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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070806024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907080602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907080602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
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Anzeigen Preis für Inserate au» Leipzig und Umgebung dw 6 gespalten« Petitzeile 25 Ps., sinanziellc Lnzeigeu 36 Ps., Reklamen l M.! von auiwärt» 30 Ps., Reklamen 1.20 M.; vom>uiland50Ps., finanz. Anzeigen75Ps. Reklamen 1.56 M. Inserate v. Bcbärden im amtlichen Teil 40Ps. Bcilagegebübr 5 M. p. Tausend rxkl. Poft- gebühr. Kelchäst-anzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt »ach Taris. Fefterteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Sugustutzplatz «, bei sämtlichen Filialen u. allen AnnonccV Expeditionen des In- und AuLlandeli. Haupt Filiale Berlin. Earl Duircke-, Herzogl. Bayr. tzosbuch» Handlung, Lützowstraße 10. (Telephon Vl, Nr. 460.!). Dienstag 6. August 1907. 161. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Tas englische Oberhaus nahm den Gesetzentwurf einstim mig an, wonach ein Appellationsgericht für Kriminal sachen errichtet wird.' * In römischen Hofkreisen werden die Gerüchte von einem angeblichen Besuch des Königs Viktor Emanuel am Wie- ner Hofe dementiert. * Aus Madrid wird gemeldet: Es soll der Befehl gegeben wor den sein, die gesamte Garnison von Algeciras in der Stärke von 3000 Mann auf Kriegsfuß zu bringen, um sie für alle Fälle in Bereitschaft zu halten. sS. Ausl.j Ernte und Arbeitcrbcdarf in der Landwirtschaft. In den Berichten über den Verlauf der Ernte in Deutschland heißt cs verschiedentlich, daß infolge des ungleichmäßigen, überwiegend un günstigen Wetters Mäh- und andere landwirtschaftliche Maschinen viel fach nicht benutzt werden konnten, sondern wieder mebr menschliche Ar beitskraft gebraucht würde. Wenn dies nun auch insofern bedauerlich ist, als cs zeigt, daß die Technik deS landwirtschaftlichen Maschinenbaues noch nicht auf voller Höhe steht, so hat es doch das eine Gute, daß der Bedarf an Arbeitskräften für die Landwirtschaft zunimmt. In den beiden letzten Jahren war zwar ein stärkerer Arbeitcrbcdarf der Land wirtschaft wenigstens vom Standpunkt von Industrie, Handel und Ver kehr aus, kein erfreuliches Zeichen, da er gleichbedeutend mit einer Ver schärfung der Leutenot war. Heuer liegen die Verhältnisse etwa- anders. Wenn auch der Bedarf an industriellen Arbeitern noch andauernd leb- baft ist, so hat der intensive Mangel an Arbeitskräften, der tm vorigen Jahre bestand, doch nicht in gleicher Schärfe ungehalten. Vornehmlich im Baugewerbe erweist sich der Arbeitsmarkt in den Großstädten weniger aufnahmefähig als im Vorjahr. Dazu kommen zahlreiche Holzarbeiter, Tagesschau. Die Landschaft Nha. Teutsch-Ostasrika macht in einer Schilderung, die Hauptmann Göring im neuesten „Kolonialblatt" von ihr entwirft, einen recht an sprechenden Eindruck. Mit Aüsnahme des am Tanganjikasee gelegenen Gebiets ist das Gelände ein welliges Hochplateau, über das sich an etn- zclnen Stellen Kuppen erheben. Die absolute Höhe des Plateaus de- trägt durchschnittlich etwa 1600 Meter. Die Wasserverhältnisse sind auf dem ganzen Plateau sehr günstig: Bäche, die ständig Wasser führen, durchziehen in großer Zahl die Täler. Als Fcldsrüchte werden haupt sächlich Bananen, Dohnen und Bataten gezogen, Mais und Mtama da gegen nur in geringerem Umfange angeoaut. Die durch die reichlichen Niederschläge und die Güte des Bodens im allgemeinen vorhandene Fruchtbarkeit würde einen stärkeren Anbau zulasten, jedoch ist bei der Indolenz der Bevölkerung, deren Hauptnahrungsmittcl Milch, Ba nanen und Bohnen sind, vorläufig eine intensivere Bearbeitung des Bodens nicht zu erwarten. Seiner Beschaffenheit nach eignet sich das Land ganz besonders zur Viehzucht, die denn auch die Hauptbeschäftigung der Bewohner bildet. Vorzügliche Weide- und Wasscrverhältnisse, vor allem das gänzliche Fehlen der Tsetsefliege, begünstigen die Viehhaltung. Tas Fehlen der Tsetsefliege ist auf den Mangel an Wald zurückzuführen, da dieses schädliche Insekt fast überall vorkommt, wo Wald vorhanden ist. Trotz der für die Viehhaltung günstigen Verhältnisse übersteigt der Be stand an Rindern nicht 8000 Stück. Kleinvieh ist überhaupt kaum zu finden. Tie Bevölkerung versteht wohl die Viehhaltung, aber nicht die Züchtung. Hoffentlich wird in späteren Jahren dieses zur Viehzucht hervorragend geeignete Land mehr seinem Zweck entsprechend ausgenützt. Nack der Höhenlage und den klimatischen Verbältni sen dürsten sich, meint Hauptmann Göring, Nord-Udjidji nnd Mittel-Uha auch für euro- pöische Besiedelung eignen: das Gebiet scheine fieberfrei, zu sein: der fast gänzliche Mangel an Bauholz sei allerdings weniger vorteilhaft. — Die Bevölkerung der von Göring im Januar und Februar d. I. durch zogenen Landschaft verhielt sich überall mit nur wenigen Ausnahmen zutraulich und friedlich, lieferte auch gern und reichlich Verpflegung. die noch von der Aussperrung her stellenlos sind. Im Baugewerbe gleicht sich ja wohl bis zu einem gewissen Grade der Andrang dadurch aus, daß das in den Großstädten überschüssige Angebot von dem Lande und den kleineren Städten absorbiert wird. Da aber die Bauarbeiter- löhne auf dem Lande ganz bedeutend niedriger sind als in den Groß städten, ist der Abstrom der großstädtischen Bauarbeiter in das Bau- gewerbe der kleineren Orte doch nur unvollständig. Es tritt vielmehr eine andere Verschiebung ein, und zwar zugunsten der Landwirtschaft. Ein Teil der Bauarbeiter rekrutiert sich aus Personen, die auf dem Lande ansässig sind und dort auch ein Stück Ackerland haben. Sie gehen zur Bausarson in die großen Städte, wo sie die Chance haben, bei guter Konjunktur viel Geld zu verdienen, und lassen unterdessen ihr Land von ihren Angehörigen bestellen. Ist diese Baukonjunktur aber nicht sehr günstig, wie in diesem Jahre, so ziehen sie es vor, statt ar- beitslos in der Großstadt sich aufzuhalten, in der Nähe ihrer Besitzung Arbeit zu nehmen nuo nebenbei ihre eigene Landwirtschaft zu versehen. Dadurch werden die Angehörigen für fremde landwirtschaftliche Arbeit frei, die sie natürlich um so lieber annehmen, wenn sie, wie in diesem Jahre, bei allerdings schwererer Arbeit auch lohnenden Verdienst ver spricht. So dürften in diesem Jahre eine Anzahl Arbeitskräfte für die Landwirtschaft frei geworden sein, die gewöhnlich als Arbeitsuchende am landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt nicht in Betracht kommen. Der stär kere Bedarf also, der durch die durch die Witterung erschwerten Ernte arbeiten hervorgerufen ist, dürfte durch diesen Zuzug wieder reichlich ausgeglichen sein. Denn nur so ist es zu erklären, daß im laufenden Jahre eine Abnahme der Leutenot in der Landwirt schaft eingetrcten ist. Soweit nämlich die Vermittelungstätig- lleit der Arbeitsnachweise für die Landwirtschaft hcrangezogen wird, kamen im Juni 1907 auf je 100 offene Stellen für Landarbeiter 59,8 Arbeitsuchende gegen 56,9 im Juni 1906 und 48,5 im Juni 1905, unv 54,2 im Juni 1904. Das Angebot ist zwar nach wie vor durckiaus un- genügend und knapper als in irgend einem Gewerbe, immerhin aber ist die Zunahme gegenüber früheren Jahren auffällig. In den einzelnen Landesteilen haben äußerst starke Verschiebungen stattgefunden: so ist in Ostpreußen, Hessen-Nassau und im Großherzogtum Hessen das An gebot auf hundert offene Stellen ganz ausfallend zurückgegangen, wäh rend es in Rheinland-Westfalen, Brandenburg usw. ebenso heftig ge stiegen ist. Die überseeische Auswanderung aus europäischen Ländern. Das neue „Statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich" hat unter seine internationalen Uebcrsichtcn zum erstenmal eine Statistik der über seeischen Auswanderung aus europäischen Ländern ausgenommen. Während für Deutschland und einige andere Staaten dabei das Jahr 1906 zugrunde liegt, kommt für Oesterreich-Ungarn und andere Staaten das Jahr 1905, für Belgien und Finnland 1904 in Be tracht. Die Zahlen für die einzelnen Länder sind wegen der verschiedenen Erhcbungsform nicht unmittelbar vergleichbar, lasten jedoch trotzdem wichtige Schlüsse auf das wirtschaftliche Gedeihen der einzelnen Länder zu. Die Gunst der Wirtschaftslage spiegelt sich in der Zahl der Aus wanderer aus Deutschland wieder: sie betrug 31 074 (gegen 28 075 im Jahre 1905, 27 984 im Jahre 1904, 36 310 im Jahre 1903, 22 309 im Jahre 1900, 103 951 im Jahre 1888s. Aus Oesterreich wanderten 123 729 Personen aus, aus Ungarn 170 430, aus Rußland 129184 lnur über deutsche Häsens, aus Finnland 10952, aus Rumänien (über deutsche Häsens 1298, ans Bulgarien lüber deutsche Häsens 1333, aus Italien 726 331, aus Spanien 126 067, aus Portugal 33 622, aus der Schweiz 5049, aus Belgien 27 302, aus Holland 2297, aus Dänemark 8051, aus Schweden 24 046, aus Norwegen 21059, ans Großbritannien 262 077. Demnach gab es auf 10000 Einwohner in Deutschland 5,0 Auswan derer, in Oesterreich 45,8, in Ungarn 84,4, in Finnland (für Rußland im ganzen fehlt die Vcrhältniszahls 38,6, in Italien 216,1, in Spanien 66,7, in Portugal 64,9, in der Schweiz 14,6, in Belgien 38,8, in Holland 4,1, in Dänemark 31,3. in Schweden 45,6, in Norwegen 91,3, in Groß- britairnien 60,6. Abgesehen von Holland, ist also die Auswanderung im Deutschen Reiche verhältnismäßig am niedrigsten gewesen. Ungeheuer groß dagegen war sic in Italien. Bei der italienischen Auswanderung ist zu beachten, daß sie zum Teil auch Landwandcrnng ist. Was die Wanderzicle anbelangt, so sieben in erster Reihe die Vereinigten Staaten von Amerika. Allein aus Italien erhielt die Union 316 797 Einwanderer. Auch das übrige Amerika bleibt ein Hauptziel der Ein wanderung, während Afrika, Asten und Australien lehr in den Hinter grund treten. Namentlich gilt dies von Asien und Australien; dagegen sind nach Afrika immerhin aus Italien rund 13 000, aus Spanien rund 29 000, aus Großbritannien rund 26 000 Personen ausgewandert. Europa ist insbesondere ein Ziel der italienischen Auswanderung: rund 267 000 Personen sind aus Italien nach europäischen Ländern ausgewan- dert, zum Teil über Land. Aus Belgien wanderten nach europäischen Ländern rund 24 000 Personen, aus Rußland rund 7000, aus Spanien rund 4000, aus Schweden rund 3000. Zeitrinasschau. Noch immer beherrscht die Swinemünder Begegnung die Er örterungen der inländischen und ausländischen Presse. TaS hochosfiziöse „Wiener Frcmdenbl." schreibt: Es gelte nicht, eine neue politische Lage zu schaffen, sondern nur ein Ein verständnis in der Veurteilnug der gegebenen Lag« scstzusiellen. Die Zu sammenkunft in Swinemünde sei ein erfreuliches Zeugnis des feststehenden Gleichgewichts, das zwischen den Hauptgruppen der großen europäischen Mächte sich herausgebildrt habe. Die österreichische Monarchie könne sich eines solchen Beweises sür das Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland, das mit ihren eigenen Zielen so völlig im Einklänge sei, nur sreuen. Im Londoner „Standard" lesen wir: Tie Engländer srenten sich über die Freundschaftskundgebungen im baltischen Meer und erwarteten, daß auch die Deutschen den Engländern gratulieren, daß alle möglichen Streitfälle zwischen Großbritannien und seinem russischen Nach bar durch «in Abkommen beseitigt sind. Dieses Abkommen habe keine anti deutsche Tendenz. Die Hauptaufgabe des russischen Besuches in Swinemünde sei die, dem Zaren Gelegenheit zu geben, diese Versicherungen dem Kaiser persönlich zu wiederholen, wobei der Zar gleichzeitig bekundet habe, daß Ruß- land die traditionellen Beziehungen zu seinem westlichen Nachbar im Gegenteil uneingeschränkt ausrechtznhalten wünsche. Auch daS Pariser „Journal des DäbatS" ist zufrieden: ES ist sicher, das man keinen Grund hat, die Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Zaren mit Mißtrauen zu betrachten. Es ist klar, daß in Swinemünde von viele» ernsten Dingen die Rede jein wird, von denen manche uns nahe angehen. Aber bei dem gegenwärtigen Zustand der europäischen Lage, bei der glücklichen Sicherheit unserer internationalen Beziehungen und unserer Bünd nisse, bei der Neigung zum Frieden, die unter mancherlei Umständen und in diesem Augenblick noch im Haag bekräftigt worden sind, können wir die Be gegnung in Swinemünde mit vollendeter Ruhe betrachten. Den Reigen möge die italienische „Tribuna" schließea: Die „Tribuna" fuhrt aus, die Begegnung in Swinemünde wie die bevor stehende Zusammenkunft Kaiser Wilhelms mit König Eduard tun dar. daß nicht nur die Isolierung Deutschlands aufgehört habe, sondern daß auch die Tendenz der deutschen Politik friedlicher denn je geworden sei. — Ueber solche Allgemeinheiten hinauSzugehen, bietet der mehr dekorative Charakter der Entrevue eben keine Gelegenheit. Deutsches Reich. Leipzig, 6. August. * Zur Swincmiinder Begegnung. Aus Berlin wird uns vom 5. August geschrieben: In einem Teile der Presse erschienen schon An deutungen über die politischen Gespräche, die zwischen den beiden Kaisern bei der Begegnung in Swinemünde geführt worden seien. Es handelt sich dabei natürlich mir nm Vermutungen, denn die Staatsmänner und Diplomaten, die im Gefolge der beiden Herrscher sind und etwas vom Inhalt dieser Gespräche wissen können, werden mit der Außenwelt erst wieder in Verbindung kommen, wenn die Flotte des Zaren in die russi schen Gewässer zurückgedampft ist; bis dahin sind sie Gäste auf den Schissen ihrer Herrsäwr nnd vom Verkehr mit dem Lande so gut wie abgeschnittcn. Fürst Bülow wird voraussichtlich morgen abend hier in Berlin cintrcssen und an einem der nächsten Tage nach Norderney zu- rückreisen. In den Berliner amtlichen Kreisen ist mau übrigens weniger gespannt auf das, was aus der Kaiserbegegnung herauskommen wird, Feuilleton. An die Alten hängt ihr euch, um allen Neueren c.:r schuldigen Zoll zu unterschlagen! Hebbel. Casablanca. Von Dr. A. Funcke (Berlins. Casablanca nennen die Spanier und mit ihnen die Europäer, Dar ei Bcida die Araber den Hafen an der ozeanischen Küste Marokkos, der heute durch die blutigen Pöoclausschreitungen die Augen der Welt auf sich lenkt. An der langgedehnten Küste des Scherifenlandes ist er einer von den vielen Plätzen, die seit grauester Vorzeit von den Seefahrern augesahren wurden die über die Säulen des Herkules binaus d,e Ge heimnisse zu erforschen suchten, die sich hinter der endlosen Küste deS dunklen Erdteils bargen. Lyrische Seefahrer hatten schon im heutigen El Araisch (Laraischj, das uns der so schmählich gemordete Dr. Genthe so an schaulich schildert,*) ein Emporium, das ihnen in Massen die kostbare Purpurschnccke lieferte, die heute in der Welt, die ja in Anilinfarbe reichlich Ersatz gesunden hat, auSgeftorben ist. Nur in Marokko, am Waad Draa, fanden Dr. Jamasch und die Schiffbrüchigen der ersten deutschen Handelsczpedition 1886 die Purpurschnecke noch in ungezählten Mengen. Die Griechen suchten hier die Gärten der Hesperiden, kartha- gische Seefahrer haben hier geankert. Das gesamte Hinterland, das in El Araisch, Mazagan, Mogador, Casablanca die wenigen Ausgangs pforten besitzt, weist heute noch die Spuren der Völker auf, die einst auch über dieses Gebiet gleich Wellen fluteten. Römer und Vandalen, Goten und Araber, Portugiesen, Spanier, Holländer — alle haben auf diesem Boden ihre Male errichtet. Wenige Tagereisen nach innen — und vor dem Wanderer ragen die merkwürdigen Trümmer aus grauester Vor zeit, die noch beute an der Karawanenstraßc stehen. Tie Eingeborenen nennen die „Rumi" als ihre Erbauer. Klingt in dem Worte das alte „Romani" noch nach? Kein Mensch weiß es. Jndienfahrer von Por- tugals Küste liefen ein Jahrtausend später die alten Plätze an, Spanier und Holländer folgten ihnen, und über dem Stadttore von El Araisch Prangt noch heute das Wappen Philipps III In der Kasbah des Kaid von Glimim, im Inneren des Landes, fanden die Schiffbrüchigen der deutschen Handelserpedition 1886 noch alte Standuhren holländischen Ur- sprungs — ein Beweis, daß vor langen Jahren auch Amsterdam im Handel mit Marokko stand. In den verlassenen Häfen modern noch heule *j Marokko. Von Dr. Genthe. Berlin, Hermann Partei Verlag. 1906. di: Reste alter Bauten, deren Ursprung und Bestimmung kein Mensch Nachweisen kann. Vielleicht waren hier die Schlupfwinkel der Piraten, die aus ihren leichten Galcajscn und Schebckkcn nicht nur das Mittel meer sich tributpflichtig machten, sondern auch bis in den englischen Kanal hinein den Kauffahrcrn auflaucrten. Noch heute singt der deutsche Seemann von der „stolzen Flagge blutigrot" und dem „Herrn der Piralcrci", noch zur Zeit unserer Befreiungskriege wurde an der Marokkoküste ein amerikanisches Schiff, die „Commcrce", wcggenommen, noch 1829 mußte ein österreichisches Geschwader unter Bandiera vor den Piraten fliehen, in selben Jahre ließ Sultan Abd er Rahman in Ham- bürg den allen Piratentribut fordern, und noch bis 1857 bestand >n Lübeck eine Kaffe zum Loskauf hansischer Seeleute aus maurischer Sklaverei. Heute ist zwar die Piratcnflaggc ans den Meeren verschwunden, aber der Charakter der Küstenbevölkcrung hat sich nicht geändert. Grausam, habgierig, feindselig steht sie allem gegenüber, was aus Europa an die Küste kommt, und alle angebliche „Kultur" in den Hafcnplätzcn ist nur ein sehr dünner Firnis. Immer wieder — wie jetzt bei den Gewalt taten gegen die Franzosen — bricht der alte fanatische Haß durch. Wenn Frankreich Casablanca besetzt und die Hand auf den Zoll legt, trifft es den Sultan an empfindlicher Stelle. Denn so sehr er auch öle „Christenhundc" und die Inden verachtet, ebenso gern steckt er die Zoll einnahmen ein, die aus dem Handel fließen. Er läßt dabei indes noch heute die Dinge in den Hafenstädten gehen, wie es seine Vorfahren getan haben: es geschieht nicht das geringste, das dem Verkehr mit den an laufenden Schiffen zugute kommen könnte. Gute Häsen, die nicht im Machtbereich Marokkos liegen, läßt man gesperrt, so Agadir und Asaka, die weit bester als die Nordbäfen Casablanca und Mazagan sind. Tie Spanier versuchten, sich einen neuen Hafen zu sichern, als sic im Frieden von Tetnan sich den angeblich einst spanischen Hasen Santa Cruz de Mar Pcqueüa ausbedangen. Es erschien also eine Kommission von spanischen Marineoffizieren und Geographen, die angeblich nach dem Hafen suchten, allein vergeblich. Sv studierte man also alte Karten und Werke, aus denen man noch jahrelanger Mühe die kleine Bucht Santa Cruz heraus- tiftclte. Aber die Spanier hüteten sich, hier zu bleiben, errichteten viel mehr in aller Eise ein hölzernes Kreuz zum Zeichen ihrer Herrlichkeit und eilten wieder fort, weil auftauchendc Kabylen — natürlich bestellt vom Sultan — nicht übel Lust zeigten, den Spaniolen an die Kehle zu gehen. Andere Prätendenten hoben gleichfalls ihr Heil versucht. So erschien einst ein Ocsterreichcr als Abgesandter „Sr. Majestät des Königs Achilles II. von Patagonien". Da aber der Gothaer Almanach nichts von einer solchen patagoniichcn Majestät verriet, so holte der „Herr Konsul" bald das patagonische Banner nieder. An der Südküste Marokkos — der Scherst nimmt bekanntlich die Küste bis zum Senegal in Anspruch — gründete dann JacgucS Lcbaudy, Is xranck snarie-r, sein Kaiserreich der Sahara. Seincn Thron aus Ebenholz schleppt Jacques I. auf seinen Reisen noch mit sich, ans denen er aber Frankreichs Boden meidet, denn der Staatsanwalt hat, seitdem der Saharakaiscr angcworbcne Kolonisten elend auf dem Sande Afrikas ohne Mittel zu- rückließ, ein besonders lebhaftes Interesse für ihn. Die marokkanischen Ozeanhäfen bieten, von der See betrachtet, ein malerisches Bild. Zinnen ragen auf, trotzig anzusehen. Alte Mauern geben den Plätzen den Schein einer starken Feste. In Wahrheit ist das nur Kulisse. Tie Mauern sind meist elende Lehmgebilde, die vor dem ersten Kanonenschuß in Brocken zerbersten würden. Leuchtfeuer und Be tonnung sind im Reiche der frommen Wünsche. Die Straßen eng, wink- lig, schmutzig. Hier herrscht unumschränkt der Kaid oder Pascha, der sich meist auf dem Wege des Amtskaufes und der Bestechung in die Höhe geschwungen hat. Ohne Skrupel und Erbarmen raubt er, was er er reichen kann. Wollen die im Ghetto — Mcllab arabisch — eingepferchten Inden den schuhhohen Kol und Unrat aus ihrem Viertel entfernen, so bedürfen sie der Erlaubnis des Gouverneurs, die natürlich Geld kosten Wittert er bei einem seiner Untertanen Geld, so gebraucht er den schäbigsten Vorwand, ihn ins Gefängnis zu werfen oder zu blenden und als Bettler auf die Straße zu setzen, um selbst die bewegliche Habe des Unglücklichen in Beschlag zu nehmen. Ganze Straßenzüge, besonders die leichten Noallcn, Hütten vor der Stadtmauer, läßt ein solcher Beschützer der Armen in Brand stecken — die Erlaubnis für Neubauten bringt ihm natürlich Geld ein. Steuern und Zölle bleiben mindestens zur Hälfte in seinen Händen hängen. Als europäische Kaufleute einst den Pascha von Mogador anzeigtcn, erschien aus Fez ein Revisor. Von da ad wurden die Zollscndunaen an den Sultan noch kleiner, denn der Revisor wollte auch leben. Gefahr läuft der Gouverneur nur dann, wenn er in seiner Gier nach Geld sich allzu grobe Uebergrifse gegen die Europäer und deren Schutzbefoblene leistet, wie gegenwärtig der Gouverneur von Casablanca. Dann ergreift der Großwcsic die Gelegenheit, auf ine dringende Beschwerde eines Ministerresidentcn in Tanger hin, dem Kcnv ans Leben oder wenigstens an den Beutel zu gehen. Früher war bei der Audienz in Fez, zu der der Angeklagte s<i «nstienckum verlnnn zitiert wurde, die vergiftete Tasse Kcstfccein bclicbtesMittel, der Untersuchung r>n schnelles Ente zu machen, wenn es dem großen Sünder nicht gelang, durch viele Ledcrbeutcl voll Duros das Aergste abjuwcnden. Ter Henker ist noch heute ein vielbeschäftigter Beamter am Hofe des Sultans, und vor ihm ist keiner sicher, weder die „Leute deS Dolches", wie die Krieger, noch die „Leute der Lcdertaschc", wie die Beamten heißen. Schutz gegen die Uebergrifse eines Gouverneurs haben die marokka nischen Untertanen nicht. Für sie heißt es, durch List und Unterwürfig keit die liebe Seele nnd das heißgeliebte Geld zu sichern. Nur die Euro päer und die „Protegierten", meist marokkanische Juden, die den Schuy» brief eines europäischen Landes erwarben, sind sicher vor dem Kais. Natürlich auch nicht immer. Denn wenn der Pöbel — wie heute nr Casablanca — ausgehctzt wird, wer will eS dem Kaid nachweisen? Trotz dieser Unsicherheit und Beschränkung der persönlichen Frei heit haben die Europäer sich in den marokkanischen Handelsplätzen ein großes Geschäft gesichert. England marschiert an der Spitze. Lamd Brothers L Co. sind in Casablanca eine große Firma. Die Engländer
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