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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070815013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907081501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907081501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-15
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Bezvg-.Prrrr str L^ta »nd 8»rorr» d»«ch «^r« trlger unv Sp»dit«»r« tnt Hau» gebracht; Uutgnb« L (nur morainl) viertrljährltch 3 M., monatuch 1 vt.; <»«gakx U (morgen« und abend«) jährlich 4.50 M., monatltch I.SO M. Vurch dt« Post bezogen: (st mal tSgltlb) innerhalb Teutschlandl und der deullchcn stolonien vierteljährlich 5.2S M-, monatlich 1,7S M. autschl. Post, bestellgeld, für Oesterreich 8 kl Sv n, Ungar» ö L vierteljährlich. stlbonnement-Ann-bme: stlugustu-vlatz 8, bei unleren lräaern, Mlialen, Spediteuren »ud AuuLhmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzeln« Rümmer kostet 1k Pfg. Redaktion und Expedition: Johannirgasje 8. Lelevbon Rr. 14SS2, Nr. 14SS8. Nr. 14SS4. Berlin«» Nedakttonb-ivurran: Berlin bi^V. 7, Prinz Loui« Ferdinand- Straße I. Telephon I, Rr. S27S. Morgen-Avsgabe 8. WpMcrTagMM Haudelszeitvng. Ämtsvlatt des Rates »«- -es Vatizeiamtes -er Lta-t Leipzig. AnzeigenPreiß stlr Anlerate au« Leipzig und Umgebung di« SaespLlten« Petitzelle B Pf., knaaziill« Nnzetg«» Sv Pf., Reklamen 1 M.; vou aulwärt« SV Pf., Reklamen 1.20 »omklurland SVPs., stnanz. Anzeigen 70 Pf., Reklamen 1.SV M. Inferat« ». Behärdeu tm amtlich«» Teil 40 PI Beilagegebüür S M. p. Laufend exkl. Post, gebühr. Sefchästtanzcigen au beoorzugtrr Stelle im Preise erhäht. Rabatt nach Tarif. Fefterteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird krin« Garantie übernommen. «neigen-Annahme: Augustu«platz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonc«»- Ekpeditionrn de» In- und Ausland«». Paupt Filial« iverlio: Earl Dunck: , Herzog!. Bayr. Hosbuch- Handlung, Lützowstraße 10. (T«l«phon VI, «r. 4S08). Nr. 225. DonnevStag 15. August 1907. Das wichtigste vom Tage. * König Eduard ist gestern mittag mit dreistündiger Ver- spätunginWilhelmshöhe eingetroffen und wurde mttgroßen Ehrenbezeugungen empfangen. Die Weiterreise nach Ischl er folgt abends 11^4 Uhr. sS. Art. Seite 8.) * Heute findet das 20jährige Regierungsjubiläum des Fürsten Ferdinand von Bulgarien statt. Die Feier ist auf den 28. August verschoben, weil die Trauerzeit um die Mutter des Fürsten noch nicht beendigt ist. (S. Art. u. Ausl.) * Die sozialdemokratische Landeskonferenz für Sachen wurde gestern geschlossen. lS. Dischs. R.) * Ein in London zu Besuch weilender französischer Kriegs schüler, der auf dem Uebungsplatz der Batterien des Artilleriereqiments Nr. 5 photographische Aufnahmen machte, wurde unter dem Ver dacht der Spionage verhaftet. * Die amerikanischen Telegraphengesellschaften lehnen jede Vermittlung in dein Streit mit ihren streikenden Angestellten ab. lS. Ausl.) * Auf das französische Lager bei Casablanca sind von den Marokkanern wiederholte neue Angriffe gemacht worden. lS. Ausl.) * Rechtsanwalt Dr. Oppenheimer veröffentlichte zum Fall Hau eine Erklärung. lS. Neues a. a. Welt.) Die Landtaasrvahltaktik der Sozialdemokraten. Daß die Sozialdemokraten auf ihrer Landesversammlung sich gegen oie Hohenthalsche Wahlrechtsreformvorlage aussprechen würden, war vorauszusehen, da ein wesentlicher Punkt ihres Parteiprogramms die Forderung ist, daß das allgemeine gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, wie es für die Wahlen zum Deutschen Reichstag gilt, auch für die Ein zellandtage der Bundesstaaten eingeführt werde. Von diesem Stand punkt aus betrachtet, hat der Beschluß der Landesversammlung keine be- sondere politische Bedeutung. Wesentlich wichtiger ist dagegen auch für die bürgerlichen Parteien die Tatsache, daß auf der sozialdemokratischen Landeskonferenz die „Possibilisten" in der sächsischen sozialdemokratischen Partei endgültig unterlegen sind. Anfang Mai, also lange bevor die Reformvorlage der sächsischen Regierung bekannt war, wurde in der „Sächsischen Arbeiterzeitung" der Vorschlag gemacht, die Sozialdemokratie solle in dem diesjährigen Wahl- kämpfe, der wahrscheinlich über das Schicksal der Reform des Wahlrechts auf lange Zeit hinaus entscheiden werde, gegebenenfalls auch Liberale gegen Konservative unterstützen. Der praktische Zweck und der Wert dieses Vorschlages für die Sozialdemokraten in Sachsen lagen — so hätte man meinen sollen — auf der Hand. Nichtsdestoweniger muhte sich die Arbeiterzeitung sofort zahlreiche bittere, zum Teil gehässige Angriffe von demjenigen Flügel der Partei gefallen lassen, der in der „Leipziger Volks- zeitung" seinen geistigen Führer sieht; aber sie verteidigte ihren Stand punkt ebenso entschieden wie geschickt, indem sie schrieb: „Wir wollen von der Wahlrechtsreform nicht nur retten, was zu retten ist, wir wollen vor allem der Gefahr vorbeugen, die dem sächsischen Volke von einer übermächtigen konservativen Reaktion in der Zweiten Kammer des Landtages droht, über deren Gemeingefährlichkeit nie mand mehr im Zweifel sein kann. Unsere Vorschläge eröffnen einen Weg, die volksfeindliche konservative Uebermacht zu schwächen oder ganz zu beseitigen. Für die Partei ist ja bei den Landtagswahlen die Sache bitter einfach. Wir haben, wo wir überhaupt in der Lage sind, Einfluß auszuüben, nur die Wahl zwischen dem größeren konservativen und dem kleineren liberalen oder freisinnigen Uebel. Folgen wir der „Leipziger Volkszeitung", so wird die konservative, Wahlrechtsreform- feindliche Mehrheit gestärkt; folgt die Partei unseren Anregungen, so wird diese volksfeindliche Mehrheit, allerdings zum Vorteil der Links- liberalen oder Freisinnigen, geschwächt oder beseitigt. Für den Aus fall der Wahlrechtsreform kann das von erheblicher Bedeutung wer den. Denn die schlimmsten Feinde jeder Wahlrechtsreform waren von jeher die Konservativen. . Schon damals — in Nr. 128 vom 9. Mai — äußerten wir unsere Zweifel über die Aussichten des Possibilismus in der sächsischen Sozial- demokratie, da „die Zeichen nicht dafür sprächen, daß Vorschläge von dieser Seite bei den Parteigrößen ein geneigtes Ohr finden würden." Diese Ansicht ist durch den Verlauf der Landeskonferenz voll und ganz bestätigt worden. Außer dem Reichstagsabgeordneten NoSke-Chemnitz, der sich schon wiederholt die Ungnade der Parteipäpste dadurch zuge- zogen hat, daß er auf Kosten des Utopismus praktische Politik zu treiben versuchte, hatte eigentlich niemand etwas für den Dresdner Vorschlag übrig. Die Sozialdemokraten verzichten also darauf, in einigen Wahl kreisen zugunsten der Wahlrechtsreform die Rolle deS „Züngleins an der Wage" zu übernehmen, sie wollen auch fernerhin grollend beiseite stehen. Sie fordern alles oder nichts: entweder das Reichstagswahlrecht für den Landtag — oder wir spielen nicht mit. Die Entscheidung zeugt mehr von Temperament als von reifem politischen Urteil, «ud die Sozialdemo kratie ladet damit eine Verantwortung auf sich, für die den Genossen offenbar daS Verständnis vollkommen abgeht. Dem Beschlüsse wohnt aber auch ein« gewisse symptomatische Bedeu tung inne. Hier wie in der konservativen Partei hat der Revisionismus eine vernichtende Niederlage erlitten. Unsere Zeit ist einer Verwässerung der Parteigegensätze nicht günstig, sie drängt zu einer entschiedenen klaren Stellungnahme im politisch« Leb«. Arrirr 2vjLhrigen Regierrrrigs-IubiLarrin -e» Fürsten Ferdinand von Bulgarien. Am 23. Mai 1906 beging Rumänien unter besonderen Festlichkeiten und unter Teilnahme ganz Europas das 40jährige Regierungsjubiläum des Königs Carol, jenes weisen Fürsten, der unter mannigfachen Fähr- lichkeiten in einem Leben voll Arbeit und Mühe das ihm anvertraute Land aus einem unentwirrbar scheinenden politischen und wirtschaftlichen Chaos zu hoher Blüte gebracht hat. Heute, am 15. August, begeht auch Bulgarien ein ähnliches Jubiläum: den Tag, an welchem Fürst Ferdi nand vor 20 Jahren die Regierung des Landes übernahm. Weder König Carol noch Fürst Ferdinand war eine Krone in die Wiege gelegt. Durch die freie Wahl eines Volkes wurden sie zu der hohen Stellung berufen, die sie nun schon so lange bekleiden, und in der sie Freud und Leid mit denjenigen teilen, von denen sie erkoren wurden. Für Rumänien wie nicht minder für das nach dem letzten russisch-türki- schen Kriege entstandene Bulgarien war „ein fremder Prinz" eine Not wendigkeit. Aber während in Rumänien das Experiment — freilich nicht ohne die schmerzlichsten Erfahrungen für den jungen Hohenzollern- prinzen, der in den ersten Jahren seiner Regierung mehr als einmal nahe daran war, der Krone wiederum zu entsagen — sofort gelang, mußte in Bulgarien es zweimal unternommen werden. Und während heute die rumänische Dynastie unerschütterlich begründet steht — selbst die Wogen der Bauernrevolte im Frühjahr dieses Jahres erstarken vor den Stufen des Thrones — sind die Schwierigkeiten, mit denen der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha-Kohary zu kämpfen über nahm, als er den Fuß auf bulgarischen Boden setzte, noch nickt völlig überwunden. Mer wenn heute die Glocken in der alten bulgarischen Zarenstadt Tirnovo zur Feier des Jubiläums läuten, dann jubelt auch das bulgarische Volk dem Fürsten Ferdinand in aufrichtiger Ergeben heit zu und bringt ihm den reichverdienten Dank dar für alles das, was er in den 20 Jahren seiner Regierung für die Wohlfahrt und den Fort schritt des Landes getan hat. Man erinnert sich noch der überaus schwierigen Situation, in wel- cher sich Bulgarien befand, als es nach der durch russische Intrigen her beigeführten Abdankung des Prinzen Alexander von Battenberg ver geblich überall bei den Fürstenhöfen Umschau nach einem neuen Fürsten hielt. Jede Jürstenfamilie scheute sich vor einem Konflikte mit Ruß land, der unausbleiblich schien, wenn einer der ihrigen die bulgarische Fürstenkrone aus der Hand Stambulows entgegennahm. Im bulgari schen Volke anderseits lebte tief die Dankbarkeit gegen den durch eine Hand voll bestochener nud verführter Verschwörer gestürzten jugend schönen ersten Bulgarenfürsten, der seine junge Armee zu Sieg und Ruhm geführt hatte; die Führer der Nation standen in bitterer Fehde mit Rußland, weil es Bulgarien zu einer russischen Satrapie machen wollte und den leidenschaftlich verehrten Fürsten Alexander verjagt hatte, während sie doch auch die Pflicht der Dankbarkeit nicht verkannten, welche Bulgarien dem großen Zarenreiche schuldete, da dieses es von der tür kischen Herrschaft befreit hatte. Es gehörte für den Prinzen Ferdinand ein unverkennbarer Mut dazu, trotzdem die dargcbotene Krone sich aufs Haupt zu setzen, die so leicht zur Dornenkrone werden konnte. Mit dem frischen Wagemute der Jugend bot er aber allen Schwierigkeiten die Stirn. Von dem weisen Rate seiner klugen Mutter, der im letzten Jahre verstorbenen Prinzessin Clementine, unterstützt, übernahm er die schwere Aufgabe, die seiner am Ufer des Jsker wartete. Man hat in der europäischen Presse lange Jahre von dem Fürsten Ferdinand geringschätzig gesprochen und ihn im bunten Wechsel einmal als den Handlanger Stambulows hingestellt und das andere Mal für alle Maßnahmen, wenn sie nicht den Beifall der Menge fanden, verant wortlich gemacht. Neun lange Jahre vergingen, bevor der Fürst, bis dahin von allen Seiten ständig angefeindet, vom Sultan die Bestätigung seiner Wahl empfing und darauf endlich auch als Fürst von den Ver tragsmächten anerkannt wurde. Und doch kam er von den besten Wünschen beseelt und mit einem reichen Arbeitsprogramm nach Bulgarien. Das Land, dessen Geschicke man ihm anvertraut hatte, immer größerer Wohlfahrt und Zivilisation zuzuführen, darin gipfelte sein Ehrgeiz, und rastlos arbeitete er an dieser Aufgabe. Daß diese Tätigkeit, die ja nicht gleich erfolgreich sein konnte, außerhalb Bulgariens so wenig in die Augen sprang, war das Unglück in den ersten Regierungsjahren Ferdinands. Indem er, mit der hohen Politik noch wenig vertraut, diese ganz der Leitung Stambulows über ließ und sich zunächst auf das rein wirtschaftliche Gebiet beschränkte, wurde er von dem Ruhme Stambulows in den Hintergrund gedrängt. Mer heute verdient es allgemein bekannt zu werden, daß auf seine Jni- tiative hin Bulgarien 1889 begann, mit allen Staaten Handelsverträge abzuschließen, durch welche Handel und Verkehr in dem jungen Staate eine mächtige Förderung erfuhren. Er begünstigte ferner die Gründung von Fabriken, wobei er mit überraschender Kenntnis der Bedürfnisse des Landes verfuhr, er setzte, nicht ohne manchen harten Kamps mit Jnteressenjägern, den Bau von Eisenbahnen durch, vermehrte das Tele graphennetz und war einer der ersten, die das Nutzbringende der Ein führung des Telephons für den allgemeinen Verkehr erkannten. Auch dem Heere widmete er seine Fürsorge, und die häufigen Reformen in dessen Organisation sind nicht ohne seine tatkräftige Mitwirkung zustande gekommen. Die Geschichte der Ermordung Stambulpws wird noch zu schreiben sein. Sie wird kein Ruhmesblatt m den Annalen der panslawistischen Propaganda bilden. Schwere Vorwürfe hat aus Anlaß dieser Bluttat Fürst Ferdinand zu hören bekommen, ja man scheute sich sogar nicht, ihn der Mitschuld zu zeihen. Indessen all das, was damals geschrieben und gesprochen worden ist, fußte doch einzig und allein auf den harten Aeuherungen, welche Stambulow nach seiner Entlassung über den Fürsten tat; der Fürst selbst steht turmhoch über allen Verdächtigungen. Es hatte ihm wahrlich keinen leichten Entschluß gekostet, sich von dem zielbewußten und energischen — oft freilich auch „u energischen — Stam- bulow zu trennen, und oft hatte er das entscheidende Wort wieder hinausgeschoben. Aber als der politische Karren schließlich zu fest ge- fahren war, und als der an höfische Umgangsformen nicht gewöhnte Stambulow das ihm als Ministerpräsident zustebende Reckt, Zeuge bei der Geburt de- Thronfolgers zu sein, in geradezu brutaler Weise aus übte, so zwar, daß für die hohe Wöchnerin eine kurze Zeit Lebensgefahr bestand, da mußte schließlich der schwere Schritt getan werden. Fürst Ferdinand, welcher in den 7 Jahren, in denen er mit Stambulow ge- arbeitet hatte, genügend Zeit gefunden hatte, in der hohen Politik heimisch zu werden, machte nach der Entlassung Stambulows auch auf diesem Gebiete seine« Einfluß geltend, und seinen Bemühungen gelang eS ja 1Ü1. Jahrgang. dann schließlich auch, die Versöhnung Bulgariens mit Rußland herbei zuführen. Seitdem hat er sich mit großer Gewandtheit auf dem glatten Parkett der hohen Politik bewegt, und heute gibt cs Wohl niemanden mehr, welcher dem Fürsten Ferdinand das Zeugnis eines der geschick testen Diplomaten versagen würde. So sehen wir heute, daß der Fürst von allen Staatsoberhäuptern auf das Sympathischste behandelt wird, daß er sich überall Achtung und Vertrauen erworben hat. Sein Heer ist gut organisiert und ausgebildet, und wenn dem Fürsten häufig die Absicht zugesprochen wird, sein Kriegs glück gegenüber der Türkei zu erproben, so beweist die Tatsache, daß er trotz der Schlagfertigkeit des Heeres all die Jahre hindurch den Frieden aufrecht erhalten hat, daß er nicht gewillt ist, sich auf Abenteuer ein zulassen. Auch die Finanzen befinden sich in einem guten Stande, Han- del und Verkehr blühen, und wenn man das junge Staatengebildc da unten bereist, trifft man überall Zeugen raschen kulturellen Fortschrittes. Wenn Fürst Ferdinand all das heute überblickt, so darf er einen her vorragenden Teil an dem Verdienste daran sich selbst zuschreiben. Deutsches Reich. Leipzig, 15. August. b. Biedermanns Spiestgescllen. Bekanntlich war in Ser Strassacke wegen Betrugs gegen ven Polen Martin Biedermann, die im April deS JabreS vor dem Lanvgericht in Schneidemühl beendet war, fest- gestellt, daß der Angeklagte sich einer Anzahl Deutscher mit gut klingen den deutfchcn Namen becienl hat, die sich von ihm gegen Entgelt bei dem An» und Berkaus von Gütern als Käufer haben vorschieben lassen, wenn ein deutscher Verläufer seinen Besitz nicht an einen Polen, sondern an einen Deutschen verkaufen wollte. Zu dieser Rolle baden sich leider auch ciniae, noch dem Oifiziersstaude angehörige Personen bercitfinden lassen. Wie wir hören, wird nunmehr gegen den Major a. D. Hintze in Bromberg und gegen ven Hauptmann a. D. Bcrger-Langeselvt in Berlin ehrengerichtlich vorgegangen werden, weil sie mit dem Polen Biedermann zum Zwecke der Vermittlung des Uebergangs deutscher Besitzungen in polnuche Hände in Geschäftsverbindungen gestanden haben. * Tic schleewigscheii Tunen. Die politische Organisation der Dänen in Nordschlcswig hat folgende Erklärung veröffentlicht: Indem wir der Zusage des Herrn Oberpräsidenlen v. Bülow, er wolle der dänischen Bevölkerung NordschlcSwigS mit Vertrauen entgegenkommen, unsere volle Würdigung auSfprcchcn nud erwarten, daß er das ihm anvertrante hohe Amt in gleicher und vcrantworllicher Weise verwalten werde, eihebcn wir energischen Einspruch gegen die von einem kleinen fanaliichen Agitationsaus- ichuß verursachte Aufreizung des deutfchen Volkes. Den groben Unwahr heiten gegenüber, welche in der letzten Zeit in ganz Deutschland ver breitet wurden, erkläien wir: Die dänische Bevölkerung in Nordschleüwig entfallet keine LosreißungSbestrebungcn und treibt keinen Boykott. Cie steht auf dem Boden der Verfassung und ver bestehenden Grenze und entfaltet nur gesetzlich erlaubte Be- strebnlmen zur Verteidigung und Erhaltung ihrer ererbten Nationalität." — Hoffentlich wird's wahr! * Zu Naumanns Wahlfeldzug. Dir „Nat.-Lib. Korre." verteidigt sich gegen Naumanns Verdächtigung natioualliberaler Wahlreformsreundschast: Die nationalliberale Partei denkt gar nicht daran, das Aufsteigen der Uablb.wegung zu hemmen. Wo in aller Welt ist auf nationalliberaler Seite au gesprochen worden, daß man sich einer Wahlrechtsreform in Preußen hemmend in den Weg stellen wolle? Dir nationalliberale Fraktion des preußischen Abgeordnetenhauses hat zu wiederholten Malen rednerisch und durch Anträge bezeugt, für wie dringend verbesserungsbedürftig sie das preußische Wahlrecht kält. Der R.ichstagsabgcordnete Naumann möge doch nur Nachlesen, was der nationalliberale Abgeordnete Dr. Kraule am 23. März 1006 im preußischen Abgeordneter Haufe gesagt hat. Er erklärte damals mit Bezug auf die zur Beratung stehenden Gesetzentwürfe der Regie- rung über unerhebliche Aenderungen der Zahl der Abgeordneten und des Wahlvcrfahrens, die vom damaligen Minister des Innern v. Betbmann-Holl- weg mit der wohl noch in Erinnerung befindlichen „philosophischen Rede" bcfürwortet wurden: ' « „Ich lege das Hauptgewicht darauf, hier von vornherein namens meiner sämtlichen politische» Freunde zu erklären, daß wir in dem uns vorgelrglcn Gesetz auch nicht den kleinsten Anfang einer Wahlreform erblicken, sondern... ein Flickw.ri, ein Flickgesetz allergeringsten Grades." Dieselbe Korrespondenz beruft sich für ihre Zurückweisung des Naumannschen „Radikalismus" auf die „Voss. Z.": „Wir Kegen auch einige Zweifel, ob nationalsoziale Eiferer, die sich an scheinend für die Alternauoe begeistern „alles oder nichts", in der Praxi; nach dieser Richtschnur handelu würden, wenn die Vorlage des Fürsten Bülow die Klasseneinteilung, die indirekte Wahl und die öffent liche Abstimmung beseitigte, gleichwohl aber in einzelnen Punkten hinter dem Reichswablrecht zurückbliebe. Wir selbst sind nicht geneigt, uns im voraus auf die Ablehnung jedes Entwurfs zu binden, der nicht vollkommen mit dem Reichswahlrecht übereinstimmt; inögticheiwelje ist das Ziel eist i i Etappen u erreichen, wie auch das heutige Wahlrecht in England nicht mit einem Schlage, sondern durch eine Reihe von Akten der Gesetzgebung ges . assen worden ist." -s- Sozialdemokratische Landeskonferenz. Bei der Debatte über die Wahlrechtsfrage und die nächsten Landtagswahlen warnte u. a. der Redakteur der „Sächs. Arbcitcrztg.", Riem, die Liberalen vollständig vor sich abzustoßen, wenn sie sich für das gleiche, geheime, allgemeine, direkte Wahlrecht erklärten. Schon aus Zweckmäßigkeitsgründen müßte man eine solche Möglichkeit erwägen. Mit dieser „Gefühlspolitik" hatte Niem aber den Zorn der Radikalsten entfacht. Sofort erhob sich Abg. G e ye r - Leipzig und warf ihm „JUusionspolitil" vor. Tie Liberalen hätten überhaupt keine politische Bedeutung mehr und 'hre Mandate seien nur mit Hilfe anderer Parteien errungen worden. Mit ihnen und den Reformern könne die Sozialdemokratie nie paktieren. Während Staatsminister v. Metzsch von den Konservativen ins Amt ge- bracht worden sei und ihr Helfershelfer gewesen, seufze die jetzige Re. gierung unter dem Drucke dieser Konservativen. Den Kampf gegen diese könne nur mit Hilfe der Sozialdemokratie geführt werden. Auch der frühere Reichstagsabgeordnetc für Löbau, Buchhalter Sindermann, lehnte jedes Paktieren ab. Die Sozialdemokraten würden die größten Toren sein, wenn sie die Linksliberalen unterstützten. Auch der Vor sitzende, Redakteur Fleißner, polemisierte gegen die Liberalen. Der Kampf um das Wahlrecht sei nur ein Kampf um die Wurst zwischen Konservativen und Nationalliberalen. Reichstagsabgeordneter Geyer führte daraufhin noch aus, daß es im nächsten Landtage überhaupt gar nicht zu einer Wahlreform kommen werde. Es handle sich nur um eine abermalige Verschleppung dieser Sache. Tas allgemeine Wahlrecht werde nur durch einen Druck aus dem Volke heraus erreicht werden. Mit Flinten und Pulver könne man di« Sozialdemokratie nicht schrecken. Sie werde weiter demonstrieren für das Wahlrecht. In welcher Weise dies geschehen wird, sei Sache weiterer Erwägung. Reichstogsabgeord- neter N o s k e - Chemnitz vertrat den Standtpunkt Riems. Wenn man immer erkläre: „Di« Bürgerlichen sind unsere Todfeind«, ihnen gilt
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