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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070821015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-21
- Monat1907-08
- Jahr1907
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Leipziger Tasteblatt. Ar. 231. 1VL. Jährst, und der GewerkschaftSsekretär Schneider-Malstatt. Von den christlich organisierten Arbeitern des SaarrevierS bekennen sich etwa 7000 politisch zur nationalliberalen Partei. Sie suhlen sich beschwert durch daS Ver- balten verschiedener Großindustrieller. * Den vcrlincr Pole», die polnische Kirchen baben wollen, hat Propst von Zakr.ewS i vorgeschlagcn, eine auö 10 Personen bestehende Kommission zu wählen, die nach Nom reisen und beim Papst eine Audienz nachiuchen soll. Die Bittschrift beginnt mit heftig n Angriffen auf die katholische Geistlichkeit unv schließt mit der Drohung, sonn dem armenisch-polnischen Ritus beitreten zu müssen. Die Zentrumspresse, besonders die westdeutsche, befindet sich dieser Drohung gegenüber in einer Klemme: sie muß unbedingt gegen diese AbfallSgelütte polnilcher Katholiken Front machen, sie kann sich aber anderseits nicht verhehlen, daß nur ihre eigene Polenbegünstigung, die sie jetzt wirrer im Hinblick auf ein LanctagewahlbündniS in Oberfchlesien zu üben beginnt, derartige AgitationSauswüchse bat groß werden lassen. * Bebels Gedächtnis. Auf dem Stuttgarter Sozialistentongresse hat sich „Genosse" Bebel wieder einmal darüber ausgehalten, daß gelegentlich ausländische Sozialdemolraicn von der Negierung als „lästige Ausländer" au-gewiesen werden. Bebel erinnerte an die Fcrnbaltung res „Genossen" ZauröS von Berlin, als er zur Zeit der Marokko-Krisis von der Berliner Sozialdemokrat c nach der Neichöbauptstadt eingelaren worden war und über den „Wellfrieden" sprechen wollte. Bebel erinnerte ferner an das Verbot einer internationalen sozialdemolratischen Demonstration für den Weltfrieden in Konstanz unv an die Ausweisung „glorreicher" rulfischer Ncvolutionäre. Ganz vergessen aber hat Bebel scheinbar »eine eigene Ausweisung aus Frankreich. Und doch ist eö noch gar nicht so lange her, seit gegen ihn jene Maßnahme verhängt winde, deren gelegentliche Anwendung er der deutschen Regierung zum Vorwurf macht. Am 6. September 1 89 6 sollte aus französischem Boden eine Ver sammlung elt äffischer Sozialdemokraten stattfinden, an ter die ReichstagSabgeordneien Bebel und Bucb tecknebmen wollten, um über ihre Tätigkeit im Reichstage zu berichten. Da u kam es jedoch nicht; denn bei dem Versuch zur Abhaltung der Versammlung auf der Höhe von St. Didier bei Markirch wurden beide „Genossen" anSgewnsen. Der „Vorwärts" llagte damals wehmütig, „daß rie französische Regierung in ihrer blinden Angst vor der Sozialvemotrat c auch einen der Männer aus Frankreich aueweist, rie 1870 und 1871 gegen die Annexion von Elfaß-Lothringen protestiert haben." — Diese doppelte bittere Ausweiiung hat Bebel icheinbar vergessen! Rlr. Der Verband deutscher Schnhwarenhändlcr. der 67 Ortsvereine mit 3070 Mitgliedern umfaßt, hielt dieser Tage feinen Bcrbandstag in Mannheim ab. Aus dem Geschäftsbericht ergab sich, daß im März 1908 im Berliner Ausstellungspaiast eine Fachausstellung ab-- gehalten werden soll, weshalb auch Berlin als Art des nächsten Ver bandstages gewählt wurde. Die Klagen über unlauteren Wettbewerb bildeten den Hauptgegenstand der Beratungen. Um Abhilfe zu schaffen, beschloß man, es sei anzustrebcn, beim Verkauf von Waren, die mit der Verbandsmarke versehen sind, einen M i n d e st v c r k a n s s p r e i s vorzuschrciben, bei dessen Nichtwahrung der Ausschluß vom gemeinsamen Einkauf von der Verbandsleitnng beschlossen werden kann. Sodann scll die Verbandsleitung bei den Justizministerien und Gerichten dahin vorstellig werden, daß allgemein vereidigte Sachverständige aus fachmännischen Schuhhändlerkreisen ausgestellt werden, die in der Zivil- und Strafrechtspflege, sowie in Konkurssachen zuzuziehen sind. Lchlicßlich erklärte man die reichsgesetzliche Regelung des Auktions wesens für dringend erforderlich. Insbesondere sei es nötig: n. daß Auktionen einer Steuer unterworfen werden, b. daß Auktwnen nur mit behördlicher Genehmigung stattsinden dürfen, c>. daß Auktionen Polizei lich überwacht werden können, 6. daß gewerbsmäßigen Auktionskäufern der Zutritt und das Mitbieten bei Auktionen untersagt werden darf. * Beschädigte NcichSmunxe». lieber die Behandlung beschädigter Reichsmünzm bat der Finanzminister an die Negierungen nachstehende Vertilgung gerichtet: Aus laufmännifchen Krisen sind Wünsche laut geworren, die für die Behandlung der gewalisam beschädigten echten Neichsmünzen erlassenen Bestimmungen zu ändern, damit die mit der Anwendung dieser Vorschriften angeblich verbundene» Härten vermieden winden. Solchen Anregungen kann, soweit sie aus eine Aenderung dieser Bestimmungen gerichtet sind, im Znlercsse der Ordnung deS Miinzwesenö keine Folge gegeben werden. Grundsätzlich muß eS jedem überlassen bleiben, sich vor Verlusten dadurch zu schützen, daß er im Verkehre die Annahme beschädigter Münzen verweigert. Immerhin läßt sich nicht verkennen, daß durch ein zu strenges Verfahren der öffentlichen Kassen namentlich bei dem Einsch-eiden der unter wertigen Scheidemünzen Härten erwachsen können. Die Königliche Negierung veranlasse ich datier, die uulerstelllcn Kassen des rieS- teitigen Geschäftsbereichs zu einer milden Handhabung der fraglichen Bestimmung anzuweisen. Danach werden die nicht er heblich beschädigten echten Münzen zum Nennwert anzuuchmen und, sofern die Beschädigung nicht so geringfügig ist, daß hierdrnch die Um- laufösähigkeit nicht beeinträchtigt wird, b in Mün.mctallbepot des NeichS zuzuführen sein. Ein milvcö Verlahicn Wwd auch dann angezeigt fein, wenn die Beschädigung erweislich durch einen Brand erfolgt ist. Bestehen Zweifel über die EiulöSbarkeit einer beschädigten Münze, so empfiehlt es sich, diele unter Vorbehalt der Einlösung anzunehmen und dem Müiizmetalldepot bchusS Entlchli.ßung über die Annahme zu über senden. Schließlich bemeite ich noch, daß letzteres auf Wunsch des Eigentümers einer Münze, die einzusckncid»» rsl, sich auch mit deren aufiragwcisem Verkauf befaßt. Kleine Nachrichten. StaalSminiiter Hobrecht wird nach einer Meldung der „KönigSb. Hirt. Zt." seines hohen Alters wegen lein LnudlagSinancat für den Wahlkreis Berent-Dirschnu nieaertegen. AlS sei» Nachfolger ist Bürger meister Eichharvl-Dirfchau in Aussicht genommen. Ausland. Oesterreich-Ungarn. * sozialpolitische Fortschritte. AuS Pest berichtet ein Telegramm: Durch eine gestern erlassene Verordnung des Ackerbau Ministers Daranyi sind wichtige sozialpolitische Gesetze ins Leben getreten, aas Gesetz, das die Recktsvcryältuiffe zwischen Landwirten und lancwirtschattlichen Arbeitern zum Gegenstand macht, stellt die Arbeitgeber und Arbeiter rechilich gleich und bedroht Uebcrgrisfe gegen Bedienstete mit Strafe. Es stellt im Jnlere e der Be diensteten Schutzinaßregeln aus. So hebt cs das hnusli l e Füchtigungsrccht den Dienstboten gegenüber auf und verlangt für sie gefunde Wohnungen und fordert, daß der in Gestalt von Naturalleistungen zu zahlende r.olm erg.lästig ici. Die Ehefrauen, sowie die.st,»der unter 12 Ja een musten im .»alle emer Kraulbeit auf Konen des Arbeitgebers während eines ZeiirauiueS von 45 Tagen äiztliche Pflege erl alten, ,'ahlrciche Benimmungen berechtigen di Bedienneien im Falle nicht eutiprechcuter Behandlung, unpün.Ni er Lohnzahlung oder schlechter Verpflegung, den Dienstoertiag wiort zu tündigen. Das zweite Ges tz handelt von der siaallilen blniei;? nng tau wirt cknsttichcc Arbeiter!äuscr und bezweckt, die Arbeiter durch Bezahl g des bisherig n Hauszinses in den Br sitz Les Haches gelangen zn lassen. Italien. * Tie Mvnarchenrntreltticn. Aus Rom wird uns beriilet: Inden hiesigen maßgebenden Kreisen äußert man sich lehr befried gt von dem Ergebnisse der Monarchenznsammcntunite in Willelmsuvhc und I ch«, da dreies geeignet cricheiut, die Erhaltung des Friedens für lange Zeit Z» sichern und mancherlei lAißoerständnisse nuiec den Macksten vollkommen ,-u beseitigen. Man werde nnler solchen Umständen von einem Friedensbund der Mächte lprechen können, ter an Mert und Bedeutung keinerlei stchnillichen Abma»ngcn nachstebt. Daß dieses Z^el erreicht wurde, haben die Erfahr»» en im rmistch-mvanischen Kriege bewirlt. die überall die kriegerischen Gelüste wesentlich cingedammt hab.» und den Wunsch nach Erhaltung Les Friedens in der ganzen zivilisierten Welt laut werden ließen. Der türzliche Abschluß des rn siichstupaniickun KrneaeS liefert cen besten Beweis für Liefe Bcurebungen. Welches Unheil wäre verbatet worden, wenn die Verhandlung»n stoischen Rußland und Japan vor dem Ausbruche des Krieges zu vielem Ergebnisse geiübrt halten. Tie bevorstehende Zusammenknnit deS Ministers Tittoni mit Freiherrn v. Aehrenthat wird, was das Verhälinis zwischen Italien und Oesterreich-Ungarn betrifft, sich in ihrem Ergebnisse dem Mittwoch, 21. August LV07. erfreulichen Resultate der politischen Besprechungen bei den jüngsten Monarchen begegnungen in zweifelloser Wei e anschließen. ' Spante»». * Königliches Tekret. „Gaceta de Madrid" veröffentlicht ein königliches Dekret, wodurch der Staaisminister ermächtigt wird, mit der Spantsch-Asrtkant- fchen Gesellschaft zur Förderung der spanischen Interessen in Afrika einen Kontrakt abttlichlichen. Die Gesellschaft erhält »inen Staatszuschuß von 500 OM Pesetas gegen die Verpflichtung einer Gewinnabgabe von 50 Proz. an den Staat. Das Programm der Gesellschast sieht dte Anlage von gewerblichen Unternehmungen vor. den Bau von Häfen, die Anlage von Wasserleitungen, sowie die landwirtschaftliche Eischließung von Ländereien sowohl in den nord- afrilaniscken Besitzungen als auch an der Küste der Sahara und am Golf von Guinea. Türkei. * Politisches Allerlei. Aus Konstantinopel wird gemeldet: Das Ausnahmegericht von Saloniki verurteilte sieben Einwohner des bulgarische» Torfes Geweoschik wegen Mitichuld an dem Versuche der Entiübrung des Obersten Eliot zu Freiheitsstrafen; zwei Einwohner, darunter der Amts vorsteher wurden zu zwölf Jahren, drei zu sieben Jahren und zwei zu drei Jahren Keiker verurteilt, während a l,tAnge lagte sreigeipiochen wurden. Oberst Eliot wurde als Zeuge vernommen. Ter Verhandluug wohnt n der engliiche Konsul und die Generalkon uin der Ententemächte bei. — Auch die neuesten Depeschen aus Teheran meiden übereinstimmend, daß die türkischen Trup- pen die gemeldeten pertilchen Orte noch immer besetzt halten. — Der persi cke Botichailec protestierte vorgeslcin und gestern bei der Pforte ernstlich, weit die turliiehen Truppen trotz der gegebenen Versicherungen fortgesetzt ans persischem Gebiete vorrückten und verlangte Zurückziehung der Truppen. Ter Botjchaster erhob wi-keinin Vorstellungen und verlangte die kate .oritche Antwort, ob die türkischen Truppen zurückgezogen werden oder nicht. Die Piorle unterbreitete daS Verlangen PersienS losort dem Mbtz. Persischen Nachrichten zu'olge befanden sich die türkischen Trnvpen abends drei Kilometer von der Stadt Urmia entfernt. Der ruiiäfche Bot chaster konferierte gestern mit dem Minister deS Aenheren, wobei der Konflikt an cer türtisch-russischen Girnze zur Sprat e kam. Es verlautet. Laß der russiste Botschafter Lcm Minister den Bericht Les ruisifchen Konsuls in Urmia mitteilte. Molto. * Ter KriegSschauPlak;. Ans Paris wird telegraphiert: Kein Bericht aus Casablanca ohne spitze Bemerkungen gegen Santa Oialla und seine Sp inier. Diesmal w rd ihnen vocgebalten, daß sie aus den Stadtmauern, Zigaretten rauchend, den Phasen des auiregenecn GescchteS zusahen und daß Major Santa Oialla erst nach vollgenossener Sonntagsruhe sich zum General Drude durchiragle, um ihm iciue Dienste anzubiclen. Gestirn Moniag) entschlossen die Lponier sich, irühmorgenS auszurucken. Sie erhielten eine Stellung tm W'uen vor der Stadt, und zwar im Hinblick auf die zu erwartenden neuen Kämpfe. Den weientlichiirn Allteil am Ersolge der Fran- zo en batte der Umstand, daß es geling, noch recktzeitig gegen 9 tlbr morgens eins der vom „Shamrock" m igcbra t ten 75 mm-Geschütze 500 m von einem den Marokkanern als Deckung dienenden Gehölz auszustellen. 14 Schüsse wurden abgegeben, koch sehlt über die V rluile, welche die angeblich sünt- zelmhundert aus Lein Gehölz entflohenen Reiter erlitten, icdc Schätzung. Mittler weile taten auch die zum Schutze Les Zentrums und der rechten auf der Terrasse eines Bauernhuuses ausgestellten Ma chinengcwehrc ihre Schuldigkeit. Fünfhundert Schüsse in der Minute wurden gegen die aus 4i 0 m anreitenden Kabulen abgegeben. Man sah zwei in rote Maniel gebüllie Kaids fallen, ebenso die L nie, w lche ihre verwundeten C:efs auf cie P,er:e binden wollten. Das Feuer des Kreuzers „Gione" war Viermal nicht durchweg nützlich, mußte sogar wäweuü deS Rabkumoscs ker h wlb>diä»gten Spalns mit einer Ucberzahl von Kabyten zeitweilig eingestellt werden. Erst als die letzteren turch die den cpahis gesandte Unterstützung von der äußersten Linken des Lagers abgedrängt und der Küste zugelrieden wurden, konnten die Ge>chosse der „Gloire" den Flüchtigen einigen Schaden zusügc i. Tie Verwundung, welche Kapitän Cuud erlitt, als er an der Spitze von nur sechzig Spahis den tollkühnen Ritt gegen mehrere hundert Kabylen unternahm, rührt von eurem Flinten chusse her, doch bestand die Ladung nur aus Sckrot. — General Donop, welcher türzlich in Reserve übertrat, sprach in einem Interview lein le.hastes Bedauern ans. daß Frankreich durch das Bombardement von Casablanca und den unzureichenden Schutz der Europäer in Morok o sich die wichiigstcn Lyinpatbien verscherzt habe. Schon sei unter den Eingeborenen verbreitet. Laß Frankreich Hun:eite von Millionen Ent- ichäugung au deutsche und englistle Kauilcute werde cnlrichlcn müssen. Tas Prestige Fronkc-ichs in Mnroiko habe dadurch erheblich gelitten, es sei gar nicht abznschen, wie dies alles endcn solle. Feuilleton. Der „Deutsche Vorkämpfer" un- Louis Viereck. Von Tr. Ernst Henrici sLeipzig). In den Vereinigten Staaten hat das Deutschtum seit Jahren be gonnen, sich auf feine Kulturmission zu besinnen, im Vollbewußtsein einen starken, wenn nicht den stärksten Anteil an der Entwickelung des neuen Vaterlandes zu haben. Ein volles Jahr vor der Unabhängig- keitscrklärung, nämlich schon am 1. August 1775 forderten die Deut schen Philadelphias zum bewaffneten Widerstand gegen die englischen Unterdrücker auf und begannen sich militärisch einzuüben. Tann wurde der deutsche Baron von Steuben der große Organisator, der Scharnhorst der Unabhängigkcitsarmee. Ohne Steuben gäbe es keinen Washington. Und die furchtbaren Kämpfe gegen die Briten im Mohawktale führte der deutsche General Mühlberg. So haben Deutsche einen entscheidenden Anteil an der Begründung der amerika nischen Republik gehabt, wie sie wirtschaftlich ihr Rückgrat bilden. Der amerikanische Ackerbau ist in erster Linie die Frucht deutschen Fleißes; die Eisenindustrie Pennsylvaniens wurde von deutschen Schmieden ge- geschafsen, die die ersten Eisenschmelzen dort anlegten. Und deutsche Ingenieure sind jetzt Amerikas oeste Konstrukteure. Seit einigen Jahren besteht nun drüben der „Deutsche National bund" unter der klaren, kraftvollen Leitung des in Amerika geborenen Deutsch-Amerikaners Dr. Hcxamer in Philadelphia. Klarer werden setze die Ziele der Deutschamerikaner; kein politischer sondern ein Kulturfaktor wollen sie sein. Seit langen Jahren kämpft ruhig und zielbewußt auch der Deutsch amerikaner Louis Viereck für das Deutschtum Amerikas. Eine markige, charaktervolle Persönlichkeit ist dieser Mann, den ein tiefes Gerechtigkeitsgefühl in jungen Jahren in die sozialdemokratische Par tei trieb, für die er Reichstagsabgcvrdneter in Leipzig-Land wurde 11884—87). Er sah die schweren Mißstände des aufkommenden In dustrialismus, er wollte helfen und warf mit edlem Idealismus seine juristische Laufbahn hin, um seinem leidenden Volke zu dienen. Und Ivar enttäuscht in seiner eigenen Partei. Es kam zu schweren Zerwürfnissen. Irre ich nicht, so war es die Tampfersubven- tionsvorlage, für die Viereck stimmen wollte, und worüber der Bruch sich vollzog. Er ging nach München und schlug sich mühselig durch. Dann wanderte er aus, alsehrlicher Mann, der nicht bei seinen ehemaligen Gegnern Brot suchen mochte. Und als er dann drüben seine Eousine Laura Viereck heiratete, eine feinsinnige Dome, die, arm wie er, als Erzieherin in England gedient hatte sin England wird ja die Erzieherin als eine Art Dienstbote behandelt), da berichtete die sozial- demokratische Presse: der abtrünnige Viereck habe eine amerikanische Millionärin geheiratet. Derweil legte sich Viereck mit Sorgen nieder und stand mit Sorgen auf. Er verdiente sein Brot als Zeitungsberichterstatter. Ost war ich in meinen amerikanischen Jahren Gast in dem feinsinnigen Vicreckschen Hause in New Aork, mit dem mich Bande der wachsenden Freundschaft verknüpften. Tort herrschte eiserner, rastloser Fleiß, mit dem LouiS Viereck seine große Ausgabe in der Stille sörderte: „Tie Deutschen in die Front." Eine müßige Scnsationssucht zerrt immer wieder die alte Geschichte in den Vordergrund, ob L. Viereck durch Bande des Blutes mit den Hohen- zollern verknüpft ist, mit denen er, wie sein Sohn, der jugendliche Dich- ter Georg Sylvester Viereck, ja allerdings eine verblüffende Aehnlichkeit haben. Louis Viereck selbst verbittet sich dies Gerede nachdrücklich, auch in der neuesten Nummer seiner Monatsschrift des „Deutschen Vor. kcmvfers". Was verschlägt eS denn auch! Mehr sollte eS Bewunderung erregen, daß der 56jährige, leidende Mann, unter Schmerzen, doch mit Jugcndmut für die Kultur seines Volkes kämpft. Sein Buch „Zwei hundert Jahre deutschen Unterrichts in Amerika" ist ein bewunderungs würdiges Wahrzeichen emsigen deutschen Fleißes und deutscher Treue. Vor sechs Wochen, ehe er, schwer krank, nach Wildungen ging, war er mein Gast in Leipzig: schlicht und still und gedankenreich, wie immer, setzte er mir sein« Gedanken über die Zukunft seiner deutsch-amerikanischen Monatsschrift „Der deutsche Vor kämpfer" auseinander: ein günstiges Band von hüben nach drüben zu schaffen, und die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder zu fördern. In der August-Nummer deS „Vorkämpfers" spricht Viereck sich klarer wie. j.e ein Deutschamerikaner über die Zukunft des Deutschtums. drüben aus: „Nichts ist nach meiner Ucberzeugung schlechtere Politik für das Deutschtum, als die — noch immer hier und da zutage tretende — Ten denz, einen eigenen „Staat im Staate" zu bilden. Ein Vorbild, wie sich diis Deutschtum verhalten muß, um das Beste für sich und zugleich für jein Adoptiv-Vatcrlond zu erreichen, scheint mir vielmehr im Verhalten der sogenannten „französischen Kolonie", die in manchen Teilen Deutsch- lauds, besonders aber in Berlin, besteht, gegeben zu sein. Die Nachkom men der Hugenotten, die zur Zeit des Großen Kurfürsten, also vielleicht vor einem Vicrteljahrtansend, nach Deutschland auswanderten, haben noch heutigen Tages nicht vergessen, daß sic Franzosen waren. Sie pflegen ihTe Heimatssprache aufs Beste, haben eigene Gesellschaften, Kucken und Schulen, in denen die französische Sprache vorherrscht, und sie haben so unter sich eine geistige Gemeinschaft, die kaum in ab sehbarer Zeit verschwinden mag. Dabei geben sie tadellose deutsche Patrioten ab, selbst da, wo cs galt, mit den urgermanischen Deutschen gegen den „Erbfeind" jenseits des NheinS zu kämpfen! Aber sie hatten ihren Stützpunkt in dem Studium französischer Sprache und Literatur, das auf allen besseren deutscken Schulen betrieben wird und trotz der erhöhten Aufmerksamkeit, die jetzt das Englische in Deutschland genießt, nie verschwinden wird. Hier in Amerika handelt es sich aber nicht bloß um die höheren, son- dcrn ganz besonders auch um die Volksschulen, in denen der deutsche Unterricht nicht verschwinden darf, nein, viel weiter als bisher aus gedehnt werden muß. Daß aber das Gros unseres Deutschtums durch ungenügende Benutzung dieser günstigen Gelegenheit, seine Mutter sprache zu erhalten, vielleicht zum entschiedensten Rückgänge dieses seines eigenen Stützpunktes beigetragen hat, das ist seine Sünde wider den heiligen Geist des deutschen Volkstums!" Tas ist klar und groß gedacht, und man sollte nicht deshalb, weil Viereck mit solchen Gedanken von Berlin aus auch amtlich gefördert wird, daraus die Berechtigung zu Famiüenklatschgcschickten ablciten. Wo Professoren ausgetaujcht werden, Tr. Hcxamer vom Kaiser einen Orden bekommt, da ist die Förderung des „Vorkämpfers' mit statisti schem Material und Empfehlungen nur ein Glied in der Kette der amerikaircundlichen Politik des Kaisers. Heute wird kein Admiral Tewey mehr zu sagen wagen, daß der nächste Krieg Amerikas gegen Deutschland geht: jetzt droht die gelbeGesahr gegen die pazniicke Küste. Möge Louis Vierecks „Vorkämpfer" ein wackerer Fördere, der Freundsckast der beiden großen Nationen werden. * Theater und 2(or,zerte. Leipzig, 21. August. bl. 8. Neues Theater. sN e u e i n st u d i e r tj: Lnsso I'nrto" von Nicola Spinelli.) — Die Werke eines Mascagni und Leon- cavallo bcöcuten Blüte und Verfall des musikalischen Verismus zu gleicher Zeit. In Frankreich standen Massenet mit „Der Naoarre- lerien" und Charpentier mit „Luise" auf gleichem oder doch sehr ähn lichem Boden, in Deutschland knüpfte der, freilich viel seiner geartete d'Älbert einmal an sie an im „Tiefland" und in Italien selbst fügte sich Puccinis „Tosco" der herrschenden vcristischcn Mode. Aber schon sechs Jahre vor ihm, nämlich 1894, war Spinellis Lass,» kortto" s„Am un teren Hafen") erschienen, ein sogenanntes „ciramrva Ivrioo" ohne schlicke Lyrik, vielmehr voll von wüster Leidenschaft und Blutgeruch. Spinelli folgt seinen Vorbildern Mascagni und Leoncavallo eifrig nach. Er er reichte aber weder diesen noch jenen als musikalischer Erfinder; im Gegenteil, er machte bei beiden Anleihen, ohne deshalb die ideelle Hilfe eines Verdi, Gounod und Wagner gänzlich zu verschmähen. Aber er kam jenen gleich als Bühnenpraktiker. War auch die Exposition seiner Oper mangelhaft, weil dem unbefangenen Zuhörer in manchen Stücken von vornherein nicht verständlich genug, so war doch der Stoff an sich dankbar und zur Wirkung aus die Masse höchst geeignet: Zwischen dem Obmann der neapolitanischen Camoristen Ciccillo und der Mutter Maria schwebt alte, noch ungesühnte Schuld, die Rache heischt. Ciccillo will Marias Sohn Luigino zum Lumpen machen, die Tochter Sesella um ihre Ehre bringen. Hieraus ergeben sich, obendrein gesteigert durch die niedrigen Triebe einer rohen und völlig ungezügelten wie durch die in vielem aus schlaggebende Umwelt eine Reihe von Verwickelungen, die im Geheim bunde der Camorristen entstehen und nur durch den von Maria in der höchsten Not und Verzweiflung ausgeführten Mord des Ciccillo ein ge- l waltsamcs Ende finden. Spinelli besitzt sicherlich ein bedeutendes Musi kalisches Talent, beherrscht alle Mittel, ivwohl der Harmonik wie der i Instrumentation, in hervorragender Weise, und weiß mit wahrhaft dra- ! malischem Spürsinn jede Situation für seine musikalischen Zwecke bis auf den kleinsten Rest auszunutzen. Seine Musik ist dramatisch, in jeder Note, ans Icidenfchaftsoollcm Herzen heraus ncschrieben, uns cnihält auf jeder Parliturscitc die üöerraschenostcn Gegensätze. Daß sic oft viel mehr aus Nerven- als ans Scelenslimmungen hervorgeht, ist leicht empfindbar, noch leichter begreiflich. Spinelli ist ein ausgezeichneter Charakter zeichner, seine Musik heftet sich gleichsam unlösbar an Personen und Vor gänge auf der Bühne, sie zeitigt nicht wenige wirklich schöne Kantilenen, um sich, dem Stoss entsprechend, ebenso häufig in äußerster Brutalität auszubreiten. Sie wirkt für den Anfang zuweilen geradezu verblüffend, um dann und wann sich um jo intensiver von mehr äußerlicher Seite zu zeigen. Daß das Werk gestern einen so bedeutenden Erfolg halte, war teilweise gewiß der ausgezeichneten Aufführung zu verdanken. Die Hauptträger der Handlung, Frl. Urbaczck und Herr S ch ii tz, gaben in der Tat ihr bestes. Erstgenannte verlieh der Mutter Maria alle Züge einer im tiefsten erregten, von alten Erinnerungen und neuen Leidenschaften gleicherweise gepeinigten Frauenseele, und ließ diese Ge stalt aus dem italienischen Volksleben zu tragischer Größe emporwachsen, wozu noch packende Deklamation und scharfe musikalische Akzente das ihrige beitrugen. Sie wetteiferte hierin mit dem Ciccillo des Herrn Schütz, einem eisenharten, nur vom unvergänglichen Gedanken endlicher Rache durchaus erfüllten Manne mit einer wahren Naubtierseele. Frl. Marx löste als Tochter Sesella, die ihrer Leidenschaft so glühend gern folgen möchte, sich aber doch von der Mutter bereden und damit vom Untergange erretten läßt, die darstellerisch und musikalisch so schwierige Leistung vortrefflich und erreichte vor allem in der großen Szene des zweiten Aktes eine gewaltige dramatische Höhe. Herr Wilvbrunn erschien seit den Ferien als ein ganz anderer. Sein mit so schönen stimm lichen Mitteln begabter Luigino durste als Typus eines im Verbummeln begriffenen fungen Neapolitaners der untersten Volksklaisen gelten — Spiel, Maske, Gesang und Aussprache verdienten hohes Lob. Auch Herr Stichling als wütender Camorist half die verschiedenen Szenen in bester Weise mit charakterisieren. Das Orchester unter Herrn Kapell meister Hagels so überaus temperamentvoller, alle Höhen und Tiescn des Vortrags fein und künstlerisch abwägender Leitung spielte ausge zeichnet schön, jo daß auch das, selbstredend im vcristischcn Nahmen nicht fehlende „Zwischenspiel" mit seinem Mandolincnsolo vielen Beifall sand. Tie Chöre beteiligten sich lebhaft am ganzen in den von Spinelli so geschickt und wirkungsvoll ausgebauten Enlemblesätzcn. Die Inszenie rung lag in den Händen des Herrn Obcrrcgisseur von WvmStal. Sehr wirkungsvoll waren die verschiedenen, immer wechselnden Szenen am Hasen mit den Gruppen der Kartenivieler, Spaziergänger, Händler, makkaroniessendcn Straßenbengeln » In Murillo, und so gut wie echt die Wcinkneipe, darin weder ein Bild der Madonna, noch die aus schmutzige Wände gehefteten farbigen Plakate und die am Herd trocknende Wäsche fehlten! In Summa: eine Vorstellung, deren zablreiche Faktoren ein wirkliches Ganzes bildeten. * * Kleine Chronik. Die .,Mg. Ztg." in Münckcn meldet zur Kandidatur Weinaartners in Wien: Vor etwa ackt Wochen wurde von Wien an- an Felix Weingartner yerangetreten. ob er gewillt sei, wenn sich die Schwierigkeiten, die leinem Engagement tm Wege neben — nämlich seine Vervflichtung gegen die Berliner tzosover — beheben lassen. Len Posten als Wiener tzotopern-Direklor anzunebm-n. Weingartner erklärte sich im Prinzip einverstanden Es wurden dann Sckritte unternomwen zur Lösung seiner Berliner Verbindlichkeiten, dir, wie nun verlautet, von Erfolg begleitet waren, so daß Weingartners Ernennung bevorsieht. — Als Nachtolaer Joachims im Voiütz res Direktorium» der Königlichen Hochschule sür Musik — Joachim besaß den Direkiortitrl nur für seine Person — dürfte in erster Linie der bekannte Leiter des Kölner Konser- vatonumS, Generalmusikdirektor ProsrssorFrid Steinbach in Betracht kommen.— Zum Prviefsor der Kunslgrwerbeschule in Nürnberg wurde der Runnmaler und Zeichner Otto Lokr aus München ernannt. — In Marienbad finden aus Anlaß der Anwesenheit de» rngti'chen König» mehrere Gastspiele de» Ensemble» de» Theater» Co stanzt au« Rom statt. — Wie au» New Bork bericht« wird, bat der amertkant chr Komponist Sonja eine neue komisch, Oper vollendet; der Titel de» Werke» wird noch nicht bekannt gegeben. — Au» Amerika kommt rmr jeltlamr Kunde: In St. Loui» ist in aller Form rin Lehrstuhl für Automo biliSm nS errichtet worben; Professor Calvin M. Woodwarb hat ihn übernommen. Seine Lehrtätigkeit wird sich nicht ans die Theorie be schränken: auch praktische U'biinaen sind vorgesehen. Bereits im September werden dir Vorlesungen ihren Anfang nehmen.
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