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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070801011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907080101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907080101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-01
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Bezrrg-'Vrei» f»r »nd Sornri» diach »nftr« Lrtger und »p«dtt«u« in« -an» ««»rächt: «udgnb« L (nur »u>r««n») dtertUjthrlich Lu»«nb« » ^morgen« uÄ abend») viertel. Ehrlich «.SO «., monatlich 1.S0 w. vnrch di« V«» besäen: (2 mal tLzltch) tnnerhal» reutlchland» und der deulchen Kolonien vierteltthrN» bestellgeld, für Oesterreich 8 X 60 N» Ungarn 8 L vierteljährlich. «bonnement^lnnabme: Lna»U»«»l«tz bet unseren Lräaern, Male». Spediteuren und «mtaiMe-ellen, jowt« Postämtern und Briefträgern. Die etn^lne Stummer lostet 1V Vfg. Siedaktton «,b «xpebMon: Johann itgafle 8. Lelevhon Str. I4SS2, «r. 14«ti, «r. 1«SS«. Morgen-Ausgabe 8. WWM.TaMM Handelszettung. NmlskkE Ves MüLes und des NEzeiaintes dek Stüdl Leipzig. Anzeigen-Prei- fstr Inserate au« Leipzig und Umgebung d>, Sgespaltrne Petit,eile 25 Ps., finanzielle Anzeigen 30 Pf., Reklamen l M.; von au«würti 30 Ps., Reklamen 1.20 M vomAu«land50Ps., sinanz. Anzeigen75Ps. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40 Ps. veilagegcbübr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. iveichitslsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris, flcslertcilte Austräge könne» nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen a» bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AugufluSplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoucen- Expedttioncn des In- und Au«landc«. chaupt Flliale Berlin: Carl Dunck: , Herzog!. Bahr. Hosbuch- handlung, Lützowstrake 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 211. Donnerstag 1. August 1907. W. Ial'Mirq. W» ,« I I IW-MI I, Da» wichtigst« von» Tage. * Der Ches deS Marine« dmiralstabeS, Admiral Büchse!, ist von seinem Svmmernrlaub nach iZerlin zurückgekehrt und wird sich morgen nach Swinemünde begeben, um der Kaiserbegegnung beizu wohnen. * Als Protest gegen die kürzlich vorgenommenen Verhaftungen und Revisionen ist in Lodz der Generalausstand erklärt worden. In der Poznanzkischen Fabrik sind drei Abteilungen in den Ausstand getreten. * In Warschau haben sich Straßentumulte ereignet. sS. Ausl.) * In Tanger eingetroffene Boten aus Fe- berichten, der Roahl bedrohe die Hauptstadt. Er sandte den Stämmen den Befehl, sich zu seinem Empfang vorzubereiten, da er einen Angriff auf den Sultan beabsichtige. * In Ohio erklärte sich der republikanische Staatsausschuß für TaftS Präsidentschaftskandidatur, obgleich Senator Foraker lebhaft dagegen sprach. * DaS achte deutsche Sängerbundesfest findet, wie aus BreSlau gedrahtet wird, im Jahre 1912 in Nürnberg statt. Nürnberg erhielt 79, Leipzig 68 Stimmen. IS. Lpzg. Ang. u. Art.) * Professor Ernst v. Leyden hielt gestern in der Charite zu Berlin seine Abschiedsvorlesung. Der Kyllabrrs und die Möglichkeit eines konservativ-rrltramontanen Bündnisses. „Es wirb einst wieder ein Papst kommen, mit dem sich vernünftig wird verhandeln lassen." So etwa — wir zitieren nach dem Gedächtnis — sprach Fürst BiSmarck in der Zeit, als PiuS IX. auf dem Höhepunkt seines Fluchens und Polterns gegen daS Deutsche Reich stand. AlS dann im Februar 1878 der greise Papst gestorben und bald darauf Leo XHI. gewählt war, knüpfte der Reichskanzler die bekannten Kissinper Verhandlunaen mit dem Nuntius Masella an. DaS war schon IM Juli 1878. Er hoffte, daß daraus ein vivvllcki -w'scheu Staat und Kirche hervorgehen werde. Die Verhandlungen wurde« dann in Wien fortgesetzt, führten aber nicht in erwünschter Weis« -um Ziel. Der neue Papst erwies sich nicht als so versöhnlich, wie man angenommen hatte. Er konnte sich von der Tradition der vatikanischen Politik nicht befreien und geriet wieder vollständig unter den maß gebenden Einfluß deS Jesuitentums. Seine Weltanschauung war die deS Thomas von Aquino, die er in einer Enzyklika den Zeitgenossen als maßgebend anwieS. Mit dem Deutschen Reich« schien un Anfang nur ein einziges Mal eine Verständigung erreicht werden zu sollen, nämlich durch die Bulle t»Isr ari pos«. Allein diese nahm Leo schon nach wenigen Wochen zurück, und so entschloß sich denn Fürst Bismarck, «ne Anzahl der Maigesetze einseitig aufzuheben, z. B. daS über den kirchlichen Gerichtshof, über di« weltlich« Absetzung von Geistlichen, über die Inter nierung, über di« Vorbildung usw. Später kam man dann doch zu Ver einbarungen über einige Einzelheiten, z. B. über die Rücknahme de- Absetzungsurteils gegen einige Bischöfe, worauf der Papst «inige andere zum kanonischen Verzicht bewog. Niemals gelang eS dem Fürsten BiSmarck, daS Zentrum in eine brauchbare Regierungsmehrheit einzufügen. Er machte mit ihm den Zolltarif und die Steueryesetze von 1879, die zweimalige Erhöhung der Lebensmittelzölle, die Antlmaigesetze smit Ausnahme deS ersten das noch die Nationalliberalen zustande brachten), aber Windthorst hielt seine Scharen in voller Unabhängigkeit und lehnte mit ihnen mehrfach HeereS- verstärkungen ab. Erst daS nachbismarckische Regiment kam dem Zentrum so weit entgegen, daß sich ein« förmlich« konservativ-ultramontane Phalanx bildete, auf die sich die Regierung stützen konnte. Zeitweise nahmen auch die Polen daran teil. Das Zentrum hat sein« Macht etwa andert halb Jahrzehnte weidlich ausaenutzt, so daß zur Freude deS Kaisers der Papst Deutschland anderen Ländern al- rühmliches Muster vorhalten konnte. Der Kaiser machte Leo XIII. in auSzelchnendster Form Be suche Dennoch blieb dieser samt seinem Kardinal-StaatSsekretSr Ram- polla ein ausgesprochener Freund Frankreichs. Und vollends bewiesen die nicht selten«« Aussprüche «x eatbsckra, daß in der Lehr«, wie im An spruch aus die geistliche Weltherrschaft keinerlei Annäherung an di« neu« Zeit, an hie Lebensbedingungen deS Deutschen Reiches stattfand. Nicht einmal in der Praxis, etwa durch stillschweigende Duldung, geschah daS, von grundsätzlichen Zugeständnissen ganz zu schweigen. ÄlS nun Leos langes Pontifikat endlich erlosch, sah der regie rende Kr«iS in Deutschland einem Wechsel nicht ungern entgegen. Dessen Sympathien waren nicht auf feiten deS kranzosenfreundlichen Rampolla, der bisher die Politik deS Vatikans geleitet hatte. Als der Kaiser von Oesterreich sein Veto gegen die berettS zustande gekommene Mehrheit im Kardinalskollegium einlegte, machte man kein Hehl auS seiner Befriedigung. Und mit wahrem Behagen begrüßte man die Wahl deS venezianischen Patriarchen, der nicht einmal Französisch konnte, der ei» Vertreter weit weniger scholastischer GotteSgelahrtheit und päpst licher Weltherrschaftsgelüst« zu sein schien, alS vielmehr echt volkstüm licher Frömmigkeit vnd Kirchlichkeit. Nun schien endlich einmal ein Mann auf den päpstlichen Stuhl gekommen zu sein, von dem zu erwarten war, daß er einen Begriff von dem Geist unserer Zeit haben und nicht ohne Not Konflikte mtt ihm suchen werde. Man konnte doch vermute», daß auch im Vatikan wenigsten« einige Leute seien, di« eine Ahnung von der unüberwindlichen Wucht hätten, mit der di« Wissenschaft unserer Zeit gegen die erstarrte Tradition der mittelalterlichen Kirche drangt. CS lag doch so nahe, sich mit der erreichten verschärf»»« deS Sircheu- regimentS, der allgemeine» Anerkennung des UnfehlbarkertSdoamaS und der unbestrittenen Herrschaft deS JesuitiSmuS im ganze» AleruS zu begnügen. ES gab keine Döllinger-, keine Stroßmayer» mehr, selbst so sanfte Opponenten wie di« Professoren Schell »nd Ehrhardt wurden zum Widerruf gezwungeu! Nun kommt der neue Svllabu»! Wir haben diesen vom Papste gebilligten Erguß des JnauisitionS- kollegiumS über einige verdammenswert« „Irrtümer" unserer Zeit bereits nach einigen Seite» aewürdiat. WaS noch nachzuholen ist, da- ist die Wirkung, die er auf die voll- tische Konstellation in Deutschland üben muß, »nd deshalb haben wir auf die Erlebnisse in der Vergangenheit etwa- eingehender verwiesen. Der ShllabuS machtieglichem Gedanken ein Ende, daß der neue Papst- nechsel irgend eine Milderung deS Gegensätze- zwischen dem nach kirch licher Weltherrschaft strebenden Rom und dem neuzeitliche« Staat — oder wen« «an will, de» Protestantismus — herbei führ«» könne. U» Ausdrückliche- hätte ja ohnehin niemand gedacht. Aber man hätte wohl annehmen können, daß erleuchtetere und welterfahrenere Kreise deS Vatikans auf eine stillschweigende Beschwichtigung hinarbeiten würden. Den Anspruch auf Ketzerverbrennung hat Rom auch niemals aufgegeben, aber es hat ihn doch seit Jahrhunderten nicht mehr geltend gemacht. So hält« man denn auch denken können, daß der Papst die Notwendig keit mit der großen protestantischen Hälfte des Christentums in leid lichem Frieden zu leben, um so mehr einsähe, als die Wurzeln seiner Macht m dem katholischen Frankreich stark untergraben und beschädigt wurden. Wie nützlich hätte es ihm sein müssen, mit Deutschland auf gutem Fuße zu stehen! Der neue Shllabus hat nun freilich nicht eine ausdrückliche natio nale Spitze gegen Deutschland. Aber er tritt doch in einen schroffen Gegensatz gegen die geistige Tendenz der großen Mehrheit der Deutschen, und selbst unter den deutschen Katholiken ist «ine Richtung, die von ihm besonders betroffen wird: der Reformkatholizismus, der schon in dem Schreiben an Professor Commer gegen das Andenken Schells vor wiegend bekämpft war. Der neue Syllabus tritt dem der kritischen Natur deS Deutschen so besonders entsprechenden freien Denken in der schroffsten Weise entgegen. Auch dem frömmsten Protestantismus gegen über ist er radikal abweisend. Nur die römische Kirche hat das Recht, die Bibel und andere ehrwürdig« Ueberlieferungen des Christentums authentisch auszulegen. Wer daran zweifelt, der ist verdammt. Auch der buchstabengläubigste protestantische Theologe ist genau ebenso ver- werflich wie der Freigeist. Rom will die Geister in allen ihren Funk tionen beherrschen, und tritt darum jeglicher Selbständigkeit des Denkens genau so entgegen, wie zu den Zeiten Innozenz' IV. und Bonifaz' VIII. DaS richtet eine Scheidewand zwischen ihm und dem neuzeitlichen Deutschland auf, die nicht zu überspringen sein wird. Schon vor diesem neuesten Erguß päpstlicher Intoleranz hatte sich die deutsche Politik genötigt gesehen dem Einfluß deS Zentrums Schranken zu setzen. Man hat an Kaiser Wilhelm H. einen protestan tischen Fürsten gehabt, der an Achtung, ia an Freundschaft für die päpst liche Kirche nicht wohl überboten werben kann. Aber der Kaiser ist doch in seinem innersten Wesen ein stark gläubiger Protestant, der sein Recht auf eigene Prüfung der höchsten Glaubensangelegenheiten niemals ausgeben wird. Nunmehr sieht sich der Kaiser, sieht sich die protestan- tlsch-orthodo^e Partei einem vatikanisch-ultramontanen Regiment gegen über, das seine Unversöhnlichkeit in einer vom Zaun gebrochenen Er klärung aufs neue zur Schau stellt. Mit der bisherigen vatikanischen Politik konnte eine konservative Berliner Regierung allenfalls noch paktieren, da man annehmen konnte, der SyllabuS von 1864 werde nicht alle Tage gehandhabt. Nach diesem neuen Pronunziamento eines für gemäßigt gehaltenen PapsteS heißt eS nur: „Laßt all« Hoffnung schwinden. Die Unruhen in Nor-kamerun. Eine Alarmnachricht auS Adamaua, wo Hauptmann Zimmermann von Fullah Mahdi angegriffen wurde, hat in unseren kolonialen Kreisen neue Sorgen wachgerufen. Es ist eigentlich ein Wunder gewesen, daß bei dem großen Brande in Südwestafrika nicht auch daS Feuer in Kamerun ausbrach. Denn in Afrika verbreitet sich erfahrungsgemäß daS Gerücht von einem Aufstande gegen Europäer mit Windeseile von einem Ende zum anderen, und die Eingeborenen sind gern bereit, dem Beispiele ihrer schwarzen Brüder zu folgen, besonders wenn durch den Mord an einigen Europäern anscheinend ein „Sieg" erfochten ist. Man muß eS daher dem früheren Gouverneur von Kamerun zum Verdienst rechnen, daß er mit einer geringen Polizeitruppe die Ordnung aufrecht erhielt und rechtzeitig auch die Unruhen, die am Croßflusse im ver gangenen Jahre auSbrachen, erstickte. Nachdem die Rebellion der Küstenleute unterdrückt war, kamen natürlich fortwährend kleinere Putsch« vor, wie sie in jeder Kolonie als Reaktion gegen den zunehmen den Einfluß der Europäer immer Wiederkehr««; die Ermordung deS Grafen Fugger gehört dahin. Am meisten bedroht erschien indes stets die Ruhe in Südkamerun, wo die Eingeborenen, «inen Rückhalt an den eifersüchtigen Stationen bes französischen KongogebieteS findend, mili tärische Expeditionen gegen sich wiederholt in Marsch brachten. Da gegen schien der Norden, der sich bekanntlich bis an den Tschadsee dehnt, ruhig bleiben zu wollen, nachdem die mohammedanischen Prätendenten Rabeh und Fadelallah von den französischen Senegalschützen in blutigem Kampf geschlagen unb vertrieben waren. Die Franzosen haben sich da mals uns gegenüber ritterlich benommen. Sie hielten irrtümlicher weise Gebiete am Tschadsee — wie den Bezirk Dikoa — di« nachträglich als deutsches Eigentum festgestellt wurden, sür französischen Besitz und besetzten diesen aeaen die Ansprüche der eingeborenen Sultan«, von denen Rabeh der gefährlichste war. Auch als die Grenzreaulierung am Tschad erfolgt war, hielt die französische Besatzung Dikoa so lange, bis deutsche Truppen dort einrückten. Merkwürdigerweise hatte die beutsche Ver waltung deS Tschadgebietes nichts von mohammedanischer Gehässigkeit zu spüren. Während England in Nordnigeria blutige Kämpfe gegen die Sultane zu führen hatte — Sir Frederik Lugard hatte an dem Sultan von Sokoto einen schlimmen Gegner — «nd die Franzosen in Kanem und in Guinea immerfort mit neuen Revolten zu tun hatten, blieb im deutschen Tschadgebiet alle- ruhig. DaS war nicht -um wenigsten den guten Beziehungen zu verdanken, welche unseren Kaiser mit dem Sultan, der auch in den Augen der Rechtgläubigen am Tschad see da- Oberhaupt deS Islam ist, verbanden. Wir kamen daher gerade in der gefährdetsten Gegend unseres Schutzgebietes mit sehr geringem Machtaufwand auS. DaS scheint leider nach den vorliegenden Meldungen anders ge worben zu sein. Der Name des Rebellen, gegen den Hauptmann Zimmermann mit dem Residenten deS Tschadgebietes Oberleutnant Strümpel, zu kämpfen hat, deutet schon an, daß eS Mohammedaner sind, die gegen vnS die Waffen erheben. Heute können wir noch nicht beurteilen, ob der Ehrgeiz und die Machtbegier eines einzelnen Führers den Aufstand entfesselte, oder ob der Angriff Fullah Mahdis der Aus bruch einer Stimmung der gesamten Bevölkerung MamauaS gegen unsere Herrschaft ist. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen und wäre fü" »nS eine schwer« Gefahr, da di« Mohammedaner deS Sudans mutig« und fanatlsche Krieger find, und wir vor der Hand nur über ge ringe militärische Machtmittel verfügen. DaS Ansehen der Deutschen ist seit »nserem Marokkohandel und der Preisgabe des Sultan- in der Äkabaaffär« in der islamitischen Welt sicher gesunken, und bei de» Gegensatz, der trotz aller offiziellen Versicherungen auch in Afrika -wi schen den deutschen «nd den englisch-französischen Bestrebungen besteht, wäre eS kein Wunder, wenn durch Emissäre der Bevölkerung Adamaua» daS „Sinken deS deutschen Ansehens in der Welt" in gebührender Ueber- treibung zum Bewußtsein gebracht worden wäre. ES gibt allerding- noch einL zweite Möglichkeit, welche de« Aufstand erklären würde. Der Sudan Ht ein« rein mohammedanische Region, in der die Sekt« der Genussi besonder- eifrig uud einflußreich ist. Erst vor kur-em hat diese Sekte, die fanatischste deS afrikanische» JSlamS. durch die Aufreibung eine- französischen Kavalleriedetach^nent» an der tunesischen Grenze bewiesen, daß sie nicht einaeschlafeu^st. Obwohl sie in Marokko ihren tzauptsitz-hat, ruicht ihre Macht bi- wett über deu Tschad hinaus, «nd ih^c« Emissäre, fanatisch« Wanderapostel, find nicht müde, di« Recht rNordgeschiehtett. Die Berliner Lustmorde haben in den Arbciterquartieren der Neichshauptstadt eine derartige Erregung und ein solches Mißtrauen hervorgebracht, daß die männlichen Lebewesen jener Gegenden es noch gewissenhafter als bisher vermeiden, durch Berührung kleiner Kinder in schändlichen Verdacht zu geraten. Trotzdem weiß der Polizeibericht täglich von der Verfolgung unschuldig Verdächtigter und von Lynch versuchen zu melden. In Ermangelung des Täters, dessen die Behörde nicht habhaft werden kann, behilft man sich eben, so gut cs gehen will. Und inzwischen tröstet man sich damit, daß nur ein Geisteskranker die gräßlichen Taten verübt haben kann. Liese Mutmaßung, denn weiter ist eS nichts, bietet aber doch nur einen recht schwachen Trost. Wer mit Lombroso alle Verbrecher für geisteskrank oder wenigstens psychisch anormal hält, wird auch in diesem Falle schnell fertig sein mit dem Wort. Aber es scheint uns doch bei diesem schnellen Urteilen auch ein wenig Verstecken gespielt zu werden. Die nächtlichen Gassenzustände Berlins zumal rechtfertigen es durchaus nicht, die Lustmörderei als etwas ganz Außerordentliches, Unerhörtes, Ungeahntes hinzustellcn. Man braucht diese Dinge nicht wie die Herren Stöcker und v. Schuck mann anzusehen und kann doch ehrlich entsetzt sein über das wider wärtige Schauspiel dieses nächtlichen Berlins. Das Widerwärtigste daran ist noch nicht einmal das oft unglaublich freche und verrohte Benehmen der Dirnen, die in Hellen Scharen die innere Stadt durch, streifen. Noch schlimmer ist das ganz unverhüllt zutage tretende Zu- hälterwesen in Berlin. Es gibt sicher Ta:st°n-'c solcher elender Ge leiten, dl« ihr Gewerbe ganz schamlos vor aller Augen treiben, darunter Burschen von achtzehn Jahren. Wer diese sogenannten Men- schen einmal beobachtet hat, kann gar nicht darüber zweifelhaft sein, daß sie tatsächlich jeder Schändlichkeit fähig sind. Warum kann nicht irgend ein Subjekt aus den Kreisen dieses Lumpengesindels der Täter sein? llLclr tch« ripper ist doch heute noch ihr aller Ideal, und sein Name wird sicher nur mit Ehrfurcht von ihnen genannt. Unverständlich bleibt diesem Treiben gegenüber das Verhalten der Polizei, das freilich in Sachen der Prostitution fast überall zwischen den Forderungen des Lebens und der Gesetzgebung zu lavieren genötigt ist, ohne doch auch nur das Peinlichste vermeiden zu können. Aber man sollte doch meinen, gerade gegen das Zuhälterunwescn habe die Polizei Waffen genug in der Hand. Die sogenannte lex Hompesch, der lex Heinze glücklichere Stellvertreterin, bestimmt in ihrem neuen 8 181a sGesetz, betreffend Aenderungen des Strafgesetzbuches vom 2-">. Juni 1900>: „Eine männlich« Person, welche von einer Frauensperson, die gewerbsmäßig Unzucht treibt, unter Ausbeutung ihres unsittlichen Er- Werkes ganz oder teilweise den Lebensunterhalt bezieht, oder welche einer solchen Frauensperson . . . sonst förderlich ist sZuhältcrf, wird mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft." In schwere- ren Fällen, bei Anwendung von Gewalt oder Drohungen zum Beispiel, tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahre ein. Mit diesem Paragraphen müßte doch etwas auszurichten sein. Scheint aber doch nicht so, in Berlin wenigstens nicht. Während in den anderen deutschen Großstädten, mit ihren allerdings leichter übersehbaren Verhältnissen, das Zuhältcrunwesen unbekannt ist oder sich doch scheu in die Winket verkriecht, kann Berlin mit dieser Pestbeule nicht fertig werden. Erst vor ein paar Tagen mußte sich wieder ein Schuhmann mit seiner Browningpistole gegen einen Zuhälter verteidigen. Das Delikt soll schwer nachweisbar sein, heißt es. Nun, man ist ja sonst mit Indizien beweisen nicht gar so skrupelös. Hier liegt ganz gewiß eine eminente öffentliche Gefahr vor. Aber bisher scheint der § 181» wenig genützt zu haben, denn schlimmer könnten die Zustände auch nicht sein, wenn er nicht existierte. ES werden jetzt Betrachtungen aller Art angcstcllt über die Mög- lichkeiten, die Kinder vor Lustmördern besser zn schützen. Die So- -ialisten machen eS sich bequem, sie empfehlen, wie immer und überall, den sozialistischen Zukunftsstaat mit seinem nie getrübten Frieden. Andere fordern, mit Recht übrigens, mehr Kindergärten. Das beste Mittel aber hat unstreitig eine Dame der Zentralstelle für Jugend fürsorge dem Mitarbeiter eines Berliner Blattes angegeben: „Täuschen wir unS nicht. Das einzig durchgreifende Mittel ist, die wirtschaftliche Lag« der Eltern wenigstens so weit zu heben, daß die Mutter nicht den ganzen Tag außer dem Hause arbeiten muß." So sehen wir auch die Kinderfürsorge als einen kleinen Teil der großen sozialen Frage sich darstellen. Mit Verordnungen und Versuchen, den Verkehr der Kinder zu reglementieren fauch daran fehlt eS nichts, ist wenig gedient. Die Not deS Lebens geht über die Sorge deS Tages hinweg. In -imm Monat denkt kaum noch ein Mensch in Berlin an die Mördergefah*, und di« Kinder, die am meisten Bedrohten, erst recht nicht. Sunt pusri priori . . . Aber auch darüber soll man sich nicht täuschen, daß es einen absoluten Schutz gegen menschliche Bestien überhaupt nicht gibt. Das darf uns aber nicht davon abhalten, den Schutz nach Mög- lichkeit auSzndehnen. Also treiben wir Sozialpolitik und machen wir die Mütter frei für ihr« Kinder. „Nun erst recht", soll ja Fürst Bülow gesagt haben. gläubigen zum Kampf gegen die Ungläubigen zu stacheln. Ist diese Agi tation die Ursache des Ausstandes in Adamaua, so werden Engländer und Franzosen gleichfalls sehr bald in den Nachbargcbieten das Auf leben der fanatischen Propaganda zn spüren haben, und neue Kample werden die Folge«,sein. Ein neuer Nabeh, der den heiligen Krieg predigt, kann über Nacht in jenen Strichen anfstehen. Unsere amtlichen Stellen geben sich der Hoffnung hin, daß wir es nur mit lokalen Unruhen zu tun haben. Ist diese Hoffnung hinfällig, erhebt sich die Bevölkerung Adamauas überhauvt, so werden wir keinen Augenblick zögern, mit allen Mitteln dieses Ausstandes Herr zu werden, denn Adamaua ist eines unserer wertvollsten Gebiete überhaupt. Man hofft hier vor allem weite Flächen gesunden zu haben, in denen der Anbau der Baumwolle sich lohnt, und das Projekt der Weiterführung der Kamerunbahn durch Adamaua bis zum Tschad zeigt, welchen Wert man der Zukunft gerade dieses Gebietes bcimißt. Wir wollen wünschen, daß sich die optimistische Ansicht unserer amtlichen Stellen bewährt, verbergen aber nicht, daß wir ernstliche Besorgnisse um die Ruhe des Schutzgebietes hegen. Deutsches Reich. Leip,iq, 1. August. * Schulschiff „FreNa". Der bisherige Kreuzer „Freva", der setzt alS Schulschiff zur Ausbildung von Seekadetten und Lchisisjungen ein gerichtet worben ist und unter dem Kommando des Kapitäns z. S. von Holleben die Reise nach dem östlichen Mittelmeer angetreten hat, macht seine erste Auslandsreise. ES ist aus der Kaiserlichen Werkt Danzig erbaut worden und im Mai 1897 zu Wasser gelassen. Der Aus bau deS Schiffe- dauerte recht lange, da wiederholt an den Kesseln Aen- derungen voraenommen werden mußten. „Freya" ist dann lengere Zeit in der heimischen Scblachtklotte und für artilleristische Zwecke verwendet worden. Im letzten Jahre wurde es als Schulschiff, nmgcbanr. Auch das Schwesterschiff „Victoria Louise" war bisher nicht im AnSlandc, während die drei anderen Schiflc dieser Klasse, „Hertha", „Hansa und „Vineta". mehrere Jahre in Ostasien bezw. >n Ostamerika stationiert
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