02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070801026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907080102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907080102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-01
- Monat1907-08
- Jahr1907
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe 8. Bezugs-Preis für Leipzig und Bororte durch unsere Tröger und Spediteur« in» Hou» gebracht: Au»gabe T (nur morgen») vierteljährlich 3 M, monatlich I M.i Ausgabe ü (morgens und abend») viertel jährlich 4.56 M., monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen: (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1.75 M au»schl. Post bestellgeld, für Oesterreich 9 H 66 L, Ungarn 8 k vierteljährlich. Abonnement-Annahme: Auguku-Platz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briesträgern. Die einzelne Stummer kostet 1v Pfg. Redaktion und Expedition: JohanniSgasse 8. Telephon Nr, 14692, Nr. 14688, Nr. 14684. Berliner Redaktion«-Bureau: Berlin HIV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Straße I. Telephon I, Nr. 9275. NlWgcrTagMM Handelszeitung. NintsvlÄtt des Rules und -es Rolizeiamtes -er Lta-l Leipzig. Anzeigen. Preis str Inserat« au« Leipzig und Umgebung di« «gespaltene Petttzeile 25 Ps., stnauzulle Anzeigen 36 Ps., Reklamen 1 M.; von an»wärt» 36 Ps, RcNamcn 1.20 M. vomAu»land56Ps., finanz. Anzeigen75Ps. Reklamen 1.50 M. Inserat« v. Behörde, im amtlichen Teil 46 Pi Beilagegebühr 5 M p. Tausend exkl. Poft- gedüdr. (PeschLfrran zeigen an bevorzugte: Stelle im Preise erhöht Rabatt noch Taus, gcstertcilte Aufträge können nicht zurück gezogen «erden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plötzen wird keine Garantie übernommen. An,eigen-Annahme! Auguftu«platz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Ezpedftione» des In- und Auslände«. Haupt-Filiale Berlin. Earl Duncke., Herzog!. Vahr. Hosbuch- handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Ns. 211. Donnerstag 1. August 1907. 181. Das wichtigste vom Tage. * Der Kaiser ist nm Mitternacht vor Swinemünde auf der Reede vor Anker gegangen. Ter Sleipner ist in den Hafen eingelaufen. * Der Zar reist heute nach Zarskoje Sselo ab. * Zu lehren der Nektorenkonferenz aller deutschsprechcnden Uni versitäten wurde gestern mittag in Marburg eine Ovation veranstaltet, an der sämtliche Studierende teilnabmen. * Der Ministerpräsident Clemenceau ist gestern abend von Paris nach Karlsbad abgereist. * In der marokkanischen Hafenstadt Casablanca sind mehrere Europäer von Eingeborenen ermordet worden. (S. Ausl.) Lolonisiernng der Städte. Zur Eigenart der polnischen Presse gehört die Gleichgültigkeit gegen über der historischen Wahrheit, sobald sie der nationalen Eitelkeit und den phantastischen ZukunstSträumen in den Weg kommt. So wird un entwegt das Bild der Zustände im alten Polenreich in Hellen Farben auf Goldgrund gemalt, als ob dieses das Paradies auf Erden gewesen wäre, statt der Tummelplatz eines Reckt und Gesetz verachtenden Adels. Eine bezeichnende Probe dieser Verdrehungskünste bietet wieder ein Artikel in der Petersburger polnischen Zeitschrift „Kroj" über die Städte in Posen, der anknüpfend an die neuliche Versammlung von Bürgermeistern in Gnesen der Ueberzeugung Ausdruck gab, daß in diesen Städten und Kleinstädtchen unter einer fremden, wenn auch ziemlich starken Oberfläche das seit undenklichen Zeiten festgewurzelte Polentum herrsche und gesund und mächtig pulsiere. Sie nähmen sogar den polnischen Charakter immer mehr an, da sie doch früher niemals rein polnisch gewesen seien, denn das deutsche Element sei dort so alt wie die Entstehung der Städte im Westen des polnischen Reiches über haupt — die unvorsichtige Gnade und Unüberlegtheit der polnischen Fürsten und Könige habe den Deutschen die Ansiedelung gestattet. Und was an Deutschtum unzertrennlich am Bvden dieser westpolnischen Städte hafte, das sei nicht, wie der erste Eindruck auf die Landsleute aus den anderen Teilungsmächten vvrtäusche, Frucht der kolonisatorischen Macht Preußens, sondern das Erbteil der polnischen Republik. Polen habe niemanden entnationalisiert und habe auch die deutschen Bürger der großpolnischen Städte im ruhigen Besitz ihrer Sprache gelassen. In Krakau, das bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts noch überwiegend deutsch gewesen, sei das Deutschtum erst durch den Andrang der natio nalen Kultur gebrochen worden. In den Städten des Warthelandcs aber habe die preußische Besitzergreifung ein der Anzahl nach ziemlich starkes und seit Jahrhunderten ansässiges Deutschtum vorgefunden. Es habe sich seit jener Zeit nur wenig gehoben, und das nur gerade in den Zeiten, wo die Negierung keinen Druck ausübte, wo neben dem deutschen auch ein polnisches Schulwesen bestand, wo Posen den Mittelpunkt der polnischen geistigen Bewegung bildete. Darin sei nun ein Umschwung eingetreten trotz aller Bemühungen der Negierung und des Hakatismus, das Polentum in den Städten bebe sich, das Deutschtum gebe zurück. So habe die Provinzialhauptstadt 1831 zur Zeit der für die Polen mildesten Regierungsreform erst 30 Prozent polnischer Bewohner ge habt, 1900 aber schon 61, 1905 55 Prozent Polen. Darauf folgt nun flugs der Schluß, die Polonisierung der großpolnischen Städte sei eine erfreuliche Tatsache, ein Unterpfand des Wirkens für die Zukunst. Von alledem ist nur eines richtig. Tie raschere Mehrung des Polen- tums in der Provinzialhauptstadt und vielen Kleinstädten: sie beruht aber auf dem massenhaften Zuzug polnischen Proletariats und ist eine Erscheinung, die mit dem früheren Zahlenverhältnis keinerlei Zusam menhang hat. Mit aller Sicherheit läßt sich Voraussagen, daß dieses Anwachsen des polnischen Zuzugs mit dem Fortgang der deutschen Neu besiedelung sich noch steigern wird, aber für den deutschen Charakter der städtischen Gemeinwesen nur Aufgaben, nicht Gefahren bedeutet, solange Rechte und Leistungen im gleichen Maße abgewogen werden. Das heutige Deutschtum in Posen und den vielen Kleinstädten der Pro vinz hat aber keinerlei Anlaß, sich als Hinterlassenschaft auS der pol nischen Zeit zu betrachten. Seine Leidensgeschichte wahrend der letzten drei Jahrhunderte polnischer Herrlichkeit endete, wie bekannt genug ist, mit der Entrechtung und Verarmung — der Adel trat in brutaler Ver höhnung der städtischen Selbstverwaltung, deren Gewährung die Vor bedingung der deutschen Einwanderung gewesen war, an die Spitze dessen, was die heutige polnische Geschichtsauffassung „nationale Kultur" heißt; für das Bürgertum war in diesem polnischen Reich des 17. und 18. Jahrhunderts kein Spielraum mehr, so ging es ein, teils durch Ab zug, teils durch Polonisierung, seine Stelle aber nahm das Judentum ein. Daß in Danzig und Thorn wie am Grenzsaum Großpolens sich das Deutschtum behauptete, war kein Verdienst der Duldsamkeit des polnischen Adels; wie die deutsche bäuerliche Besiedelung hatte es sich stets der Uebergriffe zu erwehren. Die Stadt Posen aber war bei der preußischen Besitzergreifung eine jüdisch-polnische Kleinstadt, wie die zahlreichen sogenannten „Städte" im Innern des Landes; unter den 9000 Einwohnern bildeten die Juden die Mehrheit; ein paar hundert Deutscher, im 18. Jahrhundert neu zugezogen, hatten nicht mehr als unwillige Duldung erlangt. Bromberg hatte 1775 «anze 800 Seelen; ganze Straßen bestanden aus Ruinen und Schutt. In Culm hatten von den 40 Häusern am Marktplatz 28 keine Dächer, keine Türe.i, keine Fenster und keine Eigentümer. Wenn dann im Verlauf des 19. Jahr hunderts die Juden in den vielen Kleinstädten Posens und Westpreußens abgezogen, und Polen an ihre Stelle getreten sind, und wenn das noch fortdauert, so kann man das als Polonisierung bezeichnen — aber der Kern der Sache ist es nicht. Die Ueberzahl kleiner Städte in einer auf den Ackerbau beschränkten Provinz ist selbst noch ein Erbe der Ver gangenheit. Das 20. Jahrhundert wird durch den Einfluß des Verkehrs eine Scheidung zwischen den der Entwickelung fähigen und den stehen bleibenden treffen. Das Anwachsen Brombergs zu einem blühenden deutschen Gemeinwesen, das Posens zum Mittelpunkt der deutschen Kul turarbeit sind Beispiele dafür. Die tatsächliche Polonisierung mancher Kleinstadt mag die Polen dafür trösten. Zeitungsschn«. Der „Köln. Volksztg." geht aus kaiholichen Kreisen eine'L c p:c.bung des Falles Schell um deren Wiedergabe von feiten ter Redaktion auch diejenigen Blätter abweichender Richmng gebeten werden, welche Wert darauf legen, ihren Lesern eine objekiive Wüidigung kateoiisch- lircklicher Fragen zu ermöglichen. Wir enttprechen diesem Wunsche so weit, daß wir die b'emcikenswntesten Abschnitte des Artikels abrrucken, welcher allerdings den Ruhm in Anspruch nehmen darf, den Willen zur Objektivität zu betätigen: Weiten Kreisen deiittwer Katbolik-n ist Schell im letzten JaLrzeLnt mehr und mebr eine Persönlichteit geworden, der sie sich dankbar verpflichtet fühlten. Ihr Dank galt nicht dem Theologen Schell. Dn „Anfang einer ganz neuen Periode der theologischen Wissenschaft" haben sie voin Erscheinen feiner Schriften ab nicht datieit. Sie verehrten in ihm den katholischen Mann der Tat. Es wurzelte sich jene Dankbarkeit in den Herzen fest, die sich unmittelbar nach feinem Hinscheiden angetrieben fühlte, zu einem Grabstein für ihn beizu tragen, um etwas persönlich Liebes demjenigen anzutun, der ihnen allen Opfer gebracht hatte und immer glühenden Herzens war. Wie fern lag den weitaus meisten von denen, die zu seinem Grabmin beitrugen, jeder Gedanke an eine Demonstration gegen die kirchliche Nutontätl ....Einzig ein Manu der wie dec Wiener Professor der Theologie Commer außerhalb Deutschland; lebt, unvertraut mit unseren Zuständen, war imstande, eine so falsche Darstellung der Grabmalaugelegenheit vor die Oessenllichieit zu bringen, wie es in seinem vielgenannten Buche leider ge chehen ist. Es ist wahrlich zu versieben, daß mau eine solche Darstellung empört ablehnle. .Heute kann man es nicht mehr anders als peinlich empfinden, Laß ein Mann, der den Theologen Schelt länger als ein Jahrzehnt umschmeichelte, es wagen durste, den Toten als Häretiker und innerlich von der Kirche abgesallen zu schmähen, während er bei der ersten Nachricht von seiner Indizierung lFebruar 1899) fein herzlichstes Bedauern aussprach, , daß der wissemchafilichen Eröiterung in dieter Weite vorgegriffen ist und deine edlen Absichten nicht so anerkannt sind, wie sie eS verdienten". Dieses peinliche Empfinden sehen wir gerade bet den treuesten Katholiken, denen die allgemeine Anerkennung der Autorität des Heiligen Paters über alles am Herzen liegt. Commer faßt seine Ausstellungen in den Worten zusammen: „Schell, an dir ist nicht viel Katholisches mehr." Diese Ausstellungen richten sich zumeist gegen Schells „Dogmatik", zu deren Vollendung ihm dertetbe Commer 1893 mit aukrichliger Bewunderung herzlich gratulierte, denn „sie bringt neue Bewegung in unsere Stagnation, und für dir Außenstehenden ist sie eine Brücke, über welche sie zur wahren Kirche kommen können". So Lobes Lob an dem Lebenden läßt sich nicht vereinbaren mit dem so scharfen Gericht über den Toten. Wir müssen deshalb aufrichtig wünschen, daß Prof. Commer auS den ferneren Erörterungen ausicheive, um nicht die Beruhigung unnötig zu «.schweren. ....Die leidenschaftliche Erregung, mit welcher diese Vorgänge sich über einem Leichenbügel abspielen, erklärt sich aus den besonderen Verhältnissen in Würz burg uns in Bayern überhaupt. Tie Würzburger Diözese ist durch innere Gegensätze gespalten. Ernster darf man andere Zustände in einem Teil des bayeri'chen Klerus ansehen. Manche Elemente in ihm find von bitterer Unzu friedenheit und Nörgelsucht erfaßt. Was sie eigentlich wollen ist den einzelnen unklar; der eine heftet sich an Kleinigkeiten, der andere schreckt nicht vor grund- slürzenser Kritik zurück. Auch Laien sind in diese „Reiormbewrgung" hinein- gezogen; aufrichtige tatholiiche Geisler, die mehr ibr Temperament als ihre Gesinnung zur Opposition treibt, finden sich in diesem Reformertum so gut wie Männer, deren Katholizismus zweifellos faul ist. Auf einer gemeinsamen Unterlage stehen die Oppositionellen also nicht. Es fehlt ihnen die ideelle Ge schlossenheit. Diese ersetzen sie seit dem Jahre 1899, d. h. feil der Indizierung Schells dadurch, daß sie aus seinen Namen und zum Teil auch auf feine Theo logie schwören; mit seinem Ansehen decken sie sich; in dem Vertrauen, das ihm in Deutschland entgegengebracht wurde, suchen sie eine Stütze in der öffentlichen Meinung. Schells Persönlichkeit, Schells Priestertum Schells Christentum Latte mit diesen Reformern wenig gemeinsam, den grundsätzlichen Kritikern an der Kirche war er nach seinem Wesen durchaus entgegengeletzt. Leiter glaubte er in seiner Herzensgüte, in seiner Auffassung von priesterlichem Mitgefühl, auch in seiner Anerkennung gewisser Mißstände, die sich an ihn Drängenten nicht ab- schütteln zu müssen. Das führte dazu, daß er der Abgott der Reformer wurde, während anderseits auch die Hauptgegner der Reform sich besonders gegen ihn wenbeten. Sein Tod änderte nichts daran. Im Grunde war es ja nicht der Sckell, wie er leibte und lebte, sondern der zuni Jcot der Unzusriedeuen ent stellte Name Schells, um den gestritten wurde und der die Losung blieb, auch als ihr Träger Hinweggeschieben war. Wir knüpsen an diese Aussührun-ieu noch folgende Anmerkung der „Naiionallib. Korresp.": Die fortschrittlichen Katholuen oder, wenn sie diesen Namen nicht wünschen, die mit einem selbstänsigen Gemüts- und Geistesleben ausgestatteien deutschen Katholiken werden auch in Zukunft unter dem Drucke leben, der ihnen durch die Zugehörigkeit zu einer universellen Kirchenmachl auserlegt wird denn innerhalb dieser Klrcheumacht werden begreiflicherweise Nückichlcn aus die minder vor geschrittenen, minder mündigen Glieder genommen. Wäre das Papsttum oui Leutschlanv und Frankreich beschränkt, so würte es vielleicht freudig die Stufen beschreiten, die die Würzburger und Münsteraner Theologen, die Frhr. v. Hert- ling und andere gute beutiche Katholiken erstreben. Da das Pavsttum aber über alle Völier dec Erde sich erstreckt, müssen die Deutschen warten aus die Völkerschaften, die noch kul.urell oder in bezug auf religiöse Bildung zurück geblieben sind. Daß hierin binnen naher Frist eine Aenderuug eintritt, ist nicht zu vermuten. Deutsches Reich. Leipzig, k. August. Die Kaiser-Begegnung. Es liegt heute die Meldung vor, daß die Abreise des Zaren aus Zarskoje Sselo am heurigen Tage bevorsiehe. Wenn es weiter heißt, der Ort der Zusammenkunft werde streng geheim gehalten, so ist doch kaum noch daran zu zweifeln, daß der Ort Lwine- miinde sein wird, „unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß sich für den Zaren nicht aus den innenpolitischen Verhältnissen unvorher gesehene zwingende Gründe ergeben, den Reiseplan in letzter Stunde noch zu ändern oder zu verschieden" heißt es in einer Meldung be zeichnenderweise. — Es liegen noch folgende weitere Meldungen vor: Während der Swincmünder Kaiscrtage wird im dortigen Hafen nahezu die ganze deutsche Flotte versammelt sein. Nach einer Meldung aus Kiel haben gestern die beiden bei Bergen von der Hochseeflotte nach Kiel de tachierten Torpedoflottillcn das Artillerieschießen abgeschlossen und sind nach Swinemünde abgegangen. Tie Hochseeflotte wird in ihrem ganzen Bestand bei der Begegnung zugegen sein. Während der Kaifertage wird der preußische Gesandte in Darmstadt, Frbr. v. Jenijch, als Vertreter des Auswärtigen Amtes in Berlin fungieren. — Wie die „Nationalztg." Feuilleton. Jener behauptete, der Künstler müsse goldene Aepfel in silbernen Schalen seinen Gästen reichen. Goethe. * Der Ttongostaat.*) Ter größte Teil des Kongobeckens ist seit 1885 zu einer staatlichen Einheit, wozu sich die innere Mulde sehr gut eignet, zusammengefaßt, nämlich in den Kongostaat (Ltat incköpencksnt ciu Oonxo). Dieser eigentümliche Staat ist eine Schöpfung des Königs Leopold H. von Belgien, der ihn, um Belgien einen auswärtigen Markt zu erringen, 1884/85 auf der Berliner Kongokonferenz aus der bereits 1876 ge gründeten Association Internationale Africaine und der Association Internationale du Congo schuf und feit 1885 auch Souverän dieses Staates ist. Ter Kongostaat ist also durch Personalunion mit Belgien verbunden, aber im Grunde doch nur eine belgische Kolonie, wenn auch in anderer Form als die sonstigen europäischen Kolonien; er ist wie Belgien am 26. Februar 1885 für neutral erklärt worden und soll jetzt ganz zur belgischen Kolonie werden. Ter Kongostaat bedeckt eine Fläche von 2 382 800 Ouadratkilometer, also 64,5 Prozent des Aongosystems, und erstreckt sich im Osten bis an die Seen Kiwu, Tanganjika und Mweru, im Süden bis an die Quellen des Lualaba, im Norden aber nur bis an den Mbomu-Ubangi-Kongo, da das gesamte Nordnfer dieser Flüsse Frankreich zugefallen ist. An der Mündung endlich ist der Kongostaat auf einen schmalen Streifen am Nordufer des Kongo zusammengedrängt, da das Südufcr Portugal über lassen werden mußte. Wirtschaftlich ist der Kongostaat alsbald von den Belgiern insofern entwickelt worden, als 1905 die Ausfuhr den Wert von 54,83 Millionen Mark erreicht hatte, gegenüber einer Einfuhr von 20,72, so daß die ge- famte Handelsbewcgung 75,55 Millionen Mark übersteigt, wovon fast 86 Prozent auf Belgien kommen. Doch sind die Ausfuhrgegenstände ausschließlich solche, die durch Raubbau leicht erschöpft werden können, nämlich Wald- und tierische Produkte. Den ersten Rang nimmt jetzt Kautschuk mit 35 Millionen und 82,6 Prozent der Ausfuhr ein, dann folgen Elfenbein mit 3,87, Palmkerne mit 1L1 und Palmöl mit 0,92 Millionen Mark. TaS Elfenbein, daS 1899 noch 6 Millionen Mark Wir entnehmen den obigen Artikel den Aushängebogen des zweiten Bandes von Sievers „Allgemeine Länderkunde", Kleine Aus gabe. (Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig.) ergeben hatte, geht aber bereits stark zurück, da die alten Bestände schnell abnehmen und die Zahl der Elefanten sich vermindert. Kautschuk wird erst seit 1889 ausgeführt, ist aber als Ausfuhrgegenstand voraussichtl>> auch auf dem Höhepunkt angelangt, und Palmöl, sowie Palmkerne kommen wenig in Betracht. Sobald also der Vorrat an Elfenbein und Kautschuk zu Ende sein wird, muß der Kongostaat Pflanzungskolonie werden, während er heute nur ein großes Handelsunternehmen ist. In geringem Maße kommen noch zur Ausfuhr Kopal (0,67), Kakao (0,22), Kaffee (0,08), Erdnüsse, und von Erzen Gold (0,37) und Zinn (0,027), während die reichen Kupferlager von Katanga noch der Verkehrswege zur Ausbeutung ermangeln. Die Verkehrswege sind fast nur Wasserstraßen, allerdings in einer Ausdehnung von mindestens 10 000 Kilometer Länge, auf denen jetzt etwa 50 Dampfer fahren. Seeschiffe kommen bis Matadi den Kongo herauf oder bleiben in Boma und Banana, den Häsen weiter unterhalb; 1905 betrug die Tonnenzahl der Schiffe in Boma und Banana 526000. Mit der Zeit wird Matadi der Haupthafen am unteren Kongo werden, da hier dessen Schiffbarkeit endet und zugleich die Kongobahn ihren Ausgangspunkt hat. Diese wurde 1890—98 für 48 Millionen Mark er baut, hat eine Länge von 398 Kilometern, erreicht eine Höhe von 745 Metern über dem Meere, überschreitet das Bergland mit mächtigen Kunstbauten, die zahlreichen Wasserläufe auf vielen kleinen und großen Brücken, und endet bei Leopoldville am Stanley Pool. Eine -weite Bahn führt von Boma über den Lukula zum Tschiloango (140 Kilometer), eine dritte ist die von Stanleyville nach Ponthierville (127 Kilometer) zur Umgehung der Stanleyfälle. Durch diese ist die 400 Kilometer lange Strecke von Stanleyville bis Kindu bei Njangwe in den Gesamtbctrieb einbezogen worden. Die bereits im Bau befindliche Bahn Kindu—Porte d'Enfer (815 Kilometer) umgeht wiederum Stromschnellen, auf die strom auf eine weitere schiffbare Strecke von 650 (?) Kilometern folgt. Dampfer brauchen von Löopoldville bis Stanleyville 24, zurück 12 Tage. Die Bevölkerung des Kongostaates und Kongobeckens besteht zum bei weitem größten Teile aus Bantunegcrn, die aber in viele kleine Stämme zersplittert sind. Die bekanntesten sind die Mussorongo, Kakongo, Bakougo, Bateke am unteren Kongo, aufwärts bis Stanley Pool und Bolobo, dann die Balolo, Papoto, Basoko am mittleren, die Batelele und Manjema am oberen Kongo, dazu die Bansa, Gobu am Ubangi-Uälle und die Baluba, Bakuba und Baschilangc im Gebiet des Sankuru-Kasai. Allen diesen Völkern gemeinsam sind folgende Züge: sie tragen sehr geringe Kleidung, legen besonderen Wert auf Haar frisuren und Schmuck und haben teilweise wertvolle Waffen, denn die Kunst des Schmiedens ist durchweg wohlbekannt. In ihrer Beschäfti gung aber und im Charakter weichen sie voneinander ob. Die meisten sind Fischer, viele aber auch Ackerbauer mit wohlgepflcgtcn Feldern und dann meist auch mit ansehnlichen Dörfern, wie die Baluba. Manche sind gute Soldaten und tapfere, wenn auch rohe Krieger, wie die Manjema, andere wieder sind friedfertig und passiv. Die Nahrung besteht vorwiegend aus Früchten und Hirse, auch aus Fischen. Im Nordosten des Kongostaates stellen sich neben den Bantu auch Mischvölker ein, die bereits unter dem Einfluß der Hellen Nordafrikaner stehen. Diese schon 1870 von G. Schweinfurts» beschriebenen Stämme, bei denen man die Mangbattu und Niam-Niam unterscheidet, wohnen vom Uälle-Ubangi nordwärts nach dem Schari und ostwärts nach dem Nil hinüber. Ihre Abstammung ist ganz unsicher: die Gesichtszüge weisen eher auf die Hamiten Nordafrikas als auf Semiten hin. Sie werden bis 1,80 Meter groß, wobei der Oberkörper sehr lang ist. Röt. liche Hautfarbe, starker Haarwuchs und mandelförmige Augen sind ebenso charakteristisch für sie wie Tätowierung, Bemalung, reichlicher Schmuck und Haarzöpfe, von der aus Fellen und Häuten bestehenden Kle'dung besonders die Leopardenfelle mit herabhängenden Schwänzen. Die Mangbattu sind in Ackerbau, Industrie, Schiffahrt und in der Er bauung langer, rechteckiger Häuser den Niam-Niam überlegen, außer dem aber auch in der Menschenfresserei, die bei beiden Völkern daheim ist. Bekannt war zu Schweinfurths Zeit der Häuptling der Mangbattu, Munsa. Endlich gehören in daS Gebiet des Kongobcckens verschiedene Zwergvölker, nämlich die Akka im Lande der Mangbattu mit 1,25 bis 1,45, die Batua oder Batwa am oberen Sankuru mit 1,30 bis 1,45 Meter Höhe, die Wambutti am Aruwimi und Jturi. Weiße gibt es im Kongobeckcn erst seit der Mitte der 1870er Jahre, aber ihre Zahl betrug 1905 bereits über 2500, darunter 1400 Belgier. Tic Weißen leben als Beamte oder Händler in den Ansiedelungen des Kongostaates inmitten einer ungeheuren Ueberzahl von Eingeborenen, die früher auf 40, heute wohl richtiger auf 19 Millionen geschätzt werden, was Sine Volksdichte von etwa 8 ergeben würde. Es kommt also un gefähr ein Weißer aus 8000 Eingeborene, so daß ein Aufstand der Neger die Herrschaft der Weißen sehr rasch hinwcgfegen könnte. Daß ein solcher nicht ganz ausgeschlossen ist, lassen die immer wieder aus dem Kongobecken kommenden Nachrichten über barte Bedrückung und arge Grausamkeiten der Weißen gegenüber den Eingeborenen vermuten. Die wichtigsten Siedelungen sind am oberen Kongo Njangwe und Ponthierville, im südlichen Becken Lusambo am Sankuru und Lulua- burg, am Mittellauf Stanleyville an den Fällen, Basoko an der Mün- düng des Aruwimi, Bangala oder Nouvelle Anvcrs und Coquilhatville an der Mündung des Ruki, vor dem Durchbruch Löopoldville, nach dem Durchbruch Matadi, am Unterlauf Boma und Banana. Diese Stationen sind alle leicht gebaut und meist befestigt, aber an Einwohner zahl schwach: in der größten, Boma, wohnen etwa 200 Weiße. Die wichtigsten Magazine, Werkstätten, Faktoreien befinden sich in den vier letztgenannten Stationen, die Behörden sitzen in Boma, der Haupthafen ist noch Banana. O
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht