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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070823022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-23
- Monat1907-08
- Jahr1907
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demokralie erhalten hat. Nach einem Bericht der sonaldemokratischrn ^Schwab. Tagwacht' faßte er sein Urteil dahin zusammen: Ich war gespannt darauf, di« deutsche Sozialdemokratie persönlich kennen zu lernen, die ich seit Jahren nur mit Achselzucken au» dem silbrnstecherischen, daarspaltendea Kampf um dir Au-legung von Karl Marx kannte Jetzt habe ich sie hier in den Straßen Stuttgarts gesehen, di« deutschen Proletarier. Meine naiven Illusionen sind alle zerstört; jetzt weiß ich de» Wert ihrer radikalen Phrasen zu schätzen, es sind gute, heiter^ zufriedene, satt« Spießbürger. Der Internationalismus der deutschen Sozialdemokratie ist Ltppendtenst und Kongrrß- bummelet, sie hemmt, sie erdrückt uns. Dazu bemerkt die „Frkft. Ztg.' „zugunsten' der Genossen: DaS Bild ist ungerecht, weil e- mit starker Boreingenommenheit gesehen ist. Was Heroü für Mutlosigkeit und Genügsamkeit hält, ist in Wirklichkeit eine gewisse, au« lange» Erfahrungen gewonnene Besonnenheit, der eS weuig imponiert das Temperament eines Pferdes zu besitzen, wenn man mit dem eines Zugochsen nicht so leicht ermüdet und weniger Niederlagen erleidet. Deutsches Reich. Leipzig, 23. August. * Der Unfall der Kaiserin hat tatsächlich beim Tennis stattgefunden, das sie mit ihrer Umgebung im sogenannten Ballhause des Schlosses Wilhelmshöhe spielte, in besten Innerem ein Platz für das Spiel bei schlechtem Wetter heraerichtct ist. Schon gleich nach dein ersten Spiel glitt die Kaiserin aus dem glatten Boden aus. Beim Fall wurde am linken Bein eine Ader verletzt. Die Mitspielenden eilten sofort hinzu und führten die Kaiserin zu einem Korbsessel. Dann wurde Geb. Rat Dr. Zunker berufen, der einen Verband anlegte und die Nebersübung der Patientin in ihre Räume anordnete. Das Befinden der Kaiserin hat sich im Lauf des gestrigen Tages wesentlich gebessert, wenngleich noch immer zeitweilig sich erhebliche Schmerzen bemerkbar machen. Die Kaiserin brachte den größten Teil des TageS im Bett, den Rest auf einer Chaiselongue liegend zu. — Nach einer anderen Meldung scheint es, daß durch die Verletzung der Ader die Hüfte in Mitleidenschaft gezogen »st. Nach den bisherigen Dispositionen wird die Patientin vierzehn Tage hindurch ununterbrochen in der Ruhe lage zubringen müssen. Die Kaiserin.dürfte bis zum 18. September soweit wiederhergestellt sein, daß die Rückreise nach Poisdam unbesorgt unternommen werden kann. Infolge des Unfalls der Kaiserin ist das kaiserliche Hauptquartier für die bevorstehenden Kaisermanöver nach Wilhelmshöhe verlegt worden. * Sine abessinische Gesandtschaft an den Kaiser befindet sich nach einer Meldung dec ,,Post" zurzeit an Bord des Reichspostdampfers „Preußen" vom Norddeutschen Lloyd, der am 31. August in Hamburg eintreffen wird. Ter Führer der Gesandtschaft ist der abessinische Krieasminifter, begleitet von dem Handelsminister und großem Gefolge. In Neapel wurde der Kriegsmimster im Auftrage des italienischen Königs von einem General begrüßt. Unter den prachtvollen Geschenken für den Kaiser ragen zwei über zwei Meter hohe Elefanrenzähne be sonders hervor. Wie eS heißt, soll die Gesandtschaft in Deutschland Ab schlüsse für Eisenbahnbauten in Abessinien vornehmen. Bon Berlin wird sich die Gesandtschaft nach Wien und Konstantinopel begeben. * Der Reichsetat für 1908 wird vor Ende September in seiner end- gültigen Form nicht vorliegen. Die letzten Arbeiten beginnen nach Rück kehr des Reichs'chatzsekretärs Ende dieses Monats. Die „Mil. pol. Korresp." gibt den Fehlbetrag im Etat mit Einrechnung der Gehalts aufbesserungen für die Neichsbcamten auf mindestens 110 Millionen Mark an und nennt von neuem unter den projektierten Steuervorlagen die Tabak- und Zigarren-Banderolensteuer. Ein uns als gut begründet bezeichnetes Gerücht spricht davon, daß man wieder sehr ernstlich an das Tabaks Monopol denke, und zwar in einer Form, die seine Einführung dadurch erleichtern solle, daß sie auf mehrere Jahre verteilt werde. * RcichSzuschutz und I»vqlttzenverficherttng. Während in früheren Jahren bei der Aufstellung des ReichshauShaltSetatS stets mit einer Ausgabesteigung durch den RrichSzuschuß zur Znvalivenversicherung ge rechnet werden mußte, die mehrfach 3, ja 4 Millionen Mark betrug, har in den letzten Zeilen diese Etarsposilion einen so ungünstigen Ein fluß ^us die Ausgaben nicht mehr geäußert. Von 1005 auf 1906 betrug vie Steigung des in den Etat eingestellten RcichSzuschusseS nur rund 1 Million Mark und von l906 auf lS07 konnte der Betrag sogar um runv 0,8 Millionen Mark ermäßigt Werre». Es rührte dies daher, daß die Steigerung in der Zahl der im Laufe des einzelnen Jahres binzukommenden Invalidenrenten nicht mehr so groß wie früher war. Auch jetzt weisen, wie wir noch jüngst an ver Hand der amtlichen Zahlen au-geführt haben, die Zugänge keinen übermäßigen Umfang aus. Man wi,d deshalb auch damit rechnen töi-ncn, baß der ReichSzuschuß zur Invalidenversicherung bei der gegen wärtig im Gange befindlichen Aufstellung veS ReichshauShaltSetatS tür 1908 rie Ausgaben nicht so steigern wird, wie für frühere Etats. Bei der sonst schon aus den verschiedensten Gebieten hervortretendcn Not wendigkeit der Ausgabeerhöhung kann diese Erscheinung nur begrüßt werben. nie. Die Kaufmaunsaerichte in Deutschland. Die Zahl der Kauf mannsgerichte, deren Errichtung und Einführung dem steten Drängen der nationalliberalen Partei, besonders der Tätigkeit BassermannS, zu danken ist, hat am 1. Juli die stattliche Höhe von 240 erreicht. Davon entfallen aus Preußen 157, auf Bayern 24, auf Sachsen 17, aus Wärt- rembera 9, auf Baden 6, auf Hessen 5; je 4 auf Sachsen-Weimar und Elsah-Lothringen, je 3 aus Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg und An halt, je 2 auf Sachsen-Kobura-Gotha und Bremen, und je 1 auf Braun- schweig, Sachsen-Altenburg, Neuß ä. L., Reuß j. L., Lübeck und Hamburg. * Der Bericht de- foiialdemokratischea Parteivorstandes an den Esseuer Parteitag hat zu erscheinen begonnen. Daß der vorliegende Teil in besonderem Grade die Aufmerksamkeit fessele, kann man beim besten Willen nicht behaupten; vielmehr trägt der bisherige Teil des Berichtes auf jeder Seite den Stempel bureaukratischer Parteischablone und tischt namentlich in bezug aus die Reichstagswahl „olle Kamellen" auf. Neu aber sind die Angaben über die Anstrengungen der Partei bei der Wahl und über die Kosten des Wahlfeldzuaes. Im ganzen Reiche hat der Wahlkampf der Sozialdemokratie 1570 000 .E gekostet, wovon rund 412000 .E durch die Zentralkasse gedeckt sind. Von der letzteren Summe gab die Zentralkasse rund 394 000 .L den Bezirks- und Landesorganisa- tionen als Zuschuß. Den größten Zuschuß erhielten mit beinahe 32 000 Mark die Reichslande, wo bekanntlich ein Viertel der von der Sozialdemo kratie überhaupt neu gewonnenen Wahlkreise zu suchen ist, nämlich die beiden Kreise Straßburg und Mülhausen. Beinahe 26000 erhielt der Agitationsbezirk Elberfeld; 20 000 .tl bezogen die Agitationsbezirke Brandenburg und Nordbayern. Ostpreußen wurde mit 16 000 ^l, Hesten-Nastau mit 16 333 .il, Württemberg und Hannover mit je 15 000 Mark, Hessen und Mecklenburg mit je 13 000 bedacht usw. Groß- Berlin, Südbayern, di« Pfalz, Leipzig, Koburg-Gotha, Braunschweig, Anhalt, Hamburg und Lübeck blieben ohne Zuschuß. Welcher Ozean von Druckerschwärze von der Sozialdemokratie verbraucht worden ist, geht aus folgenden Zahlen hervor. Das „Handbuch für sozialdemokratische Wähler" erschien in einer Auflage von 6000 Exemplaren; die „Winke zur Neichstagswahl" wurden in einer Auslage von 78 000 Exemplaren, »re „Zehn Musterflugblätter" wurden für ein« Anzahl von Wahlkreisen in einer Gesamtauflage von etwa einer Million allein vom Parteivorstand zur Verfügung gestellt; zur Stichwahl erschien ein illustriertes Flug blatt in einer Auslage von 2A Millionen; die Gesamtauflage der von der Partei verbreiteten Flugschriften beläuft sich auf 55,5 Millionen! Mit besonderer Schärfe wendet sich der Parteivorstand gegen den Frei sinn, dessen Wahlsnnden zugunsten des Blocks statistisch vorgeführt wer- den. Sehr undankbar behandelt andererseits der Parteivorstand das Zentrum, dessen Wahlhilse nicht statistisch veranschaulicht wird. Er wähnung verdient schließlich die Berechnung, daß von allen Wahlbercch- tigten 24,4 Prozent für die Sozialdemokratie gestimmt haben, gegen 24 Prozent im Jahre 1903; und nicht mit Stillschweigen darf die Mit teilung übergangen Herden, daß die Mitgliederzahl der Parteiorgani- sation von 384 327 im Jahre 1906 auf 530 466 im Jahre 1907 ge stiegen ist. * Wilhelm Schmidt, der frühere sozialdemokratische Reichstags abgeordnete, ist gestorben. Er war am 28. November 1851 in Frank- furt a. M. geboren, von Beruf zuerst Lithograph, später Redakteur. Er wurde im Jahre 1890 in Frankfurt a. M. in den Reichstag ge wählt als Nachfolger SaborS, den er nun nur kurze Zeit überlebt hat. Bis zu der diesjährigen Wahl erfolgte stets leine Wiederwahl, während in diesem Jahre, wo statt Schmidts Dr. Ouarck aufgestellt war, der sreisinnige Kandidat gewählt wurde. Ausland. * Tittonis Reise. Aus Wien wird gedrahtet: Die gesamte Presse widmet dein italienischen Minister des Aeußern Tittoni herzliche Worte der Begrüßung. Das „Fremdenblatt" konstatiert, daß die Zusammen kunft aus dem Semmering nicht nur ein Höflichkeitsakt sei, sondern aucy große politische Bedeutung habe, da bei den Besprechungen zwischen den beiden Staatsmännern die Vereinbarungen von Desto ratifiziert werden würden. — Ein zweites Wiener Telegramm berichtet: Der Kabinetts chef des Barons v. Aehrenthal Frhr. v. Gagern äußerte sich über öi« Bedeutung des Besuchs des italienischen Ministers des Aeußern Tittoni bei seinem österreichischen Kollegen wie folgt: In den Konferenzen zwischen Tittoni und Aehrenthal werden alle Fragen, die in Desio be sprochen worden sind, neuerdings erörtert werden. Es gibt keine Meinungsverschiedenheiten. Die gestrige Besprechung beweise allein das ausgezeichnete Einvernehmen zwischen Italien und Oesterreich. Be merkenswert ist, daß auch die ultramontanen Blätter Wiens den italie nischen Ministerpräsidenten freundlich begrüßen. * Zwischenfall auf hoher Se«. Ein Telegramm aus Rom berichtet: Der „Ävenire d'Jtalia" berichtet über einen Zwischenfall auf der Höhe von Brindisi. Der italienische Kreuzer „Monte- bello" feuerte gegen den österreichischen Dampfer „Franconia" drei blinde Schüsse ab, da die „Franconia" sich ge weigert hatte, ihre Flagge zu zeigen. Der „Montebello" verfolgte den österreichischen Dampfer drei Stunden lang und holte ihn ein, ließ ihn jedoch weiterfahren, nachdem er seine Nationalität nachgewiesen hatte. * Die Verschwörung von Petersburg. Das Militärbezirksgericht in Petersburg beschäftigte sich in der gestrigen Abendsitzung mit dem Sachverständigengutachten über die bei den Angeklagten beschlagnahmten Schriftstücke. Die Prüfung derselben ergab die Richtigkeit der Tatsachen, die in der Voruntersuchung bezüglich der Schuld der Angeklagten fest- gestellt worden sind. * Raon-l'Etape. Aus Paris meldet ein Telegramm: „Petit Jour nal" meldet aus St. Die, daß der Ausstand in Raon-l'Etape von neuem anfange. Acht Kompagnien Jäger seien mobil gemacht, da man ernste Ereignisse befürchte. * Der verhaftete Minister. Aus Cettinje wird gemeldet: Der frühere Minister des Aeußern Wutcovic wurde verhaftet, weil er in einer öffentlichen Versammlung die Politik des Fürsten Nikita aufs schärfste angegriffen hatte. * Drohender Generalstreik. Aus New Aork wird gemeldet: 17 000 Metallarbeiter haben eine Lohnaufbesserung verlangt, die ihnen aber von den Arbeitgebern verweigert wurde. Man befürchtet, daß sie einen Generalstreik inszenieren werden. Leipziger und Sächsisch« Angelegenheit««. Wetterbericht des königl. säehs. nreteor. Institut» zu Dresden. Voraussage tür ven 2t. August. Meist trocken, aber ziemlich trübe, mäßige Westwinde, Temperatur nicht erheblich geändert. Auszeichnung. Der König hat dem Oberlehrer au der 4. Bezirksschule in Leipzig, Gustav Hermann Täte ine, in Anerkennung seiner langjährigen, treuen und ersprießlichen Amiswirksamkett das Verdienstkrruz vrriieücn. Die Auszeichnung wurde ihm durch Oberbürgermeister Justizrat Lr. Trönvlin an RatSsielle überreicht. * „Zentralverband Deutscher Zementwaren- und Kunststein sabrikanten, e. B." Unter diesem Namen wurde am 18. d. M. ein Ver band der Zementwaren- und Kunststeinfabrikanten gebilder. Seine Ziele sind nach den von der Versammlung genehmigten Satzungen sehr weit gesteckt. Er soll einen Mittelpunkt zur Erledigung aller, die Branche berührenden Fragen darstellen. Sitz des Verbandes ist Leipzig. Die Geschäftsstelle befindet sich daselbst, Kronprinzstraße 54. * Die gewerkschaftlich organisierten Handlungsgehilfen Leipzigs verhandelten in einer Versammlung über die Regelung ihrer Unter- stützungseinrichtungen. Sie stimmten den dazu eingebrachlen Vorschlägen zu und nahmen dann Stellung zur Kaufmannsgerichtswahl, wobei mit geteilt wurde, daß die von einem dazu eingesetzten Ausschüsse zusammen- gestellte Liste in der nächsten Zeit veröffentlicht werden würde. * Beschlagnahmt wurde die Druckschrift „Stock und Rute", Verlag von Schneider und Kuhnert in Pest. 1 Ucber das Ergebnis des letzten Leipziger Malerstreiks wurde in einer am Mittwoch im „Volkshaus" abgeyaltenen Malerversammlung Bericht erstattet. Demnach dauerte der Streik vom 18. April bis 6. Juni. Es waren daran insgesamt 1090 in 255 Betrieben beschäftigte Gehilfen beteiligt. Davon waren 957 organisiert. Verheiratet waren 644 Gehilfen mit 983 Kindern. Während des Streiks reisten 490 Ge hilfen ab, von denen nach dem Streik 113 zurückkehrten. Zu den neuen Bedingungen traten insgesamt 324 Gehilfen bei 119 Arbeitgebern in Arbeit. Streikunterstützung wurden 42 784 .ik bezahlt. Der Durch- schnittsstundenlohn betrug vor dem Streik 56,8 Pfg. und nach dem Streik 60 Pfg., demnach ist eine Erhöhung von 5,8 Prozent erzielt worden. Der Ausschluß einer Anzahl Gehilfen aus der Organisation soll beim Hauptvorstand beantragt werden, weil sie während des Streiks ohne Erlaubnis in Arbeit getreten sind. Weiter wurden noch ver- schiedene geschäftliche Angelegenheiten erledigt. * Sin Massenkonzert. Massenkonzerte sind letzt in der Mode. Drei, vier, fünf Orchester spielen abwechselnd unter den Leitungen ernzelncr Dirigenten zusammen. Die verschiedenen Musikkörper haben sich zu einem großen Ganzen vereinigt. Wenn Massenkonzerte wirken, wenn sie durch ihre Tonwucht nicht die Melodien erdrücken sollen, so ist zweierlei vor allem zn beachten' die Wabl des Ortes und die des Programms. In einem großen Parke oder Garten wild ein Massenkonzert seine Wirkung nicht verfehlen. Heikler ist die Sache schon in einem Saale. Im Garten des Zoologischen Gartens oder im Parke des Palmengartens ist deshalb die Wirkung eines Massenkonzerts geradezu erhebend. Und dann ist noch, wie gesagt, die Wahl des Programms von großer Bedeutung. Es ist klar, daß eine so wuchtige Musik, wie sie einige Orchester zusammen erzeugen, auch nur wuchtige Stücke wirkungsvoll wiedergeben kann. Dos merkte man am besten gestern im Palmengarten. Dort wurde von sämt- lichen Musikkorps der Leipziger Garnison ein imposantes Massenkonzert veranstaltet. Tausende waren hinausgeströmt, um das großartige Kon- zert mit anzuhnren. Und großartig in der Tat war es. Die Musikkorps der beiden hiesigen Jnsanterieregimenter Nr. 106 und Nr. 107, des Feld- artillcriereaiments Nr. 77, des 2. UlanenrePments Nr. 18, des 2. Train- bataillons Nr. 19 und dann noch sämtliche (spielmannszüge des 106. Ju- santeriercgiments -- das bedeutet Tonmasse! Und diese Tonmasse brachte am mächtigsten zur Geltung: den „Einzug der Gäste auf der Wartburg' aus „Tannhäuser" das erhebende Gebet „Verlaß uns nicht" von Kücken und dann vor allem „Wellingtons Sieg", iene gewaltige Schlachten- Sinfonie von Beethoven. Diese Sinfonie entrollt in machtvollen Tönen ein ganzes Schlachtenbild, großartig und erschütternd. Man hört aus ihr den Kanonendonner heraus, die Trommeln der Engländer. Dann Trompetensignale und dann das bekannte stolze „Ruis ör-itarrnra". Und von französischer Seite her vernimmt man plötzlich ebenfalls Trommel- wirbel und Trompetensignale. Der Marlborough-Marsch ertönt. Die Schlacht beginnt. Sturmmarsch und dann Trauermarsch. Und dann hebt die herrliche Siegessinfonie an. Das ist ein prächtiges musikalisches Schlachtengemälde! Man kann über Massenkonzcrte der Meinung seni, wie man will. Selbst die Gegner werden sich der imposanten Wirkung solcher großartigen Darbietungen nicht entziehen können. Und wenn dies der Fall ist, so ist ihre Berechtigung schon erwiesen. Alles an seinem Orte und zu seiner Zeit. Man hört heute hier Kammermusik gern und morgen da ein Massenkonzert. Und dieses namentlich im Palmengarten, in jenem großartigen Park, der schon eine Fülle von Tönen vertragen kann. reizvolle Abwechselung; und die dramatische Lebendigkeit und poetische Schönheit haben ihm Erfolg gesichert, auch bei dem großen Publikum, für welches der Grundgedanke immerhin eine harte, schwer aufzuknackcnde Nuß bleibt. Außerdem veröffentlichte der Dichter ein etwas Historien bast ausgefallenes Drama „Die Eidgenossen" (1897) und die maskierte Ehrisnistragödic „Hairan" jl898>, der sich wegen Zensurschwierigkeiten die Bühnen nicht erschließen konnten. Schöpferischer war jetzt Wilbrandt auf dem Gebiete der Roman dichtung; schon in seinem Roman „Gott Amor" (1890) hatte er sich einen Stoss aus dem Leben der Gegenwart, aus Theaterkreisen herausge- griffen, und den ansprechenden Grundgedanken behandelt, daß daS Talent des Künstlers erst Erfolge erringt, wenn die Macht der Liebe es gereift hat. In seinem Roman „Hermann Jfinger" (1894) hat er die Münchener Kunstwelt geschildert, ähnlich wie Heyse in seinem Roman „Im Paradiese"; beide haben vielfach nach Modellen gearbeitet und ihre Charakterköpfe den Münchener Ateliers entnommen; doch auch einige der Kunstmäcen konnten sich durch die Darstellung Wilbrandts getroffen fühlen. Bedeutender ist sein Roman „Die Osterinsel" (1894), der eine prächtige Satire auf den Uebermenschen Nietzsches und auch auf einige Auswüchse der neuesten Hygiene enthält, wie er auch andere Zeitrichtungen in späteren Romanen, wie „Hildegard Mahlmann" (1897), satirisch beleuchtet. Hier wandelt Wilbrandt in den Bahnen Gutzkows und Spielhagens; nirgends findet man bei ihm die gedanken- lo en Trivialitäten der neuesten beliebten Romanfabrikation. Ebenso sinnig ist er in seiner Lyrik, und als Essayist, als Biograph Hölderlin» und Kleists zeigt er sich als geistreichen und gewandten Literarhistoriker. So tritt das Gesamtbild Adolf Wilbrandt» vor uns hin, daS Bild eines Dichters, der gänzlich außerhalb deS Reklame- und des Cliquen wesens steht, und dessen 70. Geburtstag in weitesten Kreisen ein Gedenk, tag voll dankbarer Anerkennung sein wird. * * volkswirtschaftliche» Tiplomexamen. An der Universität Jena ist vom nächsten Semester ab ein volttwlrtschasiiiche» Diplomexamen in Aussicht genommen. Dies« Neueinrichtung kommt »inen in tveiten Kreisen lebhaft cmpfundentn Becürini« entgegen, da di« Zahl derjenige», welche sich eine ab geschlossene (auch nach außen hin alS solche dokumentiert«) volkswirtschaftliche Bildung anzuelpnen bemüht sind, — aus irgendwelchen Gründen aber da« Doktorexamen nicht machen können oder wollen, — ständig im Wochlen be griffen ist. E« handelt sich hierbei sowohl um Studierend« im «ngrrrn Sinue, wie auch um Männer, die bereits in der Praxi« stehen. Unter letzteren werden vor allem Beamte, Lehrer, Kaufleute. Fabrikanten, Techniker, Geschäftsführer von Jnteressenverbänden ,c. in Betracht kommen. Zu wünschen wär«, taß — nach englischem Vorbild — namentlich Svbne von Industrielle« diese Gelegra- hei», sich rin« abgeschlossene volkswtrtschoftltche Bildung zu erwerbe», ergreife« Mächten. Die Universität Jeaa war sür di« Einführung eine« solche» Examen« besonder« geeignet, weil sie in den letzte» Semestern dnrch die Mittel der Varl Zeiß-Ltistung die ftaatswtffenschasllichen Fächer weieutlich aasdaue« konnte. In Zukunft werden wir also uebr» de» Diplom-Landwirte» und Diplom« Ingenieuren auch Diploal-Bolttwirt« haben. * Wen« »a« sich gebtltzet ausdrückeu wtl. Di» „Zeitschrift de« All- gemeinen Deutsche» Sprachverein»" schreibt: E» gibt keinen Platz unter der Sonne, der nicht von dem Wirbel allgemeiner Umwandlungen ersaßt würde. Selbst die Stadttaglöhner in Pfullingen ipüien da« und empfinden da« Brlürsni«, ibre äußere Lag« den veränderten Zeilverbältaissen anzupossen. Sie stecken daher die Köpfe zusammen, und der Geicheiteste von idncn eniwirit das Schriftstück an den hohen Stadtrat, in dem dieier —, an eine solche Behörde muß man sich gebildet autdrücken — mit wohlgrirtzlen Worten um an gemessene Reduzierung ver Löhne gebeten nmd. Und der Stadlrat von Pfullingen hat ein Einsehen mit den guten Leuten und sagt ihnen: „Redu zierung eurer Löhne verlangt ihr, Regulierung meint ihr, und weil ihr daS so hübsch ouSgedrückt habt und auch sonst brave Leute seid, so wollen wir euch eine Aufbesserung gern gewähren." * Die Kontinentalsperre und der französische Buchhandel. In den letzten Jahren d»S ersten französischen Kaiserreichs verzeichnete die französische HandrlSsiaiistik eine ganz enorme Ausfuhr französischer Bücher. Diese äußerst merlwürbige Erscheinung gerade zu einer Zeih da Napoleon durch seine Kriegslaten ganz Europa in Aiem hielt, ba'te, wie d'AlmeraS in der „Revue" erzählt, nicht« mit dem Interesse de« Auslande« für die französische schöne Literatur zu tun. Die Erklärung ist vielmehr folgende: Al« Napoleon endlich fad, welcher Schaden dem französischen Hance! durch die Kontinental sperre zugefüat wurde, gestattete er, wie man weiß, gegen Löiung eines Lizenzicheine« dir Einfuhr einer gewissen Menge englischer Waren, di« aber der Ausfuhr einer gewissen Menge französischer Waren nach England entsprechen mußte. Um möglichst billig irr den Bests srauzöstscher Waren zu gelange«, erwarben nun di« sranzösischen Kausleuie alle», wa« sie nur an Restbeständen schwer verkausbarer Bücher bei den Buch händlern austreibea konnten, zu lächerlich niedrigen Preisen, während natürlich iu de» den Behörde» vor gelegten Fakturen die ursprünglich hohen Preise der Bücher verzeichnet wäre». So fanden die Werke von Dichtern dritten uud vierten Range« wie Delille, Chenedollö, d'Esmönard u. a. unerwarteten und reißende» Absatz. Anstatt aber die Bücher nach England einzuführen, warf man sie einfach in« Meer, um so wenigsten« de» hohen englischen Zoll zu vermeiden. Diese angebliche Ausfuhr gestattete aber, enorme Mengen Kolonialwaren nach Frankreich rinznführen und dabei noch glänzende Geschäfte zu machen. So bezahlt« man B. in Liverpool für ein Pfund Kaffe« 60 Centimes und ver kaufte es in Part« mit 8 Fraae«. * Hochschnlnachrichten. Auf die durch den Etat für 1907 bewilligte zweite Profeffnr für Brrgwiflenichasirn an der Technische« Hochschule z« Aachen ward« der Bergassrsior Friekrich Herbst tu Bochum unter Ernennung zum etats mäßigen Professor berufe«. — Der ». Prosrffor der Baukunst an der Technischen Hochschule zu Darmstadt Friedrich Pützer wurde auf sein Ansuchen von der Stelle al« Denkmalvflrger für di« Baudenkmäler der Provinz Rheinbessea ent- hoben und an seiner Stelle der Architekt Prof. Paul Meißner in Darmstadt zum Drukmalpfleger sür di« Provinz Rdeinheffrn ernannt. — Der außerordent lich« Prosrffor in der medizinischen Fakultät der königl. Friedrich Wilhelms- Universität zu Berlin, Geheime Mediztnalrat Dr. Alfred Goldscheider, ist »um ordeuilichen Honorarprofessor i» derselbru Fakultät ernannt worden. — Dr. F. Lisschitz erhielt die vaoi» logeuäi für Nationalökonomie an der juristilchea Fakultät der Üniversilät Bern. — Dr. Poli«, der Direktor der meteoro logischen Obiervatorivm» zu Aachen begibt sich im Auftrage te« Landwirt- schaftSminister« nach den Bereinigten Staaten zum Studium der Einrichtungen des dortigen Wetterdienstes. In Aussicht genommen sind zunächst Studie» in dem Wener-Burrau zu Washington sowie an dem Blue Hill-Obsrrvaiorium zu Boston. — Geh. Medizinalrat Professor Oskar Liebreich, der laagjährige Direktor des pharmakologischen Instituts an der Universität Berlin, ist schwer erkrankt. Der Forscher ist ichon seil längererZeitleidendunddatsichwährenddcs ver flossenen Sommersemesters in seinen Vorlesungen mehrfach durch Proi.LangoaarV ver treten lasten. — An der Frankfurter Akademie ist (vom Wintersemenrr an) Pfarrer D. Erich F o erst er «IS Privatdozent für Geschichte brr christlichen Religion und Kirche zugelaffen worden. — Ter KantonSrat in Zürich bewilligte einen Kredit von 50 000 Frcs. sür Studien über neue Hochschulbautrn. — Prof. Tr. med. Robert Osteriag, Ordinarius sür Hygiene und Leiter de« hygienischen Instituts an der Tierärztlichen Hochschule in Berlin, wurde zum Mitgliede des Kaiser!. GesundheilsamlS ernannt, wobei ihm gleichzeitig der Charakter al« Geh. Regierungsrat verliehen wurde. * Kleine Chronik. Das Joa chimstbalsche Gymnasium zu Berlin, da« in diesen Tagen da- Jubiläum seines lreihundertiährigen Bestehen« begeht, ver dankt seine Stiftung dem Kurfürsten Joachim Friedrich. Er lchuf vie Bildungs stätte nach dem Vorülde der sächsischen Fürstenschulen und Le« Tasimirianuin« zu Kobura und eröffnete eS persönlich am 23. und 24. August 1607 in dem uckermärkischen Städtchen Joachimslhal. C« sollte Staat und Kirche die nötigeu „Ingenia" liefern uns erhielt au- umfangreichen Säkularisationen eine so an- schuliche Ausstattung, daß sie 120 Zöglinge ohne Entaclt und 50 Pensionäre für jährlich 35 Taler mit erhalten konnte. — Da« Grab des Hannibal, da« man bis in die neueste Zeit in einem von hohen Zypressen umgebenen Pilaster monument bei Gebzeh ander No, dweßküst« Kleinasien« wievrrgeiunden zu haben glaubte, hat nun nach erneuter Untersuchung der deutsche Archäologe Theodor Wiegand mit glätterer Sicherheit in der Nähe der alten bilhyntschen Siadt Libvssa aus einem Handschir genunntru Hügel feftgrstellt. Dort fiuden sich unter byzantinischen Klosterruinen Reste von anlikeu Manern, die Trümmer von schönen Marmorsäulen aber zeigen, daß die Ueberbleibsrl eine- vornehmen Denkmal« vorliegen. — Di« international« Aniwortmarkr, dir vom letzten internationalen Postkongreß in Rom im vorigen Jahre an« geuommrn wurde, soll, wie der „Figaro' meldet, am 10. Okiober zur Ausgabe gelangen; da« Berner Bureau hat bereit« Bestellungen bi« zu 4 Millionen er halten. Der Wert beträgt 25 und 50 Centime«. Die von Frassat gezeichnete und von Florian gestochene Marke ist dreifarbig, graublau, hellgrün und schwarz, und stellt eine Frau zwischen den Erbhälften dar. — Die Verlegung de« Observatoriums von Greenwich ist unvermeidlich geworden, da die Genauigkeit der tu Greenwich vorgrnommenen magnetischen Beobach tungen von Jahr zu Jahr mehr zu wünsche» übrig läßt. Die Schuld an dielen Ungrnautgktite» trifft hauptsächlich die verschiedenen Eisenbahnlinien der Umgebung. Ganz unhaltbare Zustände werden aber vorausnchilich einireten, wenn die gewaltigen Londoner Elektrizitätswerk«, die ganz in der Nähe de» Observatoriums errichtet werden, in Gebrauch genommen sind. — Die Stock holmer Zeitung „Tigningen" veröffentlicht au« angeblich sehr gut unterrichteter Quell«, daß Rudyard Kivling dra diesjährigen Nobelpreis sür Literatur empfangen soll. Kipling wurde durch die „Daily Mail" von diesem Bericht i» Kronlui« gesetzt und soll darauf geantwortet habe», daß ihm über eine derarlige Entscheidung de« Komitee« noch nicht« bekannt sei. — Kaum hat sich die Erde über dem Sara Joachim« geschloffen, al« auch schon Pläne kommen, seinem Gedächtnis em Denkmal zu setzen. Die königliche Musikhochschule beabsichtigt, eine Bronzebüste in Le« Räume» der Hochsttiule aufzastrlltn. Die Stadt Ebarloit »borg gedenkt an dem Hause dr« Kursürften- domm«, wo Joachim bi« »« seinem Tode gewohnt hat. eine Taiel anbringen zu lassen Ferner ist rin Komitee in der Bildung begriffen, da« die Borardeiten sür ein Joachim-Denkmal in Angriff nehmen soll.
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