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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070824012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-24
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Morgen Ausgabe 8. BezugS-Prei» ftk u»d Bor ort» lmnH «s«, lrizer und Spediteur« in» Hau» Fracht! rlutaabe L (»ur »»rar»«) »trrtrljthrlich 3 M., monalnib 1 M.; Sudaabe U (morgrnl un» abend«) viertel, jährlich 4.S0 M., monatlich 1.S0 vl. Durch dl« P»A br,°ae» (2 mal tLgltch) tnnerhalb DruIIchland« und drr drutjchrn Kolonien vierteljährlich 3,23 M., monatlich 1,73 vi. auljchl. Poft- beftellgeld, illr Oesterreich 9 L «S k, Unparn 8 L vierteljährlich. «bonnement^lnnabme: Luaustu«vl,tz 8, bei unleren lräaern, Malen, Spediteuren und Lnnahiueft-llkn^owt« Postämtern und Die einzelne Rümmer kostet 1v Pf>. Redaktion u»d Expedition r Johannil-ast» 8. relevdo» «r, 11092, Nr. 1««8, Nr. I4SV4. Berlinrr Redaktion« Eure««: Berlin kiV. 7 Prinz Laut« Ferdinand. Straß« 1. Delescho»^, Rr. 9273. rMgcrTllgMM Handelszeitung. Nmlsvlatt des Rates und -es Rokizeiamtes -er Lta-1 Leipzig. Anzeigeu-Prei» stk Inserate au« ilewziq und U»«eb»ni di« Saelpalten« Petuzeile 25 Pi., 8nanziell« Anzeigen 30 Ps.. Reklamen 1 M.; von au»wärt» 30 P> btekiamen 1.2) M vomAu«land5lIPi., stnonv k» zeigen73Pf.. Reklamen 1.5) M. Inserate v Vebürven im amtlichen leil M Ps. jtie^Iagegetudr 5 ?)i. p. Lausend exkl. Post- aedühr. i e,ch<stoan > gen an beoorzuglcr Stelle im i^r-iic er nlnt. tladatl nach Daris. Frstert.'Uie Auiträac können nicht zurück gezogen werd..!. F.n d,:« Lljcheincn an bestimmten Lage» und Blähen wird keine Var-ntie übernommen. «lnzeiqcn-lllnnal ne: stlugustuvplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen. Ejpedttionen deö In- und Anllande«. Paupt SUtal« verli»: Lari Luncki Herzog!. Bapr. Hofbuch- handlung tlützowslraße Ist. (Telephon Vt. Str. 4603). Nr. 231. Sonnabend 24. August 1907. M Jahrgang. Dar wichtigste vorn Tage. * König Friedlich August besuchte gestern Rabenau und Saalhausen. (S. Sachsen.) * Wie offiziös aus Schwerin verlautet, sind Verhandlungen einge ¬ leitet zum Anschluß der mecklenburgischen Staatsbahnen an die preußisch-hessische Staatseisenbahngemein- schaft. * Morenga befindet sich wahrscheinlich am Oranjefluß. (S. Dtsche. Kol.) * Als liberaler Kandidat für die bevorstehende Landtags ersatzwahl in Geestemünde-Lehe an Stelle des verstorbenen Geheimrat Dr. Brandt ist der Direktor der Deutschen Nationalbank in Berlin, Geheimrat Witting aufgestellt worden. * Den Preis im Fürstenberg-Memorial zu Baden- Baden (45 000 .tl) gewann „Sejan" fG. Stern). sS. Sport.) * Eine Note der „Agenee Havas" dementiert die Nachricht, daß Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und Spanien hinsichtlich der Expedition nach dem Innern Marokkos entstanden seien. lS. Ausl.) Ledsbour triumpdaus. Ledebour im Reichstage über Kolonialpolitik seine Sprüche der Weisheit predigen zu hören, ist unerquicklich, in dem Maße, daß die Abgeoivnetenbänke wie die Tribünen sich stets rapid leeren. Zugegeben, daß die amusische Sprechweise, der schreckhaft dozierende Ton, die ge zogene, überprononcierte Satzbildung, die üble Arroganz der Besser wisserei ihr gut Teil daran schuld haben. Aber eS bleibt auch inhalt» lick immer noch genug Peinlickes, um die Flacht des Auditoriums zu rechtfertigen. Jeder Herero, Hottentotte und Ovambo, unv sei er der ärgste Missetäter, der deutsche Landsleute bestialisch ermordet haben kann, ist der Ledebourschen Protektion sicker. Und unsere Ansiedler, Kaufleute und Soldaten sind natürlich Schergen des Kapitalismus. Daß es auch innerhalb der Sozialdemokratie, der deutschen wie der ausländischen, einsichtigere Elemente gibt, die unter Bekämpfung kolonisatorilcher Mißstände doch die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Kolonialpolitik anerkennen, war schon immer be kannt, auch daß Bernstein und David zu ihnen gehören. Aber nun sind diese Elemente in Stuttgart unterlegen, und die Leveboursche Richtung bat gesiegt. Zunächst war eS ein recht knapper Sieg, renn das Amendement der Radikalen, das in der vorbereitenden Kommission keine Majorität erhalten hatte, wurde am Donnerstag in der Plenarsitzung mit 127 gegen 108 Stmmeu angenommen. Die deutscke Delegation stimmte, unbekümmert um Ledebour und seinen Freund Kautsky, dagegen. Als dann aber über die ganze Kolonial resolution mit dem verschärscnden Amendement abgestimmt wurde, fielen die Deutschen um und nahmen den Unsinn unt an. Ledebour triumistmnü! Die Gegensätze, um die eS sich dabei handelt, sind kurz folgende. Die gemäßigten Kolonialgegner, zu denen die Holländer, Deutschen, Oesterreicher, ein Teil der Franzosen und Engländer, die Dänen u. a. gehörten, wollten im ersten Teil ihrer Resolution den wichtigen Satz angenommen wissen: „Der Kongreß verwirft nicht prinzipiell und für alle Zeiten jede Kolonialpolitik, die unter sozia listischem Regime zivilisatorisck wird wirlen können." Die siegreichen Radikalen aber haben dafür die Sozialdemokraten auf den Glaubenssatz sestgelegt, alle Kolonialpolitik sei Verbrechen und eine spezifisch sozialistische Kolonialpolitik genau so verwerflich wie eine kapitalistische. Ibr Amendement besagt dementsprechend: .Der Kongreß ist der Ansicht, daß die kapitalistische Kolonial politik ihrem innersten Wesen nack zur Knechtung, Zwangsarbeit oder Ausrottung der eingeborenen Beoöllerung der Kolonialgebiete führen muß". Die Verwerfung auch jeder sozialistischen Kolomalpolitik steht nicht ausdrücklich in dem angenommenen Amendement, wurde aber in der Debatte als Ansrckt der Radikalen zweifellos festgestellt. So sagte Kautskv: „Kolonialpolitik bedeutet die Eroberung und gewaltsame Fest- haliung eines Landes. Ich bestreite, daß Demokratie und Sozialpolitik mit Erobelung und Fremdherrichafl etwas zu tun haben." Und weiter sagte er: „Sv sehen wir, daß überall, wo Kolonialpolitik besteht, eü nicht zur Hebung, sondern zur Depression der Völker kommt. Auch ein fozialistisckes Regime könnte daran nichts ändern." Aber waS wollen nun eigentlich diese Leute? Sogenannte kapitalistische Kolonialpolitik wollen sie nicht, sozialpolitische auch nicht. Auch darüber bat sich KautSly ausgelassen, indem er erklärte: „Wenn wir zivilrsatorilch aui Kulturvölker wirken wollen, so ist die erste Not wendigkeit, daß wir Vertrauen gewinnen. Und dies gewinnen wir nur dadurch, daß wir ihnen Freibeilen geben." Und dieser methodische Unsinn hat in Stuttgart jegliche Anwandlung von Vernunft besiegt. Die van Kol, Bernstein, David mochten dagegen anfübrrn, was sie wollten. Auch das allererste Ärgumenr verfing nicht, daß die mit Freiheiten zu begnadenden Naturvölker von Erschaffung der Welt an bis zu dem Moment der Okkupation doch eigentlich Zeit genug gehabt hätten, um sich auf eine höhere Kultur stufe zu entwickeln, wenn sie dazu aus sich heraus überhaupt fähig wären. Mit dem Aufhören jeglichen fremden, zwangsweisen Einflusses aus die Eingeborenen wird der Rückfall in die Barbarei eine Natur notwendigkeit. Der holländische Genosse van Kol hat mit allen Waffen der Satire und den Argumenten der Vernunft, der Erfahrung und der Menschenkenntnis gegen die Doktrinäre angekämpft. Er hat den deutschen theoretischen Kolonialsimplrrn und Kannegießern die bittersten Wahrheiten gesagt. Die deutsche Sozialdemokratie habe ihre Pflicht den Eingeborenen gegenüber nickt erfüllt, sich überhaupt praktisch nie um sie gekümmert Es ist ja bekannt, daß die Sozialdemokratie immer nur Schmähreden für de» Parlamentarier übrig gebabt hat, die sich bemüht haben, einen eigenen Einblick in die kolonialen Verhältnisse zu gew nnen. Ihr Hauptexperte, Herr Ledebour, redet von all den kolonialen Angelegenheilen, ohne die geringste praktische Erfahrung. Er lehnt sie sogar ausdrücklich ab als unnütz, als schädlich. „Gebt den Eingeborenen Freiheiten, und die Idylle ist fertig." Da» ist die in Stuttgart zum sozialdemokratischen Lehrsatz erhobene Anschauung Kautsky« und Lede- bourS. van Kol freilich, der Verfechter der abgelehnten Resolution, ist ein wenig anderer Ansicht: „Wir sollten die Maschinen und Werkzeuge nach Afrika bringen! Bücher- throriel Damit will er La» Land zivilisieren! Wenn wir nun eine Maschine zu den Wilden Zenlralafrika» bringen, war werden sie damit tun? Vielleicht werden sie einen Rundtanz darum aussühren (Große Heiterkeit) oder auch die große Zahl ihrer Abgötter um einen vermehren. (Heiserkeit.) Vielleicht sollen wir auch noch Europäer hinschicken, die die Maschinen treiben. WaS die Ein geborenen mit ihnen machen würden, weiß ich nicht. Aber vielleicht macken Kautsky und ich den Versuch, vielleicht gehen Theorie und Praxis Aim in Arm mit den Werkzeugen und Maschinen in da» wilde Land. Vielleicht werden die Eingeborenen unsere Maschinen zerschlagen, vielleicht werden sie uns auch tot schlagen oder gar fressen und dann (sich über den Bauch streichend) fürchte ick, daß ich vor Kautskv Len Vorrang habe. (Heiterkeit.) Menn wir Europäer mit Werkzeugen und Maschinen dahin kommen, wären wir die wehrlosen Opfer der Eingeborenen. Deshalb müssen wir mit Waffen in derHand djorthin kommen, auch wenn KauiSky das Imperialismus nennt." „Sehr wahr" haben die Freunde van Kols gerufen, darunter wahrscheinlich Lir deutschen Delegierten mit Ausnahme von Ledebour und KauiSky. Und als sie nachher sahen, daß sie mit l9 Stimmen in der Minderheit waren, da unterwarfen sie sich alle lauüLbiliter, taten der Vernunft und ihrer besseren Einsicht Gewalt an unv stimmten für die Resolution der Majorität. Es lebe die Logik und die Mannhaftigkeit! Diese Ironie ist berechtigt, denn es gibt leinen Uebergang zwischen der Ansicht der unterlegenen Minorität und der Weisheit der Majorität. Wer wie Bernstein er klären kann: „Wir müssen von der utopischen Iree abkommen, die dabin geht, die Kolonien zu verlaufen. Die letz e Konsequenz die>er An'chauung wäre, daß man die Vereinigten Staaten de.i Indianern zurückgäbe. (Unruhe.) Die Kolonien sind da. Damit muß man sich abfinven. Eine gewisse Vormunvschaft der Kulturvölker vor Nchtlulluivölkerii ist eine Notwendigkeit, die auch Sozialisten anerkennen sollten. Lassalle und Marx haben das auch anerkannt" — ter kann unmöglich dem Lede- bourscken Radikalismus zustimmen, ohne sich selbst inS Gesicht zu lcklagen. Der kann auch seine Handlungen, seine praktische Stellung zur Kolonialpolitik nicht mit dem Stuttgarter neuen Dogma in Einklang br>naen, solange er noch einen Rest von Stolz und eigenem Willen besitzt. Indessen sehen wir aufs neue die Analogie zwischen dec Sozialdemokratie und der katholischen Hierarchie bestätigt. Den un fehlbaren Dogmen bat sich all: Welt ?u fügen. So sieht die Fre heit der Uebeneugung in der Soziald-molratie aus. Uut- über ihr schwebt, stolz im Gtjühl des errungenen Sieges, Lecebour als Triumphator. Wenn es nicht zum Lachen wäre, dann wäre es zum Weinen. Semmering. (Von unserem römischen k.-Korrespondentcu.l Es handelt sich um die letzte der Zusammenkünfte im — August. Und da sie die -werte Seite der Zusammenkunft von Desto ist, mit Lei der ganze Tanz von Zusammenkünften eingeleitet wurde und von der er in hohem Grade einen konkreten Sinn erhielt, so wird der Leser ein sehen, das; ihm ein bezüglicher Sermon unmöglich erlassen werden kann. Auf dem Semmering wird das zu Ende geführt und bestätigt werden, was in Desto begonnen und nur provisorisch vereinbart worden ist. Das heißt: was die albanischen Angelegenheiten betrifft; denn das Jreundschcifts- und bundesgenöjsischc Vertrauensverhältnis im allgc- meinen ist zwischen den diplomatischen Kanzleien Oesterreichs und Italiens bereits cher-gestellt und wird die erwünschte Ergänzung durch eine persönliche Begegnung der beiden Herrscher rn absehbarer Zeit nicht erhalten. In den balkanischen Angelegenheiten nun hat in zwischen England sein wichtiges Wort in Ischl gesprochen, das Deutsche Reich hat seine Passivität bestätigt, Rußland ist im Einverständnis mit Oesterreich, Frankreich hat neben England und Rußland auf diesem Felde keine Sondermeinung. Auch Bulgarien und Griechenland mit mehr, Serhien mit minder Glück haben ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen gesucht. Das Bulletin von Desto sprach aus, daß die Grund lage des österreichisch-italienischen vollen Einvernehmens sich nicht nur auf die Gegenwart, sondern auch auf alle Eventualitäten der Zukunft beziehe. Das Bulletin von Ischl sprach sodann von einer Gleichheit der Anschauungen zwischen Oesterreich und England über die der Hohen Morte zu machenden Vorschläge und über die Behandlung und Beur teilung des revolutionären makedonischen Bandenwesens. An dem allgemeinen Wunsche der Großmächte zur Erhaltung des svst.us czuo auf dem Balkan ist kein Zweifel, und man darf sogar ohne weiteres damit rechnen, daß die Großmächte auch gewissen äußeren Nötigungen zur Umstoßung des Status quo nach Möglichkeit entgegen wirken werden. Darüber hinaus können die Mächte natürlich nicht, und wenn sie schon beute auf das Prinzip des Gleichgewichts verweisen zu müssen glauben, so kann das nur bedeuten, daß sie bereits gewisse Even tualitäten sehen, in denen an die Stelle des heutigen territorial-poli tischen Verhältnisses etwas Neues gesetzt werden muß, dem sie eben das Merkmal des Gleichgewichts der Kräfte in weiser Voraussicht von vornherein geben mochten. Daß das eventuelle Neue die staatliche Selbständigkeit der balkanischen Völkerschaften auf der Basis der Nationalität fein würde oder müßte, hat uns Herr Tittoni bereits am 18. Dezember vorigen IahreS im Rahmen seiner Rede in der Depu- tiertenkammer verraten, und wir haben auch bereits an der zwischen Oesterreich und Italien vor vier Jahren vereinbarten eventuellen Er weiterung der heutigen Grenzen Albaniens bemerken können, daß sich die Mächte mit der Determinierung der Nationalitäten nicht so viel Kopfschmerzen machen, als die nationalistischen Agitatoren und Historiker ihnen zumuten. Der nationale und der Gleichgewichtsgesichts, punkt — Oesterreich behält natürlich sans pfiraso Bosnien und Herze- gowina — zeitigt zwar auch bei den offiziellen Vertretern Bulgariens, (Serbiens und Griechenlands verschiedene Annahmen über die Zuge hörigkeit gewisser Territorien, aber sie würden sich mit einer von den Großmächten übereinstimmend gegebenen Anerkennung eineSTeiles ihrer bislang doch nur akademischen Ansprüche ebenso zufrieden geben, wie die nationalistischen Banden, die ihr Unwesen im letzten Grunde nur im Sinne nationalistischer Forderungen treiben und mit der Er füllung dieser Forderungen, wie von feiten ihres obersten Führers Ricciotti Garibaldi ausgesprochen worden ist, den Existcnzgrund ver lieren. Der spezielle Hinweis in dem österreichisch-englischen Commuui- qu6 auf die Behandlung und Beurteilung des makedonischen Banden- wesens scheint um so eher daraus hinzudeuten, daß «lne solche Lösung des makedonischen Problems — und nicht bloß eine simple und fragwürdig diplomatische Empfehlung an Griechenland und Bulgarien zur strengeren Beaufsichtigung ihrer Banden — vereinbart worden ist, als England stets der Befürworter der radikaleren Methode in Makedonien gewesen ist und Italien wenn nicht im Auftrage, so zumindest mit Wissen und Willen Englands vor geht. Für die Türkei, deren Integrität in dielen Tagen so viele Worte gewidmet worden sind, geschähe solchermaßen auch nichts besonders Uebles, sondern sie würde nur, in Anbetracht nämlich der entschiedenen Vorbehalte ob der Stützung und Pflege des politischen Status quo, ein wenig moralisch chokiert, wie ihr das nachgerade des öfteren bereits be gegnet ist. . Möge nun die nationalistische Determination der makedonischen Territorien jetzt geschehen oder nicht, so bliebe doch die Aufgabe der energischen Fortfüyrung jener in Miirzstcg von Oesterreich und Nutz land als den Beauftragten der Firmntare des Berliner Vertrages ver einbarten und von ihnen sowie von Italien verwirklichten Reformen trotz ihres bisher nur geringen Erfolges uuderühit. In dieser Be ziehung sind sich die Mächte einig, und auch England, das bisher diesen Reformen das größte Hemmnis zu bereiten pflegte und sich am skep tischsten öffentlich über sie ausgesprochen hat, ist nicht dawider. Jetzt handelt cs sich darum, eine größere Sicherheit für die Rechtspflege in Makedonien zu schassen und oa". die Mort - im Frühjahre bereits „ans eigenem Antriebe" in dieser Richtung unternommen hat, zu ver bessern und durch die Autorität der Großmächte zu kräftigen. Bei dieser Justizreform wie bei den früheren Reformen werden die kontra stierenden realpolitischcn Interessen der Großmächte wiederum sich zum Worte melden, aber es ist so gut wie sicher, daß man sich ohne allzuviele diplomatische Umstände einigen und der Türkei das ebenso seltene wie überzeugende und heilsame Bild einer gewissen gesamteuropäischen Balkanpolitik darbieten wird. Italien kann nicht mehr wollen und will auch nicht mehr, als daß aus dem Balkan entweder die Türkei oder die balkanischen National!- täten die politische Macht haben und daß ihm eine Möglichkeit zur Be teiligung an der Ausführung der makedonischen Reformen gegeben werde, die cs mit Recht oder Unrecht als ein Mittel für österreichische und russische Avancen angesehen hat. Oesterreich sieht sich veranlaßt, diese clo Goto längst bestehende und cts furo nur unter peinlichen Um ständen abzulehnenoe italienische Beteiligung im Einverständnis mit Rußland einzurciumen, und es erachtet im übrigen den Rus, über Bos nien und Herzegowina hinaus politische Eroberungen für sich selbst an- zustreben, nicht für wertvoll genug, als daß es ihn nicht im Interesse des wechselseitigen Vertrauens der europäischen Staaten und des guten Verhältnisses zu Italien durch eine entschiedene Handlung preis geben sollte. * Aus Semmering wird hierzu telegraphisch gemeldet: Gestern vormittaq um 10 Uhr holten Frhr. v. Aehrenthal und sektions- ches Frhr. v. Call den Minister Tittoni ab und begaben sich in die Villa Helmer, wo ein Photograph ein Gruvpengcdenkbild aufnahm. Hierauf besichtigten die beiden Minister das Semmeringpanorama. Um A12 Uhr fuhren die beiden Minister in Begleitung des italienischen Botschafters Herzogs zu Avarna und des Prinzen Franz v. Lichtenstein im Automobil des Botschafters am O.uirinal, Graf Lützow, nach dessen Schloß Strelitzhos, tvohin sich die anderen geladenen Herren per Eisen bahn begaben. Deritscher Reich. Leipzig, 24. August. * Ter Kaiser unternahm gestern morgen um 8 Uhr einen Spazierritt in Beglitung des am frühen Morgen aus Potsdam auf drei Tage hier cingetroff neu Prinzen Os'ar unv der Prinzessin V ctoria Lüste. Von 9V« Uhr ab hörte der Kaiser den Vortrag d«S Chefs des M liiär- kabinetiS, sodann denjenigen des Generaldirektors der Musccn G-Heimen Rats Dr. Bove und des Architekien G-Heimen Rats Messel im Bestem des Cöefs des Zivilkabmetts. Um 12^/« Uhr empfing der Kaiser den Pfarrer Weber mit d:m Presbyterium der CH'istu -Küche aus Kassel. Zur Frühstückstafel war der Botschafter Graf Wolff-Metter- nich geladen. * Von Her Kaiserin. Das Befinden der Kaiserin ist andauernd gut. Die Verletzung stellt sich als eine nicht gefährliche Zerr ißung der Krampfader im oberen Teile des linken OeerfchenlelS dar. Da Vie Patientin ständig liegen muß, ist bereits eine mit Nädern versehene Ebaijelongue angefertigt worden, auf der die Kaiserin in ihren Gemächern umbergcfavrcn wird, und von der aus sie die Mahlzeiten einnimmr. Llp. Kaisermanöver. Ursprünglich wollte der Kaiser am 8. Sep tember in Höxter eintrefsen, m der darauf folgenden Nacht in Schloß Corvey und dann bis zum 11. September in winem Asbesthaus unter den Truppen wohnen. Jetzt, wo nach dem Unfall der Kaiserin das kaiserliche Hauptquartier in Wilhelmshaven bleibt, dürfte in diesen Plänen mancherlei Aenderung cintrcten. Höxter selbst wird mit der Oberleitung die etwa 40 Vertreter der Presse beherbergen, die für deutsche und ausländische Zeitungen über die drei Kaisermanövertaae berichten sollen. Auch 17 Herren des Deutschen Frei- willigen-Automobilkorps sind dort einquartiert. Tic fürstlichen Ma növergäste, darunter der Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch von Ruß land und Prinz Leopold von Bayern, werden ebenso wie die fremdherr lichen Offiziere und andere Zuschauer in Kassel im königlichen Palais, in den Hotels und bei einzelnen Privatleuten untergcbracht werden und sich allmorgendlich über Warburg mit der Eisenbahn in das Manövertcrrain begeben. — Tie Dispositionen der Manövcrleituna sind in diesem Jahre erfolgreich so geheim gehalten worden, daß außerhalb des Gencralstcioes selbst die beteiligten hoben Offiziere über die Stärkeverhältnisse, das ge nauere Gelände, wo gekämpft wird, die Art der Aufgabenstellung keiner lei Anhaltspunkte besitzen. Die so angestrebte besondere und hohe Kricgsmäßigkeit der diesjährigen Hebungen ist am 18. August bei Ge- lcgenheit der Fahnenweihe in Kassel vom Kaiser den beiden Komman dierenden des VH. und X. Armeekorps gegenüber, den Generalen der Kavallerie Frhrn. v. Bissing und v. stünzner, scharf betont worden. * Mittclstanvsvrrcuitgnng unv sächsische Wahlrechtsreform Die sächsische Miltefftandsvereinignng nimmt in einer längeren Erklärung Stellung zu dem WahlrechlSge,etzen1wurf der sächsi cken Regierung. Anzustrcden sei in erster Linie ein berufSständiicheS Wahlrecht, das nickt Einzelwünschen, sondern een feststebenden Interessen großer BerusS- gruppcn Rechnung trage. Trotzdem erscheine die RegierungSvor age al» geeignete Grundlage für eiie Wahlreform. Nur müßien Gcweibe- lreibenve, die zur Gewerdekammer wahlbcrechti t und wem irr als 1600 Jahreseinkommen haben, ebenso wil die LandeSknlturiat Wähler eine ZusatzUimme erhalten, da sonst 78 v. H. des gewerblichen Mutel- standcs nur eine Stimme hätten. Diese Forderung ist unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Die Wahl von 40 Abgeordneten durch die Kommnnalverbänee wird als glück! cher Gedanke bezeichnet, nur wird gleichzeitig eine Abänderung veS Wahlrechts zu den Beziils- versammlungen verlangt, wo der große Einfluß der Höchslbcstcu.rten zu gunsten des Miltelslanves gemindert werden müsse. * ötnc beletvigtc Partei. In der bekannten Strafsache gegen den sozialdemokratischen Redasscur Pfeufer-Jena von der „Weimarer VolkS- zeitung" wegen des im Wahlkampfe 1907 veröffentlichten Inserates mit der Ueberschrift „Die Nationallibcralen als Urkundenfälscker' verurteilte gestern die Geraer Strafkammer den Angeklagten zu 50 oder fünf Tagen Gefängnis und Tragung der Kosten. * Tie parlamentarische Vertretung ver Loztalvrmokratie. Nach dem im „Vorwärts" für deu sozialdemokratischen Parteitag veröffent lichten Jahresbericht ist die Partei jetzt in den einzelstaatlichen Land»
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