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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070819024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907081902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907081902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-19
- Monat1907-08
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Abend-Ausgabe S. Bezug--PreiS sür Leipzig und Bororte durch unser« Träger und Spediteure in« Hau» gebracht: Ausgabe ä (nur morgen«) vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M.: Ausgabe li (morgen« und abend«) viertel» jährlich 4.50 M., monatlich USO M. Durch die Poft bezogen (2 mal täglich) innerhalb TculichlandS und der deutschen Kolonien vierteljabriich S,2S W., monatlich 1,7S M. an-schl. Post bestellgeld sür Oesterreich 9 L 66 d, Ungarn 8 ii vierteljährlich. Abonnemcnt-Annadinc: AuguftuSplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 Pfg. Redaktion und Expedition: Johannisgasse 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. 14694. Berliner Redaktion« Bureau: Berlin di^V. 7 Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 9275. MpMtrTWMM Handelszeitung. Amtevlatt des Rates und des Rolizeiamtes der Stadt Leipzig. 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R.l * Bebel hielt gestern zur Eröffnung des internationalen Sozialistenkongresses in Stuttgart eine Rede. >I. Tgssch.s * In Eisenach wurde gestern der Deutsche Jnnungs- und Handwerkertag eröffnet. lS. Dtschs. R.s * Die Leiche Joseph Joachims wurde gestern abend in der Berliner Hochschule aufgcbahrt. * Unter den marokkanischen Stämmen nimmt die Uneinigkeit zu, so daß die Gefahr weiterer Verwicklungen geringer geworden ist. (S. Ausl.l Tagesschau. Vom internationalen sozialistischen Kongreß. ' >V. Stuttgart, 18. August. In Ergänzung zu dem bisherigen kurzen Bericht wird uns ge schrieben: Die internationalen Gäste können mit dem Empfang in der schwäbischen .Haupt- und Residenzstadt wahrhajtig zufrieden sein. Bei ihrer Ankunft finden sie auf dem Bahnhof, gleich neben dem Wartc- ialon für die Fürstlichkeiten, einen mit Girlanden geschmückten Empfangsraum, am Ausgang des Bahnhofs prangen Masten mit Flaggen in Stuttgarter und württembergischen Farben, daneben ein Riesenplakat: „Internationaler sozialistischer Kongreß, 18.—21. August", sodann kennzeichnet ein Spalier von Fahnen nnd Flaggen den Weg nach dem Kongreßbansc, der festlich geschmückten Liedcrhallc, deren Umbau und Verschönerung erst vor wenigen Wochen beendet wurde, so daß die Sozia listen das renovierte Gebäude gleichsam cinwcibcn. Tie Liedcrhalle, eine der bedeutendsten Schöpfungen des um Stuttgarts bauliche Ent wicklung hochverdienten Meister Leins, enthält einen der größten uuo schönsten Säle Deutschlands, darin finden die Hauptversammlungen des Kongresses statt; die verschiedenen Nebensäle sind den einzelnen Nationen sür ihre Sonderkonferenzen zugewiesen: den Deutschen der „Konzeci- saal", den Oesterrcichern nnd Böhmen der ihnen besonders sympathische „Mozartsaal", den Briten der „Schillersaal", den Franzosen der ,,'Beet- bovensaal", den Russen der „Uhlandsaal", den Belgiern der „Hauff saal" usw. Ein Saal ist als Lesezimmer und zur Ausstellung sozialistischer Literatur eingerichtet, ein anderer als Schreibzimmer. Die erste S'tzung in der Liederhalle hielt am Freitag nackmitkag das Internationale svzlo- listische Bureau unter Vandcrveldes Präsidium ad. Hierzu waren er- schienen: Singer, Bebel und Kautsky aus Deutschland, Jaures, Vaillant nnd Lonyet aus Frankreich, Vandervelde, Anseele und Huqsmans aus Belgien, Rosa Luxemburg, Lenin und Roubanowitsch als Delegierte Rußlands, Hyudmann und Hvbson aus England, Dr. Adler und kläret aus Oesterreich, Nemec und Soukop aus Böhmen, 'ran Kol nnd Troelstra aus Holland, Rakowsky aus Rumänien, Saklavw aus Bulgarien, Bolt ans Armenien, Diaman und Walcki aus Polen, Olten und Wigman aus Dänemark, Iglesias aus Spanien, de Leon und Hillquitt aus den Vcr- einigten Staaten Nordamerikas und Eannri und Ugarte aus Argen tinien. Das Bureau lehnte den Wunsch der Sozialisten Kubas, ihre Stimme Spanien übertragen zu dürfen, mit der Begründung ab, datz jedes Land sich nur durch eigene Delegierte vertreten lassen könne. Ein Antrag der zionistischen Sozialisten, in die russische Sektion aus genommen zn werden, wurde zunächst dieser Sektion zur Prüfung zu- gewiesen. Den Hauptgegenstand der Burcanverhandlungen bildete die Frage der Zusammensetzung der Kommisnonen Man einigte ncy dahin, daß jede Nation höchstens 4 Ibishcr nur 2s Delegierte in jede Kom mission senden darf. Die gestrige Internationale Frauenkonkerenz begann zn allgemeiner Iccberraschung damit, daß die Vorsitzende Ottilie Baader dir Vertreter Montag 19. August 1907. der hürgerlichen Presse aufforderte, den Saal zu verlassen. Die Ge- nvssinnen wollten ganz smim xens, ganz unter sich 'ein. So wurde aus dem Kongreß ein geschlossenes Damcn-Kaffeekränzchen, das sich haupt sächlich über das Fraucnwahlrecht unterhielt. Daß es in der Unter haltung lebhaft und bewegt zuging, dafür bürgen die Namen der zungen- fertigen und temperamentvollen Wortführerinnen Rosa Luxemburg, Clara Zeltin, Frau Dietz lHamburg' u. a. m. Die Kongreßleitung fürchtete offenbar, daß die Rednerinnen zu temperamentvoll werden konnten, und veranlaßte deshalb den Ausschluß der Oefsentlicbkeit. Der „offiziöse" Bericht, der über die Damenunterhaltung ausgcgehen wird, dürfte kaum ein richtiges Bild von den bewegten Debatten dieses Frauen- uns Jnngsraucnkränzchens bieten. — Gestern hielt auch die Inter parlamentarische Kommission eine vertrauliche Sitzung ab. Dazu er schien auch v. Vollmar, ocr durch die überstandene schwere Krankheit etwas gealtert erscheint. Heute vormittag 11 Uhr sand im Liederhallen-Festsaal die „feierliche Eröffnung" des Kongrciscs statt. Nachmittags folgte eine große Volks versammlung aus dem VoKssestplatz f„Wasen"f in Kannstatt. Abends gab's in der Liederhalle großes Festkonzert. Morgen >Montag> früh versammeln sich die süddeutschen Abgeordneten der Sozialdemokratie aus den Landtagen zu vertraulichen Beratungen. Die öffentlichen Plenarberatnngcn des Kongresses beginnen am Dienstag. Gegen 900 Delegierte sind dazu angemcldet, darunter rund 30 > ans Deutschland, 80 ans Oesterreich, 90 aus Frankreich, über 100 aus England. k>0 ans Rußland usw. Die große Zahl ausländischer Gäste fällt in unserem zur Hochsommeiszeit sonst recht stillen Stuttgart beson- dcrs auf; am Bahnhof, in dcn Hotels und Restaurants, in den Straßen bahnen herrscht ein internationaler Verkehr, kann man alle möglichen Sprachen hören. Da? württcmbergische Sozialistenorgan, die „Schwäbische Tagwacht", bat natürlich eine große Festnummer >22 Seilens herausacgeben. Das erste Blatt bringt in bildlicher Um rahmung cin Festgedicht, das schließt: „Es soll der Tag der Internatio nale ein Tag der Arbeit sür die Freiheit sein". Es folgen Begrüßungs artikel, Abhandlungen und eine umfangreiwe Darstellung der sozialdemo- kratischen Bewegung in Württemberg. Das Wetter ist bis jetzt den Sozialisten sehr günstig: „Festlich heiter glänzet der Himmel und farbig die Erde". Aus Bebels Rede, die er im Festsaal der Liederhalle hielt, sei folgendes wicdergegcbcn: Seit dem Kongreß in Amsterdam habe die Bewegung des internationalen Proletariats ungeahnte Fortschritte ge macht. „In England sit'.t cin Sozialist im Ministerium. In Finnland ist es durch Einführung dc§ Frauenstimmrechts gelungen, eine große Zahl Genossinnen ins Parlament zu bringen. In Oesterreich sitzen 87 Genossen im Parlament. Aehnllche Erfolge sind in Holland und der Schweiz erzielt worden. In Deutschland haben wir bei den letzten Wahlen einen Wahlkampf führen müssen, wie nie zuvor. Trotzdem unsere Stimmcirzohl von 3 Millionen auf 3 250 000 gestiegen ist, sank die Ziffer unserer Mandate von 79 ans 43. Im Königlichen Schloß sprach man von einem Nicocrreitcn der Svzialoemvklatie. Partei- und Kampfgenossen, wir spuren noch nichts von einem Nicderreiten, wir sitzen noch fest im Sattel. Die 3 250 000 Stimmen gehören erprobten Genossen, die bilden eine Armee, auf die man sich verlassen kann. sStürmischer Beifall.! Tie Gegner bezeichnen dcn Ausfall der letzten Wahlen als Schulfall. Nun, wir haben leine größere Sehnsucht, als die Scharte wieder auszuwetzen. Die' badischen Landtagswahlen beweisen auch, daß es wieder vorwärts geht. Die Zahl der organisierten Genossen ist im letzten Jahre von 384 000 aus 530 000 gestiegen. Im letzten Monat sind 170000 .11 Partei beiträge cingegangen. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder, die im Jahre 1900 gegen 700 000 betrug, beträgt jetzt 1800 000. Eine Partei, die solche Zahlen aufznweisen bat. ist nicht nicderzureiten. Unser Kon- gieß hat viel größere Bedeutung als der im Haag, der trotz aller Sitzungen nur ein Mäuslein gebären wird." Bebel schloß mit einem Hoch auf die Internationale. Vandervelde sBrüsself wies auf die Erfolge des internationalen Proletariats hin. Es könne von sich mit Recht sagen, daß in seinem Reiche die Sonne nicht unteraehe. Die russische Revolution werde in Rußland nicht Halt machen, sic sei nur ein Vorspiel der allgemeinen großen Prolctarierrevolution. — Die sachlichen Verhandlungen des Kongresses werden heute beginnen. Lsuilleton. 2Lstr dcn Stempel hat, schlägt die Münze. S c u in c. HansZakob. lZum 70. Geburtstag des Dichters, 19. August 19O7.f «Wie ein alter einsamer Bergfink, auf einem Tanncnast sitzend, sein Licd komponiert und singt, wie es ihm aus der Kehle dr ngt, ohne sich zu kümmern, ob cs der Harmonielehre oder dem Kontrapunkt entspricht, so erzähle ich meine „Geschichten". Tas ist des Pfarrers Hansjakob ästhetisches Glaubensbekenntnis. Immer wieder lehnt er in dcn Ein leitungen, Anmerkungen nnd Abschweifungen seiner Bücher dcn Titel eines Dichters energisch ab. Nichts sei bei ihm „erdichtet", alles nach der Natur und dem wirklichen Leben getreu ausgezeichnet. Zum Zeug nis dessen erfahren wir stets Ausführliches über die Art, wie der Pfarrer dcn Helden seiner Erzählung kennen gelernt habe, wie er zu seinem Stoff gekommen, was für Quellen und Berichte er dabci benutzt habe. „Ich lasse meine Kinzigthaler ausmarschicrcn, wie sie „leibten und lebten". Tas allein hat nach meiner Ansicht für die Kenntnis der Menschennatur, wie sie im Volke austritt, einigen Wert." Mit Auer bach und Rosegger könne er sich nicht vergleichen. Aber er wolle es auch gar nicht; ihre Gestalten seien ihm zu poetisch, hätten zuviel von der Phantasie der Dichter. Auerbach wird sogar einmal scharf abgcfertigt als Poet für die Salons und die Hofwclt. Wenn man ihn selbst aber einen Dichter nennen wolle, so komme ihm das vor, wie wenn man einen Torfmaurer, der den Bauern ihre Häuser rot und weiß anstreicht, als einen Kunstmaler bezeichne. An entscheidenden Stellen keiner Erzäh lungen, besonders bei Schilderungen der Liebes- und der Verführungs- geschickten im „närrischen Maler" nnd in „Asra", erklärt er sich für un fähig, wciterzucrzäblen. Er müsse sie übergehen; „eine freie poetische Feder könnte sic schildern, ich bin weder frei noch Poet." Im Angesicht der großen Dichter, die er verehrt, eines Homer, eines Byron, drängt sich ihm der Gedanke aus. daß man nur geniale Dichter solle schriftstellern lassen und gemeinen Stümpern, wie er einer sei, die „Schreiberei" poli zeilich verbieten. Aber er kann's nicht lassen: alle Jahre verspricht er. dies Buch soll das letzte sein, und immer folgt ein neues Tenn sein unruhiger Schriftstellergeist, „der allzeit ein verkrüppelter Waisenknabe war", läßt ihn nicht los. Es liegt wirklich etwas Drängendes, Notwen diges in Hansjakobs Schassen. Man fühlt, wie in ihm eine uncrschöps- licke Fülle von Gestalten und Ideen lebt, die ihn zwingen, sich durch die dichterische Darstellung von ihnen zn befreien. Er ist cin geborener Schriftsteller und Erzähler, ein wirtlicher, echter Dichter, mag er cs uns auch noch so ost ins Gesicht ableugnen und bestreiten. Das leuchtet aus all seinen zahlreichen Schriften hervor. Er mache seine Bücher nicht wie ein Schreiner feine Kasten und Kommoden, sagt Hansjakob; er wolle selbst dabei und darin sein. Und so tritt sie uns denn auch überall entgegen, die vierschrötige, derbe Ge stalt, bald polternd und schimpfend, bald feinsinnig und zart beobachtend und berichtend. In einer großen Reihe von Schriften ist er selbst der Held der Erzählung. „Ich bin der Ansicht", so rechtfertigt er sich, „daß das Leben des einfachsten und niedrigsten Menschen es verdiente, ausge schrieben und veröffentlicht zu werden. Aber der unbedeutendsten Mcn- schenseelc Leben, Wirken und Kämpfen ist ein wertvoller Beitrag zur Gottcswelt und Mcnschcngcschichtc. Sein ganzes Leben hat er vorgc- führt in seinen köstlichen Erinnerungen „Aus der Jugendzeit" und „Aus der Studienzeit", in seinen kraftvollen polemischen Verteidigungen, die seine Politischen Kämpfe, seine vielfachen Maßregelungen und seine beiden Gefängnisstrafen humorvoll schildern, in seinen Reiseberichten, die ihn durch Deutschland und Oesterreich, durch Frankreich, Italien und die Niederlande geleiten und mit offenem Blick die Schönheiten des Landes nnd besonders des Volkes schildern, in den Tagebnchblättcrn seines Alters, die des seltenen Mannes Innenleben in gesunden und kranken Tagen mit großer psychologischer Freimütigkeit enthüllen. In dieser Rückschau auf cin bewegtes Leben ist der Landpfarrcr von Hagnau am Bodensee zum Dichter geworden. Die naturwüchsigen Schilderungen in Bogumil Goltz' „Buch der Kindheit", mögen ihn beeinflußt haben; das Beste gab sein eigenes Gemüt, in dem die Bilder der Vergangenheit eine wundervolle Auferstehung feierten. Ta treten sie vor uns bin, die Leute aus seiner Heimat, auS dem uralten Städtchen Haslach im Kinzigthale, bald Fürsten und große Besitzer, wie Jmmcrmanns Torsschulze Herr- scher auf ihrem Hof, dann schrullenhafte Sonderlinge, verkommene Exi- stcnzen, oder ganze Zünfte und Stände, wie die Nagler, Maurer, Berg leute, Holzfäller und Flößer. Sie haben alle etwas von dem unverzagten Lebensmut, der Leichthcrzigkeit und der üppigen Phantasie, die Gott, fried Kellers „Seldwylcr" auszeichnct. Ein Schatz von Wundern der Natur, der alten Sitte und des Charakters ist unter ihnen aufge- speichert, und „Hasles" größter Sohn hat ihn in voller Pracht gehoben. Als ein überzeugter Anhänger der Vererbungstheorie bekennt Hans jakob, daß er alles Zwiespältige in seiner Natur von seinen Ahnen ge- erb' habe. Das Erzählertalent und die Phantasie hat er von seinem Großvater, dem „Eselsbeck von Hasle", dcm «r in dcn „Schneeballen" cin Denkmal gesetzt hat, von seinem ersten Vorfahren aus dem Jahre 1631 „cin widerspenstiges Wesen und ein böseS Maul", von einem an- deren Ahnen, einem Vollblut-Italiener hat er eine „Portion welschen Blutes geerbt" von dem er sein hitziges Temperament und seine melan cholischen Anwandlungen herschreibt. Auch die Nervenkrankheit, die er i in seinen späten Tagen hat überstehen müssen, ist in seiner Familie j erblich, die überhaupt manchen Degenerationszug ausweise. „Zu den 101. Jahrgang. Kardinal Svampa. lVon unserem römischen k.-Korrespondenten.) Der am 10. August erfolgte Tod des Kardinals Svampa, Erzbischofs von Bologna, beraubt das Kardinalskollcgium einer seiner bedeutenderen Persönlichkeiten. Svampa war 1851 geboren, wurde 1874 zum Priester ordiniert, 1887 Bischof von Forli und 1894 Erzbischof von Bologna und Kardinal. In Bologna hatte er als Nachfolger des Kar- dinals Battaglini, der in der zweiten Stadt des ehemaligen Kirchen staates die intransigente katholische Partei hatte groß werden lassen und der antikonstitutionellen klerikalen Bewegung das außervatikanische Hauptquartier verschafft hatte, eine schwierige Stellung. Denn eben sowenig wie sein Vorgänger durfte er selbst eine direkte Stellung zu der antikonstitulionellen Agitation einnehmen, die im übrigen ganz nach dem Sinne Leos XIII. war. Er verhielt sich in der. Tat sehr reserviert zu ihr und mag das auch recht gern getan haben, denn im Innersten war er, wie er gelegentlich einmal verriet, Anhänger einer — republikanischen Verfassung. Zugleich aber verstand er, dem Klerus seiner Diözese eine Richtung der Betätigung sowie den Intransigenten eine intellektuelle und praktische Beschäftigung zu geben, die sie aus der politischen Negation herausführten. Nichtsdestoweniger hatte Kardinal Svampa im Früh jahr 1896, als König Humbert Bologna besuchte, aerade mit seiner Geist lichkeit aus dcm Lande zu tun. Aber im Jahre 1904 unter dcm Pon tifikat Pius' X. war Kardinal Svampa zur Stecke, um König Viktor Emanuel beim Besuche Bolognas in feierlichster Weise seine Aufwartung zu machen; er nahm damals alle Aufmerksamkeiten des Königs entgegen, trat mit diesem und dem Minister Rava auf den Balkon hinaus, be teiligte sich an der königlichen Tafel, wo ihm zur Seite cin liberalistischer Minister und ihm gegenüber der extrem antiklerikale Bürgermeister von Bologna saß, mit zweifellos nicht geringem Takt. Bei dem letzten Kon klave hatte Svampa nicht geringere Chancen auf die Tiara als Sarlo, und nur die Wirkungen eines Schlagslusses auf seinen physischen — übrigens imposanten — Habitus mögen ihn benachteiligt haben. Svampa hat einen großen Einfluß in der sogenannten christlich-demo kratischen Bewegung gehabt und der intellektuellen und sozialpolitischen Emanzipation, wie sie die „Jungen" unter des Geistlichen Romolo Mnrri Führung anstrebten, nicht ohne Sympathie, wenngleich für sein Teil eine konservativere oder wenigstens gemäßigte Tendenz bevor zugend, gegenübcrgestanden. Auch war er durchaus einverstanden mit der liberaleren Richtung, die die Organisation der katholischen Arbeiter- und Berufsvereine, die „Opera dei congressi cattolici", unter der Leitung des Grafen Grosoli eingeschlagen hatte. Die Niederschlagung der christlich-demokratischen Bewegung, die Bestrafung von deren Führern, die Auflösung der „Opera dei congressi cattolici", die Abdan kung des Grasen Grosoli und die verwandten Maßnahmen des Papstes Pius X. waren also auch eine Niederlage des Kardinals Svampa, die ihm die Kurie in Rom so gründlich verleidete, daß er sich ihr persönlich so fern wie irgend möglich hielt. Deutsches Reich. * Leipzig, 19. August. * Tie Fahnenweihe in Kassel. Im Resivenzpalais zu Kassel fand gestern die feierliche Nagelung von über 60 Feldzeichen, besonders von Truppenteilen deS 7. und 10. Armeekorps statt. An der Feier nahmen teil: Der Kaiser, der die Uniform eines GencralfeldmarschallS trug, die Kaiserin, Prinzessin Viktoria Luise, der Fürst zur Lippe, der Fürst zu Schaumburg-Lippe, Herzog Albrecht von Württemberg, der Staatssekretär deS Auswärtigen Amtes v. Tscbirschly und Kriegsministcr v. Einem. Nack Versammlung im Thronsaale begaben sich der Kaiser und die Fürstlichkeiten zu den Fahnen, worauf die Nagelung in hergebrachter Weise vollzogen wurde. Hierauf fand auf dem Friedrichs-Plav die feierliche Weibe der Feldzeichen durch den evangelischen Feldpropst der Armee, Konsistorialrat Wölfing in Gegenwart des katholischen Feld propstes ter Armee, Dr. Vollmar und der Militärgeistlichkeit Kassels statt. cck. Tic mecklenburgische Regierung und die Tömitzer Explosion. Ein Privattelegramm meldet uns: Infolge der Dynamit- Entarteten zähle ich auch dcn Schreiber dieses Buches", so beschließt er diese Abrechnung über das Erbe der Väter in seiner letzten Erzählung „Meine Madonna". Alles verdankt er der Heimaterde und dem Bauern blute. Oft klagt er darüber, daß er nicht auch ein Bäcker geworden sei wie sein Vater; die Macht der Bildung und Kultur schlägt er sehr ge ring an gegenüber der uralten Macht der Abstammung, auf die er stolz ist. Ju der Kindheit freilich strebte er höher hinaus, er will studieren, weil ihm das Backen zu beschwerlich ist und er sich wünscht, wie der Rent meister den ganzen Tag nichts als die Pfeife zu rauchen und in einem schönen Wagen auszusahren. Er ist cin flotter Schüler und bierehrlicher Student, der erst spät sich selbst und seinen Glauben entdeckt. Aber um so fester hat er beides dann sein Leben lang gehalten. Obwohl er den sog. „politischen Katholizismus", wie er sich im Kulturkampf äußerte, scharf bekämpft und heftige Kritik an manchen äußeren Einrichtungen der Kirche geübt hat, ist er in seinem Glauben nie wankend geworden, und nie hat ihn auch dos Zutrauen zu dcm Rechte seiner Persönlichkeit vcr- lasi'cn, die er mit voller Wucht in zahllosen Streitigkeiten sür seine gute Sache eingesetzt hat. Hansjakob ist streng demokratisch gesinnt; er spielt dcn Bauern als den wahren Herrscher gegen alle Souveräne aus und will sich nur vor der „Majestät des Volkes" beugen; nichtsdestoweniger ist er ein Gegner alles Modernen. Tic Kanone, die Bierflasche und der Fabrikschlot, das sind sür ihn die drei Symbole der neuen Zeit, während er nickt genug schwärmen kann von der edlen Einfachheit, dem tüchtigen Sinn der Väter, der unverdorbenen Schönheit alter Sitten und Troch- ten, der unberührten Natur. Ist er schon überhaupt kein Freund der Frauen, darin seinem Licblingsphilosophen Schopenhauer folgend so sind ihm emanzipierte Weiber cin wahrer Greuel. Mit besonders in brünstiger Wut verfolgt er die Radfahrer: „Als ich im Frühjahr !892 durch ein abgelegenes Seitental der Kinzig schritt, begegneten mir gar Dauernbuben auf Fahrrädern. Ich hätte aus die Kerle schießen können, so hat mich der Anblick dieses modernsten Kultursortschrit.es geärgert.." Doch wenden wir uns von der knorrigen Persönlichkeit des Pfar rers von St. Martin in Freiburg, die sicher „u dcn eigenartigsten im heutigen Deutschland gehört, zu den Werken, auf denen seine Bedeutung, seine Größe beruht: zu seinen Dorfgeschichten. Hansjakob hat auch als 'Historiker Tüchtiges geleistet, in seinen „Kanzelvorträgen" ein« schöne rednerische Gabe osfcnbart; seine Schriften sind ein nie ver siegender Quell für die Volkskunde des Schwarzwaldes Dcn Volks trachten hat er cin eigenes Weilchen gewidmet; sür Volksfeste, Volks aberglauben, Hirtenruse, Sprüche und Lieder findet sich überall ein reiches Material verstreut, das wohl noch einmal wissenschaftlich der- wertet werden wird. Doch seine eigentliche Größe liegt in den Erzäh lungen, die als „Wilde Kirschen", Schneeballen", „Banernbliit", „Wald- lcute", nnd „Erzbaucrn" gesammelt sind. Es sind Orignalmenscken. die der Verfasser hier verewigen will Ausnahmecrjcheinungcn der
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