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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070826027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-26
- Monat1907-08
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Abend-Ausgabe S. Bezugs-Preis str Leipzig und Vorort« durch unser» »rLger und Spediteur« tn» Hau» gebracht; Lutgab« 4 (nur moraen») »ierteljthrltch 3 M., monatlich I M.; Autgab« U (morgen» und abend») viertel jährlich 4.50 M., monatlich 1.50 M. Dur» di« lpog bezogen. (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. autlchl. Post- destellgeld sür Oesterreich 9 n 6v o, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahme: Auguftutvlatz 8, bei unseren llrägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Stummer kostet Ist Psg. «edaktton und LxpedUtpn: Johannirgasse 8. Telephon Nr, 14692, Nr. 14698, Nr. 14694. Berliner Redaktion« Bureau: Berlin HIV. 7 Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 9275 MpMerTMblM Handelszeitung. 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Armeekorps hei Hannover und Münster von Potsdam ab. * Die Hochseeflotte verließ heute vormittag um 8 Uhr den Kieler Hafen und begibt sich um Kap Skaaen herum zu denKaiser - manövern in die Nordsee. " Die Woermannlinie erhielt ein Telegramm aus Sierra Leone, wonach der Damvfer „Hedwig Woermann" ge strandet ist. Voraussichtlich ist das Schiff gänzlich verloren. Die Mannschaft konnte gerettet werden. * Nach einer Meldung aus Fez sind dort ernste Unruhen ausgebrochen. * Die bei der Katastrophe von Coutras Perwundcten sind meist Neisende aus Bordeaux. jS. Letzte Tep.s Marokkanisches Zwischenspiel. Tie Lage vor Casablanca ist nach den letzten Nachrichten unverändert. General Drude versucht durch RekognoszicrungSmärsche seinen Leuten ein wenia Lust zu schassen, hat aber in jeder Nacht mit kleinen Angriffen auf die Stadt zu tun. Mehr als die kriegerischen Unternehmungen machen ihm der Fanatismus der Gegner und der Aberglaube eines Teils seiner eigenen Soldaten zu schassen. Tie Marokkaner reiten oder marschieren unbekümmert um das Feuern bis dicht an das Lager heran, laut Koranverse rezitierend oder den Franzosen Schmähungen entgegenrufend. Fallen sie im Feuer, so wagen die Genoffen alles, um die Toten und Berwundeten ins Lager zurückichaffen. damit sie nicht etwa den Ungläubigen in die Hände fallen. Dieser Wagemut hatte den Erfolg, daß man nach jedem nächtlichen Angriff zwar Blutlachen an der Mauer, aber keine Getroffenen sand, so daß sich unter den Turlos der fran zösischen Truppe der Aberglaube verbreitete, nur durch silberne Kugeln seien die Anhänger des Propheten zu vernichten. Um diesem Aberglauben zu steuern, legten sich in letzter Nacht zwei Offiziere mit zwanzig Mann aus die Lauer, ließen eine Schar von ungefähr sechzig Marolkanern zu einer Mauer bresche, durch die sie in die Stadt dringen wollten, herankommen und lieferten ihnen nach einer Salve, die zehn oder fünfzehn Mann traf, rin wütende; Bajonettgesecht. ES gelang wenigstens sünf Tote in die Stadt zu schaffen, während die anderen wieder von ihren Gen offen mitgesührt wurden. Die Leichen wurden während einiger Stunden zur Schau gestellt, um dm TurkoS zu beweisen, daß die Feinde auch ohne SilberkugeG zu töten feien. Unter diesen Umständen kann dies« kriegerische Polizeiaktion noch lange uad unerquicklich weiter gehen, wenn nicht von dem neuen Sultan des Südens. Muley Hafid, eine Aenderung veranlaßt wird, die entweder zu einer Beendigung der Feincfeligkeiten oder zu einem entscheidenden Kampfe führt. Nach Schilde rungen der Leute, die ihn kennen, ist dieser Bruder von Abdel Aziz dar gerade Gegenteil des echten Sultans. Er ist ein kluger Mann von feiner Bildung, energisch und über die Wichtigkeit einer Handelsverbindung mit Europa wohl informiert, ein überzeugter Gläubiger, aber ohne Tücke gegen di« Ungläubigen. Auch sein Vertrauter und erster Minister, El Glaoui. soll ein Mann von Be deutung sein. Er hängt treu an seinem Herrn und hat einen der Notabrin von Marrakesch mit der Pistole in der Hand gezwungen, seine Unterschrift unter daS Dokument zu setzen, das Muley Hafid zum Sultan machte. Aber so sehr er diesen liebt und Abdel Aziz verachtet, soll er doch, nach einer Quelle des „Figaro" den Europäeru durchaus nicht abgeneigt sein. Wie eS scheint, werde die Entfernung -es schwachen Abdel Aziz vom Throne allen Unruhen schnell ein Ende machen. Nur entsteht dann die Frage, mit welchem Herrscher von Marokko Verhandlungen geführt weroen sollen und ob die Signatarmächte von AlgeciraS über die Wahl Muley Hafiss mitreden wollen oder können. In den Wirren dieser Kämpfe und Intrigen taucht unwillkürlich die Er innerung an die Kämpfe mit Abdel Kader auf, den Emir von Mascara, der fünfzehn Jahre lang gegen Frankreich kämpfte und dann der Freund seiner Todfeinde wurde. Der Zufall sorgt dafür, daß diese Erinoernng Gestalt ge winnt. Als der Führer einer Abteilung EpahiS, die nach Casablanca gehen wird, wird Leutnant Khaleb genannt, der Enkel Abdel Kader». Khaleb hat die KriegSichule von St. Lyr absolviert, gilt als brillanter Offizier und ist von den Arabern hoch verehrt. Als er auf der Reise Bildah passierte, kamen aus der Umgegend Scharen von Arabern, die seinen Burnus küssen wollten. Da- „Eco de Paris" meldet ans Tanger: Eine Versammlung der Mit glieder der spanischen Kolonie nahm nach längerer Beratung eine Resolution an, worin sie die Aufmerksamkeit der spanischen Regierung auf die Unzuläng lichkeit dec in Tanger anwesende», spanischen Kriegsschiffe lenkt und die baldige Entsendung weiterer Kriegsschiffe fordert. Die Resolution wurde dem spanischen Geschäftsträger zugestellt. Eine Spezialkorre'pondenz der „Tribuna" in Tanger glaubt melden zu können, daß Muley Hasid nach Casablanca eine Mitteilung gerichtet hat, worin er den Franzosen erklärt, daß sie wohl gehandelt hätten, die Mörder ihrer An gehörigen zu züchtigen, daß er aber die Franzosen mit allen Mitteln bekämpfen würde, wenn sie wagen sollten, andere marokkanische Städte anzu greifen oder zu besetzen. Tie Beamten des Sultans in Tanger sandten nach Fez ein Ergebenheits telegramm. Gleichwohl macht sich überall im Lande sür Muley Hafid große Sympathie bemerkbar, man nimmt an, daß dieser die Herrschaft ohne große innere Kämvfe gewinnen wird. Tie von ihm ernannte neue Regierung besteht aus den tüchtigsten Männern. Aus Madrid wird schließlich gemeldet: Ter „Corresoondcsia d'E pnna" zufolge sollen die Minister, wenn sich die Proklamation Mulay HafidS bestätigt, entschlossen sein, im Einverständnis mit Frankreich an die Mächte eine Note zu richten, welche die Lage in Marokko zum Gegenstand bat. Wie man in offiziösen K>eisen über den Besuch Cambons bei Bülow, sowie über die Monarchenbegegnunoen und deren Einfluß auf die internationale Lage denkt, darüber berichtet folgendes Telegramm auS Norderney: Der Besuch des Botschafters Combo.« bei Bülow war der Ausdruck der gegenwärtig zwischen Deutschland und Frankreich bestehenden ruhigen, korrekten und freundlichen Beziehungen. Er schließt sich damit an die Monarchenbegegnungen in S vinemiinde und Wilhelm-Höhe, die wiederum ergänzt werden durch die Begegnung der Minister Aehrenthal und Tittoni auf dem Semmerina, den Besuch König Eduards in Ischl und die Begegnung König Eduards und Clemenceaus in M.irienbad. Alle diese Begegnungen und Be sprechungen können nur dazu beitragen, die in Europa und der Welt einge- trctcne allgemeine Beruhigung zu konsolidieren. Deutscher? Zentvnlvevband für Handel und Gewerbe. Diesen Namen hat der seit 1888 bestehende Zentraloerband deutscher Kaufleute und Gewerbetreibender smit dem Sitze in Leipzigs angenom men, nachdem sich auf feiner am 12. und 13. August in Kassel abgehalte nen 20. ordentlichen Generalversammlung mit ihm der Deutsche Bund sür Handel und Gewerbe, der ebenfalls seinen Sitz in Leipzig hatte und von Stadtverordneten Reinhardt geleitet wurde, vereinigt hat. Aus dieser Vereinigung ist somit eine Organisation hervorgegangen, die wohl als die älteste und bedeutendste Vertretung des Kleinhandels und des Gewerbes gelten darf. Der Deutsche Zentralverband für Handel und Gewerbe hat seinen Sitz in Leipzig: feine Leitung liegt in den Hän den eines 24gliedriaen Vorstandes, an dessen Spitze der Kaufmann Hugo Geest in Leipzig, Elisenstraße 39, steht. Tie Kasseler Generalversammlung hatte sich außer der Beratung der durch die Vereinigung erforderlich gewordenen neuen Satzungen mit einer außerordentlich reichhaltigen Tagesordnung zu beschäftigen. Kurz vor der Verschmelzung war dem Zentralverbande der Verband bayerischer Kaufleute der Kolonialwarenbranche sin Münchens mit 475 Mitgliedern beigetreten. Ter Jahresbericht wurde ohne Besprechung genehmigt. Nach einer längeren Erörterung wurde eine vom Kaufmann Stamm- Wiesbaden beantragte Erklärung angenommen, in der sich die General versammlung gegen die bedingungsloie Aufhebung der Konkurrenzklausel M 74, 75 H.-G.-Ä.s erklärt. Ein Antrag des Kaufmanns Sandquist- Magdehurg, wonach die Forderung von Zeugengebühren für Kaufleute und Gewerbetreibende, sowie der Gewährung von T-iäten an Geschworene und Schöffen anerkannt wird, wurde einstimmig zum Beschluß erhoben. Sodann wurde beschlossen, auf eine Festlegung deS Osterfestes — auf den zweiten Sonntag im April — hinzuwirken. Dem Anträge des Kauf manns Schnell-Kassel, der darauf abzielte, das Offenhalten der Schau fenster an Sonn- und Festtagen — auch während des Hauptgottesdienstes — im Reiche durchzusetzen, ward ebenfalls die Zustimmung der Ver sammlung zuteil. Gegen die in öffentlichen Bekanntmachungen oder in anderen für einen größeren Kreis von Personen bestimmten Kund gebungen erfolgende mißbräuchliche Anwendung der Bezeichnung „Spar kasse", .„Spargelder", „Spareinlagen" und ähnlicher Ausdrücke, die den Anschein eines Sparkassenbetriebes hervorzurmen geeignet sind, wünschte die Generalversammlung, einem Anträge des Verbandes Sächsischer Kaufleute stattgebend, ein Reichsgesetz mit entsprechenden Strafbestim mungen geschaffen zu sehen. Zur Herausgabe einer zur Verteilung an die Konsumenten bestimmten, an die dem Zentralverband angeschlossenen Vereine zum Herstellungspreis abzugebende, periodisch erscheinende Zeit schrift wurde eine fünfgliedrige Kommission eingesetzt. Am zweiten Ver handlungstage befaßte sich die Versammlung mit den neuen Satzungen, die mit einigen unwesentlichen Abänderungen genehmigt wurden. Hierauf gelangte nach eingehender Beratung ein vom Kaufmann Berg- mann-Berlin gestellter Antrag, der Vorstand möge nach Bekanntgabe der von der Reichsregierung geplanten Gesetzentwürfe gegen Aus- Verkäufe und unlauteren Wettbewerb hierzu Stellung nehmen und als dann dem Verbände Mitteilung machen, zur Annahme. Ein Antrag des Kaufmanns Vogel-Breslau, der die Einführung einer kommunalen Son derbesteuerung der Filialen zum Gegenstand hatte, wurde mit einem auch auf die Umsatzsteuer gerichteten Zusätze angenommen. Ferner wurde be schlossen, gegen das Kartell der Seidenstoff-Großhändler, unter dem der Kleinhandel zu leiden habe, Protest zu erheben. Die rigorosen Bestim mungen der Gewerbeordnung über den sofortigen Genuß von Brannt wein und geistigen Getränken in offenen Verkaufsstellen wollte ein An- trag des Kaufmanns Körner-Magdeburg abgeändert wißen. Ter An trag wurde einstimmig angenommen. Ebenso sand der Kaufmann Tripp-Kassel mit seinem Anträge, daß die Wanderlager einer höheren Steuer unterworfen und daß diese Betriebe von einer Erlaubnis der Verwaltungsbehörden und vom Vorhandensein eines Bedürfnisses ab hängig gemacht würden, die einmütige Zustimmung der Versammlung. Eine ähnliche Beschränkung des Hausierhandels in Grenzbezirken ver langte öin Antrag des bayerischen Verbandes; auch dieser Antrag wurde zum Beschluß erhoben. Schließlich beschloß auf Antrag des hannover- ichen Provinzialverbandes die Generalversammlung, die Eingabe wegen Beseitigung der falschen Zuckcrtara zu wiederholen unv wegen Ein führung eines 250 und eines 125 Gramm-StückeS, sowie eines Achtel und eines Scchzehntcl-Litermaßes erneut vorzugehen. Als Ort für die nächste Generalversammlung im Jahre 1908 wurde Bremen gewählt. Ter Versammlung, die von etwa 200 Delegierten besucht war, wohnten u. a. Vertreter der kgl. preußischen Staatsregierung, der kaiserl. Ober postdirektion, der Stadt Kassel, der Handelskammern Kastel und Olden burg, des Verbandes der Rabattsparvereine Deutschlands, sowie der preußische LandtagSabg. Major a. D. Straßer-Äerlrn del. Deutsches Reich. Leipzig, 26. August. * Ter Kaiser und die Presse. Neber eine ostentative Zurücksetzung der Presse beim Empfang deS Königs von England in Kastel hatte eine Reihe von Zeitungen Klage geführt. Jetzt stellt sich heraus, daß nicht, wie man angenommen hatte, eine Ungeschicklichkeit deS Oberbofmarichall- amteS voriag, sondern daß man sich tatsächlich auf eine direkte Anorv- nunH des Kaisers berief, wonach alle Pressevertreter bis auf — vier englische Journalisten von den Begrüßungsfeierlichkeiten auf Vern Bahn hose auszuschließen seien. Ein Mitarbeiter der „Braunschw. LandcSrtg." schick!« seinem Blatte die folgende Darstellung: Auch ich war beim Polizei präsidenten Freiberrn v. Daiwigk in Kastel und erhielt auf meine Bitte um Erleichterungen für die Berichterstattung wörtlich den Bescheid: „Seine Majestät der Kaiser haben sich ausdrücklich mit Ausnahme von vier englischen Journalisten, die Anwesenheit und Nähe jeglicher Presse vertreter verbeten!!" Sollte hier nicht ein Mißverständnis des Polizei präsidenten vorliegen, so würde eS nur ein loyales Entgegenkommen gegen die Wünsche deü Kaisers sein, wenn man künftig dre Bericht erstattung der deutschen Presse über derartige Monarchenzusammen- künfte auf das äußerste einschränkt. Feuilleton. Die Tugend ist immer ein Fortschrelten und hebt doch auch immer von vorne an. Schottlandfahrten. m. sSchluß., Ucber Staffa bringt uns der Damvfer nach Jona. Von dieser kleinen unscheinbaren Insel aus sind Zivilisation und Religion vor tausend Jahren ins barbarische Schottland eingeorungen. Hier an der rauhen Westküste landeten zuerst Vie irischen Mönche. Noch steht Ma- Leans Kreuz, das älteste Kreuz in Schottland. Auf der „Todesstrabe" führt der Weg zur verfallenen Kathedrale, wie alle alten schottischen Burgen und Kirchen aus Felsbrocken und roh behauenen Würfeln mit de- wundernswerter Kunstfertigkeit in einem eigentümlichen Stil erbaut. Auf dem Kirchhof die Gräber schottischer Könige und Häuptlinge, zum Teil mit unförmlichen verwitterten Reliefs geschmückt. Als letzter König in der langen Reihe ruht hier auch Duncan, den Macbeths Dolch traf. Wer je dies seltsame, unwirtliche Eiland und seine verwitterten Mauer- restc aus ferner, ferner Zeit sah, wird eS nie mehr vergessen können. Zwei Naturstimmen sind für diese Länder OssianS besonders charak- teristisch. Einmal wenn die weißgrauen Nebel unheimlich über die blei schwere See kriechen, die kaum einen müden Wellenschlag gegen d>e granitnen Felsrippen dieser grausia öden Gestade tut. deren Mark sie m tausend Stürmen zerfressen hat. Nur daS klagende Rufen rings um das Schiff ausflatternder, im Nebel unsichtbarer Wastervögel, gellt dann durch das Schweigen. Zum andern, wenn die Sonne siegreich durch die rieseln, den Nebelwolken bricht und die bläulichen, zackigen Küsten der Insel Mull und die Gestade MorvenS in den matten Strahlen eines blassen Sommerabends dämmern, in zarten, aber klaren Linien, wie die heroischen Landschaften alter Maler. Von Oban, wohin uns der Dampfer nach seiner Tagesrundfabrt um die Insel Mull zurückgebracht, führt er uns am andern Tage in der größten Frühe — fast alle die vielen Dampfer dieser David Mac Brayne- Linien an der Westküste Schottlands fahren nur am Tage, nicht nachtS, und beginnen daher sehr früh — -Wischer, zahllosen Inseln und Inselchen, vorbe, an den alten Raub nestern und seltsamen Felsengestaden durch die Gebiete deS „Herrn der Inseln", Duke of Argyll, bis zum Crinan-Kanal, der den sonst sehr weiten Weg um die lange Halbinsel Kintyre obschneidet. Ein besonderer kleiner Kanaldampfer, der „Linnet", trägt die Reisenden nach ArdriShaig, wo einer der großen Mac Brayne-Tam-fer sie wieder in einer wunderbaren Fahrt durch die schottischen Fjorde zur Clydemündung und nach Glasgow, der größten schottischen Stadt mit über 700 000 Ein wohnern, riesiger Industrie und noch lebhafterer Schiffahrt, bringt. Die Fahrt durch die Clydemündung gehört zu dem Interessantesten, was es geben kann. Es wimmelt rings von großen und kleinen Dampfern, be sonders an den Sonnabenden, wo die halbe Stadtbevölkerung hinausfährt und die zahllosen Badeorte und Villenansiedlungen dieses schönsten aller Meerbusen überschwemmt. Zahllose Segeljachten fliegen wie weiße Schmetterlinge über das blaue Wasser des breiten Fjords, an den Ufern haben schottische Nolunteers für ihre militärischen Hebungen Zeltlager ausaeschlagen und dünken sich nickt wenig martialisch in ihren roten Röcken und nackten Knien mit Lochlandkilt und Tartan; kriegerisch tönt die Musik der Dudelsackpfeifer, die den Kolonnen voraufmarschieren. So wenig wohllautend der Dudelsack in unmittelbarer Nähe klingen mag, so kriegerisch und anfeuernd, so seltsam und wehmütig hört sich diese Musik an stillen Abenden aus der Ferne an und man versteht, daß dem Schotte« ihr Klang über alles geht. Man wäre in Rom gewesen, ohne den Papst zu sehen, hätte man in Schottland nicht die berühmte Tour über die Seenrerte — Loch Lomond, Loch Katrine, Loch Vennachac — gemacht. Es ist das Haupt land Scottscher Dichtung. Naturschönhcit und literarisches Interesse haben diese Strecke besonders begünstigt. Zwar fehlt ihr fast eänzlich der wildromantische Charakter der schottischen Westküste und der Grampians, aber diese lieblichen und anmutigen Seen und ihre Gestade sind uns alle schon längst im Geiste vertraut und bekannt gewesen durch Sir Walther Scott. Bon Glasgow bringt uns der Zug frühmorgens über Dumbarton nach Balloch am inselreichen Loch Lomond. An diesen Ufern trieb einst der adlige Räuberhauptmgnn Rob Roy sein Heldentum. Es existieren noch die Porträts von diesem heldenmütigen jakobitischen Parteigänger, die ihn in seinen Tartansarben — abwechselnde Würfel von rot und schwarz — zeigen. Er war ber Sohn eines Offiziers in der Insurgenten- armee Jakobs VII., sein Vater ein Mac Gregor, seine Mutter eine Campbell of Glenfalloch. Um die Wende des JahreS 1700 führte er sein Räuberleben. Ost wurden englische Truppen gegen ihn ausgesandt, er schlug sie mit seiner Parteigängerbande. Ein Fort zu Jnversnaid nahm er im Sturm und verbrannte es; eS wurde wieder gebaut; nach seinem Tode eroberte es sein Neffe zum zweiten Male und zerstörte es wieder. Rob Roy starb 1734, sein Grab und das seines Weibes sind noch heute in den Ruinen der Kirche von Balguhrbder zu sehen. Bis zum schönen Jnversnaid bringt uns an hundert entzückenden Inseln und Inselchen und am stattlichen Ben Lomond vorüber ein zier- kicher Dampfer. Von hier führt die Mailcoach weiter über den schmalen Bergrücken auf steilen Pfaden nach Stronachlachar am nahen Loch Katrine. Dieser See und seine steilen, waldigen Bergufer und der ragende Ben Venne bilden den Schauplatz der „Hie I»ck.v ek Ido Infio". Mit einem Dampserchen — er hört aus den Namen des Dichters selbst — geht's an dem zierlich gestreckten Ellen Island und der Brigg of Tuirk und am Silverstrand vorbei zum waldigen Engpaß der Trosiachs, der Zufluchtsinsel der Mac Gregors. Die Trossachs sind der alte Wald paß, durch den die Mac Gregors die im Tiefland gestohlenen Rinder — Rinderstehlen galt den Hochländern für eine edle Tugend — in ihre inneren Jagdgründe trieben. „Wbero Drviiiss cbs?atb" besingt Scott den Engpaß zwischen Benan und Benoenue. Die prachtvollen Hotels in Jnversnaid, Stronalachar und Trossachs bilden entzückende Ruhepunkie auf diesen Fahrten durchs Land der „I-uckzc ot Eis lalrs". Jeder Name bedeutet hier eine Erinnerung, eine Geschichte. Eine Mailcoach bringt uns weiter durch den Felsenpaß über die Berge, die den Zweikampf Fitzjames und Roderick Dhus sahen, nach Aberfoyle, wo einst der streitbare Wirt des Hauses den kühnen Räuber Rob Roy mit einem Schüreisen in die Flucht geschlagen haben soll. Hier haben wir wieder die Bahn erreicht, die uns jetzt durch das fruchtbare Tiefschottland — der echte Hochländer spricht noch heute von den Lowlands mit einer gewissen Verachtung — nach Edinburg zurück bringt, vorbei an behäbigen Pächtersitzcn, fetten Weiden und prächtigen Kornfeldern. Stirling am Fortb wirb erreicht; seine hohe Feste auf steil hohem Felsen schimmert im Abendrot. Hier blickt man ans dreizehn Schlachtfelder, hier «rstach König Jakob den trotzigen Lord Douglas, tausend Sagen haften an den grauen Mauern. Von einer andern Wald höhe schaut das massige Denkmal von William Wallace herüber, der zuerst Schottland vom englischen Joche befreite in der Schlacht an der Brücke von Stirling, dann aber schmählichen Tod durch ein englisches Henkerbeil fand. Rings um Stirling in der Ebene liegen die Schlachi- felder, in denen Schottland seine großen Schlachten schlug, siegend oder unterliegend. Da liegt auch „Bannockburn, da aufging Schottlands Stern" und Robert Bruce im blutigen Verzweiflungskampf sein Volk von britischem Druck befreite. ES lohnt sich nicht dort hinauszufabren, alle Freude an Strachwitz' unsterblicher Ballade ginge verloren, denn heute denkt man in Bannockburn nicht mehr an Schlacht und Sieg; lieber beutet man die reichen Steinkohlenlager aus. Auf zahlreichen Güterwagen grüßt unS der historische Name auf allen Stationen. 8is trnnqit xisria nnincki. Wieder rollt der Zug über die Forthbrücke, wieder grüßt im letzten Abendschein das Schloß von Edinburgh, wieder Arthurs Seat. Dann trägt uns der Fliegende Schotte am anderen Morgen zurück nach London. Schottland ade! Wie singt Robert Burns: Lebt wobl denn, ihr Berge mit Gipfeln voll Schnee! Lebt wobl denn, ihr Schluchten, du schimmernder See! Lebt wobl denn, ihr Matten mit schattigem Grün! Lebt wohl denn, ihr Ströme, so brausend und kühn! Mein Herz ist rm Hochland, wohiu ich a»ch geh'. * X. ?. Kunstwerke, -te nicht ankinmne«. All« Brüssel w'rd uoS ge'chrieben: Die gegenwärtig zu Brügge statifindende Ausstellung de« Goldenen Vließes hat in jüngster gelt wiederholt bemerkenswert« Bereicherungen erjahreu.
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