Chor in der „Braut von Messina" es aussprach, daß der Mensch im Frieden verkümmere, und daß das Leben nicht der Güter höchstes sei, hat Hegel im ch a r a k t e r i s ch e n Gegensätze zu Kant und zu dessen Idee des ewigen Friedens, als des höchsten sitt- lichen Gutes, die sittliche Heilkraft des Krieges gepriesen." Und auch hier begründet Hegel sein Urteil durch die geschichtliche Erfahrung, aus dem Sinken des römischen Weltreichs geschöpft. Er führt den Ausspruch Gibbons an: „Der lange Friede (die pax Uoirmnn) und die gleichförmige Herr schaft der Römer führte ein langsames und geheimes Gift in die Lebenskräfte des Reichs. Die Gesinnungen der Menschen waren all mählich auf eine Ebene gebracht, das Feuer des Genius ausgelöscht und selbst der militärische Geist verdunstet. Ter persönliche Mut blieb, aber sie besaßen nicht mehr den öffentlichen Mut, welcher von der Liebe zur Unabhängigkeit, dem Sinne der Nationalehre, der Gegenwart der Gefahr und der Gewohnheit zu befehlen genährt wird." Auch bei Behandlung der Sittlichkeit nach den drei Richtungen: Familie, bürgerliche Gesellschaft und Staat, kommt Hegel auf dieselben Gedanken über den Krieg zurück. Fischer a. a. O. Bd. II, S. 736 faßt sie in Folgendem zusammen: „Es gibt in der Welt nichts Höheres als den Staat, dessen abso lute Hoheit oder Souveränität sich in der Person des Monarchen als dieses bestimmte Individuum darstellt. Wie es der Individuen viele gibt, so auch dex Staaten. Wie die Individuen sich notwendig auf einander beziehen und gegeneinander verhallen müssen, entweder feind lich oder friedlich, so auch die Staaten. Sobald ein Staat in die Lage kommt, seine Unabhängigkeit zu verteidigen, muß er Krieg führen. Aus Verteidigungskriegen können Eroberungskriege werden. Im Kriege handelt es sich um Sein oder Nichtsein des Staates. Hier zeigt sich der charakteristische Unterschied zwischen dem Staate und der bürgerlichen Gesellschaft: diese hat die Pflicht, Leben und Eigen tum ihrer Mitglieder zu schützen und zu sichern, der Staat da- gegen muß fordern, daß im Kriege die Bürger ihm und für ihn Leben und Eigentum aufopfern. Kriege sind furchtbar, aber sie sind notwendig, auch sittlich notwendig, denn sie schützen den Staat vor innerer Verknöcherung und Versumpfung. Es ist gut, daß die Endlichkeit und Vergänglichkeit der Güter dieser Welt nicht bloß ge sagt, sondern erlebt und erfahren wird, daß man am eigenen Leibe erfährt, wie es niedere und höhere Dinge gibt, und jene diesen aufzu- vpfern sind. Ties geschieht im Kriege, nur in ihm. „Man hört so viel auf den Kanzeln von der Unsicherheit, Eitelkeit und Unstetigkeit zeitlicher Dinge sprechen, aber jeder denkt dabei, so gerührt er auch ist, ich werde doch das Meinige behalten. Kommt nun aber diese Un sicherheit in Form von Husaren und blanken Säbeln wirklich zur Sprache, und ist cs Ernst damit, dann wendet sich jene gerührte Er baulichkeit, die alles vorher sagte, dazu, Flüche über die Eroberer auszusprechen." Treffend gesagt und erlebt, bemerkt dazu Fischer. Viele Jahre vorher (in Jena 1806) hatte Hegel die Bekanntschaft der „blanken Säbel" gemacht, und sein bißchen Habe durch Plünderung völlig ver loren, aber er hatte dem Eroberer nicht geflucht, sondern einem Freunde geschrieben: „Ich habe die Weltseele reiten sehen." Dem aus tiefen philosophischen, insonderheit geschichtsphilosophischen Erwägungen hervorpegangenen Urteile eines der größten deutschen Denker des vorigen Jahrhunderts sei noch das Urteil eines neueren deutschen Denkers an die Seite gestellt, dem man gewiß nicht den Vor wurf machen kann, daß er modernen Ideen unzugänglich sei: es ist Albert Schäffle. Er hat die Frage ganz konkret aus Anlaß der ersten im Haag stattgehabten internationalen Friedenskonferenz in einem Aufsatz „Zur sozialwissenschaftlichen Theorie des Krieges" in der von ihm herausgegebenen „Zeitschrift für die gesamte Staatswissen, schäft", Jahrgang 56 (1900), S. 218 fg., behandelt. Den ersten Artikel bildet die „Auseinandersetzung mit den Abrüstungs- sreunden". In der dem Verfasser eigenen gründlichen systema tischen Weise läßt er als „Grundtäuschungen der Abrüstungsagitation" 12 Punkte aufmarschieren, in denen er diese Grundtäuschungen nach weist. Es würde hier zu weit führen, auf alle diese Punkte cinzugehen; der Artikel hat, wie mir scheint, zu wenig Beachtung in weiteren Kreisen gefunden, ich habe ihn bei den vielfachen Besprechungen des Abrüstungs gedankens in der deutschen Presse nicht erwähnt gefunden. Es sei daher ausdrücklich auf ihn aufmerksam gemacht, er behandelt die wichtige Frage von bedeutungsvollen, nameiulich sozialwissenschaftlichen Gesichts punkten aus. Hier möge nur einiges angeführt werden. Die erste Grundtäuschung findet er in der falschen Grundvor- stellung vom Frieden. Er sagt u. a.: „Die falsche Grundvorstellung vom Frieden wurzelt nicht bloß bei den quäkerischen Vertretern der Abrüstungsagitation in einem religiösen Drang, welchem sich keines edlen Menschen Seele entziehen kann, nämlich in dem Verlangen nach einem Zustand, wo alle Menschen mit Gott, mit sich selbst, mit jedem Ncbenmenschen, mit den Mitwesen in der Natur Frieden haben sollen, und in der Hoffnung, daß sie diesen Frieden einst finden werden. Auch diejenigen, welche das Buch der Offenbarung Johannes nicht aufschlagen, sind, indem sie den „ewigen Frieden" betreiben, Gläubige eines tausendjährigen Reiches. Worin immer dieser religiöse Drang wurzeln mag, in einem Agriorischen unserer Vernunft, oder darin, daß die uralte Er- fayrung, welche der Mensch in dieser besten der möglichen Welten von jeher gemacht hat, in das Herz aller ein Sehnen nach dem hinein gepflanzt hat, was hinieden nicht zu finden ist —ein chiliastischer Zug wohnt in aller Menschen Herzen, wenigstens im Herzen der Edelsten und Besten unseres Geschlechts Der zwischen den Völkern mit Wasfengetvalt ausgefochten« Streit ist die für das religiöse und humane Gefühl abstoßendste Erscheinung des Streits und der Fried losigkeit. Da der Wunsch der Vater deS Gedankens ist, so kostet es nur einen einzigen Schritt, um bei der Illusion anzukommen, daß mit dem Frieden ein völlig streitloser, wenigstens ein von aller zerstörender Eigenmacht freier Zustand bei den Völkern einkehrcn werde, und dazu weiter nichts nötig sei, als das Mittel zum Gewalt streit zwilchen Staaten, Herr und Flotte, zu beseitigen, kurz — abzu- rüsten. Diese — Meinung ist durchaus irrig." Schäffle weist nun auf den inneren Krieg hin, der mitten im tiefsten Völkerfrieden bitteres Leiden erzeuge, wenn auch kein Blut fließe, und sagt: „Frieden im Sinne der Streitlosigkeit oder auch nur im Sinn« der Abwesenheit zerstörenden Machtpebrauchs im Streite ist mit dem Frieden im engeren Sinne, mit dem Ruhen der Waffen zwilchen Völkern nicht gegeben, und wird es nicht sein, so lang« „aller Wesen unharmonische Menge verdrießlich durcheinander klingt" (Goethe, „Jaust", Vorspiel) und „der Welt zwieträchtige Eintracht" die rsrurn oonoorckiu ckisoarv der alten Profanphilosophie nicht über wunden ist. ..... Man hat davon auszugehen, daß aller kriegerische und kriegs artige Streit nur allmählich eingeschränkt werden kann, und wird bei näherem Zusehen finden, daß der äußere Krieg dank der staatlichen Gesamleinwirkung der Völker jetzt schon vielleicht in Höherem Grade zurückgedrängt ist, als der innereKrie g." Wie lvahr diese Worte sind, beweist gerade ein Blick auf die gegen wärtigen Zustände, wo der innere wirtschaftliche Krieg bei uns schlimmer tobt, als je zuvor, uns Wohlstand, wie Kultur zu vernichten droht, wo der Klassenkampf gerade von Verfechtern des ewigen Friedens geschürt wird, wo ein Sozialist, der sogt, daß er einen anständigen Gegner anständig behandle, von den Parteigroßen belehrt wird, daß maß einem politischen Gegner keinen Anstand schulde, wo insonderheit in Rußland der Terror in der fürchterlichsten Weise um die Herrschaft ringt, und die Mehrheit der Volksvertretung ablehnt, Mord Mord zu nennen und die Waffen des Meuchelmords aus dem politischen Rüst- zeug auszuscheiden. Ein besonders gewichtiges Argument erblickt Schäffle unter Nr. 4 in der Unwirtschaftlich leit «des Äbrüstungsgedankens. Er sagt darüber: „Ihre stärkste Position glauben die Abrüstungsfreunde in der nationalökonomischcn Verwerflichkeit des Krieges zu besitzen. Sie finden den Miliiäraufwand schlechthin unproduktiv, und oer- steigen sich sogar zu der Behauptung, daß der Nüstungsaufwand eine oder gar die hauptsächliche Ursache der volkswirtschaftlichen Krisen sei. Tie Wahrheit liegt jedoch auf der entgegengesetzten Seite Es gibt einmal äußere und innere Feinde, auf welche Angriffe und gegen welche Abwehr erforderlich ist. Wollte das Volk als Ganzes darauf verzichten, durch sein kollektives Willens- und Machtorgan, den Staat, sich der äußeren und inneren Feinde zu er wehren, dagegen den Sicherungsdienst jedem einzelnen überlassen, so würde der Zweck entweder überhaupt nicht oder bei größeren Kosten unvollkommener erreicht werden. Die Abschaffung oder Verkümme rung der Militärmacht, die Abrüstung ist daher gerade wirtschaftlich ein Ungedanke." Wenn man von russischer Seite bei der ersten Konferenz das Lied von der Unproduktivität des Militäraufwandes im vollsten Brusttöne angestimmt hat, so wird man wohl jetzt dort auch zu der Einsicht ge kommen sein, daß die wirtschaftliche Verwüstung noch viel größer sein würde, wenn es nicht gelänge, mit dem „unproduktiven" Militär die Voraussetzungen jeder Produktion wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten. Das gewichtigste und gerade für unser deutsches Volk besonders in Frage kommende Argument aber führt Schäffle unter Nr. 11 auß, in der Unverträglichkeit mit dem Gesetz der sozialen Entwickelung. Er sagt: „Tie Abrüstung im Sinne einer Stabilisierung der heutigen Militärstärken ist weiter auch darum als eine Utopie anzusehen, weil sie gegen die unverrückbare Ordnung der sozialen Entwickelung sich auslehnt. Eine solche Auflehnung enthält der Abrüstungsgedanke in doppel, tem Sinne. Einmal verstößt er gegen die Unmöglichkeit, das einmal erreichte internationale Militärmachtverhältnis selbst zu stabilisieren, zweitens dagegen, daß die für jede Zeit mögliche Macht unverzichtbar, weil zur Ueberwindung von Hindernissen der nationalen Entwickelung unentbehrlich ist. Nichts kann der Entwickelung, sei es der Fortbildung, sei es der Rückbildung, dem Wachstum oder der Abnahme, entgehen. In der sozialen, wie in der organischen und sonstigen Welt ist nichts be ständig, als die Veränderung. Es ist daher im vornhinein ein hoff- nungsloses Unterfangen, die Wehrkraft der Nationen der Entwickelung entziehen zu wollen. Die staatliche Entwickelung, worin diejenige der Militärmacht inbegriffen ist, kann weder der unfrei willigen Veränderung der Machtfaktvren, noch der vom Selbst erhaltungstrieb unwiderstehlich auferlcgten Anpassung an die stet wachsenden Machtbedingungen auch nur einen Augenblick entrückt werden. Abrüstung ist auch deshalb weder sür immer, noch sür die kürzeste Frist möglich. Jener Staat, welchem die äußeren Umstände der Machtentwickelung am günstigsten sind, und welchem die Be dingungen der Macht am stärksten zuwachsen, kann gar nicht umhin, der mächtigste werden zu wollen. Stillstand in der Machtbildung ist für gesunde Gemeinwesen Machtrückschritt, d. h. inter nationales Verkommen Die Abrüstungsagitalion setzt sich in einer zweiten Hinsicht mit dem Gesetz der sozialen Entwickelung in Widerspruch. Sie sieht die Macht zum Kriege fälschlicherweise als entbehrlich für die Völkerent wickelung an. Ter Krieg ist unter gewissen Umständen vielmehr das wirksamste und zuletzt das einzig mögliche Mittel gesunder Entwicke lung der internationalen und der innernationalen Zustände. Der äußere wie der innere Krieg ist der letzte Ausweg, unhaltbaren Zu ständen ein Ende und für eine fruchtbare Entwickelung, die über die Zwirnsfäden internationaler Verträge und Nechtsformalitätcn ge waltlos nicht Hinwegzukommen vermag, die Vabn frei zu machen. Konflikte, welche durch Verträge und Gerichtsentscheidungen eine Bei legung nicht finden können, sind oft gerade diejenigen gewesen, welche für die Erhaltung nnd Entwickelung eines Volkes die größte Bedeu tung haben. Der Krieg ist das äußerste Mittel, sie zu entscheiden, vom Krieg gilt daher ebenso und noch mehr das, was Machiavclli von der Revolution als äußerster Bahnbrecherin der Entwickelung be merkt. Will ein Volk seine Jriedensentwickelnng sichern, so muß es zum Krieg vollauf gerüstet sein und bleiben. Der Krieg ist nicht aus sich selbst heraus ein Uebel, sondern ist nur „Folge des Friedenszu standes", die er ebenso verbessern, wie verschlimmern kann." Unter Nr. 12 wird dann noch ausgeführt, daß gerade die Utopie der absoluten Gewaltlosigkeit die praktische Folge einseitiger Weltübermacht hohen werde. „Die Organisation der militärischen Macht kann versäumt und verkümmert werden, die Elemente der Macht bleiben doch. Dasjenige Volk, welches nach Abschluß des allgemeinen Abrüstungsvertrages diese Elemente am umfassendsten besitzt, künftig weiter entfaltet, und dann bei ausbrechendem Kriege am raschesten wieder zusammenzu fassen vermöchte, oder welches bei etwaiger Fixierung der Kriegs, hereitschast auf den dermaligen Friedenspräsenzstand die größte Macht zu Land oder zu Wasser oder zu Wasser und Land bereits im Besitz hielt, würde die Weltübermacbt über die anderen Völker gewinnen und zu schrankenlosem Gebrauch dieser Uebermacht, zur Eroberung und Vergewaltigung so fähig, wie bereit sein. Tie Abbrüstung, im einen oder im anderen Sinne durchgeführt, leistet nicht dem Weltfrieden, sondern dem Weltkrieg, nicht dem friedlichen Verkehr aller Völker, sondern der Welteroberung Vorschub." Schäffle schließt seine Ausführungen in diesem Teil seines Auf- satzes mit den Worten: „Alle Betrachtungen, die nun unter 1—12 gepflogen sind, haben ergeben, daß die Abrüstung gegen die untilgbare Natur der sozialen und man kann sagen der allgemeinen Weltordnung geht; diese Weltordnung legt allen Wesen die Entfaltung aller Kraft, di«
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