Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070824024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-24
- Monat1907-08
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abend-Ausgabe 8. Bezug»-Preit für L»iV)tg und Boror« durä) unser« Träger und Spediteure in» Haut gebracht: Autgabe ä (nur morgen«) vierteljährlich !i M, monatlich 1 M., Lu.gabe N (morgen« und abend«) viertel, jährlich 4.S0 M., monatlich ISO M. Durch di« Post bezoaen (2 mal täglich) innerhalb Deutschland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich .',.S M., monatlich I.7S M au«schl. Post bestellgeld sür Oesterreich S L 66 k, Ungarn 8 K vierteljährlich. Lbonnement-Annabme: Auguftuäplatz 8 bei unseren Drägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Rümmer lostet 1« Pfg. Redaktion und Expedition: Johannirgastc 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14688, Nr. 14694. Berliner Redaktion- Bureau: Berlin 7 Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Sir. 9275. MiMer Tageblatt Handelszeitung. Amtsblatt des Mates und des Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei ¬ st, Inserate -u« Leipzig und Umgestun« di« -gespaltene Petitzeile 2S Ps., ftnanziell« Anzeigen 30 P>., ReNamen l M.; von au«w»rt« 30 Ps, Reklame» 1.20 M. vomAa«land 5OPs., finanz. Anzeigen75Ps. Reklamen 1.S0 M. Inserate ». BehSrden im amtlichen LeU 40 Pi. Beilagegebühr 5 M. p. Lausend exkl. Post- gebühr. Sieichaittanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Festerteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Platzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: stlugustusplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- ikipeditionen de« In- und Autlande«. Haupt Filiale Berlin ilarl Dunck: , Herzog!. Vahr. Hofbuch- handlung Lützowstraße 10. (Delephon VI, Rr. 4603). Nr. 23t. Sonnabend 24. August 1907. 101. Zal'MNsi. Das wichtigste vsiir Tage. * Sechs türkische Torpedoboote sind in das AegäischeMeer abgcgangcn, um die Küste zu bewachen und die Landung von Waffen sür die Banden zu verhindern. * Ueber die Fahrt des amerikanischen Geschwaders nach dem Stillen Ozean wird eine amtliche Mitteilung veröffent licht. (S. Ausl.) * Im Hau-Prozeß liegt wieder eine Mitteilung des Ver teidigers vor. (S. Neues a. a. W.) ZU den sächsischen Eandtagsrvahlen veröffentlicht die „Sächsische Industrie", das Organ des Verbandes Sach- sifcher Industrieller, einen längeren Artikel. Eingangs wird in ihm darauf hingewiesen, daß der Verband seit seiner Begründung es als eine Hauptaufgabe angesehen habe, den industriellen Einfluß im Landtag zu stärken. Las sei gerade in dem Industriestaat Sachsen notwendig ge- wurden wegen des Einflusses, den der Bund der Landwirte auf die Regierung ausgeübt. „Zwar behauptet man jetzt, die Beweise für eine agrarische Nebenregierung seien nicht erbracht. Soweit man dabei unter Ncbenregierung versteht, daß Einflüsse sich geltend gemacht haben, etwa in Pcrsonalfragen usw., werden sich Beweise Wohl nur schwer führen lassen, da man derartige Beeinflussungen meist nicht durch Ueber- rcichnng von Altenstücken, sondern durch mündliche Konversation auszu üben pflegt. Wenn der Legationsrat v. Nosütz-Wallwitz mit seinem Vorstoß jedoch darauf hindeuten wollte, daß wiederholt rein agrarische Maßnahmen und Gedanken der Regierung gegen ihren eigenen Willen aufoktroiert worden sind, so ist dieser Beweis jederzeit zu erbringen und wird von den Vertretern des Verbandes Sächsischer Industrieller im Landtage auch erbracht werden, falls cs wirklich zu einer Interpellation wegen der Aeußernng des Jcaationsrats v. Nostitz-Wallwitz kommen sollte, was wir vorläufig noch bezweifeln." Es wird dann mit Genugtuung konstatiert, daß die gekennzeichneten Einflüsse sich unter dem Regime des Grasen Hohenthal nicht mehr geltend gemacht haben, und daß man keinen Anlaß habe, an dem redlichen Willen des Ministers zu zweifeln, allen Erwerbsschichten in unserem engeren Vaterland gerecht zu werden und vor allem die Industrie nach ihrer aus schlaggebenden Bedeutung für das sächsische Wirtschaftsleben zu würdigen. Das kann den Verband aber nicht veranlassen, bei den Landtags wahlen aus Geltendmachung seines Einflusses zu verzichten. Er fordert seine Mitglieder auf, daraus 5:1 dringen, daß die einzelnen Kandidaten das bindende Versprechen abgebeu, in der nächsten Landtagssession die Frage der Vertretung der Industrie in der Ersten Ständekammer wieder )ur Sprache zu bringen und für den Antrag des Verbandes Sächsischer Industrieller, der auch in der neuen Landtagssession wiederholt werden wird, einzutreten. Diese Forderung sei um so wichtiger, als man nicht wissen könne, ob die Reform des neuen Wahlrechts, zu der der Gesamtvorstand am 28. August Stellung nehmen werde, nicht in seiner schließlichen Ausgestaltung den durch jahrelange Bemühungen errungenen Einfluß der Industrie im Landtag in Frage stellen werde. Zwar wolle man nicht einseitige Jnteressenpolitik treiben, aber die sächsische Industrie und das sächsische Gewerbe sind so eng mit den Interessen der sächsischen Volkswirtschaft verknüpft, daß nicht durch eine künstliche Teilung von Stadt und Land und durch eine daraus hervorgehende Scheidung in vielfach kleine ländliche und große städtische Wahlkreise dieser naturgemäße volkswirtschaftliche Einfluß zu rückgedrängt werden darf. „Unbeschadet der sonstigen Stellung des ein zelnen Kandidaten erachten wir es daher als selbstverständlich, daß die von der Industrie zu unterstützenden Kandidaten sich für die Aus hebung der jetzt bestehenden Trennung der Wahl kreise erklären und für eine Neueinteilung der Wahl- kreise auf Grund der gegenwärtigen Bevölkerungs ¬ verhältnisse eintreten. Schließlich brauchen wir nicht zu ver sichern, daß wir von allen industriefreundlichen Kandidaten eine Zurück- Weisung derartiger Bestrebungen erwarten, die sich gegen dieFrei- heit der Elbeschiffahrt richten." Auch heute gilt, so schließt der Artikel, wie nur jemals früher für uns die Mahnung, die der preußische Handelsminister Möller einst an seine früheren Berufsgenossen aus der Industrie gerichtet hat: Arbeiten Sie mehr als bisher im öffentlichen Leben, damit Ihre Interessen im Staatslebcn größeren Einfluß erlangen, arbeiten Sie für die größere Machtstellung Ihres Standes in der Zukunft. Da. gefährlich« Wespennest. Die Lage in Marokko ist nach wie vor unverändert. Bemerkenswerte Er folge haben die Franzosen bibber nicht errungen. Wohl berichtet man fast in jedem Telegramm von großen Verlusten der Marokkaner, verschweigt aber sorg fältig die eigenen. Offiziell vernicht man dazu, den Zwist mit Spanien zu ver tuschen, kann aber die Widerspenstigkeit der spanischen Truppen, die Eifer süchteleien, die zwischen den Oberkommandierenden in Marokko herrschen, nicht binwegleugnrn. Wie man in der französischen Diplomatie über den Sommer- krieg denkt, darüver berichtet vorläufig folgendes Telegramm aus Paris: Der frühere Botschafter Gras de Moup erklärte einem Mitarbeiter der „Presse" über Marokko: Ich habe Marokko iinmer sür ein gefährliches Wespennest gebalten Von der sogenannten friedlichen Durchdringung bin ich nie ein Freund gewesen, weil ich dies Projekt sür unausführbar halte. Das wird jeder glauben, der den Fanatismus der marokkanischen Stämme kennt. Sechzig Jahre haben wir gebraucht, um den Frieden in Algier berzuficllen. Diele Erinnerung hätte uns eigentlich davon abhalten sollen, heute etwas ähnliches anzusangen. Wir hätten uns so schon darauf beschränken können, unsere Grenze zu befestigen, während wir jetzt die Sache durchführen und wenigstens rn den Häfen eine relative Sicherheit Herstellen wüsten. Ich bin nur neugierig, was sür Vorteil wir eigentlich aus diesem Kriege ziehen können. Wenn wir es dahin bringen können, daß die Europäer ruhig ihren Handel im Lande zu treiben vermögen, so wäre das schon «in schöner Erfolg; aber um diesen Erfolg zu erlangen und unsere nationale Eigenliebe zn wahren, müssen wir jetzt dem General Drude die nötigen Truppen geben, und zwar so schnell wie möglich. Eine saure Arbeit ganz gewiß; aber oa wir nun einmal „A" getagt haben, müssen wir auch bis zu Ende buchstabieren. — Hoffentlich wird es nicht notwendig, daß wirdereinst Takt zu diesem Buchslabierexperiment klopfen müssen. Em weiteres Telegramm aus Paris berichtet: In Fez, so glaubt man hier, haben die an die Regierung des Sultans gerichteten Vorschläge jetzt wegen der Ereignisse in Marrakelch mehr Aussicht als je vorher, rasche Genehmigung zu finden. Als Beweis ihres großen Einflusses betrachtet die französische Ge sandtschaft in Tanger auch die bereits erwähnte Rückverusung der dreißig UlemaS, da der Geschäftsträger Saint Anlaire in Fez rechtzeitig wissen ließ, wie wenig willkommen een Französin im »tzigen Augenblicke eine solche Abordnung wäre. — Maa erwartet hier bald die formelle Zustimmung der spanischen Regierung zu den Aufwendungen sür die möglichst rasche vrrichtung der Rrformpolizet in den marokkanischen Küstcnslädten. Bei der Schwierigkeit, unter den gegen wärtigen Umstanden in Marokko selbst die wünschenswerte strenge Auswahl unter den Eingeborenen zu tressen, denkt man daran, vorläufig aus Algerien oder Tunis geschultes Personal lammen zu lasten, und zwar vermutlich in größerem Umfange, als in Algeciras für notwendig erachtet worden war. Dieses Ueber- gangsstadlnm würde durch einen nach Bedarf zu verlängernden Termin begrenzt iverden. WaS nun die gleichfalls zwischen Frankieich und Spanien erörterte Frage der in Casablanca von Enropäern erhobenen Entschäbigun.isansprüche betrisst, so ist über das einzuschlagende Verfahren Näheres nicht bekannt. Nach einer Version möchte man die Ordnung der schwierigen Angelegenheit der marokkanischen Staatsbank nnvcrtrauen, die vielleicht ein der türkischen Veits publiguo nachzubilvendes System schaßen könnte. Die „Agence Havas" meldet ferner aus Casablanca vom 22. August: Die Kolonne des Generals Drude, die, wie schon gemeldet, eine Rekognos zierung unternahm und Labet die in der Nähe gelegenen Bergkämme erklomm, wurde von feindlicher Reiterei umzingelt, die mehrere Angriffe machte, aber von der Artillerie dezimiert wurde. Die Feuilleton. Wir eilen so sorglos dem Abgrund zu, vor uns einen Schirm haltend, um ihn nicht zu sehen. Pascal. Zwischen Uhon rrn- Thüringer Wal-. Plaudereien eines Salzunger Badegastes. m. (Schluß., Ein Politiker kann nie aus seiner Haut heraus. Mag cr's ver suchen, so oft er will. Zwar braucht es nicht jeder so arg zu treiben, wie jener Berliner Parlamentarier, der nach angestrengtem, stundenlangem Aufstieg auf eine hohe Bergspitzc der Alpenwelt, angesichts eines herr lichen Panoramas, sich in die neueste Nummer seines Leibblattes ver tiefte, die ihm der Briesbote gerade vor dem Abmarsch noch in die Hand gedrückt hatte, und hoch erfreut in die von der Größe der Alpenlandschaft tief ergriffene Reisegesellschaft hineinrief — „also haben wir bei der Er satzwahl in Lhausen doch gesiegt!" Aber a bissel hastet dieses Interesse an der Politik auch mitten im schönsten Sommerurlaub doch dem Berufs politiker an. Daß ich's nur gestehe, selbst in der weißen Toga eines Salzunger Badegasies ließ es mir keine Ruhe, die inhalierenden Peripathetiker mit verstohlenem Blick darauf zu prüfen, welche Zeitung sie bei diesem sal zigen «Genuß lasen. Und wenn das eins jener farblosen Blätter war, die keine Meinung haben, um jeder Meinung zu dienen, oder die rechts können geschrieben werden und auch links — da war's, als wenn die Sole auf einmal noch bitterer schmeckte. Doch davon soll hier nicht weiter die Rede sein, wohl aber davon, daßich zwischen Rhön und Thüringer Wald einen köstlichen Tag bei einem Manne verlebt habe, den die deutsche Presse im verflossenen Winter unzählige Male genannt hat. Es ist der Pfarrer Cäsar in Wiesenthal bei Dermbach, dessen Wahl in Dortmund das hohe Konsistorium in Münster nicht bestätigte und das so im Verein mit dem preußischen Oberkirchcnrat den Fall Cäsar schuf, der trotz all der vielen Fälle, die das Ungeschick weltlicher und kirchlicher Behörden seit Jahresfrist schuß noch unvergessen ist. Auch wenn ich diesen furchtlosen Liberalen, der vor dem protestan tischen Jnguisitionstribunal in Münster ein mutiges Bekenntnis ab legte, nicht schon persönlich gekannt hatte, das war für den politischen Journalisten eine zu gute Gelegenheit, einmal von Salzungen aus das unferne Wiesenthal aufzusuchen und dort den Pfarrer Cäsar inmitten seiner oberländer Gemeinde zu sehen, als daß diese Gelegenheit unbenutzt vorübergehen durfte. So wurde denn der weihe Jnhalationsmantel an Ken hölzernen Nagel des Gradierhauses gehangen, die Holzpantoffeln mit testen Stieseln vertauscht und in der Frühe eines der wenigen schönen Augusttage dieses Jahres die Fahrt in die Rhön angetreten. Sie ist so leicht nicht, wie sich das hinschreiben läßt. Tenn gleich hinter Dorndorf, einem hübsch an den Vorbergen der Rhön gelegenen Ort, den man noch auf einer normalspurigen Bahn erreicht, die von Salzungen aus in Vacha ihr jähes Ende findet, beginnt es hinsichtlich der Beförderungs mittel fürchterlich zu werden. Tie Fuldabahn hebt dort mit ihrem Be- trieb an! Du ahnst cs nicht, unschuldiger Leser, was das heißt! Aber wenn du je auf einem federlosen Leiterwagen im Galopp über Steingeröll gefahren bist, dann hast du die Empfindungen geteilt, die eine Fahrt auf dieser stoßfreudigen Babn auslöst. Nur ein Trost bleibt. Je unerträg licher es von unten stößt, während die kleine Lokomotive mit ihren wenigen Personenwagen und ihrem langen Lastzug in den auf der Land straße eingebauten Schienen dahin rackert, )e reizvoller wird die Gegend zur Rechten und Linken. Sie besitzt all die Vorzüge, die den sanft an steigenden Tälern zwischen den Vordersten eines Gebirges eigen sind — reichen Wechsel zwischen Wald. Feld und Wiese, und dazwischen den Ge birgsbach. der fröhlich über glatte Kiesel dahinqlcitet. Umrahmt ist da bei das Bild für den talaufwärts gerichteten Blick mit immer höher ge zogenen Bergen, in deren Hintergrund als Abschluß des Tales dann die höchsten Bergspitzen bervorlugen. Ist es auch wieder nur Mittelgröße, die hinter den Ansprüchen eines an alpine Genüsse gewöhnten Auges zurückbleiben — jeder Fuß breit Erde verrät cs doch, daß man hier mit Recht von einem Oberland redet. So war es auch auf der crguickendcn Fußwanderung, die sich von Dermbach aus au die holprige Eiicubcihnfahrt schloß. Wiesenthal liegt selbst von dem ängstlichen Schnaufen der kleinen Fuldalokomotivc noch reichlich fünf Kilometer weit ab, und der Weg führt erst noch ein gut Stück hinauf an der Berglehne, ehe plötzlich das Pfarr dorf unter uns auftaucht, als hätte es sich neckisch bisher verborgen, um nun auf einmal um so freundlicher zu winken. In dem schlichten, äußerlich fast einem Bauernhause gleichenden Pfarrhause gab es denn auch ein herzliches Willkommen, dis so gar nichts an sich hatte von einer gekünstelt höflichen oder gar psarrherrlich steifen Begrüßung, so daß man sich sofort heimisch fühlte. Und das war die Signatur des ganzen Hauses und seiner Bewobner. Es ist alles vermieden, was in präten tiöser Weise den Räumlichkeiten und den Menschen jenen geistlichen An- strich geben soll, der mit frommen Sprüchen und biblischen Bildern an den Wänden, dem Luthcrrock als Bekleidung und altmodischem Geist im Hausgerät posiert. Wohl aber weiß man auf den ersten Blick, daß hier Menschen wohnen, die bei aller Einfachheit der Lebensformen, die ihrer dörflichen Umgebung zwanglos angepasst ist, einen tiefen Sinn für alles Wabre, Schöne und Gute besitzen, bas cs auf der Welt gibt. Hier ist das Religiöse weder in steife amtliche Form gekleidet, noch geht cs neben dem übrigen Leben und seinen Aeußerungen in Paradeuniform dahin, noch auch erstickt es das natürliche Wesen durch wortreiche Bekundung. Es ist die Basis des Lebens geworden, von der man nichtvielredet, von der aus man aber schlicht und ehrlich handelt. Trum kommt es dem Pfarrer von Wiesenthal nicht darauf an. mit dem Turn verein seines Torfes kraftvolle Turnübungen und Ausflüge zu machen, mag darüber auch mancher Schwarze die Nase rümpfen. Er sagt aber auch seinen Wiescnthalern kräftig die Wahrheit, daß daS Leben ihnen mehr kein soll als Esten, Trinken und Kiudcrzeugcn. Er steht mit Kolonne verfolgte den Feind und kehrte dann ins Lager zurück. Seitens der Franzosen wurden ein Hauptmann und sechs Solcalen verwundet. — Für Sonnabend, den 24. August, ist ein Deiensive-Marsch bis auf eine Entfernung von zehn Kilometern von der Stadt geplant. Die Niederlage El Meranis benötigt sich. El Merani, der sich im Norden mit Buchla Ben Bagdad! vereinigen wollte, erhielt von den in der Nähe befindlichen Stämmen Zuzug in Höste von etwa bOO Mann. Ais diese Leute von ihm die verlangte Munition erhielten, wandten sie sich gegen ibn und trieben ihn mit seinen Streitkräften zurück. ES sind Verstärkungen für ihn abgegangen. Die dentiche Kolonie wird Fez am 26. August verlassen. Wie schließlich die .Tribüne" au- Tanger vom 23. August meldet, sind sämtliche in Tanger lagernde Truppen nach Alcazar gesandt worden, um El Merant zu verstärken. Eine andere Blöttermeldung auS Mazagan vom 22. d. M. besagt, daß der Stamm Tukala beschlossen hat, Mulay Hafis zu unterstützen. Jeitungsschau. In einem Leitartikel der „Chemnitzer Allgem. Zeitung" wird in bemerkenswerter Weise das Verhältnis von innrrer und äußerer Politik erörtert. AuS den trefflich-n Ausführung?» sei Folgendes w edergegeben: ES gibt keine gesunde und kraftvolle nationale äußer« Politik ohne ent sprechende innere. Darüber helfen nicht tönende Worte hinweg, sondern die nüchterne Einsicht lehrt, daß eS nur jo unv nicht and.rS sein kann. ES gilt aufzurüumen mit dem, was uns Jahrhunderte an inneren Hindernisten Hinter lasten haben. Es gilt diese beiden großen und höchsten Funktionen des BolkS- geistes, die Ausgestaltung der staatsrechtlichen Verhältnisse im Innern und die Geltendmachung der Volksmdiviaualität draußen in ein harmonische- Ver hältnis zn bringen. Wollen wir in der Welt voran kommen, so müssen wir sorgen, daß in allen Teilen de- Reiche- und in dem größten Bundesstaate zuerst, die inneren Verhältnisse sür da- Volk befriedigend weiden. Mit einem an allen Ecken von der Bureaukratie kuuftieich zuiückgehaUenen und in der machtvollen Entfaltung seiner Persönlich!.tt in Kirche, Schule und öffentlichem Leben gehemmten Volke kann man in der äußeren Politik da-Höchste nicht erreich n. Freiheit drinnen entbindet die schlummernden Kräfte und schafft Macht nach außen. Wasser tut es freilich nicht, am aller wenigsten das Wasser, das aus den tiüoen OpportunitStsquellen fließt. Große Gedanken nnd Ziele find vonnöten, an denen sich Völker in ernsten Stunden ausrichlen. Sache der wirklichen Staatsmänner ist eS, sie ihnen zu geben. AuS der Hand in den Mund kann man nicht immer leben, und wer eS tut, bleibt sein Lebtag rin armer Schlucker. Die Erfüllung der kleinen Ausgaben deS Tages in der inneren Politik ist gewiß notwendig, aber voran kommt »in Volk auf diese Weise nicht. Dazu sind die großen politischen Dichter und Künstlernaturen notwendig, die in sich das unbezähmbare Gestal tungsvermögen pulsieren fühlen, die amorphen Dinge in neue Formen zu gießen. Daran fehlt es uns. Wir sind ja so vorurteilsfrei, wie man von dem gegen wärtigen Reichskanzler grrübmt hat. daß uns auf die Tauer die Leidenschaft, die sich mit Len Dingen idcuilfisicrt. abhanden kommt. Geistreich — nur zu geistreich werden wir, vom Wort zur Tat lührt nicht die Brücke der Wirklichkeit. Diese ernsten Gedanken wird man nicht loS. wenn man den Lauf unserer auswärtigen Politik im letzten Jahrzehnt gewissenhaft prüft. ES blecht wahr, daß die äußere Politik die Funktion der inneren ist. Seht ein in seinen inneren Verhältnissen wohl regiertes unv zufriedenes freies Volk dahinter, dann bricht sich die gewaltige Volkstrast in ihrer elementaren Einbeit Babn Au diesem tiefen Zwiespalt kranken wir. Grillig un) wissenschaftlich blüht unser Volk wie nie zuvor, seine Industrie, sein Handel, die Bildung schreiten voran, aber das politische Formungsvermözen hat damit nicht Schritt gehalten. Der „Neuen Bayerischen LandeSztg." in Würzburg ist eine Reibe von Briefen Herman» TchcllS zur Verfügung gestellt worden, aus denen sie einzelne Stellen mitteilt. So spricht Schell in einem Briefe vom 5. November 1901 in Anknüpfung an die in der uliramontanen Presse geäußerten Bedenken hinsichtlich der Berufung des katholischen Professors Martin Spahn an die Universität Straßburg die Ucberzeugung aus, daß eS noch einen Kampf aus Leben unv Tov zwilchen Romanismus und Germanismus in Religion und Katholizismus geben wird. Dann fährt er fort: „In meinem Fall wollte man eS ja nicht glauben, daß es sich nicht um Lehren, sondern um die deutsche Art, d. h. um die gründliche und genaue Art ihnen wie ein Freund zu Freunden — und ist doch darüber nicht ver bauert. Wie er ein in der modernen Forschung wohl bewanderter, im vollen Sinne des Wortes akademisch gebildeter Mann in den neunzehn Jahren seiner Tätigkeit an einem und demselben Orte geblieben ist, der mit seiner trefflich zu ihm passenden Frau auch ein offenes Verständnis sür Fragen der Kunst wie des öffentlichen Lebens hat, fo arbeitet er auch an der Bildung seiner Wiesenthaler. Lange bevor er durch seinen „Fall" berühmt wurde, war er bekannt durch sein eigenartiges Geschick, seine zum großen Teil aus armen, Keinen Bauern und Holzarbeitern bestehende Gemeinde für die Uebung volkstümlicher dramatischer Kunst zu interessieren. Wenn der Herbst mit seinen langen Abenden kommt, so beginnt er nun schon seit einer ganzen Reihe von Jahren, die Aufführung kleiner Dramen einzu studieren. Zuerst waren es nur dramatische Dialoge, dann dramati sierte kleine Szenen aus der Welt und Kirchengeschichte. Ein Luther- festspiel folgte, Meihnachtsdramen, darauf Dramen von .Hans Sachs, Szenen aus Wilhelm Teil. Für diesen Winter plant er die Ausführung von Roseggers „Ter Tag des Gerichts". So werken die Herbst- und Winterabende in trefflicher Weise mit Proben ausacfüllt, und die Tage der Aufführungen, zu denen auch die benachbarten Dörfer viele Besucher stellen, werben zu Festtagen. Die Ausführungen finden in dem „Ge meindehaus" statt, das er n-it seiner Gemeinde erbaut hat. Tort ist die Bühne in einem geräumigen Saal hergerichtet. Dort ist überhaupt der Mittelpunkt der Gemeinde. Die Krankenschwester hat dort ihre Woh- nung, die Kinderbewahranstalt, auch die Koch- und Haushaltungsschnlc. Selbst Vereine halten dort ihre Versammlungen ab. Tas bürgerliche Leben ist mit dem kirchlichen in eins verschmolzen. Aber völlig zwang- los. Dafür bürgt der freiheitliche Sinn des Pfarrers. Der tritt auch in all seinen Reden zutage. Nicht im Geist jugendlicher Drausgängcrei. Nein, in abgeklärter Form, als der Besitz eines gereisten Mannes, der da weiß, daß ohne Freiheit kein Fortschritt möglich ist. Ich besah mit ihm das Gemeindehaus vom obersten Söller, wo im Sommer die Kulissen Kes Dorstheaters aufgehoben werden, bis in den Keller, der die Kohlen birgt. Jeder Fleck des Gebäudes ist praktisch aus genützt. Maa man an die Fürsorge denken, die hier den kleinen, noch nickt schulpflichtigen Kindern durch Beschäftigung im Spiel und kräftige Ernährung um die Mittagsstunde zuteil wird, oder sich an die Turn- und Vortragsabende im Saale erinnern, an die dramatischen Auf- sührungen, die Wieientbals Rubin in Ker Umgegend bearündet haben, an die Koch- und Haushaltungskiirsc siir die jungen Mädchen, an die Krankenpflege, die von hier aus aiisgebt, endlich auch an den Roissciscn- verein, Ker hier seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, — wäre ein Mann, der dies schuf und zu schaffen half, nicht selbst wie geschaffen ge- wesen, in einer Ä r b e i t e r gemeinde Dortmunds, sür die er auscrschcn war. als ein volkstümlicher Pfarrer im besten Sinne des Wortes zu wirken? — Aber er batte ja die „reckte Lehre" nicht, sagte das Hohe Konsistorium in Münster und brach über ihn den Stab des Ketzer- gerichts! Pfarrer Cäsar spricht ohne persönlichen Groll von diesen Erfahrungen. Er schätzte die Herren sofort richtig ein, indem er nach seiner Wahl die Gratulationen und Vorbereitungen zum Umzug mit der Mahnung „ab-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite