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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070730013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907073001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907073001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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- Tag1907-07-30
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R.I * Wegen schwerer Mißhandlung einer Schar von Reichsdeutschen in Wclschtirol ist gestern der deutsche Konsul in Innsbruck bei der dortigen Statthalterei vorstellig geworden. . * Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, ist der bereits vorgestern angckündigte Schritt der Türkei hinsichtlich des griechischen Banden wesens sehr ernster Natur. lS. Ausl.) * Bei dem Brande eines sechsstöckigen Gebäudes inNewDoik kamen annähernd 20 Personen ums Leben. Der Oapstbrief und kein Girde. lVon ünserm Münchener Korrespondenten.) Bor kaum einem halben Jahre sah sich der Erzbischof von Bamberg gezwungen, den für einen Kircheysürsten höchst ungewöhnlichen Weg einer Erklärung in der Tagespreise zu betreten. Die Veranlassung gaben bekanntlich die unerhörten Angriffe, die gegen ihn und den greisen Erzbischof von München wegen ihres Erlasses gegen die Zentrumspartei bei der Stichwahl zum Reichstage gerichtet wurden. Nun muhte sich Dr v. Abert zum zweiten Male,' diesmal gemeinsam mit dem Bischof v Henle in Passau, in die Öffentlichkeit flüchten, und wieder waren es nicht „die liberalen Kirchenfeinde", welche eine solche Kundgebung nötig machten, sondern die patentierten, einzigen Stützen der katholischen Kirche und Religion, voran die „gute", die Zentrumspresse. Es ist be zeichnend, daß bayerischen Bischöfen die Benutzung nur eines baye rischen Zentrumsblattes, der „Augsb. Postztg.", möglich erscheint, die sich dem Episkopate gegenüber wenigstens noch einige Reserve auferlegt. Tie Erklärung der beiden Bischöfe wurde bereits telegraphisch mit geteilt. Sie ist nach Lage der Sache trefflich zu nennen. Soweit die „Irrtümer" Schells berührt werden muhten, konnte sie nicht anders ausfallen. Auf der anderen Seite aber wirken das erneute Bekenntnis der Freundschaft für Schell, die nachdrückliche Betonung der Pietät sehr sympathisch. Und zwischen den Zeilen ist zu lesen, daß die beiden Bischöfe nicht daran denken, den Plan, daß Schell ein Grabdenkmal erhalte, aufzugcben oder ihre Namen von dem Nachrufe zurückzuziehen. Die „Augsb. Postztg." hat die Erklärung mit keinem Kommentar begleitet. Anders der „Bayer. Kurier", obwohl er sagt, „als Laien steht cs uns nicht zu, die Erklärung der beiden Kirchenfürsten zu kommen tieren". In diesen Worten liegt ja schon ein abfälliges Urteil. Noch deutlicher wird die Unzufriedenheit in den folgenden Schlußsätzen der Betrachtung: „Daß die Parade-Inszenierung und der umfangreiche Apparat, der doch für die Errichtung eines einfachen Grabdenkmals nicht gerade unbedingt erforderlich erscheint, von den hochwürdigsten Oberhirten von Regensburg und Bamberg als Gelegenheit zur Demonstration gegen Rom aufgefaßt wurde, ist unseres Wissens niemals behauptet worden. Wir hoffen auch nicht, daß die Fortsetzung der Denkmalsangelcgenheit im Papstbriefe an Dr. Commer zu einer „Demonstration gegen Nom" von feiten deutscher oder richtiger bayerischer Bischöfe führt, denn unseres Mistens haben die meisten oder fast alle deutschen Bischöfe den Brief bereits veröffentlicht." Das klingt wie eine Denunziation und wird wohl nichts anderes sein sollen. Und zugleich will das führende Münchner Zentrumsorgan sozusagen ein Zwangsverfahren gegen die Bischöfe hcrbeiführen, welche bisher den Papstbrief noch in ihrer Mappe liegen ließen, in erster Linie gegen die beiden bayerischen Kirchenfürsten, denen darin mit den andern Unterzeichnern des Schellaufrufes entweder Unwissenheit in den kirch lichen Lehren oder Widerstand gegen den päpstlichen Stuhl unter ver leumderischem Vorwand nachgesagt wurde. Nun war es gerade der „Bahr. Kur.", der „zuverlässig" gemeldet hatte, daß die Veröffentlichung des Papstbriefes in den Diözesanblättern befohlen sei: Jetzt plötzlich läßt er sich, wie ebenfalls bereits mitgeteilt ist, aus „Rom" telegraphieren, das Schreiben sei an die deutschen Bischöfe mit dem Vermerk übergeben worden: ut notittoetur dorr, vt populo. Der Vatikan bestehe auf der Veröffentlichung, die Wendung sei nur aus Gründen der Höflichkeit gewählt worden. Man tut Rom keinen Gefallen mit der Versicherung, daß es auch jetzt, nach der Entlarvung Commers, noch auf der Forderung der Publi. kation beharre. Diese wäre aber, wenn Klerus und Volk von ihr er fahren soll, nur auf zwei Wegen möglich: entweder durch die Diözesan- blätter oder durch die Verkündigung von der Kanzel herab. Bis jetzt haben, trotz der Gegenbehauptung deS „Bayr. Kur.", die meisten deut schen Bischöfe weder das eine noch das andere getan — di« Veröffentlichung in den Amtsblättern ist, soviel man in Mün chen weiß, bisher nur auS Münster und Freiburg gemeldet wor den. Speziell die bayerischen Bischöfe sind nach der Meinung des „Bayr. Kur." noch der „Demonstration gegen Rom" verdächtig. Der Erzbischof von München ließ die Nummer mit dem Papstbriefe offen bar wieder vernichten — sie ist auch nicht an den Klerus versandt. Wenn man von Hermann Schell spricht, darf vielleicht außer dem Zusammenhang« eine Episode angefügt werden, die in diesen Tagen von höchstem Interesse erscheint. Es handelt sich um eine Ehrung deS Münchner Professors der Theologie, Dr. Knöpfler, eines Freundes Schells, der von den Ultramontanen ebenfalls mit besonderem Hasse beehrt wird. Zu seinem 60. Geburtstage wurden ihm als Festgabe von 17 früheren Schülern, zumeist mit klangvollen Namen, wissenschaftliche Arbeiten überreicht. Dabei hielt der Benediktinerpater Ruppert Jud, «ine hier namentlich als Redner sehr gefeierte Persönlichkeit, eine An- spräche, in der er u. a. sagte: „Es hat ein« Zeit gegeben — vor mehreren Jahrzehnten war cS — da wurde in allen Landen mit ganz besonderer Ehrfurcht die theologische Fakultät der Münchener Universität genannt, und nicht in letzter Linie war eS der Vertreter der kirchenhistrrischen Disziplin, der durch sein der Geschichte angehöriges Schaffen dem Ort seiner Wirksamkeit Glanz und Ruhm verlieh. Und doch hat gerade Ihrem weltberühmten Vorgänger, dem verewig ten Professor v. Döllinger, eines gefehlt: mit Recht konnten wir im Vorwort unserer Festschrift von ihm sagen: Zahllose Hörer hatte er im Laufe der Jahrzehnte zu seinen Füßen gesehen, und doch starb er — «in einsamer Mann. Nur Bücher hinterließ er, keine Schüler, nur Schätze, keine Erben. DaS ist bei seinem Nachfolger anders geworden. Hunderte von Schülern haben den Samen hinausgetragcn nach allen Seiten und werben immer neue Anhänger für die von Ihnen über nommenen Ideen. Männer, die gleich Ihnen die feste, heilige Ueber- zeugnng haben, ihrem Herrgott und ihrer Kirche dadurch am besten zu dienen, daß sie unentwegt und unerschrocken den Kultus der Wahr heit pflegen." An dieser Ansprache sind nicht etwa nur die letzten hier zitierten Worte, wenn sie auch nicht ohne Rücksicht auf die Vorgänge in der Kirche gesprochen sein mögen, sehr bemerkenswert. Die Bedeutung liegt be sonders darin, daß der größte Theologe und Kirchenhistoriker des vorigen Jahrhunderts, Ignaz von Döllinger, aus dem Munde eines katholischen Geistlichen öffentlich in solcher Weise erwähnt wurde. Döllinger, der seinerzeit mit dem ganzen Gewichte seiner Autorität und seines Wissens als „Th:-löge, als Historiker, als Deutscher" gegen daS Unfehlbarkeitsdogma protestierte, der nach einem Hirtenbrief des da- maligen Münchner Erzbischofs von Scherr das geistige Haupt der ganzen gegen das vatikanische Konzil ins Werk gesetzten Bewegung gewesen ist; gegen den der gleiche Erzbischof die Exkommunikation aussprach; Döllinger, der ohne Widerruf gestorben ist. Dcv TLarsevbesuch und die deutsch-englische Dötente. lVon unserem Londoner X.-Korrespondenten.s Die radikale Mißstimmung gegen die Politik Sir Edward Greys nimmt sichtbar zu. Tie Haltung der englischen Delegierten im Haag scheint den Radikalen geradezu empörend, wenn sie sie mit den Friedens versicherungen vergleichen, unter deren Deckmantel die gefährliche Allianzpolitik betrieben wird. Es sind keineswegs nur Pazifisten und Ideologen, welche sich in starken Ausdrücken ergehen. Sir Edward Grey ist im Unterhaus«: recht energisch von durchaus realpolitischcn Kreisen zur Rede gestellt worden, hat aber die Instruktionen an die Haager Delegierten keineswegs vorgelegt, sondern sich mit ein paar Phrasen über die Abrüstungsfrage aus der Affäre zu ziehen gesucht. Inzwischen ist die Konferenz durch Marschall von Biebersteins Rede und die deukfche Annahme des amerikanischen Vorschlages aus Errichtung eines permanenten Schiedsgerichts aus einem Punkt angelangt, bei dem offenbar den englischen Delegierten selbst bange wird, daß die Unehrlich keit des englischen Äbrüstungsvorschlagcs aller Welt klar werden muß, wenn sie die Permanenz des Schiedsgerichts für einen bestimmt um schriebenen Kreis von Streitangelegenheiten sollten ablehnen müssen. Die ,,Tribüne", ein als ministeriell bekanntes Organ der Liberalen, veröffentlicht ein offenbar von den englischen Delegierten inspiriertes Interview ihres Haager Korrespondenten, worin es heißt: „Bis zum Dienstag war es eine Krieaskonscrenz. Jetzt wird wirklich eine Friedens konferenz daraus. Wir stehen unzweifelhaft am Kreuzweg der Konferenz. Baron Marschalls Rede, die auf ausdrückliche Berliner Instruktionen gehalten wurde, macht beim Lesen einen noch besseren Eindruck. Lord Pauncefote könnte sie nicht besser gehalten haben. fLord Pauncefote dominierte die erste Friedenskonferenz im britischen Interesse.! Ebenso einstimmig ist die Ansicht^ daß England feine frühere Position als Führer der .zricdcns- und Schiedsgerichts bewegung cingebüßt hat. Man kann die Enttäuschung der Delegierten kaum übertreiben, die bisher England als ihren natürlichen Führer be trachtet haben. Je enger sic sich an England angeschlossen hatten, desto bekümmerter und verwirrter sind sie über die unbegreifliche Lähmung, welche die britische Vertretung befallen hat. Nicht e i n Delegierter aus Europa, Amerika oder Asien, den ich gesprochen habe, hat ein e i n z i g e s Wort oder eine einzige Tat der britischen Delegation anführen können, womit sie irgend jemand, der für Schiedssprüche und die Ver - hindern ng von Kriegen gearbeitet hat, unterstützt hatte. Auf der anderen Seite stellt sich aber die gesamte englische Presse, ob sie nun vom Foreign Office Inspiration erhält oder nicht, nach wie vor streng auf den Standpunkt, daß England alles Erdenkbare an Ent gegenkommen bei der Herstellung der Dötente leiste, wenn man sich deutsche Avancen in dieser Richtung stillschweigend gefallen lasse. Die Jingo-Organe haben Graf Metternichs Rede auf dem Citybankett über haupt unterschlagen. Selbst die Liberalen finden weder zu der Rede noch zu den Ordensverleihungen an Lord-Mayor und Scherifs ein Wort des Kommentars. Die Ankündigung des Besuchs König Eduards VII. in Wilhelmshöhe wird möglichst versteckt, dagegen dem Besuch Wilhelms II. und vor allem den angeblichen Plänen der Kaiserin, den Gatten zu begleiten, die erdenklichste Prominenz gegeben, ein Be weis, daß das Empfinden vieler Deutschen in England richtig ist, welche die hohe Frau auf keinem englischen Königsschlosse sehen möchten, bevor nicht Königin Alexandra, die so oft an Kiel vorbeigefahren ist, trotz tagelangen Aufenthaltes ihrer Jacht in der Holtenauer Schleuse, ihre immer noch schuldige Antrittsvisite erledigt hat. Uebcr die englische Auf fassung vom Besuche König Eduards verlautet hier kein Wort. Nur die Berliner Korrespondenten berichten in wörtlicher Ucbereinstimmung, daß die Reise privater Natur sei. Diese wörtliche Ucbereinstimmung wird noch größer, wenn die Berliner Korrespondenten der Regierungspresse über die große und unverhehlte Genugtuung Deutschlands über den Be weis des Wohlwollens berichten, der in König Eduards Reise liege. Kurzum, die halboffiziöse Version sucht dem Beiuchsaustausch genau die Deutung zu geben, die man in unbefangenen Kreisen erwartet hat. Eine Deutung, durch die man in der öffentlichen Meinung der alliierten Länder den Glauben zu erwecken sucht, Deutschland bemühe sich, durch König Eduard aus seiner Isolation hcrauszukommen, und der gute Onkel Eduard betrachte diese „Besserung" mit Wohlwollen. Wie das Wohlwollen aussieht, erleben wir im Haag, wo der Peace- Maker gänzlich aus der Nolle fällt. DaS Verhalten der ganzen eng lischen Presse zu den deutschen Dötente-Bemühungen beweist aber, daß man zwar gewillt ist, die „privaten Reisen" des Königs und deS Kaisers für die Beeinflussung der auswärtigen öffentlichen Meinung zugunsten der englischen Allianzpolitik zu benützen, sich gleichzeitig aber selost keinen Schritt, der zu irgend etwas auch nur moralisch verpflichten könnte, aus seiner Reserve heroorlocken läßt. Das will etwas sagen. Denn man ist hier über die zunehmende Desorganisation der französischen Armee tn den maßgebenden Kreisen scbr ernstlich erschrocken; man hatte der gleichen selbst nach General Frcnchs ungünstigen Berichten nicht geahnt: und die m der Luftschiffahrtsfrage von Deutschland in den letzten Tagen gegebenen Beweise, daß auch in dieser Beziehung der französi'che Vor- fprung „Kinks" ist, haben sehr verblüfft. Trotz alledem setzt man das stumme Spiel des Sprödctuns fort, um sich „erobern" zu lasten. Je weniger Anstrengungen in dieser Richtung gemacbl werden, desto bester für die Klarstellung der deutschen und englischen Politik vor dem Aus lande. Ter Haager Schachzug der Berliner Diplomatie war ein treff licher Anfang. Hoffentlich spinnt die Fortsetzung in Wilhelmshöhe den gleichen Faden. Deutsches Reich. Leipzig, 30. Juli. * Bon der NordlandS-Aahrt. Wegen Nebel erfolgte die Abreise des Deutschen Kaisers von Bergen erst am Sonntag früh 6 Uhr. Das Wetter klärte sich aber während der Reise auf. An Bord ist alles wohl. * Militärisches. Die Nachricht, daß zwei Bataillone des Leib-Ncgi- mentS fGrenadier 8) in Frankfurt a. O. mit neuen Karabinern bewaffnet seien, beruht auf einer Verwechselung. Es sind, wie die „Mil.-pol. Korrespondenz" berichtigt, an eine Anzahl Infanterie-Bataillone je acht Karabiner neuen Modells zu Trageversuchen für die Radfahrer ausge geben. Auch haben einige Kompagnien Fußartillerie und mehrere Schwa dronen den neuen Karabiner zu Trageversuchen erhallen. Bei den be- treffenden Schwadronen trägt ein Zug den alten Karabiner in der bis herigen Art, ein zweiter Zug trägt den neuen Karabiner über den Rücken, der dritte und vierte Zug in verschiedener Weise an der Seite befestigt. Auch über die Möglichkeit, den Karabiner geladen zu tragen, werden Versuche gemacht. * Vereinsrecht. In der gegenwärtigen Vereins- und Versammlungs gesetzgebung der einzelnen deutschen Bundesstaaten hat das sogenannte Präventioverbot für Versammlungen ein nicht unbeträchtliches Gel tungsgebiet. Abgesehen von denjenigen Bundesstaaten, welche für alle politischen Versammlungen eine ausdrückliche Genehmigung erfordern, ist in einer Reihe anderer Staatsgebiete die Zulässigkeit eines vorherigen Verbots im Falle der Gefährdung von Sicherheit und Ordnung, in ein zelnen Bundesstaaten auch bei Gefährdung der Sittlichkeit oder bei Ver folgung ungesetzlicher Zwecke ausdrücklich ausgesprochen: so im König reich Sachsen, Sachsen-Altenburg, beiden Schwarzburg, Neuß ä L., Hamburg und in Elsaß-Lothringen. Aber auch in anderen Bundes staaten, z. B. in Württemberg, in welchen besondere Vorschriften über das Vervotsrccht nicht bestehen, wird die Befugnis, Versammlungen bei einer Gefahr für das Staatswohl zu verbieten, aus dem allgemeinen Rechte der Staatsgewalt gefolgert und nach freiem Ermessen der Polizei- behörde gehandhabt. Wenn also das in Aussicht stehende Neichsvereins- gesetz in die Regelung des Versammlungsrechtes ein Präventivverbot nicht aufnimmt, so tut cs damit einen bedeutsamen Schritt nicht nur für die Vereinheitlichung, sondern auch für die freiheitliche Gestaltung des Versammlungswesens. * Ansiedlung von Teutschrussen. Eine Kommission südrussischer Deutscher, die die Aufgabe hat, Verhältnisse und Gegenden zu studieren, die sich dazu eignen, Deutschrussen anzusiedeln oder als Landarbeiter zu beschäftigen, bereist zurzeit die Provinzen Posen und Ostpreußen. Die Kommission besteht aus vier Herren, und zwar: Pastor Kuhseld, Lehrer Wilhelms, Landwirt Hartmann und Landwirt Kraemer aus Samara und Saratow. Die dortige deutsche Kolonie, die seit 1740 besteht, zahlt 600 000 Seelen. Bereits seit Jahren findet eine starke Abwanderung der Deutschen aus jenen Gegenden statt, die sich teils nach Sibirien, teils nach Amerika und bisher nur zum geringen Teil nach Deutschland richtet. * Die Erträge der neuen Steuern. Offiziös wird mitgeteilt: Die neuen Steuern haben ein Ergebnis gehabt, das sich leider wohl nicht durch die späteren Einnahmen wird stark bessern lassen. Sie haben ins gesamt 14 Millionen Mark, und zwar die Jrachturkunden 3,2, die Per sonenfahrkarten 3.9, die Kraftfahrzeuge 0,3, die Aufsichtsratsmitglieder vergütungen 2,0 und die Erbschaftssteuer 4,6 Millionen Mark erbracht. Nach dem Etatsansatz beläuft sich der Vierteljahrsertrag aber auf rund 23 Millionen Mark, so daß mit einem Fehlbeträge von rund 9 Millionen Mar! gerechnet werden muß. Nur der Frachturkundenstempel hat einen kleinen Ucbcrschuß zu verzeichnen gehabt, alle übrigen neuen Steuern schließen das erste Vierteljahr 1907 mit einem Fehlbeträge ab, darunter die Erbschaftssteuer mit einem solchen von 4,4, der Stempel für Fahr karten von 3,7 Millionen Mark. Zieht man die Endsumme, so steht einem Mehr von 13,8 Millionen Mark bei Zöllen und Verbrauchssteuern, Börsen- und Losesteuer sowie Eisenbahnverwaltung ein Weniger von 23,8 Millionen Mark bei Postverwaltung und neuen Steuern gegen über. Im ersten Viertel des Finanzjahres 1907 ist also bei den aufge zählten Einnahmequellen des Reichs ein Fehlbetrag von 10 Millionen Mark gegenüber dem Etatsanschlage festzustellen. * Die Wcstmärkcr in der Ostmark. Sechzig Abiturienten des Lehrerseminars zu Kempen hatten vor einiger Zeit die Order zur Be setzung von Lchrcrstellcn in der Ostmark erhalten. Diese Maßregel ist jetzt zurückgenommen; sämtlichen Westmark-Lehreraspiranten wurden Stellen im rheinisch-westfälischen Bezirke überwiesen. Kultusminister Dr. Holle soll sich, wie eine Korrespondenz berichtet, dahln geäußert haben, daß es für die Lehrsreudigkelt kein Vorteil jei, wenn die heimische Scholle ignoriert werde. Für die Besetzung der Lehrerstellen im Osten seien genügend Kandidaten vorhanden, so daß er hoffe, binnen eines Jahres den Lehrermangel zu beseitigen. * HochvcrratS-Prozes;. Die bekannte Broschüre Hervös, in der er seine Ansichten über den Antimilitarismus auseinandersetzt, ist vor längerer Zeit unter dem Titel „Das Vaterland der Reichen" in der Schweiz in deutscher Uebcrsetzung erschienen. Die Broschüre ist mit einem kurzen Geleitwort von dem soeben in Mannheim sreigesprochcnen „Anarchosozialisten" Dr. Friedeberg versehen. Vox kurzem ist nun, wie der „Vorwärts" mitteilt, Dr. Friedeberg auf Ersuchen der Reichsanwaltschaft wegen dieserBroschiire unter der Anschuldigung der Vor bereitung zum Hochverrat verantwortlich vernommen worden. Die Broschüre erörtert bekanntlich, ob die Proklamierung des Streiks für den Militärdienst und den Fall eines Krieges ein Mittel der Arbeiter klasse sein könne. Dr. Friedeberg identifiziert sich nach dem „Vorwärts" mit der Hervöschen Ansicht nicht. DaS Buch babe wesentlich französische Verhältnisse vor Augen und berühre nach keiner Richtung hin einen der fünf Fälle, die in den 88 80 und 8l des Strafgesetzbuches als Hoch- verratsunternehmen bezeichnet sind. * Krisis tn der konservativen Partei Sachsens. Es sind kaum zwei Wochen verflossen, als im Dresdner konservativen Verein de: io tchnell bekannt gewordene sächsische Legationsrat von Nostitz feine bedeutsame Rede über die „Nebenregierung in Sachsen" dielt. Die damalige Sitzung deS konservativen Vereins leitete deren Vorsitzender ProfessorDr. GraveliuS, der sich mit den Ausführungen deS LegationS- ratS von Nostitz in allen Punkten einverstanden erklärte. Prof. GraveliuS, der dem agrarijch-fonservativen Flügel fern steht, ist gleichieitig Vorsitzender deS Landesverbandes der konservativen Partei für das Königreich Sachsen. Man wunderte sich nun jüngst darüber, daß die Veröffentlichung und Be sprechung der WahlrechtSerklärung der konservativen Abgeordneten im konlervativcn „Vaterlanv" nicht erfolgten. Ictzl ist hierzu der Schlüssel gesunden! Professor GraveliuS läßt das nicht zu! Aufsehen errent nun der Rücktritt deS Professors GraveliuS von der Stellung deS offiziellen Führers der Dresdner Konservativen. Dieser Rücktritt ist naiürlich nur rin Symptom für die tiefgehenden Gegensätze in der Partei selbst. Die Dresdner Konservativen treiben seil ungefähr vier Jahren eine Politik, die mit der von dem agrarischen Flügel der Partei gewünschten nicht zu vereinbare» »st. Sie sind ehrlich genug, eine ganze Reihe von
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