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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070820012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-20
- Monat1907-08
- Jahr1907
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Kol.) * Die Nachricht, daß Weingartner die Nachfolgerschaft Mahlers an der Wiener Hofoper übernommen habe, wird aufrechterhalten. lS- Feuill.) " Die Gesundheitsbörse in San Francisco gibt zu, daß dort fünf Erkrankungen und vier Todesfälle an Beulenpest vorgckommen sind. * Londoner Blätter melden, Casablanca sei von 20000 Marokkanern angegriffen worden. lS. Ausl.) * Im Alexander-Rennen zu Frankfurt«. M. (Preis 25 000 Mark) errang gestern Hrn. Weinbergs br. St. „Anmut" den Sieg. lS. Sport.) V06^. Tic Diplomaten haben ein gesegnetes Jahr. Wieviel Unglücksraben batten ein ganzes Jahr gekrächzt, daß aus dem Schoße der zweiten Friedenskonferenz sich ein blutiger Krieg hervorringen werde! Dieser Gedanke batte allmählich seine komische Kraft vollkommen eingebüßt und wurde als triviale Wahrheit geglaubt. Ter diesjährige Saisonwiß lautet: „Tie Friedenskonferenz hat den Frieden befördert." Unsere Diplomaten haben vom Orient gelernt. Nicht von dem ganz fernen und ganz neuen, wo der gelbe Japs mit Bismarckscher Schneidig leit Moskowiter und Dankces blufft. Aber von dem richtigen alten Orient, den man heute den „nahen" nennt. Tic türkische Staatskunst ist von jeher dafür berühmt gewesen, daß sie den ungeheuren Wert der Zeit mit Meisterschaft auszunutzen versteht. Nicht der Zeit, in der man etwas tut und dem andern durch Schnelligkeit des Tuns zuvorzukommen strebt, sondern der Zeit, in der man nichts tut: den Wert der Ver - schleppung, der Langeweile! Am 15. Juni wurde die Konferenz eröffnet. Am 17. August wurde endlich das Hauptthema, der „6Iou", zur Beratung gestellt. Inzwischen hatte man zwei lange Monde mit Beratungen der Ncbcnpunkte ausge füllt, fleißig gearbeitet, so fleißig, wie Diplomaten arbeiten können, die io unendlich viel Tinge außer der Arbeit abzumachen haben, nämlich Festlichkeiten die schwere Menge durchfeiern müssen. Ein Glück, daß nur kurzgefaßte Sitzungsnachrichten veröffentlicht wurden, und die Be richterstattung nicht mit der Ausführlichkeit der Parlamentarischen vor sich ging: gewissenhafte Leser der Konferenzdepeschen sind schon ohnehin dem fürchterlichen Tode an Langeweile erschreckend nahe gekommen. Und das Hauptihema? Das ist am Sonnabend in einer einzigen Sitzung erledigt! Nicht etwa durchberaten, nein: durchgestimmt! Und das Resultat? Ein „V oo u", eine Resolution: die Abrüstungsfrage ist dem Studium der Regierungen dringend empfohlen! Genau so weit war man eigentlich in der ersten Konferenz auch schon gekommen. Nur das dringend fehlte damals. Aber darunter ist beileibe nicht das zu verstehen, was der französische Parlamentaris mus unter der Dringlichkeitsfrage versteht: ein abgekürztes, be schleunigtes Verfahren! Im Gegenteil: das berühmte „Voeu" bedeutet eine heillose Verschleppung. Ja, wir möchten beinahe hoffen, daß die dritte Konferenz, in der dann endlich mit vollem Ernste an diejenige Frage herangetreten werden soll, um derentwillen ursprünglich der ganze Konferenzbetrieb eingerichtet ist, erst an demjenigen Tage zu sammentreten wird, an dem der griechische Kalender die oalomckas ver zeichnet. Wir gestehen offen ein, daß wir Gegner der Abrüstung über dieses negative Ergebnis eine unbändige Freude empfinden. Eben, well wir durchaus nicht glauben, daß die Abrüstung den Frieden sichern werde, sondern die genau gegenteilige Meinung hegen. Wir nehmen aber auch an, daß die Freunde der Abrüstung sich für den Umständen nach befrie digt erklären werden. Gerade wenn und soweit sie aufrichtige, ehrliche Freunde des Friedens sind, müßte ihnen der Gedanke, durch Drängen auf eine unzeitgemäße Auseinandersetzung über das furchtbar gefährliche Thema vielleicht die internationale Sanktion ihrer Lieblingsidee zu er zwingen, aber auch möglichenfalls eine A u s - einandersetzung der Na tionen im buchstäblichen Sinne herauszubeschwören — einen Bruch, am Ende gar eine Katastrophe — der Gedanke müßte ihnen entsetzlich er scheinen! Nein, es ist so gut, daß es so gekommen ist! Mag man spotten über das Hornberger Schießen: ein Hornberger Schießen ist besser als jenes große Schießen, welches zehn lange Tage um Mulden tobte und die Aecker mit dem Blut von zwei Hunderttausenden düngte. Das Verdienst um diesen Ausgang haben nicht die Herren im Haag. Höchstens mag dort die endgültige Formulierung ausgearbeitet jein. Tie eigentliche Entscheidung ist fern vom Haag gefallen: in Wilhelmshöhe, Ischl, Swinemünde, vor allem in den Kabinetten. Alle großen Staats- männer, welche heute die Geschicke der Völker lenken, mögen sich ihren Anteil an dem Verdienst zurechnen: Eduard VII., Fürst Bülow, Gras Aehrenthal und Pichon. Wieviel auf den einzelnen entfällt, läßt sich von hier aus schwer bestimmen — es kommt auch nicht darauf an. Die Sache ist die Hauptsache sür die Welt, die freilich den Personen ihren Dank nicht vorenthalten wird. Der Sommer 1907 ist aber nicht allein wegen dieses negativen Er folges der Unterdrückung einer unzeitgemäßen Debatte rühmenswert. Die Sache des Friedens — deS zeitigen, an dem der Gegenwart, für die wir leben, unendlich mehr gelegen ist, als an dem „ewigen" — hat auch eine positive Förderung erfahren. Es regnet in diesem Sommer nicht allein himmlisches Naß in Hülle und Fülle, sondern auch Ententen, Dstenten und ähnliche erfreuliche Dinge. Wir sind mit einer schier unerschöpflichen Hochflut von Völkerverbrüderungen und fürstlichen Freundschaftsaustauschen beglückt. Deutschland und England, England und Oesterreich, England und Rußland, Deutschland und Rußland, Rußland und Japan, Japan und Frankreich. Vielleicht wird's des Guten ein wenig zu viel. Wir haben manchmal das Gefühl, wie Polykrates auf seines Daches Zinnen zu stehen und einen Freudenbotcn nach dem anderen herbeieilen zu sehen. Uns beginnt in diesem Friedens- und Freundschaftssommer vor der Götter Neid zu grauen und der Wunsch zu beschleichen, über einen verlorenen kostbaren Ring trauern zu dürfen. Es braucht ja nicht gerade Südwestafrika zu sein, das durch das Blut unserer Helden uns z u kostbar geworden ist. Will der Bader von Norderney sich Marokkos entledigen und durch ein freiwilliges Opfer des in Algeciras Erreichten die Götter der Fluten versöhnen? Fast scheint es so. Hart wäre es, die mühsam gewonnene Perle ins Meer zurückzuwersen, wenn sie auch noch nicht durch Künstlerhand in edlen Stoff gefaßt war. Aber — werden die feindlichsten Götter das Opfer annehmen wollen? Wer den sie nicht nach wie vor auf der Opferung der königlichen Jungfrau Elsaß-Lothringcn bestehen? Und wenn das Opfer doch umsonst wäre, dann wollen wir lieber den Ring behalten. Vas Geheiniinittelweseii. Die berechtigten Klagen über die unerträglichen Zustände auf dem Gebiete des Handels mit den sog. Geheimmitteln wollen nicht ver stummen. Unterm 30. November 1903 wurde im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt eine Verordnung verkündet, deren Wortlaut im Bundesräte vereinbart worden war. Da aber die Zuständigkeit des Reiches zum Erlasse einer solchen Verordnung zum mindesten zweifel haft erscheint, so überließ man es den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten, kraft ihrer Polizeigewalt die Verordnung in Geltung zu setzen. Man schlug also denselben Weg ein, wie seinerzeit beim Erlasse der allgemeinen deutschen Wechselordnung und des allgemeinen deutschen Handelsrechts. Man schuf ein allgemeines Recht, wo man ein gemeines Recht nicht hervorbringen konnte. Jene Verordnung vom 30. November 1903 regelte den Vertrieb bestimmter, in zwei Anlagen einzeln verzeichneter Mittel. Sic schreibt vor, daß auf den Gefäßen und Umhüllungen der Mittel dessen Name angegeben und der Ver fertiger genannt sein soll. Heilerfolge und andere Empfehlungen des Mittels dürfen auf dem Gefäße oder der Umhüllung nicht stehen. Den Apothekern sind gewisse Schranken beim Vertriebe der in den Verzeich nissen aufgeführten Mittel auferlegt. Schließlich hat man die öffentliche Ankündigung der Geheimmittel eingeschränkt. Es war gewiß nicht zu verkennen, daß jener Verordnung vom 30. November 1903 gewisse Mängel anhafteten, wenngleich das Streben nach einer zweckmäßigen Regelung des schwierigen Stoffes unverkenn bar und die Grundlagen dieser Regelung durchaus gesund waren. Es war doch wenigstens eine klare Rechtslage geschaffen. Freilich konnte die Verordnung leicht umgangen werden. In dem Verzeichnisfe stand z. B. Hubert Ulrichs Kräuterwein: fast genau dasselbe Mittel wurde binnen kurzem als Dr. Engels Nektar in den Handel gebracht. Nach der Verordnung konnte dawider nichts eingewendet werden. Die Er gänzung der Liste erheischte ein umständliches Verfahren. Sie unter blieb, obwohl ein unzweifelhaftes Bedürfnis^ dafür bestand, wenn nicht die ganze Verordnung ein bedeutungsloses Stück Papier werden sollte. Am 27. Juni 1907 hat sich der Bundesrat über eine Neufassung der Verordnung schlüssig gemacht. Die Neufassung bringt einige sachliche Äenderungcn von Bedeutung. So soll es jetzt keinen Unterschied mehr machen, wenn ein in der Liste verzeichnetes Mittel bei im wesentlichen gleicher Zusammensetzung unter anderem Namen gehandelt wird. Auf solche Art soll der GZetzesumgehnra vor>beugt werden. Man hct also an Hubert Ulrichs Kräuterwein gelernt. Erweitert ist das Verbot der Anpreisungen auf der Umhüllung. Verboten werden auch Ankündi- gungen, die auf Druckschriften insbesondere Broschüren und Flug- blätter, verweisen. Die Liste ist selbstverständlich um eine große Zahl von Nummern vermehrt worden. Von Gesetzen muß man auch verlangen, daß sic praktikabel sind. Die Praktikabilität der Verordnung in ihrer neuen Gestalt hat nun, das ist nicht zu verkennen, nach der einen Seite hin gewonnen, nach der andern Seite hin aber verloren. Der Geheimmittelfabrikant sieht im großen und ganzen klare Maße vor sich. Uebler muß es aber den verantwortlichen Schriftleitern der Anzeigenteile der Zeitungen ergehen. Woher sollen sie wißen, ob unter dem neuen, ihnen bisher unbekannten Namen eines der in der Liste enthaltenen Mittel angekündigt wird? Woher sollen sie in der Eile, mit der bei Tageszeitungen gearbeitet wer den muß, erfahren, was in der Druckschrift angekündigt wird, worauf eine aufgegebene Anzeige verweist. Häufig wird in der Anzeige nicht einmal aus eine Broschüre verwiesen, sondern ganz unverfänglich die Adresse eines Gastwirts oder eines sonstigen, seinem Gewerbe nach dem Gcheimmittelhandel gänzlich fernstehenden Mannes genannt, der dann, wie die Polizei erforscht, eine Broschüre versendet. Es ist gänzlich aus geschlossen, daß eine Tageszeitung vor der Aufnahme von Anzeigen, die ihr dazu nicht selten von angesehenen Annoncenspeditionen zugehen, erst umständliche Nachforschungen veranstaltet oder gar ein Zensurbureau einrichtet. Es muß gefordert werden, daß in der Verordnung eine ähnliche Vorschrift Platz findet, wie sie 8 1, Absatz 2, Satz 2 des Reichs gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896 enthält. Man soll die Redakteure, Verleger, Drucker und Ver breiter von periodischen Druckschriften nur dann zur Verantwortung ziehen, wenn sie die Verbotswidrigkeit der Anzeige kannten. Weiter muß man fordern, daß die den Heilmittelhandel betreffenden Vorschriften der Verordnungen über die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen außer Kraft gesetzt werden. Erst wenn das geschieht, werden wir zu der Klarheit der Rechtslage gelangen, die auf diesem Gebiete unbedingt nötig ist. Den Erlatz jener Verordnungen hat seinerzeit die Aerzteschaft betrieben. Auch diese Verordnungen sind von den Landesregierungen auf Grund ihrer Polizeigewalt ausge gangen. Sie haben in fast allen Bundesstaaten denselben Wortlaut, sind also im Grunde auch sogenanntes allgemeines Recht. In Sachsen erging eine derartige Verordnung unterm 14. Juli 1903: sie wurde durch die Tagespresse, allo nicht einmal im Gesetzblatte, verkündet. Die Ver ordnung verbietet, daß den Heilmitteln in der Ankündigung über den wahren Wert hinausgehende Bemerkungen beigelegt werden. Die Zu stände. die durch diese Verordnung geschaffen wurden, erscheinen geradezu unhaltbar. Tie gesetzgeberische Absicht ist gewiß anzucrkennen. Man soll nrteilsunsähige Menschen vor Ausbeutung schützen. Die Maß regeln müssen aber so getroffen werden, wie es einem Rechtsstaate wür dig ist. Nach jener Verordnung haben es Gerichte für unzulässig er achtet, daß jemand sein Schnupjennnttel als „das beste" anpreist. Auf Grund des Wettbewerbsgcsetzes hätte man dem Manne gewiß nichts getan, wenn sein Konkurrent ihn deswegen verklagt hätte. Schlimm ist es den Redakteuren ergangen, die sür den Anzeigenteil verantwortlich sind. Anfänglich zwar gingen ihnen von den Gesundheitspolizeibehörden auf Grund einer Ministerialverordnung vom 30. Januar 1904 Be lehrungen über das Wesen einzelner angekündigter Heilmittel zu. Durch den Erlaß der Verordnung vom 30. Januar 1904 erkannte also die Mi- nisterialinstanz selbst an, daß einem für den Anzeigenteil verantwort- lichen Schriftleiter die ganze Fülle der pharmazeutischen, chemischen, elektrotherapeutischen und sonstigen Kenntnisse, die zur vollkommenen Beurteilung der Heilmittel nötig ist, nicht angesonnen werden könne. Man sah ein, daß ein kaufmännisch vorgebildeter Mann über all das Spezialwissen nicht verfügen könne. Die Gesundheitspolizeibehörden gingen aber jener Verordnung vom 30. Januar 1904 nicht mehr nach, als daS Gesetz vom 30. April 1906 über die Erhebung von Kosten für Amtshandlungen der Behörden der inneren Verwaltung in Kraft ge treten war. Sie wollten für die im öffentlichen Interesse ergebenden Belehrungen Gebühren und Auslagen von den Redakteuren einheben und so im Verwaltungswege einen indirekten Zwang zur Abweisung be stimmter Anzeigen ausüben. Eine solche Zwangsübung erscheint schon nach den 88 1 und 29 des Preßgesetzes sehr bedenklich. Die Rekurs instanzen verfügten aber schon aus anderen Gründen die Jnwegfall- stellung der Kostenansätze. Die Folge hiervon war, daß jene Verwar nungen und Belehrungen überhaupt unterblieben. In der Verordnung vom 30. Januar 1904, die sie vorschreibt, liegt aber ein recht gesunder Grundgedanke, den man weiter ausbauen sollte. Wenn es in abseh barer Zeit nicht möglich ist, die brauchbaren Rechtssähe aus der Ver ordnung über die nichtapprobierten Personen in die vom Bundesrate verfaßte Verordnung aufzunehmen, so soll man anordnen, daß die Ge- M Jahrgang. fundheitspolizeibehörde zu entscheiden habe, ob eine ihr vorgeleate oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangte Heilmittelanpreisung statthaft ist. Diele Entscheidung mache man anfechtbar im Verwaltungswege; als letzte Instanz spreche das Oberverwaltungsgericht. Die rechtskräftige Ent- scheidung veröffentliche man, und nun erst strafe man den, der die für unzulässig erklärte Anpreisung druckt. Die Verordnungen über die nicht approbierten Personen sind von den deutschen Gerichten in der verschiedensten Weise anaewendct wor den. Anpreisungen desselben Wortlauts über dieselben Mittel wurden von diesem Gerichte beanstandet, von jenem für statthaft erklärt. Die journalistische Fachpresse zeigt in ihren Entscheidunasübersichten die ganze Zerfahrenheit dieser Zustände. Blätter, die im Auslande erschei nen, im Reiche aber weit verbreitet sind, würden kaum je verfolgt. Sogar über fundamentale Nechtsgrundsätze gehen die Anschauungen der Gerichte auseinander. So hatte das Kammerqericht in Berlin am 17. September 1906 über die Revision eines Anzeigenteilredakteurs zu ent scheiden. Es sprach ihn frei, weil es annahm, daß man ihn höchstens als Gehilfen der verbotenen Anpreisung betrachten dürfe, und weil es mit Recht davon ausaina, daß die verbotene Anpreisung eine bloße Uebertretung, die Beihilfe dazu also straffrei sei. Das Oberlandes gericht in Dresden ist auf Grund der sächsischen Verordnung vom 14. Juli 1900, die mit der vom Kammergericht beurteilten hannoverschen wörtlich gleichlautet, zu einem andern Ergebnis gelangt. Es behandelt bei völlig gleicher Sach- und Rechtslage in feststehender Rechtsprechung den Redakteur als strafbaren Mittäter der Uebertretung. Da an eine Aenderung dieser Rechtsprechung und an eine Milderung der Ansprüche, die an die Anzeigenteilreoakteure von den Gerichten gestellt werden, in absehbarer Zeit nicht zu denken ist, so muß die deutsche Presse eben die Aenderung der unhaltbaren Vorschriften fordern. Em Gesetz darf nur Mögliches verlangen. Deutsches Reich. Leipzig, 20. August. * Ter Kaiser empfing Sonntag abend nach dem Tbeater einige Persönlichkeiten vom Personal deS Königlichen Theaters zu Kassel, denen Auszeichnungen und Geschenke zuteil wurden. Am Vormittag unter nahm der Kaiser einen längeren Spaziergang über den Herkules in Begleitung des Staatssekretärs von Tschirschky und Bögendorff und den Herren der Umgebung. Von 12 Uhr ab hörte der Kauer den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts v. Lucanus und empfing den Professor Dr. Paul Hin ne berg mit den Verlagsbuchhändlern Acker mann und Giescke ans Berlin, sowie den S.bloßbauptmann der Wartburg v. Cranach mit dem Verlagöbuchbandler Hosrat Baum- gärtel, letzteren zur Überreichung deS Wartburgwerkes. Lucanus lehrte nachmittags nach Potsdam zurück, Staatssekretär v. Tschirschty abenoS nach Berlin. * Tie höhere Postlanfbahu. Ueber den Zeitpunkt der Veröffent lichung der neuen, von der ReichSrostvcrwaltung getroffenen „Bestim mungen, deren Bekanntgabe nach der „Köln. Ztg." schon in nächster Zeit erfolgen sollte, wird der „Deutsch. TageSztg." berichtet, daß es noch keineswegs feststebt, ob die neuen Vorschriften noch im lausenden Jahre veröffentlicht werden. Die Amtsbezeichnungen „Referendar" und „Assessor" werden sie, allerdings — in Anlehnung an den im Titulaturwesen der deutschen Verwaltung üblichen Ausdruck — für Beamte, die nach Absolvie rung ihrer akademischen Studien die erste be zw. zweite Staatsprüfung be standen haben, bringen. Die Bezeichnung Praktikant und Oberpraklckant gelangen dann in Wegfall und entsprechen künftig denen der übrigen VerwallungsressortS. Dagegen sind die Stellen der zur wirksamen Unterstützung der Vorsteher und Direktoren der großen Aemter be stimmten Unterdirektoren bereits im Etat für 1907 auSgebracht. Diese Beamten, die den Postdirektoren in Rang und Gehalt gleicbsteben, haben, da (außer beim Unterstaatssekretär) die Bezeichnung „Unter" in unserem Titulaturwesen nicht gebräuchlich ist; die Amtsbezeichnung „Vizedirektor" erhalten. * Vom Tcutschn Tag in Vromberg. In der Hauptversammlung wurde über die Bodensrage verhandelt und hierzu eine Resolution nach längerer Debatte angenommen. Die Resolution verlangt angesichts der immer mehr hervorirctenren national-polnischen Bestrebungen, die sich immer mehr als eine Gefährdung der deutschen Interessen darstellen. daß der aufgcdrängte Kampf mit allen staatlichen Machtmitteln geführt werden kann, um den in deutscher Hand befindlichen Grundbesitz zu sichern und polnischen Grundbesitz durch einen national zuverlässigen Kleingrundbesitz zu ersetzen. Es wird deshalb an die StaatSrcgierung die Bitte gerichtet, dem Landtage in der nächsten Tagung einen Gesetz entwurf vorzulegen, der für die Provinzen Posen und Westpreußen und unter gleichzeitiger Festhaltung des Standpunktes, daß schon jetzt die gesetzliche Enteignung möglich ist, das Enteignungsrecht der Ansiede- lungskommifsion zu stärken und zu fördern. Ferner wird gefordert, daß für Posen und Westpreußen, sowie für Ostpreußen und Schlesien und die Regierungsbezirke Frankfurt a. O., Stettin und Köslin bei der Ver äußerung eines ländlichen Grundbesitzes ein staatliches Einspruchs:echt eingeführt werde, mit der Berechtigung sür den Staat, den Grundbesitz zu übernehmen. — Generalsekretär V oßb erg-Posen sprach über Er leichterung des Neal- und Personalkredits in den ostmärkischen Städten. Es gelangte die vom Gymnasiallehrer Schlieske-Danzig vorgebrachle Resolution zur Annahme: 1. Der Gesamtausschuß der D. O. B. spricht dem Hauptvorstanbe sür seine Bemühungen, die zur Gründung einer „Kreditanstalt für städtische Hausbesitzer der Provinzen Posen und Westpreußen" geführt haben, seinen Dank aus. Er hofft zuversichtlich, daß die Gründung der Kreditanstalt der zunehmenden Polonijierung deS städtischen Grundbesitzes einen Riegel vorschieben wild und hält die Gründung oder Unternützung ähnlicher Institute auch für Ostpreußen und Oberschlesten leitens des Staates sür dringend erforderlich. 2. Er hält den Ausbau des KreditgenossenschastswefenS und die Gründung von Haudwerkerbezugs- und Absatzgenossenschasten auf deutscher Grundlage im Interesse einer gesunden Entwickelung des Personalkredits sür notwendig. Die Wahlen zum Hauptvorstande ergaben folgendes Resultat: Es wurden neugewählt Geheimer Finanzrat Müller-Berlin, der frühere Oberbürgermeister von Posen, Justizrat Sacks-Kattowitz, Oekonomieral Lorenz-Pionowo, Professor Hoffmann-Danzig. Die auSschewenden Mitglieder wurde» wiedergewäblt. Geb. Justizral Pro fessor Felix Dahn ist zum Ehrenmitglied des Ostmarkenvereins ernannt worden. — Am Sonntag fand ein Festmahl statt, bei dem Ober präsident von Waldow die Kulturarbeit prreS, die unter dem Szepter der Hobenzollern in der Ostmark geleistet wurde. Dann fetzte sich der große Festzug in Bewegung, in dem 12 Musikkorps, 20 Feuwazcn, 120 Fahnen und 7—8000 Personen vertreten waren. Aus vein Fcstplatz sprachen Oberbürgermeister Knobloch-Bromberg, Major a. D. von Tiedemann unv Professor Höninger-Berlin. * Ter KoufcffionalismnS in Berufsorganisationen ist sonder- barerwerje vom Oberpräsidrnten von Jagow als werlvoll anerkannt
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