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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070731029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907073102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907073102
- Sammlungen
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- Images teilweise schlecht lesbar
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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Abend-Ausgabe 8. BezugS-Prerö für Leipzig und Vororte durch unsere LrLger und Spediteure in» Hau« gebracht: Ausgabe t (nur morgen«) vierteljihrlich 3 M., monatlich I M., Ausgabe v imorgen» und abend») viertel« jährlich 4.50 M., monatlich 1.50 M. Durch di» Poft bezogen: (2 mal täglich) innerhalb Deutschland« und der deutschen Kolonien vierteliLhrlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. eurschl. Post, bcstellgeld, für Oesterreich 9 ü 6b k, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahme: Auguftubplatz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 1ü Pfg. Redaktion und Exprdition: Johanni-gasse 8. Lelevhon Nr. I46S2, Nr. 14Ü93, Nr. 14SS4. Berliner Redaktion«-Bureau: Berlin bllV 7, Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon!, Nr. 8275. MipMtrTagMM Handelszeitung. Äintsvratt des Rates und -es Roüzeiamtes -er Lta-t Leipzig. Nr. 210. Mittwoch 3l. Juli 1907. Anzeiqen-PreiS Mr Inserate au« Leipzig und Umgebung di» Sgespaltene Petstzeile 25 Ps., finanzielle Anzeigen 30 Pf., Reklamen 1 M.; von auswärt« 30 Pf., Reklamen 1.20 M. vom Aukland 50Ps., finanz. Anzeigen 75 Pf. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40 P'. «eilagegebübr 5 M. p. Tausend exkl. Pvsi gchühr. Geichäftsanzeigen an bevorzngler Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tav.l. Festcrteilte Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen au bestimmten Tagen und Plätze» wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Sugustukplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoucen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt -Filiale Berlin: Tue! Duncks., Herzog!. Bahr. Hoftuch handlung, Lützowstraße 10. «Telephon VI, Nr. 4603). 101. Jahrgang. Das wichtigste vorn Tage. * Der Kaiser ist auf seiner Rückreise vor Rügen angc- langt. sS. Dtschs. R.) * Wie in Peterhof versichert wird, haben die Reisedispo sitionen des Zaren nach den pommcrschen Gewässern bisher leine Aenderung erfahren. * Wie Lord Tweedmouth im Oberhaus milteilte, beab sichtigt die Negierung den Bau eines neuen großen Kreu zers. Der Bau von Schiffen würde voraussichtlich im nächsten oder dem darauffolgenden Jahre fortgesetzt werden. * Das englische Unterhaus hat di« Finanzbill mit 232 gegen 91 Stimmen angenommen. (S. Ausl.) * Ein großer Dampfer ist in der Außenbrandung vor dem Badestrände inWittdün gestrandet. Sein Name ist noch unbe kannt. Es sind Rettungsboote abgegangen. * Nach der „Neuen polit. Korresp." bestätigt es sich, daß am 9. August der König von Siam dem Kaiser in Wilhelms haven einen Besuch abstatten wird. * Der japanischeBotschafterin Berlin wird nach Japan zu rücklehren, um in den Staatsrat einzutreten. Als sein Nach, folger gilt Graf Aoki, zurzeit Botschafter in Washington. Tagesschau. Schulwesen in Windhuk. Die Regierungsschule in Windhuk wurde zu Beginn des am 31. März verflossenen Schuljahres von 20 Kindern besucht, die in zwei Klassen unterrichtet wurden. Am 18. Juli v. I. wurde eine dritte Klasse eingerichtet. Die Durchführung einer reinen Scheidung einer Unter-, Mittel» und Oberstufe verbot sich durch die große Anzahl fremdsprach licher Kinder. In der zweiten Klasse sind meist Vurenkinder einaeschult, die für die Unterstufe bereits zu weit sind, aber infolge ungenügender Kenntnis der deutschen Sprache dem Unterricht in der Oberstufe noch - -fti tilgen können. Die endliche Einführung des lange ersehnten Schul zwanges am 1. Dezember 1906 erhöhte die Schülerzahl auf 74. Dadurch wurden die Schulzimmer, für die Pensionatszimmer mit in Anspruch genommen werden mußten, so unzureichend, daß der Bau eines neuen Schulgebäudes in Angriff genommen werden mußte. Dieses, in der Bergstraße belegen, nähert sich seiner Vollendung und dürfte noch am Ende dieses Monats bezogen werden können. Die Schule ist paritätisch; der Religionsunterricht wird außerhalb der Schule von den Geistlichen der verschiedenen Bekenntnisse erteilt. Der Abstammung nach sind 43 Kinder Reichsdeutsche, 25 Buren, 2 Oesterreicher, 2 Engländer, 2 Schweden. Die Familiensprache ist bei 35 Kindern deutsch, bei 37 holländisch, bei 2 englisch. Das bedeutet also, daß die Eltern von mindestens 10 reichsdeutschen oder österreichischen Kindern als Familien- sprack-e die holländische statt der deutschen angenommen haben! Neu in den Lehrplan wurde im abgeflossenen Schuljahre der Handfertigkeits unterricht für Knaben ausgenommen, der nicht die Vorbildung für ein bestimmtes Handwerk bezweckt, sondern lediglich beabsichtigt, Geist, Auge und Hand harmonisch auszubilden. Mit dem Beginn des neuen Schul jahres am 1. April ist als fernerer neuer Unterrichtsgegenstaud die eng lische Sprache ausgenommen worden. Mit dem Umzüge in das neue Schulhaus soll ein weiterer wichtiger Fortschritt dadurch bewirkt werden, daß eine besondere Schulklasse für die fremdsprachlichen Kinder eingerichtet wird, in der sie sprachlich so weit gefördert werden sollen, daß sie dem Unterricht in der ihrem Alter und Kenntnissen entsprechen- I den Stufe folgen können. Die Zahl der Pfleglinge des Schulpensionats stieg von 12 auf 40. Zur Hälfte sind es Burenkinder, deren Eltern in immer steigendem Maße den Wert des deutschen Schulunterrichts er. kennen. Die Bevölkerung Windhuks hat den lebhaften Wunsch, daß die Regierungsschule zu einer höheren Schule ausgestaltet werde. Die darauf gerichteten Versuche sind bisher aus finanziellen Gründen ge scheitert. Sie werden aber tatkräftig stets von neuem wieder ausge nommen; im Interesse der Kolonie ist ein baldiger Erfolg zu wünschen. Agitation gegen die religiösen Orden. (Von unserem römischen ^.-Korrespondenten.) Die scheußlichen Verbrechen, die von Nonnen und Priestern an Kin dern von 4 bis zu 13 Jahren in Mailand begangen worden sind, im Verein mit einer stattlichen Anzahl skandalösester Geschehnisse aus früherer Zeit und an anderen Orten haben endlich eine Agitation gegen die religiösen Orden geweckt, die nachhaltig und ausgedehnt genug sein dürfte, um nicht erfolglos zu bleiben. In dem aktuellen Falle sucht sich die Kirchenbehörde aus dem Spiel zu ziehen, indem sie jede Verantwor tung mit der Begründung ablehnt, daß die Nonnen nicht von ihr aner kannt worden seien und ihr Mädchenasyl auch der kirchlichen Aufsicht nicht unterstanden habe; es ist das aber eine sehr klägliche Begründung, da -Wei Priester die geistliche Aufsicht — oder was sie so nannten und was in der Tat nichts als die allerraffinierteste und obszönste Unzucht war — und das Beichtamt mehr als regelmäßig wahrnahmcn und da eine stattliche Anzahl von Zuschriften einiger Bischöfe und des Kardinal- Erzbischofs von Mailand beschlagnahmt ist, in denen der Oberin und ihrem Institut die reichste Fülle von Segenswünschen ausgesprochen werden. Die weltliche Behörde, der die Existenz und Wirtschaft der Nonnen und ihres Asyls um so weniger unbekannt gewesen ist, als die Nonnen regelmäßig betteln gingen und auf Nebenwegen wandelten, lehnt wieder die Verantwortung ab unter Hinweis auf den geistlichen Charak ter der Missetäter. Letzten Endes aber sind doch auch wenigstens ein Priester und vier Nönnlein hinter die Gefängnismaucrn gesteckt worden und eines Strafurteils gewärtig; freilich bekommen dadurch die kleinen Kindlein die Verseuchung ihres Blutes und die Schändung ihres Leibes nicht mehr wieder gut gemacht, und ein dreizehnjähriges Mädchen kann die ihm von den frommen Hüterinnen ihrer Seele beigebrachte Erfah rung mit allen Perversitäten und Lastern nicht mehr in Unschuld zurück wandeln. Ueberdies ist auch das Kindcr„asyl" nunmehr von Polizei wegen endgültig geschlossen worden. Aber es handelt sich jetzt auch darum, einem allgemeinen Nebel gründlich zu Leibe zu gehen. Die Praxis, so viel religiöse Orden wie möglich allem Gesetze zum Trotze ins Land zu lassen, wird die Regierung allerdings schwerlich aufgeben, weil diese Orden vieles Geld, das sie bisher in Frankreich und anderswo ge lassen haben, nach Italien bringen. Aber gegen die Schul- und Er ziehungsanstalten der Orden muy uns 'pinu etwas getan werden, und zwar sowohl von feiten der Regierung wie der Kommunen. Man bedenke nur, daß es heute in ganz Mailand keine einzige Jildungs- und Er ziehungsanstalt für Mädchen gibt, die nicht in Händen von Nonnen wäre. In Mailand zählt man 43 klerikale Institute für Knaben mit 15 630 Zöglingen, sowie nicht weniger als 176 mit 33 854 weiblichen Zöglingen; hierbei sind Kinderbewabranstalten und eine nicht geringe Anzahl von der Behörde nicht gemeldeten Erziehungsanstalten außer Rechnung ge blieben. 12 Männerorden und 33 Weiberorden teilen sich in Mailand in diese Beute. Gegen diese Zustände, die man in der „aufgeklärten" Groß stadt Mailand und im modernen Italien nicht für möglich halten möchte, richtet sich die Agitation, die in Mailand selbst bereits zu offener Gewalt tätigkeit gegen die Gebäude und Insassen einzelner Klöster überge- gangen ist. Internationaler Arbcitsmarkt. Der Horizont des internationalen Arbeiismarkles ist nicht mehr ganz unbewölkt. Es sind zwar nur ganz leichte Schatten, die das bisher so glänzende Bild des Arbeitsmarktes trüben und sie können leicht wieder verschwinden, immerhin aber darf die kleine Abschwächung der Gunst, die der Juni gebracht bat, nicht igno riert werden. Von Deutschland abgesehen hat in allen wichtigeren In dustrieländern, für die sich die Bewegung der Arbeitslosigkeit verfolgen läßt, die Prozentzahl der Arbeitslosen im Juni zugcnommen. 1905 ging sie in dem entsprechenden Zeitraum zumeist zurück, 1906 nahm sie teil weise auch zu, aber nicht so merklich, wie im laufenden Jahre. Am geringsten war noch die Abschwächung des Beschäftigungsgrades in Groß britannien; hier stieg die Arbeitslosigkeit von 3,4 Prozent im Mai auf 3,6 Prozent im Juni oder um 0,2. 1906 hatte in derselben Zeit nur eine Zunahme von 0,1 Prozent stattgefunden; nunmehr beträgt die Besserung gegenüber dem Vorjahre, die gleichbedeutend mit der Abnahme der Ar beitslosigkeit ist, nur noch 0,1 Prozent. Die niedrige Arbeitslosigkeit der Jahre 1897 bis 1901 im Juni ist noch nicht wieder erreicht. Tas mag daran liegen, daß die Bautätigkeit, obgleich entschieden umfang- reicher als 1906, doch noch immer als flau zu bezeichnen ist; sie ist noch nicht annähernd wieder so lebhaft wie vor der letzten Krise. In den anderen Gewerben ergab sich kaum eine Veränderung gegenüber dem Vormonat; die Intensität der Beschäftigung nahm eher zu als ab. Die Roheisenerzeugung wurde trotz der Abschwächung am Eisenmarkte noch mehr ausgedehnt; es wurde ein Hochofen frisch angeblasen. Sehr be friedigend war die Situation in den Eisen- und Stahlwerken; die Be schäftigungsgelegenheit war um 2,5 Prozent größer als im Juni 1906. Weniger günstig indes war die Entwickelung im Maschinenbau: die Arbeitslosigkeit hatte hier einen bedeutend höheren Stand als im Juni 1906. Textil- und Bekleidungsgewerbe hatten gut zu tun. Auch in Frankreich machte sich im Monat Juni eine Abschwächung geltend. Tie Arbeitslosigkeit ging von 5,9 Prozent im Mai auf 6,7 Prozent im Juni, also um 0,8 Prozent hinauf. Das ist die gleiche Zunahme, wie sie im Juni 1906 zu konstatieren war. Sie betrug damals im Juni 8,5 Pro zent. Die Tatsache, daß die Lage des Arbeitsmarktes in Frankreich noch so viel besser als im Vorjahre ist, verdient um so größere Beachtung, als unter den im Weinbau tätigen Arbeitern infolge der Weinbaukri'e eine abnorm hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Aeußerst befriedigend war das Gepräge der Bautätigkeit im Juni; es nahm an Gunst gegenüber dem Vormonat noch zu. Dagegen hielt sich der Beschäftigungsgrad im Textilgewerbe nicht auf der bisherigen Höhe: in der Bauinwollindustrie der Normandie und der Gegend von Noanne wurden mehr Feierschichten als gewöhnlich um diese Zeit eingelegt. Die Seidenindustrie bot weder in Saint-Etienne noch in Lyon ausreichend Beschäftigung. Befriedigend war die Arbeitsgelegenheit im Bekleidungsgewerbe. Sehr viel un günstiger als in Deutschland, England und Frankreich war die Lage des Ärbeitsmarktes in Belgien. Die Arbeitslosigkeit, die ichon im Vormonat etwas höher gewesen war als 1906, nahm im Juni weiter zu: sie stellte sich auf 1,8 Prozent gegen l,4 Prozent im Mai und l,1 Prozent im Juni 1906. Damals war sie von Mai auf Juni um 0,2 Prozent gefallen; in die'em Jahre hat sic um 0,4 Prozent zugenommen :nd ist um 0,7 Prozent größer als im Juni 1906. Im Bergbau bestand allerdings die hohe Arbeitsintensität auch im Juni fort; der Mangel an Arbeitskräften er- fuhr keinerlei Verminderung. Dagegen bat im Eisengewerbe die Gunst entschieden nachgelassen. Nicht nur im Marktverkehr, sondern auch im Bcstbästig'.n'g?grad machte sich ^ine deutlich» Abschwächung bemerkbar, das Textilgcwcrbe blieb nach w e vor befriedigend beschäftigt. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika war die Lage des Arbeitsmarktes im Juni befriedigend, wenn auch ein leichter Rückgang der Arbc' > gelegenhcit unverkennbar war. Zssturigsfcharr. DaS „Be»l. Tazebl." bringt einen sehr bemerkenswerten Artikel über die Reform deS preußischen Wahlrechts aus der Feder des ReichStagsabgcorcneten Naumann. Es heißt dort: Die preußische Wahlrechtsfrage kann schon heute als die Lebensfrage deS Blocks und damit als die Lebensfrage der Reichskanzlerschast Bülows bezeichnet werden Es versteht sich von selbst, daß ein Sieg von heute auf morgen ausgeschlossen ist. Während nämlich in Bayern die herrschende Partei (ras Zentrum) beim neuen Wahlrecht zu gewinnen hasste und mit Hilfe der Wahl- kreiseinteiluna auch wirklich gewonnen hat, und während in den anderen süddeutschen Staaten die Parteiverschiebungen zwar nicht mibe- irächtlich, aber auch nicht unbedingt sicher waren, so steht in Preußen von vornherein das eine fest, daß jede liberale Wahlrechtsänderung, auch wenn sie sehr „gemäßigt" sein sollte, eine Minderung konservativer Macht bedeutet. Für eine Wahlrechtsänderung haben sich mit allerlei Vorbehalten und Ein schränkungen Freikonservative, Nationalliberale und Zentrum ausgesprochen, die Feuilleton. Hätte die Weltgeschichte ein Sachregister, wie sie ein Namen- register hat, könnte man sie besser benutzen. Börne. * Der alte Leipziger Johanirisfriedhof. Nachdem schon vor zwanzig Jahren der hinter dem Johannisplatz liegende älteste Teil des Johannisfriedhofes zu Rarkanlagen umgewan- delt worden, sollen nun auch die noch bestehenden drei großen Abteilun gen ihren Charakter als Friedhof verlieren und damit die Grüfte und Grabhügel früherer Generationen verschwinden. Der letzte Rest des im Jahre 1536 zur allgemeinen Begräbnisstätte geweihten, an der Ost seite der Kirche zu St. Johannis liegenden, ersten Friedhofes von Leipzig wird aufhören Totenfeld zu sein. Seine bemoosten, altersgrauen Steine, die von alten Leipziger Geschlechtern reden, werden fallen, seine rost überzogenen Kreuze stürzen und seine Erbbegräbnisse in den Staub sinken müssen. Aber noch klammert uralter Efeu seine Wurzeln fest in das Gemäuer der Schwibbögen, noch huschen die Amsel und das Rotkehlchen durch Gebüsch und Zweig. Kaum ein zweiter Ort versetzt wie dieses idyllische Fleckchen Erde, mit seinen Grüften, halbverfallenen Gräbern, Monumenten und der Poesie, mit der die Natur diese Stätte umkleidet hat, in vergangene Zeiten zurück. Der alte Johannisfriedhof zerfällt in drei aneinander gereihte, hofartig abgeschlossene Gärten, deren jeder gleichsam eine Generation repräsentiert. Ter erste Garten ist ein Stück unverfälschter Poesie, hier berichten liebevoll, oftmals phantastisch ausgebildete Steine, aus üppigem Grün hervortauchend, von einem vergangenen Geschlecht, das seine Empfindungen mit einer gewissen Absichtlichkeit zum Ausdruck brachte, aber es waren doch Empfindungen. Schon gemessener ist der zwecke Garten: das Material ist ärmlicher geworden und die Bildbanerarbeiten find kärglicher, aber noch immer treten uns persönliche Züge trotz aller Unbeholfenheit entgegen. Im dritten, in unsere Tage hereinreichsnden Garten ist das Material reicher geworden; es blinkt uns oftmals glän- zcnd poliert entgegen, aber dafür geht die Bildhauerarbeit zurück. Oft gleicht die Gräberreihe nich^ anderem als einem steingewordenen Adreßbuch. Eine ungemein gewissenhafte, fleißige Arbeit liegt nun dem gegen wärtig im Verlage von Georg Merseburger-Leipzig erschienenen Werke „Der alte Leipziger Johannistrieb Hof und die Rats und H o s p i t a l g r u f t" von Paul Benndorf zugrunde, das, von 70 Abbildungen in Lichtdruck nach photographischen Ausnahmen des Ver fassers begleitet, nicht nur, wie der Autor bescheiden es meint, einen „Beitrag zur Stadtgeschichte" bildet, sondern weit über diese Bestim mung hinaus eine abgeschlossene und erschöpfende Chronik vergangener Geschlechter und der noch vorhandenen Erinnerungszeichen an sie dar stellt. Kunstgeschichte, Stadtgeschichte und Familiengeschichte berühren sich darin auf das innigste. Eine eingehende Betrachtung der Gruft häuser und Denkmäler gibt ein Bild von der Entwickelung der Bild hauerkunst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts. Das Barock, das Rokoko, der Klassizismus, die Neugotik der romantischen Epoche haben hier in noch ziemlich gut erhaltenen Denksteinen ihren charakteristischen Ä s- druck gefunden, wobei die Periode der Urnendenkmäler, die Epoche der Würfelform, die Zeit einer naturalistischen Auffassung und der Wand- grabmäler ihre plastische Verkörperung finden. Wie das Johannis dem Täufer gewidmete Gotteshaus, so wird auch das Hospital zu St. Johannis bereits im Jahre 1305 urkund lich erwähnt, aber erst im Jahre 1536 sein Friedhof von Herzog Georg zu einem allgemeinen Begräbnisplatz bestimmt. Zeine erste Erwei terung erfuhr er im Jahre 1580, seine zweite im Jahre 1616, seine dritte im Jahre 1680, seine vierte im Jahre 1805 und die fünfte im Jahre 1827. Von den früheren Abteilungen des Friedhofes ist nur noch wenig erhalten geblieben. In dem ersten noch stehenden Teil des Friedhofes, an dessen Eingang das uralte Erbbegräbnis der Familie Baumgärtner, vormals Leonhardt, steht, schlummert Johann Heinrich Hirzel, der ehemalige Pastor der hiesigen evangelisch-reformierten Gemeinde; auch Adam Friedrich Oeser, der berühmte Leiter der Zeichenakadcmie in Leipzig, lag hier begraben, doch hat man seine Gebeine ausgchoben und nach einem anderen Platze übergeführt. Dagegen weift ein anderes, mit verwitterter Platte bedecktes, efeuumranktes Grab aus einen anderen Direktor und Professor der Zeichenakademie, aus Veit Hans Schnorr von Carolsfcld, hin, der bekanntlich aus dem Geschleckt des Ent deckers der Meißner Porzellanerde stammte und ein vertrauter Freund von Oeser, Weiße und anderen berühmten Männern war. Wir kommen zur vierten Abteilung. Schon am Ende des 18. Jahr hunderts wurde dieser Teil des Gottesackers zum Bcgräbnisplatz ge weiht. Anfänglich war derselbe nur mit Familienbegräbnissen umgeben, und erst im Jahre 1805 begann man auf dem inneren Raume Gräber anzulegen. Früher jedoch, noch ehe dieser Bcgräbnisplatz entstand, fan- den schon viele fremde Krieger hier ihre Ruhestätte. Im Siebenjährigen Kriege begrub man die Leichen der in den Lazaretten Gestorbenen gleich hinter die Mauer der vorigen Abteilung, und als im Jahre 1813 inner halb und außerhalb des Friedhofes mörderische »ämpsc tobten, öffnete das Grabscheit gewaltige Gruben auf den Hauptwegen dieses neuen Totenackers, um die tapferen Krieger aickzunebmen. Wer den Hauotweg entlang wandelt, wird zur Rechten desselben einen mächtigen Stein würfel gewahr, auf dem Helm und Schwert fick erheben, umzogen von einem welken Eichenkranz, den vor langem eine Hand aus das verwitterte Monument zu Ehren des hier rußenden Vreufmchcn Rittmeisters Ru dolph von Goerne gelegt. In derselben Abteilung sinken wir die Gräber des um unser Kon'ervatorium so hochverdienten Schleinitz, des berühmten Theologen Johann Friedrich Burscher, neben dem präch tigen Denkmal Grassis. Auch Roderich Benedix ruht dort unter dem weiten Schattendach einer Traueresche, und unweit davon bezeichnet ein hohes eisernes Kreuz zwischen gelbleuchtenden Königskerzen die Stelle, wo man den Dichter Hcrloßsohn in die kühle Erde gebettet. Ganz im Winkel an der Wand, dicht nm Täubchenweg und nur durch ein Stalet von der Straße und ihrem Lärm getrennt, liegt das Grab, in dem Johann Rosen müller, des Hochstifts Meißen Senior, der Theologie erster Professor, des König!. Sachs. Konsistorii Assessor, der Leipziger Diözese Superintendent, der Kirche zu St. Thomas Pastor, ruht. Das weite Schattendach eines Ahvrubaumes breitet sick über den efeubewachsenen Hügel, von dem wenige Schritte entfernt ein uralter Weidenstumpf, von Efeu bis zur Krone umklammert und erstickt, gleich sam verzweifelt einige grüne Sprossen zum Himmel sendet. Ein Lckein- würsel ohne Inschrift bezeichnet die Stelle, wo Christian Felix Weiße, ein geborener Annaberger, der populärste Schriftsteller Deutschlands nach Gellerts Tode, seine ewige Ruhe gefunden. Aus ein Opfer des großen Krieges weist ein grün verwitterter Würfclstein mit ausgemeißcl- ten kriegerischen Emblemen hin, auf Andreas von Iurgenew, der als Obristleutnant im Russisch Kaiserlichen Grcnadierregiment von Taurien auf Leipzigs Gefilden seinen Tod gefunden. Nicht weit davon, neben dem Erbbegräbnis, in dem als erster der im Jahre 1799 verstorbene Senior der Kramerinnung, Kramermeister Gottlieb Ehrenfried Limburger, die Ruhe gesunden, verkündet eine eherne Tafel an der Maucrwand, daß hier Dr. Christian Carl Kann e, des Königl. Sächs. Oberhvsgerickts, der Juriitensakultät und des Rats zu Leipzig Beisitzer, auch Prokonsul, geb. zu Wolkenstein 22. Dezember 1744, gestorben 20. Februar 1806, und Anne Catharine Kanne, geb. Schön köpf, dessen Ehegattin, geb. §u Leipzig 22. August 1746, gelt. 20. Mai 1810, begraben sind. Neber die ehernen Buchstaben der Tafel: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben", nickt der wilde Wein, klettert die Efeuranke, das grüne Blattwerk umzieht gleich einem sinni gen Nahmen den Namen des lieblichen Töchterchens des Gastwirts Schönkopf, der Jugendgeliebten Goethes, deren Herzensroman jedem aus dem siebenten Bucke von „Wahrheit und Dichtung" und dem Lust- spiel „Die Laune des Verliebten" bekannt ist. Die fünfte und letzte Abteilung wurde im Jahre 1826 von dem damaligen Vorsteher des Jobannisbospitals, Baumeister Erckel, angelegt. Zwei Gräber fallen hier ins Auge mit der einfachen Inschrift Plato aus dem einen, Dolz auf dem zweiten. Was diese Hügel an bildnerischem Schmuck zu wenig bieten, das ergänzt das Denkmal an der Schulsiraße. Karl Gottlieb Plato, dem Theologen und Pädagogen, wurde die Organi sation der seit 1792 gegründeten Ratssreischule übertragen, und cs gelang ibm im Verein mit Magister Johann Christian Dolz durch Einsiibrunq einer geistererwcckenden Lehrart und memckensreundlichen Disziplin diele zu einer Musteranstalt zu erbeben. Zwischen den Gräbern wandelnd, fallen uns weiter die Ruhestätten eines Biencr, eines Schieber, eines Hauschlld, eines Kantor Weinlig, eines Prof. Stall baum, der Domherren Winzer und IlIgen ins Auge. Hier ruht
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