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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070812015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907081201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907081201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-12
- Monat1907-08
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Anzeigen Preis sür Inserate au» Leipzig und Umgebung di« gespalten« Petitzeile 25 Ps., finanzielle Anzeigen 30 Ps., Reklamen 1 M.; von au«wärt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M vom Aukland k<)Pf., sinanz Anzeigen 75 Ps. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40Ps. Bcilogcgebüdr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. weichästSan,eigen an bevoriugrer Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. Festerteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werde». Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustuc-platz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annonccn- Expeditionen de» In- und Auslandes. Haupt Filiale Berlin. Earl Dunck: , Herzog!. Bahr. Hosbuch» Handlung, Lützowstrastc 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 222. Montag 12. August 1907. Das wichtigste vorn Tags. * Die Novelle zum Börscngesetz wird vom Ausschuß des Bundesrats sofort nach seinem Wiederzusammentritt beraten und dann dem Reichstage alsbald vorgelegt werden. * Ein Bericht aus Casablanca meldet, daß die französi schen Landungstruppen einen Vorstoß ins Innere vor bereiten. >S. Ausl. u. Letzte Dcp.) * Tie mit der Untersuchung über die Verhältnisse aus der sibirischen Babu betraute Kommission stellte, wie auS Petersburg gemeldet wird. Veruntreuungen von mehr als 10 Millionen Rubel fest. * Ter Aus st and der amerikanischen Telegraphisten hat sich bis gestern abend über 50 Städte ausgcbreitet. Di: Unruhen blieben auf den Westen von Chicago beschränkt. sS. Letzte Dcp.s * Ein Telegramm auS Berlin meldet, daß Professor Joseph Joachim, der berühmte Geigenvirtuose, im Sterben liegt. iS. Letzte Dep.) * Baron von Lindenau hat in leinen neuesten Aussagen zum Hauprozcß einen vollständigen Rückzug angetreten. sS. Neues a. a. W.) * Im Rheinischen Zucht renn en zu K ö l n WOOO Fs wurde Frhr». Ed. v. Ovpenhcims „Sieger" erster. — Den Prix de Longchamps zu Deauville <10000 Frcs.) gewann Mons. I. Licux „P unta Gord a". iS. Sport.s Csber^Lisnrus nn- Beamte. Gelegentlich des Dclegiertcnlages des Wahlocreins der Liberalen am 7. April hielt der Rcichstagsabgeordnete Dr. Potthoff einen bedeu tungsvollen Vortrag über das Thema: Liberalismus und Beamte, wel ches in der Zeit des bevorstehenden Wahlkampfes aus erhöhtes Interesse in der gesamten Beamtenschaft, zu denen hier Lehrer, Privatbcaintc und alle Festbcsoldcten des Mittelstandes zählen mögen, Anspruch erheben darf. Tr. Potthofs spricht sehr richtig von einer Beamtensrage, die nicht als ein Mischmasch von Einzelwünfcben nach Bewlduugs- und Personal verbesserungen aufzufassen ist, sondern als eine weit bedeutungsvollere rage sozialpolitischer Natur angesehen werden muß. Die Interessen des werktätigen Volkes zu schützen und sich deS Arbciterstandcs anzu nehmen, hat die Sozialdemokratie mit anerkennenswerter Energie und zielbewusster Taktik unternommen. Um so leichter wurde ihr der Sieges zug durch die deutschen Lande, als es den nationalen Parteien früher wenig zum Bewußtsein kam, welche Summe von Kraft und Intelligenz in unserem arbeitenden Volke steckt und nur der Erschließung harrte. Diesen günstigen Zeitpunkt hat die Sozialdemokratie nicht verpaßt, und deshalb ist ihr ein unbestrittener Erfolg beschicden gewesen. Wenn auch bei der letzten Reichstagswahl die absoluten Stimmen der Umsturzpartei wiederum gewachsen sind, so deuten doch alle Anzeigen darauf hin, daß die Sozialdemokratie an einen Wendepunkt gelangt ist, der über ihre weitere Zukunft entscheidet. Die Umsturzpartei cheint im Begriff, sich in eine Reformpartei umzuwandeln, und aus der Sozialdemokratie be ginnt sich, schüchtern, aber deutlich erkennbar, eine Nationaldemokratie herauszuschälen. Das Verdienst an diesem erfreulichen Umschwung kann sich in erster Linie der Liberalismus auf sein Konto schreiben, denn er ist von jeher ein eifriger Vorkämpfer für eine gesunde Sozialpolitik, die schlimmste Feindin der Sozialdemokratie, gewesen. Aber nicht in einer Bekämpfung, sondern in einer Bekehrung der irregeführten Volks genossen erblickte der Liberalismus seine Aufgabe: die Politik der Auf klärung, des Fortschritts und freier geistiger Entwicklung muß im deut schen Volke endlich zum Siege führen. Deshalb ist der Liberalismus als Vorkämpfer der Sozialpolitik der gefährlichste Feind der Sozialdemokratie, und ihn in seinen Bestrebungen zu unterstützen, ist die Pflicht jedes Staatsbürgers, in erster Linie aber der Beamten im weitesten Sinne des Wortes. Die Vertreter dieser breiten Volksschicht zählen gegen 2 Millionen, die sich großenteils bewußt oder unbewußt zur liberalen Grundanschauung bekennen. Auf diesen Heerbann zu rechnen, hat der Liberalismus ein größeres Recht als alle anderen Parteien, die in einseitiger Weise bestimmte Interessengruppen vertreten. Die Zeiten der politischen Lethargie des Beamtentums sind vorüber. Heute wollen die Beamten an der Gestaltung ihres Schick sals und an der Lösung der großen sozialen Fragen mitarbeiten. Dieses berechtigte Bestreben muß auch von feiten .cs Staates dadurch anerkannt werden, daß er den Beamten volle Koalitionsfreiheit und den freien Gebrauch der staatsbürgerlichen Rechte ausdrücklich gewährleistet. Der Liberalismus erblickt seine Hauptaufgabe darin, die Beamten vor Willkür der Behörden und Vorgesetzten zu schützen, jede Beeinträch tigung ihrer politischen Rechte zu bekämpfen und für freie geistige Ent wicklung des gesamten Volkes einzutreten, un: das Ausstcigen in höhere Klassen zu ermöglichen. Weiter will er unausgesetzt für eine ange- messene Besoldung eintreten und eine Belastung durch Verbrauchs- und Verkehrssteuern bekämpfen; an der glänzenden wirtschaftlichen Ent wicklung sollen auch die Beamten, insbesondere aber auch die Privat angestellten, angemessenen Anteil erhalten. Die Gehaltsverhältnisse im Reiche, in den Einzelstaaten und den Gemeinden müssen nach und nach einheitlich gestaltet werden; vor allem ist die gesetzliche regelmäßige Revision der Gehälter und die Festlegung des Aufrückens anzustreben. Die Mindcstbezüge sind in erster Linie zu erhöhen; sür eine Verkürzung der ersten Stufen, frühere Erreichung des Durchschnittsgehalts und u. a. auch des Endeinkommens muß unbedingt Sorge getragen werden. Bei der Wohnungsgeldreform im nächsten Jahre würden die Vorschläge der Beamten in wohlwollender Weise geprüft und nach Möglichkeit be rücksichtigt werden. Wichtiger allerdings als ein gutes Wohnungsgeld- zuschußgcsctz wären eine gesunde Wohnungs- und Bodenreform und eine fortschrittliche Verkehrspolitik, damit nicht olle Zulagen und Aufbesse rungen wieder in andere Taschen abfließen. Daß >en Beamten volle Koalitions- und Versammlungsfreiheit wie jedem andern Staatsbürger zugestanden werden muß, liegt auf der Hand; gegen jede Beschränkung dieser Rechte wird der Liberalismus jederzeit einschreiten, wie er es beispielsweise gegenüber dem Vorgehen reaktionärer Minister erst kürz lich getan hat. Wie der Liberalismus für möglichste Gleichstellung der Reichs-, Staats- und Gemeindebeamten ist, wird er auch für Beseitigung oder wenigstens Verringerung des Unterschiedes zwischen den Beamten der Zentral-, Provinzial- und Lokalbehörden eintreten, ebenso aber auch sür die Ermöglichung des Aufstiegs in höhere Klassen. Diesen Be strebungen dürften sich die Beamten nicht verschließen, wie sie auch der Verbesserung der sozialen Lage der Frauen Verständnis entgegenbringcn müßten. Denn in dem übermäßigen Anwachsen des Beamtenheeres lieg: auch sür die Beamten eine große Gefahr, der man nur durch Ein stellung weiblicher Kräfte, Abstoßung minder wichtiger Arbeiten an niedere Beamte, Arbcitsvcreinfachung, Verminderung des Schreibwerks, Beseitigung überflüssiger Aufsichtsbeamten und einer weitgehenden De zentralisation wirksam begegnen könnte. Die Umwandlung des alten römischen Rechts, das im Beamtenrecht überall in die Erscheinung tritt, muß so bald als möglich erfolgen, damit der Beamte nicht weiter als rechtloser Sklave, sondern als freier Staatsbürger angesehen wird. Daß der Liberalismus für eine staatliche Pcnsions-, Witwen- und Waisenversichcrung aller Angestellten nachdrücklich eintritt, bedarf keiner weiteren Ausführung: bei Lösung dieser Frage wird er das Haupt gewicht darauf legen, daß die Lasten auf die Schultern des Staates, der Arbeitgeber und Angestellten angemessen verteilt werden. Alle diese Fragen ihrer baldigen Lösung entgegenzuführen, ist das aufrichtige Bestreben der liberalen Parteien. Pflicht der Beamten ist es. nicht tatenlos die Hände in den Schoß zu legen, sondern eifrig mit zuarbeiten. Hierzu bietet sich jedem Gelegenheit, der sich dazu berufen fühlt, und das sollte jeder einzelne sein. Der liberale Verein hat einen Beamtenausschuß gebildet, dem Vertreter aller Klassen und liberale Parlamentarier angehören, die zusammen raten und taten wollen, wie das Wohl der Beamtenschaft am besten gefördert werden könnte. Mit diesem Hauptausschusse stehen die örtlichen Beamtenausfchüsse der libe ralen Vereinigungen in engster Fühlung, um die Wünsche und Klagen der Beamten zu hören und für nachdrückliche Interessenvertretung im Reiche, im Staate und der Gemeinde zu sorgen. Der Liberalismus ist der berufenste Vertreter der Beamteninter essen, denn er ist der Vertreter des gefunden Fortschritts, der Aufklärung und der freiheitlichen Entwicklung auf nationaler Grundlage. Aebev Berlin. l'Von unserem römischen ^.-Korrespondenten.) Friedenstiften und Vermitteln ist ein nur selten dankbares Ge schäft. Wenn der Vermittler überdies ein eigenes Interesse verfolgt, so kann es nicht auMciben, daß man ihm Motive unterstellt, die von Loyalität weitestmöglich entfernt sind. TaS Deutsche Reich nun ist während eines langen Zeitraums in der Lage gewesen, zwischen seinen beiden Verbündeten Oesterreich und Italien, deren Gegensätzlichkeit aus mehr und minder ernsten Anlässen zu moralischen oder praktischen Ka tastrophen auszuarten drohte, vermitteln zu müssen; und dies zunächst gewiß im Interesse der beiden Beteiligten und vorzugsweise des mili tärisch und volkswirtschaftlich schwächeren Italiens, im übrigen aber in Verfolg von Deutschlands eigenen diplomatischen und strategischen Plänen. Der Dank bestand darin, daß man in Wien und in Nom den Berliner Egoismus ausschließlich markicrre und die Phrasen von der „politischen Unterdrückung der Verbündeten", von der „deutschen Hegemonie", vom „maskierten Imperialismus" u. dgl. m. prägte und in Kurs setzte. In der letzten Zeit, als Oesterreichs und Italiens diplo matische Kanzleien sich besser miteinander zu verständigen gelernt hatten und zwischen ihnen eine gewisse Vertraulichkeit sich anbahntc, war das erste Wort, in dem man den Wandel der Verhältnisse seufzerähnlich zum Ausdruck brachte, dies, daß man nun endlich Berlin los sei und von Rom nach Wien und Wien nach Nom direkt gelangen könne. Wir brauchen das nicht tragisch zu nehmen, können uns Acmütsqualen er- sparen und dürfen sogar auf die zweifelhaften Ehrenrettungen der deutschen Politik durch den italienischen Korrespondenten der Wiener „Neuen Freien Presse" dankend verzichten. Der erfolg genügt und freut uns, und wir werden überzufrieden sein, wenn die österreichisch italienische eirtente corckials nicht gelegentlich unsere oeidcn Ver bündeten zu einer Stellungnahme veranlaßt, wie sie uns bei unserem italienischen Verbündeten wiederholt peinlich ausgefallen ist. In dieser Hinsicht aber empfiehlt cs sich, das in Rücksicht auf Oesterreich allein wohl gegründet gewesene optimistische Vertrauen nicht „u übertreiben. Denn auch über die Absicht der leitenden Personen hinaus und ihnen entgegen können trübe Manöver zu unserem Schaden ihr Ziel erreichen. Haben doch z. B. soeben zwei konkurrierende Wiener Zeitungen von gleichermaßen undefinierbarem Charakter ohne irgend welches äußere, geschweige objektive Motiv einen wahren Sport mit falschen Nachrichten über Dauer und Modalitäten des Dreibundes betrieben, oie ausschließ lich den Geschäften dieser Zeitungen zugute kommen, aber die inter nationale öffentliche Meinung und mit ihr die einflußreichsten Kreise lediglich verwirren, sälscylich imitieren, später enttäuschen und im ganzen ohne Not in schädlicher Weise mißtrauisch machen können. Mir sagte gelegentlich ein sehr hoch gestellter Diplomat, daß es sür den Dreibund recht gut wäre, wenn man recht wenig von ihm spräche; das ist gewiß wahr im allgemeinen und ganz besonders in bc- treff des Notizenmarktes, der gar nicht genug zurückhaltend sein bczw. syndiziert werden kann. Einen Beweis dafür, daß die, wie gesagt, an sich erfreuliche und dc- sriedigendc Tendenz zu einer engen und direkten Verbindung zwischen Rom und Wien eine bedenkliche Seite annchmen kann, bieten übrigens bereits Erörterungen innerhalb der sozialistischen Partei Italiens, die von manchen Stellen in Deutschland ja als äußerpolitisch verständig eingeschätzt wird. Die hier vorherrschende Abneigung gegen den Drei bund als den vermeintlichen Gefährder von Italiens Sicherheit und Aufbürder militärischer Lasten hat sich in diesen Tagen — verstärkt an gesichts der bevorstehenden Entente mit Oesterreich. Indem nämlich die eine Gruppe der Sozialisten wegen der Antipathie gegen das des Kleri- kalismus und der Unterdrückung der Volksgenossen beschuldigte Oester reich wie schon dem Dreibunde, so erst recht einer solchen, dem bestehen den Bündnis an Wert natürlich übcrzuordncnden Entente sich wider- setzte, glaubte die andere, vorzugsweise aus gemäßigten Elementen unter Führung des Deputierten Disiolati zusammengesetzte Gruppe, auf diese Entente sehr entschieden den Ton legen zu müssen. Mit Oesterreich, so drückt sich Bissolati im „Tempo" aus, dürfen wir keinesfalls das Vcr- tragsverhältnis brechen: denn wir riskieren dabei den Krieg, den wir nicht haben wollen, und außerdem dürften Frankreich und England schwerlich geneigt sein, uns unser Risiko zu erleichtern. „Mithin", fährt er aber fort, „bleiben uns nur zwei Wege zur Wahl: entweder Drei- bundanhängcr fein ohne Rückhalt und den Tatbestand hinnehmcn, dem zufolge Italien und Oesterreich die Mündel Deutschlands sind und sich der Gefahr aussetzen, früher oder später den Kopf gegen England ein zurennen; oder sich so eng als möglich an Oesterreich anschließcn, so daß 101. Jahrgang. das Band des Dreibundes, dessen Wert für uns eben die von Deutsch land gebotene Garantie gegen einen italienisch-österreichischen Konflikt ist, erschlafft und hinfällig wird. Wenn die beiden Staaten, die heute von Berlin aus gegen ihre wechselseitige Feindseligkeit — eine Feind seligkeit, die Berlin ausnutzt und vielleicht nährt — gesichert werden, es dahin brächten, sich direkt zu garantieren, so verlöre der Dreibund so viel von seinem Werte, daß er ohne Gefahr bei seinem nächsten Fällig keitstermine in aller Form aufgelöst werden dürste." — Man muß be denken, daß gegen gewisse Vorurteile und Stimmungen mit Argumenrcn nicht aufzukommen ist und daß zwischen den Sozialisten und den ande ren politischen Grpppen ein eigentlicher und bis auf den Grund reichen der Meinungsgegensatz in äußerpolitischen Dingen nicht besteht. Und eben darum hat die Geflissentlichkeit, mit der aus Anlaß der Ver ständigung zwischen Italien und Oesterreich die Ausschaltung Berlins in den Vordergrund gedrängt wird, etwas Bedenkliches. Von Tientsin über -is Schlnchtfeldev -er Aiantschnrei. XXI. Leider wurde hier in Mukden, wie auch schon früher bei den Gräbern der Provinz Petschili die Wirkung dieicr Anlagen durch die Zeichen des Verfalles geschmälert, die sich überall bemerkbar machen. Allerdings gewahrten wir an einem Eckturm ein großes Gerüst, das auf Ausbesscrungsarbeiten bindeutete. Wahrscheinlich werden diese Re paraturen auf den Bericht Kuropatkins hin in Angriff genommen wor den sein, den er der chinesischen Regierung bei seiner Anwesenheit in Mukden über den verwahrlosten Zustand der Gräber eingercicht hatte. Wer aber die Chinesen näher kennen gelernt bat, der weiß, das; dieser Anlauf nicht weit führt. Und so wird es wohl bei dem einen Gerüst an dem einen Eckturm sein Bewenden behalten. Ter Tatarcngeneral hatte uns zur leiblichen Stärkung ein^Früh- stück mit den Mandarinen feiner nächsten Umgebung in die Fulings hinausgeschickt. Zu unserem Erstaunen wurde es ohne viel Umstände in dem Kiosk mit der großen Schildkröte serviert, ohne daß eine Ent weihung dieser Anlagen dadurch entstand. Im Gegenteil bekam das steinerne Tier, sür die Chinesen das ehrwürdige Symbol der Ewigkeit, ein schmutziaes Tellertuch über seine breite Na;e gehangen, damit dieses hier um so besser trockne. Das schien praktisch zu sein, denn cs wieder holte sich am anderen Tage genau so im zweiten Kaisergrabe. Wie auf den meisten Gebieten, so ist dem Chinesen eben auch ui der Religion eine große Oberflächlichkeit eigen. Man verkennt ihn vollkommen, wenn man ihm eine ernkte Gemüts bewegung aus tiefen religiösen oder auch aus nationalen Gründen zu- traut. Von diesen Idealen kennt die große Masse des Cki'iescnvoltes vorläufig noch nichts. Sic kann zu gewaltigen Unruhen angcsliftct wer den durch schlechte Lebcnsbedingungen, Hungersnöte, Stcucrnlasten, durch Bedrückungen seitens der Mandarinen, und diese Unzufriedenheit kann auch in solche Bahnen geleitet werden, daß scheinbar nationale Gründe das treibende Moment bilden. (Die fremdcnscindliche Be wegung 1900.) Tatsächlich stecken aber hinter allen diesen Volksbewegun gen ganz nüchterne, reale Veranlassungen. Für eine große Idee kämpft der Chinese heute noch nicht und gebt auch nicht für sie in den Tod. Deshalb war auch alles verfehlt, was während des russisch-japani- schen Krieges über die nationale Bedeutung und die Heiligkeit der Kaisergräber bei Mukden geschrieben worden ist. Man legte ihnen sür die Chinesen annähernd die Bedeutung bei, wie Mekka und das Grab des Propheten es für die Mohammedaner haben. Man glaubte hieraus wichtige Schlüffe in bezug auf die Stimmung in Ostasien ziehen zu können, die die Aufgabe Mukdens durch die Russen und die Besetzung durch die Japaner nach sich ziehen würde. Kein Hahn hat danach gekräht. Und selbst, wenn die Gräber unter der Kriegsfurie zerstört worden wären, hätte außer dem regierenden Kaiscrhause, dessen Ahnen kultus damit unmittelbar betroffen worden wäre, sicherlich kein Chinese damit den Verlust seines Nationalhciligtums beklagt oder sich darüber weiter aufgeregt. Do« bätte schon «dos Beispiel auS dem Jahre 1900 zeigen können, wo die Hsilinggräbcr in der Provinz Petschili — ebenfalls Grabstätten des Mantschukaoerhauses — den Wirren zum Opfer gc- fallen sind. Im übrigen sind die Kaisergräber und die Stadt Mukden von dem Kriege so gut wie unberührt geblieben. Nur an den Pettings waren die westlichen Umgrcnzungsmauern von den Russen mit Schießscharten und mit Gewebräuflagen auf der Mauerkrone zur Verteidigung ein gerichtet worden. Am Tage bevor wir Mukden wieder verließen, ließ uns der Tatarengcneral noch zum Besuche des ehemaligen Kaiserpalastes ab- holen. Dieser nimmt ein fast guadratisches Gebiet in der Mitte der Stadt ein, das wie üblich von Mauern umgeben ist. Der Zugang erfolgte durch ein Tor von Süden her. Ter Jnnenraum ist wieder durch eins Mauer in den Wohnbezirk des Kaisers und den der Prinzen und Priv- zessinnen getrennt. Hier herrschte wirklich eine Bautätigkeit, der man ansah, daß es nicht lediglich ans den Schein abgesehen war. Alle alten schadhaften Gebäude wurden ausgebessert und das Eingestürztc von Grund auf neu ausgesührt. Wir konnten uns des Eindrucks nicht ec- wehren, als würde hier nicht lediglich gearbeitet, nm Altes zu erhalten, sondern als sei beabsichtigt, hier eine neue wohnliche Anlage unter mög- liebster Benutzung der vorhandenen Gebäude zu schassen. Sollte etwa hier in dem Stammlande des Kaiserhauses für alle kommenden Fälle eine Heimstätte unter einer ergebenen Bevölkerung geschaffen werden? Vmr einem großen Gebäude in dem übliäcn. oben beschriebenen Baustil, stebt eine Lanze, wohlverwahrt nnd verpackt, in einem Lanzen schub. Es soll die heilige Lanze sein, mit der die ersten Ko.iier die Mantschurei ercbert haben. Auf wackligen, steilen und schmalen Holzircvven klimmt man emvor zum Wobnraum der ehemaligen Kaiserinnen. Nur die Decke des Ge machs läßt auf die alte Pracht schließen. Sic besteht aus einem Kaffettenmuster, dessen Felder einen pbönir-äbulichcn Vogel der chine sischen Mythologie in Malerei ans einem lcdcrartigcn Untergrund zeigen. In einer groß angelegten Empmuasballe befindet '.ich der alte, reich- geschnitzte Drachcntbron, ein Holzseffel, der sich unter einer Art hölzernem, ebenso reichge'chnitztem Baldachin bmindtt. Nm die Säulen, die den Baldachin tragen und die zn beiden Seiten der zum Thron führenden Sturen stehen, winden sich riesige Drachen, die ihre fauchenden Gesichter einander zukchren und die gelvreizten Klauen gegeneinander ausstreckcn. Tic ganze einst vergoldete Pracht ist fetzt mit einer dicken Staublage überzogen. Deutsches Heich. Leipzig, 12. August. ' Marincetat 1908. Im Marinectat 190,9 werden die ersten Raten für zwei neue Linienschiffe und einen Ricfcnpanzcrkrcuzcr gefordert werden, zu denen noch zwei kleine Kreuzer und zwei Torpedoboots divisionen treten werden. Tic beiden Linienschiffe werden die Ersatz bauten sür „Oldenburg" und „Siegfried" sein, die 18«tt resp. 188:; vom Stapel gelaufen sind. Im Jahre 1909 werden die ersten Raten für Er satz „Bcowult" und „Fritbjos" angcsordcrt werden, während der noch fehlende Neubau des 08. Linienschiffes erst für 1910 vorgesehen ist. An Forderungen für die Linicnschisfsbautcn wird der Etat 1908 noch ent-
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