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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070731015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907073101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907073101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-31
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R.j * In Sachen der irredentistischen Ausschreitungen gegen deutsche Touristen, unter denen sich auch Reichsdeutsche befunden haben, ist von den zuständigen Behörden sofort eine Unter suchung eingeleitet worden. Tex deutsche Geschäftsträger in Wien, der sich in dieser Angelegenheit an die ö st e r r e i ch i s ch e Regierung gewandt hat, hat bereitwilligstes Entgegenkommen ge funden. lS. Leitartikel.) * In Montenegro beschuldigt man serbische höhere Kreise der Anstiftung von Unruhen in Montenegro und droht, die diplo matischen Beziehungen zu Serbien abzubrechen. * In Ecuador wurden 15 Soldaten wegen eines Komplotts gegen den Präsidenten zum Tode verurteilt. * Einem Telegramm aus Paris zufolge hat sich der Zustand des erkrankten Dichters Francois Coppöe bedeutend ver schlimmert. Dns ZenlLLtvn nicht konfessionell? Es ist eine in letzter Zeit in der katholischen Presse und katholischen Literatur vielerörterte Frage, ob man das Zentrum als eine konfessio nelle, katholische, oder ob man es als eine rein politische Partei zu be trachten habe. Die nicht katholische Welt hat sich dieser Frage gegenüber bisher ziemlich gleichgültig verhalten, und doch hat auch sie ein nicht zu unterschätzendes Interesse an dieser Frage und ihrer Beantwortung. Denn, wenn es gelingt, die Anschauung, daß das Zentrum, wie es jetzt ist, als eine politische, interkonfessionelle Partei zu betrachten sei, weiten Kreisen, insbesondere denen, welche von der Sozialpolitik des Zentrums Besserung ihrer Lage erhoffen, mundgerecht zu machen, so bedeutet das unter Umständen ein erhebliches Anschwellen der Zen trumsstimmen. Es könnte dann ein Machtzuwachs des Zentrums ein treten, welcher geeignet wäre, dieses, auch wenn ein erneutes Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen nicht stattfindet, wieder zur ausschlag gebenden Partei zu machen. Und dann wäre die alte Misere, die wir am 25. Januar glücklich überwunden haben, wieder heraufbeschworen. Eine kurze Erörterung der Frage dürfte daher wohl auch für di« All. gemeinheit Wert haben. Die „Kölnische Volkszeitung" schreibt in einer ihrer letzten Num mern, der Streit um den politischen Charakter der Zentrumspartei sei ein erledigtes Thema, erledigt in dem Sinn«, daß man das Zentrum nicht als konfessionelle Partei, auch nicht einmal als „politische Partei auf konfessioneller Grundlage" zu be trachten habe, sondern als rein politische. Die „K. V.-Ztg." mag darin Recht haben, daß innerhalb der füh renden Zentrumsorgane eine Einigung dahin erzielt ist, fortan den politischen Charakter der Partei in erste Linie zu stellen, ja sogar sie als rein politische zu gestalten. Die Frage, ob oies von Anbeginn an im Sinne der Zentrumsführer gelegen hat, und die Zentrumspartei nur durch die Macht der Verhältnisse in die Rolle der katholischen Kampfpartei gedrängt worden ist, oder ob sie spontan sich als ausge sprochen katholische Partei konstituiert hat, kann füglich, als zurzeit irrelevant, unerörtert bleiben. Tatsache ist, daß die Partei diesen aus- gesprochen katholischen Charakter besitzt, und dieser kann ihr auch dadurch nicht plötzlich genommen werden, daß die Führer sein Nichtvorhanden, sein dekretieren. Die „K. V.-Ztg." ist selbst der Ansicht, und vertritt sie z. B. bei Be sprechung der Ostmarkensrage, daß es Pflicht jedes guten Katholiken sei, seinen Platz in den Reihen des Zentrums zu suchen. Mit dieser Forderung allein stempelt sie das Zentrum zur konfessionellen Partei. Und mit dieser Forderung steht die „K. V.-Ztg." nicht vereinzelt da, sie ist, wenn auch die besonnenen Zentrumsführer sie keinesfalls offiziell vertreten werben, doch in weiten katholischen Kreisen gang und gäbe. Dies geht so weit, daß ost Katholiken, die sich innerlich mit der Zen trumspolitik nicht befreunden können, doch für das Zentrum stimmen in der Annahme, dies sei ihre katholische Pflicht. Ein weiteres Moment, das ebenfalls nicht so ohne weiteres ausge- schaltet werden kann, ist der überwiegende katholisch-klerikale Einfluß in der Partei. Sie zählt unter ihren Abgeordneten eine unverhält nismäßig große Zahl Geistlicher. Es ist ferner notorisch, daß die katho lische Geistlichkeit, jedenfalls mit allen erlaubten Mitteln, für das Zen trum Propaganda macht, in der durchaus zutreffenden Ueberzeugung, daß die Zentrumspartei sich als die geborene Vertreterin der katholisch, kirchlichen Interessen betrachtet, und der daraus resultierenden — frei lich nicht immer zutreffenden Annahme, daß bei ihr das Wohl der deut schen Katholiken am besten aufgehoben sei. Endlich stützt sich die ganze Organisations- und Agitationstätigkeit des Zentrums auf den Katholizismus. Der noch von Windthorst be gründete katholische Volksverein, eine der Hauptstützen des Zentrums, ist rcin katholisch, ebenso die Gesellenvereine. Bei den Windthorstbunden ist nach Kämpfen der exklusiv katholische Charakter im parteipolitisch«!: Interesse jetzt aissgegeben worden, hat also ebenfalls bisher bestanden. In den Zentrumswahlvereinen spielt meist die Geistlichkeit die aus schlaggebende Rolle. Solange alle diese Verhältnisse obwalten, wird billigerweise nie mand verlangen können, daß man von dem ausgesprochen katholischen Charakter des Zentrums einfach absieht und eS als rein politische Partei betrachtet, bloß weil <s einerseits außer seinen katholischen Zielen auch selbständige politische verfolgt und anderseits den katholischen Taufschein nicht zur conckitio sino qua non für den Eintritt in die Zentrums partei erhebt. Wenn das Zentrum wirklich eine rein politische Partei sein will, muß es den Anspruch ausgeben, die für Katholiken sozusagen obliga torische Partei sein zu wollen, cs muß die Präponderanz des klerikalen Einflusses ausschalten, es darf sich endlich nicht mehr auf rein katho lische Organisationen stützen. Handelte eS hiernach, so würde eS jedoch seine alten Traditionen ausgeben und selbst die Axt anlegen an die alten Wurzeln seiner Kraft. Erhält es diese ober, dann ist daS ganze Gerede vom politischen Charakter des Zentrums nur «in theoretisches Spielen mit Begriffen, höchsten- dazu geeignet, Andersgläubige in eine im Grunde doch katholisch bleibende Partei einzufangen. 1000 welsche gegen 18 Deutsche. * Bozen, 28. Juli. Die Trienter und Novereiter Irredentisten haben sich gestern und vorgestern gegen ein Häuflein wehrloser Deutscher Schandtaten erlaubt, welche in Tirol unerhört sind und die schwersten Folgen haben werden. Rasch verbreitete sich in Deutsch-Südtirol die Nachricht von den abscheu lichen Vorfällen und rief allenthalben eine berechtigte, namenlose Er- birterung hervor. In Innsbruck hatte ein Turnerfest stattgefunden, und dabei wurde die Absicht ausgedrückt, einen gemeinsamen Ausflug nach den deutschen Sprachinseln im verwelschten Landesteile zu unter nehmen. Für diesen Ausflug fanden sich 28 Herren und fünf Damen zusammen, doch muß ausdrücklich betont werden, daß es sich nicht um einen politischen oder sonstigen Verein handelte, sondern umTouristen, von welchen sechs Reichsdeutsche, die übrigen Egerer, Neichenberger, Wiener, Grazer usw. waren. Die Führung hatte Herr Professor Edgar Meyer, Schloßherr auf Welfenstein im Eisaktale. Politische Zwecke waren gar nicht beabsichtigt; es sollten nur fremde Deutsche auf Besuch in die deutschen Sprachinseln geführt werden. Als aber die Trienter Presse hiervon erfuhr, erhob sie sofort ein großes Geschrei und forderte die Bevölkerung gan- unverblümt zu Gewalttätigkeiten gegen die deut- fchen Ausflügler auf, denn es gebe gar keine deutschen Sprach inseln, die Ausflügler kämen als politische Agitatoren, wollten das Volk verführen usw. In Trient und Novereit wurde mobilisiert. Unterdessen waren die nichtsahnenden deutschen Ausflügler nach Altrey gekommen, wo sie freudig begrüßt und aufs beste verpflegt wur den Am nächsten Morgen, es war der 25. Juli, wanderten die deutschen Touristen über das Kreuzjoch nach Palai im Jersentale. Hier war der Empfang, an dem sich auch der Ortspfarrer beteiligte, womöglich noch herzlicher als in Altrey. 33 Deutsche im Orte! So etwas erleben die armen, von den Welschen nach Möglichkeit unterdrückten Palaier nur selten. Was Wunder, daß die Bewohner dieser einsamsten aller deutschen Sprachinseln ihre Besucher geradezu feierten. Aber die Kunde davon drang durch Spione nach Persen und Trient und erzeugte eine heillose Wut bei den Irredentisten, welche ja stets be- haupteten, daß die Sprachinseln nur in der Einbildung der Deutschen existierten. Sie telephonierten von Ort zu Ort, unbehelligt von den Behörden, und bestellten aus ganz Südtirol ihre Anhänger nach Persen am Ausgange des Fersentales, um den herabkommenden Deutschen zu beweisen, daß diese Gegend italienisch sei und keine deutsche Sprachinsel. Di« Deutschen übernachteten zu Palai und zogen am 26. morgens durch das Fersental langsam bergab. Allein sie waren noch nicht weit gekommen, als ihnen drei Gendarmen begegneten, welche sehr besorgt schienen und den Deutschen mitteilten, »nten bei Persen stän den gegen 100 irredenti st ische Fanatiker in feind licher Absicht; die Lage sei sehr ernst und nur wenig Gendarmerie zur Stelle. Tatsächlich hotten sich die Irredentisten unten aufgestellt und auf allen Bergwegen Vorposten vorgeschickt, welche Zeichen geben sollten. Sie gingen als richtige Wegelagerer ganz folgerichtig zu Werke und scheuten sich sogar nicht, eine Brücke abzubrechen, doch wurde diese von einer des Weges kommenden Gendarmeriepatrouille wieder her gestellt. Als sich unter den Welschen die Nachricht verbreitete, die deutsche Gesellschaft sei 80 Mann stark, da erschraken die Herren und telegraphierten rasch nach Trient um Verstärkungen, die auch kamen. Es ist nämlich bezeichnend, daß der Jrredentismus unter der italienischen Landbevölkerung keine Anhänger hat, nur in Trient und Rovereit sitzen seine Wurzeln. So waren denn auch die Wegelagerer ausschließlich tsppisti in rruanii gsislli (Gesindel in Glacehandschuhen), wie sich die Italiener selbst markant auszudrücken pflegen; Doktoren, Studenten, Kaufmannssöhne usw. waren dabei. Bemerkt sei noch, daß alle Parteien vertreten waren; hatte doch auch das Blatt des Trienter Bischofs bei der Verhetzung wacker mitgetan. Um nicht direkt in die Falle zu laufen, beschlossen die Deutschen, einen Umweg zu machen und stiegen, von den dr«i Gendarmen begleitet, auf schlechten Pfaden wieder bergan. Nur ein alter Berliner, der schon müde war, mietete sich bei einem Bauern «in Maultier und ritt. geradeaus weiter, in der sichren Meinung, daß niemand «inen harm losen, vereinzelten Wanderer Ungreifen werde. Doch da täuschte er sich gewaltig, denn als die lauernden Banditen seiner ansichtig wurden, risten sie ihn von seinem Reittiere herab und schlugen auf ihn loS. Zwei Gendarmen, welche den Haufen aus einiger Entfernung beobachteten, liefen hinzu und retteten den alten Mann, der sonst wohl kaum mit dem Leben davongekommen wäre. Die Gendarmen verschafften dein blutbedecktcn Menschen ärztliche Hilfe aus dem nahen Persen und brachten ihn dann auf die Eisenbahn. Die Irredentisten begleiteten dieses Rettungswerk der Gendarmen mit betäubendem Geschrei. Kaum war diese Einleitung vorüber, so er fuhr der blutdürstige Haufen, daß die deutschen Touristen nicht mehr weit vom Schlosse Persen seien. Dieses gehört einer deutschen Gesellschaft und sollte den Wanderern als Herberge dienen. Mit der Oertlichkeit wohl vertraut, besetzten nun die Welschen einen Hohlweg, durch den die ermüdeten deutschen Wanderer kommen mußten. Hier spielte sich nun gegen 6 Uhr abends eine Szene ab, welche geeignet ist, die Irredentisten vor aller Welt zu brandmarken. Als nämlich die 88 Deutschen des Weges kamen, erschienen plötzlich rechts und links auf den Höhen über 200 Irredentisten, welche unter einem entsetzlichen Wut- aebrüll und unter einer Flut von Schmähungen die Auslieferung des Professors Edgar Meyer verlangten. Die Deutschen scharten sich um ihren Führer und waren auf alles gefaßt. In diesem Augenblick erschien der Bezirkskommissar Bergmann mit weiteren Gendarmen, insgesamt 20, und machte den Deutschen etwas Luft. Allein die Horde der Irredentisten leitete nun einen wirklichen Angriff ein, und Kommissar Bergmann war schwach genug, mit den Welschen zu verhandeln, anstatt energisch gegen sie vorzugehen. Plötzlich drehte er sich um und herrschte die Deutschen an, sie sollten die Hüte ab nehmen; ein Teil der Deutschen tat dies, und zwar Hener Teil, wc cher nicht italienisch verstand; daS Hutabnehmen hatten nämlich die Welschen verlangt und die- zum Zeichen der „Ehrfurcht vor dem italienischen Lande", wie sie sich ausdrückten. Jene Deutschen nun, darunter Pro fessor Edgar Meyer, welche die italienische Unterredung verstanden hatten, weigerten sich mit Entschiedenheit, die welsch« Forderung zu erfüllen, und winkten ihren Gefährten, die Hüte wieder aufzusetzen, wa- auch geschah. Nun brüllten die Banditen: „Horts »I idle.rsr!" sTod dem Meyer!) und konnten nur mit äußerster Mühe von den 20 Gendarmen zurückge. halten werden. Die Lage wurde immer bedrohlicher. Der Trienter Abgeordnete Avancini, der auf daS sozialdemokratische Programm gewählt wurde, hielt eine deutsche Ansprache, worin er den Besuchern der deutschen Sprachinseln «Einbruch in ein fremdes Land" vorwarf. Immer rasender geberdeten sich die Wegelagerer. Unter ihnen sah man den Trienter Bürgermeister Dr. Silli, ferner di« Advokaten Dr. Valdagni, Dr. MoreIli und andere — es war mit einem Worte der bekannte irrcdentistischc HeereSbann aufgeboten. Besonders ging eS ihnen darum, die Weiterreise der Deutschen nach Vielgcreut zu ver hindern und darum schrien sie: „Dutti «U» »tLrions!" („Alle zum Bahnhof!") In Vielgereut harrten nämlich der Deutschen neue Aus Wien wird hierzu ferner telegraphisch gemeldet: Als Reaktion gegen die italienischen Demonstranten in Südtirol wurden gestern in Innsbruck einige italienische Geschäftsläden demoliert. Professor Meyer richtete an die „Innsbrucker Nach richten" aus Freienfelde folgende Depesche: Die Vorfälle in Persen, Calliano und Trient sind unerhört es ist eine Schande, daß so etwas möglich war. Es fehlte absolut an Schutz, besonders in Calliano. Südtirol befindet sich ictzt nanczu im B e l a q e r u n p s z u st a n o. nur einem Zufall ist es zuzuschreiben, daß ich noch lebe. Unser Bahn- zug wurde gestürmt, die Fensterscheiben wurden zertrümmert, Revolver- Ehrungen. Der Kommissar konnte sich zu keiner entscheidenden Hand lung aufschwingen: er parlamentierte noch immer, während Steine und Stöcke durch die Luft flogen, die deutschen Touristen mißhandelt und ihre Frauen in der gemeinsten Weise beschimpft wurden. Von allen Seiten gedrängt und mit dem Tode bedroht, wurden nun einige der Deutschen schwankend, zumal die Gendarmerie keine Anstalten traf, gegen die Horde Gewalt zu gebrauchen. Da trat ein älterer Deutscher, der Turnlehrer Schorr, vor und erklärte — ohne jedoch dazu ermächtigt zu sein — er und seine Freunde würden am nächsten Morgen abreisen. Ein Teil der Deutschen erhob die Hand zum Zeichen des Einverständnisses. Nun gaben die Welschen «twas Raum und die gehetzten Touristen konnten das nahe Schloß er reichen, wo sie gut empfangen und bewirtet wurden. Gendarmen be setzten die Tore und hielten Wache bis zum Morgen. Der welsche Pöbel aber zerstreute sich, um auf deutsche Nachzügler Jagd zu machen. In der Tat waren solche auf der Eisenbahn angekommen, um sich in Persen mii der ersten Ausslüglerschar zu vereinigen. Diese Ausflügler nnn wurden überfallen und mißhandelt. Man schlug die Männer mit Stöcken auf den Kopf, bewarf sie mit Steinen und spie den Frauen ins Gesicht. Arbeiter oder Bauern waren an diesen Scheußlichkeiten gar nicht beteiligt — im Gegenteil — die Bauern rissen an vielen Stellen jene Plakate herab, welche zu Gewalttätigkeiten gegen die deutschen Ausflügler aufforderten. Dem Restaurateur Girardi, welcher die Deutschen mit Lebensmitteln versehen hatte, wurden in seinem Gasthause zu Persen die Fenster «in- gcschlaaen. Die Demonstranten gebärdeten sich wie rasend, wie zu jedem Verbrechen fähig. In der Burg hielt Prof. Edgar Meyer eine Ansprache, legte die Gefährlichkeit der Verhältnisse dar und stellte es jedem frei, am nächsten Morgen abzureisen. Nach längeren Beratungen wurde be schlossen, diejenigen Deutschen, welche es zugesagt hatten, sollten ab- rcisen und die Dam«n mitnehmen. So geschah es. Unter dem Schutze der Gendarmerie erreichte dieser Teil der Reisegesellschaft um 6 Uhr morgens den Bahnhof und reiste ab. 18 Mann, darunter Professor Edgar Meyer, blieben zurück. Und nun begann der zweite Teil dieses ernsten Schauspiels, das mit Blutvergießen endigen sollte. Die irre- dcntistischen Heißsporne schliefen noch, als jene 18 Deutschen die Burg verließen und über St. Christoph und Galeetsch nach Vielgereut hinauf wanderten. Hier wollte der deutschfeindliche Student Carbonari die Bauern gegen die Touristen aufhetzen, hatte aber keinen Erfolg. Schließlich mußte er sogar vor einigen deutschgesinnten Bauern flüchten. Nachdem man den neuen deutschen Konsumverein und den Bauplatz für die deutsche Schule besichtigt hatte, wurde im Hotel Folgaria daS Mittagessen eingenommen. Abordnungen von deutschen Vielgereutern und Laimtalern begrüßten di« Besucher der Sprachinseln aufS wärmste, ja die Laimtaler sagten sogar, bei ihnen seien Triumphbogen errichtet worden, um di« deutsch« Reisegesellschaft willkommen zu heißen und di« ganz« Bevölkerung erwarte sie. Auch legt«n sie «in Protokoll (dieses brachte Professor Meyer ganz blutgetränkt nach Hause) mit 250 Unterschriften vor, laut welchem die braven Laimtaler eine Ortsgruppe des „Tiroler Volksbundcs" mit 250 Mitgliedern gegründet haben. Als die Laimtaler hörten, daß die Irredentisten die Deutschen be schimpft und mißhandelt hatten, waren sie ganz außer sich und ver- sprachen den Deutschen, wenn sie ins Laimtal kommen wollten, Begleit mannschaft dis Bozen. Schon wollten die Deutschen zusagen, da erschien der Äezirkshauptmann Spengler mit zwei Gendarmen und riet den Deutschen eindringlich, von weiteren Reiseplänen abzusehen, denn halb Trient und Rovereit sei in Bewegung, um die deutschen Ausflügler zu lynchen. Ter Bezirkshauptmann hatte wahr gesprochen, die Irre dentisten telephonierten zwischen Trient und Novereit hin und her und bestellten alle ihre Anhänger nach Calliano, am Fuße des Vielaereuter Hochplateaus. Welsche Spione umschlichen die Deutschen und gaben Signale von den Höhen. Man war wie im Kriegszustände. Der Bezirkshauprmann ersuchte auch Herrn Professor Edgar Meyer, mit einem Vertreter der Welschen zu unterhandeln, was er aber rund weg abschlug. Endlich erklärte der Bezirkshauptmann, wenn die Deutschen sofort mit ihm nach Calliano adsteigen wollten, so bürge er für ihre Sicherheit, andernfalls aber nicht. Unter so bedrohlichen Um- ständen beschlossen die 18 Deutschen, sich dem Bezirkshauptmann anzu vertrauen, und so trat man den Abstieg an: voran 17 Touristen, dann der Bezirkshauptmann mit Professor Meyer, endlich die beiden Gen- darmen. Unweit Mtttembera begegnete ihnen auf der hier fahrbaren Straße ein Automobil mit sieben Insassen, die anhielten, heraussprangen und zwei photographische Apparate auf Professor Meyer richteten. Dieser verbat sich das, worauf die ganze Bande mit Prügeln über ihnherfiel — in Gegenwart des uniformierten Bezirkshauptmanns. Professor Meyer stieß einen der Angreifer zurück, erhielt aber gleich zeitig mehrere wuchtige Schläge auf den Kopf, wodurch ihm eine tiefe, stark blutende Schädelwunde beigebracht wurde. Hierauf sprangen die Angreifer in ihr Automobil und fuhren zurück, wobei sie die anderen Touristen mit Revolvern bedrohten. „Elende Feiglinge!" schrie ihnen Professor Meyer nach; der ganze Vorfall hatte sich so rasch abgespielt, daß die Gendärmen nicht schnell genug zur Stelle waren. T«r Be zirkshauptmann ließ nun einen Wagen holen und fuhr mit Professor Meyer und den Gendarmen nach Calliano. Hier kam cs zu den ärgsten Ausschreitungen. Nahezu 1000 wütende Irredentisten waren in Calliano zusammen- geströmt, um die 18 Deutschen zu massakrieren; Doktoren und Honora tioren aus den italienischen Städten waren die Arrangeure dieses aller Zivilisation hohnsprechenden Skandals. Bald floß den 18 Deutschen die sich zusammenhielten und mit ihren Leibern gegenseitig schützten, das Blut über die Kleider. Wie wahnwitzig brüllten die Mordbubcn; auf die niederftürzenden Ver wundeten goßen sie Anilin und andere ekelhafte Flüssigkeiten. Die 18 Deutschen hielten sich sür verloren. Endlich wurde der Bahnhof er reicht. In der Wartehalle verteidigten sich die Deutschen und die Gen darmen mit dem Mute der Verzweiflung; doch dursten die Gendarmen nicht schießen. Infolgedessen erstiirmten die D e m o n st r a n t c n den Bahnhof und versuchten, die Deutschen von dem eben ein fahrenden Zuge abzuschneidcn. Endlich erreichten die 18 Deutschen, auf die ein ununterbrochener Hagel von Projektilen nicdcrsausre, doch den Zug und stiegen ein. Zu Tode erschöpft, bleich und verstört, mit entstellten und blutüber- strömten Gesichtern kamen die 17 Deutschen in Bozen an Ihre Wunden sind voll Anilin und Schmutz, weshalb Blutvergiftungen befürchtet werden. So werden deutsche Tonristen im verwelschten Landcsteile ve- handelt!
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