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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070813018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907081301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907081301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-13
- Monat1907-08
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R.j * Fürst Radolinhat dem Reichskanzler auf Norderney einen Besuch abgestattet. (S. Dischs. R.j * Zu Ehren des Königs von Siam fanden in B r a n nschweig große Festlichkeiten statt. lS. Dischs. R.j * Der Bischof von Limburg hat während des eucharisti - schen Kongresses durch Sturz von der Treppe schwere Beschädigungen erlitten. lS. Dischs. R.j * Morenga wird von der britischen Negierung in möglichster Entfernung von der deutschen Grenze angesiedelt werden. * Die Deutschen sind durch das Bombardement inEasa- blanca schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. lS. Ausl. u. Letzte Tep.j * In BeIfast haben Ruhestörungen seitens der Ausständigen daS Einschreiten des Militärs nötig gemacht. lS. Ausl.) Atolonialpolitik nn- Arbeitsmoral. Bekanntlich spielen bei der Ablehnung jeglicher Teilnahme an der deutschen Kolonialpolitik durch die Sozialdemokratie moralische, huma nitäre Gründe die Hauptrolle. Daß es durchaus mit marxistischen Grundsätzen vereinbar wäre, für eine überseeische Kolonisation einzu treten, bei der es sich wirklich um die Beglückung niederer Nassen mit unserer höheren Kultur handelt, hat Bebel selbst einmal im Reichstage erklärt; aber man streitet eben der „kapitalistischen" Kolonialpolitik n priori jegliche kulturschöpferische Fähigkeit ab. Seit der Peters- Prozeß wieder einmal die Frage in den Vordergrund des öffentlichen Interesses geruckt Hal, ob die Handlungen bahnbrechender Kolonisatoren in Afrika mit denselben moralischen Maßstäben gemessen werden dürfen, die für unsere hyperzivilisierten Zustände gang und gäbe geworden sind, wissen sich die sozialistischen Moralisten vor Pharisäismus gegenüber der „Barbarei" bürgerlicher Kolonisation nicht zu fassen und scheuen sich im Zentralorgane der deutschen Sozialdemokratie sogar nicht, untere verdientesten Afrikaner mit Zuchthäuslern auf eine Stufe zu stellen. Gegenüber solchen Dreistigkeiten verlohnt eS sich denn doch, einmal der Moral der Arbeiter in Hinsicht auf fremde Nassen auf den Grund zu gehen, um zu erforschen, ob diese wirklich von der Idee der allgemeinen Menschheitsverbrüderung beseelt ist, ob also die berufenen Hüter der Arbeitermoral wirklich zuständige Sitten- und Splitterrichter für bürgerliche Kolonisation und Kolonisatoren abgeben können. In der Theorie ist dies zweifellos der Fall. Die sozialdemokratische Partei bekämpft in der heutigen Gesellschaftsordnung, wie es am Schlüsse des Erfurter Programms heißt, „nicht bloß die Ausbeutung und Unter drückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse". Des- halb richten sich die Angriffe der Sozialdemokratie gegen alle „Macht- Politik", gegen alle Ausdehnungsgelnste, gegen alle gewaltsame Kolonial politik wie gegen Militarismus und Kriege. Ihr Ziel ist: „Iw paix elu niouäs ot ls bonsieur cko tous." Der Sozialdemokrat glaubt den Neger in einer deutschen Kolonie von derselben Macht unterdrückt, ge knechtet, von der er sich selbst unterdrückt, geknechtet wähnt, vom kapita listischen Unternehmertum. Deshalb scheint ihm der Schwarze in solcher Lage näher stehen, als ein überzeugter Anhänger oder Vertreter des Klassenstaates in der Heimat. So erklären sich die warmherzigen Worte, die Bebel und andere sozialistische Führer heute für chinesische Boxer, morgen für HereroS und Hottentotten übrig haben, so erklären sich aber auch deren maßlose Verunglimpfungen von Männern wie Peters, die nicht als Menscbheitsbeglücker, sondern als Eroberer nach Afrika gingen. Damit die Massen nicht Geschmack an einer kriegerischen Kolonialpolitik bekommen, werden ihnen Schauerromane über das Leben und Treiben „moderner Konquistadoren" vorgesetzt. Vom Standpunkte des Bürgertums aus ist es unmöglich, bei der afrikanischen Kolonialpolitik auf die Anwendung von Machtmitteln zu verzichten. Ohne die Geltendmachung politischer Macht lassen sich im schwarzen Erdteil weder Rechte erwerben und behaupten, noch Ein geborene den Zwecken der Menschheitskultur dienstbar machen. Selbst die Verdrängung oder Vernichtung einer inferioren Rasse kann sich unter Umständen als notwendig zur Durchführung kolonialer, also kultureller Zwecke erweisen, und weil den Indianern Nordamerikas em solches Schicksal beschieden war, wird doch wohl der fanatischste Sozial demokrat nicht behaupten wollen, daß es für die Menschheit besser wäre, ColumbuS hätte Amerika nicht entdeckt, und auf dem Boden, wo die wunderbare Entwicklung der Vereinigten Staaten und seine- Volkes vor sich ging, befänden sich noch di« Jagdgefilde umherschweifender Indianer- Horden. In Kolonien steht Rasse gegen Raffe, und wo sich die niedere der höheren nicht unterordnete, da heißt ihr Schicksal Untergang. Wie ver hält es sich nun mit diesem Gegensatz, wenn Lohnarbeiter verschiedener Rassen nebeneinander leben und miteinander konkurrieren? Ist da etwa die Idee der MenschheitSverbrüderung maßgebend für das Ver- halten der höheren Rasse gegenüber der niederen? In den „Sozia- listischen Monatsheften" hat Max Schippe! darüber einmal geschrieben: „Die erste instinktive Regung der von der Auslandskonkurrenz bedrohten Besitzer der Ware Arbeitskraft strebt erklärlicherweise überall auf ein- fache Ausschaltung der PreiSdrücker auS der Sphäre deS ArbeitSmarkicS hin. Der Pole in den altdeutschen Bergwerksrevieren, der Italiener bei den Bauten, der Farbige auf den Schiffen wird im Kampfe um Dasein und Brot als «in Schädling und deshalb als ein Feind empfunden, den man sich am besten ganz and gar vom Halse hält. Nicht selten hat dabei die Selbsthilfe zu entsprechenden Arbeitsniederlegungen, zu Boykott-, zu Tumulten mit blutigem Ausgang und gerichtlichem Nach- spiel geführt. Solche Vorgänge sind für die Maffenpsychologie zweifel- lvS immer sehr lehrreich. Di« Erregung über die Mongolenüber schwemmung lodert« in den kolonialen Gebieten mitunter sogar zu förm- lichen Ausständen und Straßenschlachten auf." Wie völlig bei solchen Gegensätzen gerade unter Arbeitern alle Völ- kerverbrüderungSmoral in die Brüche geht, lehrt ja besonders drastisch der Haß der amerikanischen Arbeiterschaft gegen Chinesen und Japaner, der noch leicht einen der größten Kriege aller Zeiten heraufbeschwören kann. In Amerika sind es die Vertreter des Kapitalismus, die für MenschheitSverbrüderung und Weltfrieden schwärmen, während die Ver treter der arbeitenden Klassen den Völker- und Nassenkrieg predigen. Wie sich doch Moralanschauungen wandeln, je nachdem die damit im Zu sammenhangs stehenden materiellen Interessen wechseln! Die Philo sophie Carnegies ist der der Bertha o. Suttner verwandt, aber der Demokrat Hearst ist der lauteste Rufer im Streit gegen mongolische Ein dringlinge. Im Wochenblatt der „New Parker Staatszeitun^" wurde ein mal ein mit ethisch-ästhetischen, aber auch wirtschaftlichen Gründen für die Chinesen eintretender Prediger wegen seiner „Liebessabbelei" arg mitgenommen. „Was die moralisch-religiös-brüderlichen Gründe un seres Predigers anlangt", hieß es da, „so vergißt er vollständig oder versteht es nicht, daß in unserer Gesellschaft ein Kampf besteht zwischen der Klasse der Besitzer und der Klasse der Arbeiter, und daß die Inter essen dieser Klassen vollständig verschieden sind. Ta ist kein Raum für seine christlich-sozialisiercnde Brüderlichkeit. Die Aufgabe der Arbeiter ist es, sich ihrer Haut zu wehren; das zu verteidigen, was sie haben; zu erobern, was sie noch nicht haben. Das ist die Moral der Arbeiter klasse, und diese gebietet ihr, sich gegen die Einwanderung der Chinesen zu wehren, weil diese Einwanderung die Lebenshaltung der Arbeiter gefährdet." Also um des lieben Komforrs willen werfen Arbeiter ihre Ver brüderungsideale sofort über Bord, wenn Arbeiter fremder Nasse mit ihnen in Wettbewerb treten! Dazu erwäge man, daß in China über die Greuel der im Interesse weißer Arbeiter durchgeführten Ausschließungs gesetzgebung Geschichten erzählt werden, die denen der Kongo-Reform- Assoziation über Kongogrcuel an Schanerlichkeit im großen und ganzen nicht nachstchen; dabei sind die Chinesen ein Volk von uralter Kultur, während der Kongoneger nicht viel über dem Tier steht. Nun wird man von sozialdemokratischer Seite behaupten hören, die amerikanische und jede ähnliche Art der Abwehr fremder Arbeitskräfte sei nur dort möglich, wo die Arbeiterschaft noch nicht genügend gewerk- schaftlich und politisch organisiert sei. Das läßt sich leicht in Deutschland behaupten, wo die Fremdenfrage noch recht, recht weit davon entfernt ist, eine annähernd gleiche Nolle zu spielen, wie in Amerika, Australien oder auch schon in der Schweiz. Bei näherem Zusehen gewahrt man aber auch in der deutschen Arbeiterschaft bereits Ansätze zu sich entwickelnden Nassengegensätzen. Es kann z. B. nicht zufällig geschehen, daß der „Vor- wärtS" von Zeit zu Zeit Agrariern und Jndustriebaronen Rück sichtslosigkeit gegenüber ^er Volk'"»s>indhoit vorwirft, weil sie auslän dische Arbeiter beschäftigen, durch die leicht Seuchen eingeschleppt würden. Wenn die Agrarier ihrerseits behaupten, die Einfuhr fremden Viehs schließe eine Seuchengefahr sür das heimische Vieh in sich, dann heißt's natürlich bei den Sozialdemokraten: „Ja, Bauer, das ist ganz was anderes." Man ist nicht so dumm, um sich vom Agrarier, der bessere Preise sür sein Vieh erzielen will, ein X für ein U machen zu lallen. Aber dieselben Täuschungsmittel wendet man doch an, um nicht bei einer Versündigung an seinen moralischen Grundsätzen ertappt zu werden. „Wir als die Vertreter der internationalen Sozialdemokratie", sagt der „Vorwärts" ein andermal, „wären die letzten, die rtwa eine Be schränkung der Freizügigkeit oder gar eine Sperrung der Grenzen for dern würden, was wir aber verlangen und was wir verlangen können, nicht nur im Interesse der Arbeiterklasse, sondern im Interesse der Ge samtheit, im Interesse der Kultur, ist, daß die ausländischen Arbeiter sich nicht dazu hergeben, die Löhne der heimischen Arbeiter zu drücken." Das ist im Grunde dasselbe. Ein wichtiges deutsches Maurerfachblatt, der „Grundstein", hat einmal des langen und breiten auseinandergesetzt, daß, wenn es gelänge, die in Deutschland arbeitenden Italiener auf die gewerkschaftliche Disziplin und die gewerkschaftlichen Arbeitsbedingungen zu verpflichten, das Unternehmertum kein Interesse mehr daran haben würde, sie unter Zurückdrängung der einheimischen Arbeiter zu beschäf tigen. Die italienischen Arbeiter wüßten aber sehr wohl, woran sie in diesem Punkte seien, und blieben deshalb den deutschen Organisationen fern. Das Blatt schließt: „Hier steht tatsächlich Interesse gegen Inter esse innerhalb der Arbeiterschaft selbst; ein Gegensatz, den man mit noch so energischer Berufung auf die internationale Solidarität der Arbeiter nicht überwindet." Also auch die deutsche Arbeiterschaft wird schließlich dahin gelangen, die Hilfe des Staates in Anspruch zu nehmen, um sich der Konkurrenz fremder Arbeitskräfte zu erwehren. Was ist das aber anders als „Machtpolitik", die sich gegen eine fremde Raffe richtet, um sie von einem Futterplatze zu drängen, den man der eigenen Brut sichern will. Diese Moral soll der Arbeiterklasse gewiß nicht verdacht werden, sie ist gesund, aber sie ist im Grunde genau dieselbe, die bei überseeischer Kolonisation Anwendung findet: die Moral einer Machtpolitik, die auf die Behauptung und Erweiterung des Nahrungsspielraumes des eigenen Volkes und gegen andere Völker und Rassen gerichtet ist, die einer sol chen Ausdehnung hindernd im Wege stehen. WiLhelmshöhe und Asehl. lVon unserem Londoner L.-Korrespondenten.j Es fehlt in der englischen Presse wieder einmal nicht an außerordent lich charakteristischen Zeichen, daß man von der Wilhelmshöher Entrevue bei weitem nicht wviel an positiven politischen Ergebnissen zu erwarten hat, als von der Begegnung in Ischl. Auf Kommando haben sämtliche Organe des Auswärtigen Amtes in langen Leitartikeln die Tage von Ischl als Etappe der Orientpolitik Englands gefeiert, unter Spendung ganz ungewöhnlicher Massen Weih rauchs für den greisen Kaiser Franz Josef. In ganz unvermittelter Weise wird als der „krönende Akt' seines Lebens seine gegenwärtige ungarische Politik bezeichnet. „Es gibt wieder ein einiges Oesterreich, welches einig bleiben wird." Vor Jahresfrist war die englische Politik ganz anders orientiert. Damals kroch das Auswärtige Amt vor den Ungarn, der König Eduard sah den Oppositionsführer Grafen Apponyi. England machte große Anstrengungen, Apponyis Verwandten, den öster reichisch-ungarischen Gesandten in London Grafen Mensdorff, an die zu bringen, welche heute Baron v. Aehrenthal einnimmt; denn Graf Mensdorff ist ein Vetter des Königs. Aehrenthal war zuerst be sonders unbequem, weil man in ihm einen überzeugten Anhänger des Dreibundes kannte, und weil man in dem ehemaligen Petersburger Ge sandten bis auf den heutigen Tag einen noch viel überzeugteren Ver ehrer der alten Dreikaiserbundspolitik vermutet. Aehrentyals Politik der russischen Intimität hat überdies den Zweck einer nationalen öster reichischen Balkanpolitik im Auge. Und hier ist der Punkt, wo sich die österreichische mit der praktischen englischen Tagespolitik schneidet. Englands Politik — das wird sich nach Oesfnung jetzt verschlossener politischer Informationsquellen deutlich zeigen — war In den letzten beiden Jahren wesentlich darauf gerichtet, die makedonische Frage zur Schwächling des Dreibundes zu benutzen, indem man italienische Emp- findlichkeiten und italienischen Ehrgeiz mit erworbenen Rechten Oester. reichS auf dem Balkan in Konflikt zu bringen suchte. In diesem Zu sammenhangs wurde auch die serbische Politik Englands gegen Oester reich und gegen Oesterreichs bulgarischen Freund Ferdinand dirigiert. Wie sehr England bemüht war und bleibt, Deutschlands Einflutz in Konstantinopel zu schwächen, ist bekannt. Wir haben schon im Früh sommer darauf hingewiesen, daß König Eduards italienischer Besuch den makedonischen Angelegenheiten galt. Man hoffte, die Einigkeit Rußlands und Oesterreichs einerseits und die Einigkeit Oesterreichs und Italiens anderseits in Balkanfragen zu stören, um damit den Gedanken, neben den Dreibund wieder den Treikaiserbund zu setzen, für immer zu stören. Wir wissen nun heute, daß Italien und Oesterreich sich dauernd über die albanische Frage geeinigt haben. Wir haben die stillschweigende Verlängerung des Dreibundes erlebt und sind Zeugen der Swinemündcr Zusammenkunft gewesen. Wir willen ferner, daß Oesterreich und Ruß land völlig über die makedonische Frage einig sind. Und Ferdinand von Bulgarien ist österreichischer Ehrenoberst geworden. Tas Bemühen, vom nahen Orient aus das Einvernehmen der mitteleuropäischen Mächte zu stören, ist völlig gescheitert. Baron Aehrenthal und Fürst Bülow sind auf dieser Linie des englischen Schachbretts Sieger geblieben. In der Wiener Hofburg aber ist man seit dem Vorjahre ernstlich gegen die englischen Quertreibereien verstimmt. Speziell der Kaiser Franz Josef bat unzweifelhafte Anzeichen des Mißvergnügens gegeben. Man hat sich von London aus die größte Mühe gegeben, durch persönliche Liebens würdigkeiten diese Stimmung zu beseitigen. Ter „Daily Telegraph" sagt nicht mit Unrecht, daß König Eduard die beste Kenntnis von den Charak teren der einzelnen Monarchen in Europa besitzt und zu nützen weiß. Es hat aber alles nur wenig geholfen. Deshalb geht derAönigjetzt persönlich nach Ischl, um dort in aller Form mit Be zug auf Makedonien pat:er pooaavi zu sagen. Sir Edward Grey hat kürzlich die englischen Extremisten der libe ralen Partei, welche die Autonomie Makedoniens anstreben, kurz und bündig abwcisen müssen. Und die Presse des „Foreign Office" hat jetzt klare Order erhalten, zur Ebnung der nach Ischl führenden Wege fol gendes zu erklären: „Unser einziges Interesse in Makedonien ist die Herstellung zivilisierter Zustände in dieser Region, ohne den internatio nalen ststri8 quo zu stören oder die Souveränität des Sultans zu be drohen oder spezielle Vorteile für uns selbst oder unsere näheren Nach barn zu suchen." Ter nähere Nachbar ist Frankreich. „Makedonien liegt uns fern sgio!), für das habsburgisa;e Reich und das Zarentum steht das makedonische Problem auf der Schwelle der Interessen beider Mächte. Wir zweifeln nicht, daß die Begegnung unseres Königs mit dem Doyen der europäischen Monarchen den schwächsten Schatten eines mög lichen Mißverständnisses über diese Punkte beseitigen und die britische Diplomatie wieder in den Stand setzen wird, Schritt für Schritt mit der Wiener Diplomatie zusammenzugehen, um die harmonische Wirk samkeit in dem Konzert der großen Mächte zu erhalten und die langsame aber sichere Lösung des Balkanproblems zu fördern." Mit anderen Worten, England gibt jetzt seine Orientpolitik auf, um den Dreikaiser bund zu verhindern. Daß es auch wirklich geschieht, und damit anderseits für Oesterreichs russische Politik nichts Hinderliches in Ischl vor sich geht, zu diesem Zwecke läßt sich Kaiser Franz Joseph Heuer von Aehren thal zu dem Interview begleiten, was im vorigen Jahre nicht der Fall war. Der plötzliche Kotau der englischen Presse beweist, daß man sich des Erfolges nicht so sicher fühlt. Für Wilhelmshöhe bereitet sich die englische Politik ganz anders, mit feineren Mitteln vor. Man weiß in London ganz gut, daß dem Berliner Hof eine gute englische Presse ganz gleichgültig ist, daß hingegen gesellschaftliche Artigkeiten auf einen guten Boden fallen. Daher der Trinkspruch in Cowes. Dem Deutschen Kaiser, als Mitglied der Royal Pacht Squadron in Cowes, ist bekannt, daß in Trinity Castle durch die Etikette eigentlich nur ein Trinkspruch gestattet ist. Er lautet: „Ttm ^ckmiral c>k tRs Zqurrckron." Tas ist natürlich der englische König. Das Abweichen von der Regel ist allein schon eine Liebenswürdigkeit. Alle englischen Zeitungen haben diesen Trinkspruch abgedruckt. Keine einzige hat ein Wort des Kommentars dazu gefunden. Eine ernstliche Er örterung der Wilhelmshöher Entrevue hat überhaupt noch nicht statt gefunden. Tas Auswärtige Amt hat unzweideutig abgepfisfen. Sogar die genaueren Angaben über die Teilnahme der Kaiserin an dem Besuch in Windsor sind ohne jedes höfische Kolorit, das sonst den demokratisch sten Blättern hier gar leicht von der Hand geht, veröffentlicht worden. So herzlich der König sein privates Auftreten in Wilhelmshöhe vor bereitet, so kühl bleibt alles, was von der offiziellen Instanz abhängig ist. Mit anderen Worten: Das „Foreign Office" ist sich darüber klar, daß die persönlichen Liebenswürdigkeiten in Wilhelmshöhe politisch nichts erreichen können. Bestenfalls werden sie das persönliche Verhältnis der beiden Monarchen verbessern. Die eigentlich diplomatilchen Beziehungen werden jetzt, nachdem die englischen Quertreibereien im nahen und auch im fernen Orient vorläufig gescheitert sind — dies wird ber Tert des anglo-russischen Vertrages zeigen —, besser werden. Aber weder wird man sich in Berlin von der Ueberzeugung abbringen lassen, daß Eng lands Hauptsorge auch jetzt noch auf die Verhinderung einer intimeren Annäherung der Ostmächte gerichtet bleibt, noch wird sich an diesen englischen Bemühungen das geringste ändern. Deutsches Reich. Leipzig. IS. August. * Ter König von Liam in Braunschweig. Gestern morgen fand in Braunscbwe'ig zu Ehren des Königs von Siam aut dem großen Exerzierplatz eine militärische Hebung statt unter dem Kommando deS Kommandeurs der 40. Infanterie-Brigade, Generalmajors v. Pritzelwitz, an der das braunschweigische Infanterie-Regiment Nr. 92, das Husaren- Regiment Nr. 17 und 2 Batterien des Feldartillerie-Regiments Nr. 46 aus Woll'enbüttel teilnahmen. Der Nebung wohnten der Herzog-Regent mit Gemahlin, der König von Siam mit dem Prinzen Paribatra unv die beiderseitigen Gefolge bei. Eine ungeheure Zuschauermenge halte sich eingefunden und begrüßte die Fürstlichkeiten lebhaft. An die Gefechtsübung schloffen sich Exerzitien. Die Uebungen endeten init einem Parademarsch. Darauf unternahmen die Fürstlich keiten eine Rundfahrt durch die Stadt und begaben sich dann nach dem Rathau'e. An reffen Portal wurden sie von dem Magistrate der Stadt empfangen. Der Oberbürgermeister hielt eine Begrüßungsansprache an den König von Siam in deutscher Sprache, die der Herzog-Regent Johann Albrecht dem König ins Englische übersetzte. Der König sprach in seiner Erwiderung seinen Dank aus. Er besichtigte dann die Räume des Rathauses. Der Herzog-Regent hat dem König von Siam und dem Prinzen Paribatra das Großkreuz deS Ordens Heinrichs des Löwen ver lieben. Am Nachmittage wird der König von Siam verschledcnen Uebungen der Feuerwehr beiwohnen, woran sich solche der Turner an schließen werden. Abends 9 Uhr findet in Burg Dankwarderode ein Konzert der Hoskapelle statt. * Fürst Ralwlin beim Reichskanzler. Die .Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet: Der Fürst von Radolin ist in Norderney an» gekomiMn und folgte einer Einladung deS Reichskanzler- zu Tische. — 'Bemerkenswert ist die offiziöse Mitteilung dieses Besuches des deutschen Botschafter« bei ver französischen Regierung. * Vom eucharistischen Kvnaretz. Auf ein Telegramm deS Kardinals Vannutcllr lief am Sonntag folgende telegrarhi che Antwort vom Kaiser ein: „Ich danke Euerer Eminenz sür die Mitteilung Ihrer Ankunft in Metz, um al- Delegat Seiner Heiligkeit dem eucharistische»
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