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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070830028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907083002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907083002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-30
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In 13 städtischen und 17 ländlichen Kreisen werden die Wähler in den Tagen vom 11., 12. und 13. September ihre Stimme abzugebeu haben. Wenn jemals, handelt es sich diesmal um eine wichtige politische Kundgebung. Es muß sich zeigen, ob unser sächsisches Volk einen kräftigen Schritt vorwärts tun will, oder ob ihm die politischen Zustände gleichgültig sind. Die sächsische Regierung hat dem Volke ihren Wahlgesetzent wurf vorgelegt. Neber das Wahlrecht wird der alsbald zusammen tretende Landtag zu entscheiden haben. Es ist eine leichtfertige Memung, wenn man glaubt, der Negierung sei es nicht recht ernst mit der Sache; wenn sie aus Widerstand stoße, werde sie ihren Gesetzentwurf zurück ziehen und die Dinge gehen lassen, wie sie wollen. Tas kann sie nicht und darf sie nicht. Aber es kommt allerdings darauf an, daß sie eine Mehrheit findet, die entschlossen ist, ein brauchbares, fortschrittliches, liberales Wahlgesetz zustande zu bringen. Die konservative Partei hat bis zur Stunde keine einheit liche Stellung zur Sache zu nehmen vermocht. Ihre Landtagsfraktion hat den Wahlgesetzentwnrf als zu weitgehend verworfen. Ihr Gegen- Vorschlag, zu dem Wahlgesetz vom Jahre 1868 zurückzukehrcn, aber unter einem erhöhten Zensus, ist ganz und gar zwecklos. Wie kann man heute Tausenden von Wählern das Wahlrecht wieder entziehen wollen! Nicht einmal zu einem Wahlaufruf hat sich die konservative Partei einigen können. Die nationalliberale Partei hat sich, wie schon vor Jahren, in ihrem Ausruf zu einer entschiedenen Reform einhellig bekannt. Sie will alle Kraft daransetzen, um aus dem Zustande schädlicher Ungewißheit heraus wieder auf einen festen Boden zu ge langen. Sie hat sich klar und bündig auch über die weiteren Aufgaben, insbesondere über die dringlich gewordene Gehaltsfrage der Beamten, ausgesprochen. Ueberall haben ihre Kandidaten in ihren Kundgebungen ihre entschlossene, kräftige Mitarbeit verheißen. Nun hat die Wählerschaft in Stadt und Land das Wort. Die Sozialdemokratie hofft, daß Gleichgültigkeit und Lauheit des Bürgertums ihr das Bemühen, die Reichstagswahl vergessen zu machen, erleichtern werden. Je schwächer sich das Bürgertum zeigt, um so besser für sie! Diese Genugtuung wird ihr versagt bleiben, wenn überall jeder pflichtgetreue vaterlandsliebende Mann seine Schuldigkeit tut und seine Stimme abgibt im Sinne einer volksfreundlichen, gerechten, vorwärtsstrebcnden und dabei doch maßvollen Politik. Das Königreich Sachsen hat sich auf geistigem, sozialem und wirt schaftlichem Gebiet frühzeitig Ruf und Ansehen erworben. Es muß ge lingen, auch auf politischem Gebiet der Schwierigkeiten Herr zu werden und die Bahn frei zu machen für eine gesunde Entwickelung. Der Wille i st da. Mögen die Wähler bei der Landtagswahl diesen Willen klar und unwiderleglich bekunden! Tagesscharr. Zum sozialdemokratischen Parteitag. Zu dem bevorstehenden sozialdemokratischen Parteitage in Essen veröffentlichte der „Vorwärts" die bis jetzt eingelaufenen Anträge. In den Anträgen über die parlamentarische Tätigkeit tritt beinahe ein revi sionistischer Zug durch die Forderung von Fürth aus hervor, daß bei Abstimmungen über Sozialgesetze, auch wenn sie Forderungen der Sozialdemokratie nicht voll bewilligen, die Fraktion ihre Zustimmung erteilen soll. — Zu den Reichstagswahlen wird in fast allen Anträgen die strengste Stimmenthaltung in den Stichwahlen zwischen zwei bürger lichen Parteien gefordert. Die Maifeier soll in der bisher üblichen Weise aufrecht erhalten werden; dahin geht die Mehrzahl der für diese Frage gestellten Anträge. Mit den gegründeten Parteischulen scheint die Sozialdemokratie durchaus keine günstigen Erfahrungen gemacht zu haben; denn mehrere Anträge verlangen die Aufhebung der Partei schulen in ihrer gegenwärtigen Form. Im Mittelpunkt aller Anträge steht aber derjenige des Parteivor standes und der Kontrollkommission über die Organisation der Nach- richten-Vermittlung für die sozialdemokratische Partei. Dies Nach richtenbureau soll seinen Sitz in Berlin haben. Aufgabe des Bureaus ist: 1) Herausgabe einer Partei-Korrespondenz, 2) Erlangung wichtiger Nachrichten und Mitteilungen politischer, sozialer und wirtschaftlicher Natur zur Ucbcrmittlung an die Parteipresse und 3) Sammlung gesetz geberischen und statistischen Materials, das für die sozialdemokratische Partelpresse von Wichtigkeit ist. Der Antrag stößt auf den heftigsten Widerstand der Genossen. Ter „Vorwärts" sagt: „Des Vorteils wegen, einige Nachrichten früher zu erhalten, würde die gesamte Parteipresse in ihrem Urteil von einer Zentral instanz abhängig sein, von dort nicht nur mit Informationen, sondern auch mit fertigen Urteilen über alle politischen Vorgänge versorgt werden. Ein geradezu trauriger Zustand, der das geistige Niveau der Parteipresse und damit der Partei selbst herabdrücken müßte!" Dann kommt aber für den „Vorwärts" noch die Befürchtung hinzu, daß, trotzdem die Anstellung der Redakteure vom Parteivorstande er folgt und dem Bureau ein Beirat von fünf Redakteuren der Parteipresse beigegeben wird, die nicht dem Bureau angehören dürfen, eine revisio nistische Richtung Platz greifen könnte. Deshalb spielt der „Vorwärts" als letzten Trumpf gegen das Preßbureau die Behauptung aus: „Die voreilige Schaffung eines Preßbureaus, dessen Funktionen nicht ganz genau festgelegt wären, dem die Möglichkeit politischer „Suggestionen" offen stände, würde nichts anderes bedeuten, als die Heraufbeschwörung neuer Parteikonflikte. Denn daß die Mehrbeit der Parteigenossen, die auf dem Bode.! der Dresdner Resolution stehen, so gutmütig sein würde, ein so einflußreiches Institut, wie nicht wir, sondern die Anhänger des Entwurfes der fünf Redakteure es zu schaffen wünschen, einfach dem Revisionismus auszuliefern, ist doch eine mehr als naive Annahme!" Der Antrag des Parteivorstandcs auf Errichtung eines Preß bureaus in der von ihm beabsichtigten Tendenz scheint also den begra- benen „Vorwärts"-Streit in neuer Form auf dem Parteitage zu Essen wieder zu erwecken. Büttel des Staates? sk. Das wenig wohlwollende Verhalten der Behörden in verschie denen deutschen Landen gegenüber solchen Militärvereinen, die außerhalb der respektiven Landesverbände stehen, ist bekannt. So wurden jüngst einige dieser Vereine bei einem Besuche des Königs von Sachsen in Schneeberg auf Grund einer Ministerialverfügung von der Spalier bildung ausgeschlossen. Jetzt wird ein neuer Vorgang bekannt, über den ein sächsischer Geistlicher im „N. Sächs. Kirchenbl." die folgenden be fremdlichen Mitteilungen macht. Ter Geistliche — sein Name und Ort, in dem sich der Fall abspielte, werden nicht genannt — hatte zur Fahnen weihe des „Vereins ehrenvoll gedienter Soldaten", wie es Sitte ist, die Fahnenweihrede übernommen, obgleich der Verein nicht dem sächsischen Landesverbände der Militärvereine angehört. Der Herr Amts hauptmann hielt es daher, um die Mitwirkung auch des Geistlichen an der Feier zu verhindern, und den Verein dadurch bloßzustellen, für richtig, den Obergendarm zu dem Geistlichen zu schicken und ihm durch diesen mitteilen zu lassen, der Herr Amtshauptmann würde es nicht gern sehen, wenn ein Geistlicher dem Verein die Weiherede hielte; die Mitglieder seien ja größtenteils sozialdemokratisch gesinnt! „Aber", so wendete der Geistliche ein, „in den Statuten ist doch die Treue gegen König und Vaterland ganz deutlich zum Ausdruck gebracht; und auf der zu weihenden Fahne steht „Allezeit treu bereit für des Reiches Herrlichkeit!" Antwort: die anderen Herren Geistlichen, die darum angegangen worden wären, hätten auch ihre Beteiligung deswegen ver- sagt oder wieder abgesaat. Der Geistliche läßt sich indes nicht irre machen und hält die versprochene Weiherede. Di« Mitglieder erweisen sich, wie der Geistliche weiter berichtet, dafür nicht nur außerordentlich dankbar, sondern es kommt auch die königs» und kaisertreue Gesinnung bei der Feier in einer Weise zum Ausdruck, wie es bei einem königlich sächsischen Militärverein gar nicht besser und schöner geschehen konnte! Der Geistliche gelangt zu dem Schluß, daß durch jolche Unterdrückungsversuche ganz unnötigerweise eine Menge neuer Staats- und Kirchenfeinde groß gezogen würden. Es gebe kein geeigneteres Mittel, um den wahren Patriotismus auszu treiben, als die einseitige Pflege eines solchen „offiziellen" Patriotis mus, wobei die Geistlichen wieder einmal als die Parteiischen und als die „Büttel des Staates" erscheinen, und die Sozialdemokratie könne sich nicht ganz mit Unrecht darauf berufen. Die Geistlichen möchten auch gegenüber dem Staate und seinen Organen, wo sie sich unberechtigte Ein griffe erlauben, etwas charaktervoller auftreten, als es vielfach geschehe. — Daß eine Behörde mit dem Geistlichen durch den Gendärmen verkehrt, darf übrigens mindestens als ungehörig bezeichnet werden. Gen- darmen sind gewiß brave Leute, aber es muß als Beweis einer Gering schätzung des geistlichen Standes betrachtet werden, daß solche unterge ordnete Organe für ausreichend erachtet werden, dem Pastor die Wünsche der Amtshauptmannschast zu eröffnen. Deutsches Reich. Leipzig, so. August. * Französische Höflichkeit. Einer Meldung der „Agence Havas" zu- folge hatte der französische Botschafter Cambon bei seiner Unterredung mit dem Fürsten Bülow im Namen seiner Regierung Erkundigung ein- gezogen über das Befinden der Kaiserin und dem Wunsche nach baldiger Wiederherstellung Ausdruck gegeben. Der deutsche Ge- schäftsträger in Paris sprach im Auftrage der deutschen Regierung dem Minister des Auswärtigen Pichon seinen Dank für diesen cour- toisievollen Schritt ans . tb. Während der Vertagung des Reichstag» sind verschiedene Peti tionen eingegangen. Es befinden sich darunter folgende: Einführung der Konzessionierung für den Gewerbebetrieb der Rechtskonsulenten, Errichtung von Handelsinspektionen, Gewährung eines besonderen Ab geordneten für die Städte Schöneberg und Charlottenburg unter Ab zweigung vom Wahlkreise Teltow-Beeskow, Förderung der staatlichen Pensionsversicherung der Privatangestellten, Äenderung der Konkurs ordnung, Revision des Versammlungsrechtes, Ausbau des Schieds gerichtsverfahrens durch die Haager Konferenz, Bittschriften zur bevor stehenden neuen Servistarifordnung sür den 1. April 1908, zum Ent- Wurfe betreffend die Sicherung von Bauforderungen von Handwerks vereinigungen und schließlich Vorschläge findiger Staatsbürger be treffend „Aussaugung ihrer Mitbürger durch neue Steuern". * Die polnische Agitation bereitet sich bereits auf Abwehr- und Gegenmaßregeln gegen ein etwa geplantes Enteignungsgesetz vor. Wie man aus der Ostmark hört, sollen folgende Pläne in Polenkreisen eifrig erörtert werden. 1) Die Gründung einer Aktienbank zwecks Konzen trierung der polnischen Kapitale zum Zwecke des Schutzes des Bodens. An der Spitze dieser Bank würde sich voraussichtlich der bekannte Martin Biedermann stellen. 2) Es werden die rechtlichen Fragen von sachkundigen polnischen Juristen und Parlamentariern vorberaten, um sich für tue große Aktion im Landtage, falls die Regierung das Enteig- Feuilleton. Den Lod fürchten die am wenigsten, deren Leben den meisten Wert hat. Nach Kant. * Lena« und Aaroline Unger. Von Felix Wilfferodt (Leipzig). „Es rollt wirklich tragisches Blut in den Adern dieses Weibes. Sie ließ in ihrem Gesänge ein Gewitter von Leidenschaft auf mein Herz los." So schrieb Nikolaus Lenau von der Sängerin Karoline Unger, nachdem er sie am 24. Juni 1839 in Wien bei dem Grafen Christalnigg Schubertsche Lieder hatte singen hören. Fünf Tage später sah er sie aus der Bühne in Donizettis „Belisar" und äußerte danach: „Sie ist eine Künstlerin erster Größe. Auch im Umgang ist sie sehr liebenswürdig und gegen mich besonders freundlich. Ich war gestern nach dem Theater b« ihr, heute esse ich bei ihr zu Mittag." Man sieht, die Annäherung er folgte schnell. Doch war bas Herz des Dichters zu dieser Zeit keines wegs frei. Die Beziehungen zu Sophie Löwenthal, der Tochter des Hof rats Kleyle, bestanden seit nahezu fünf Jahren, wie sie bis zu LenauS Erkrankung fortgedauert haben. So kann man nicht von Lenau und Karoline Unger sprechen, ohne zugleich Sophie Löwenthals Erwähnung zu tun. Denn für keine hat Lenau so stark empfunden als für sie. „Ge wohnt, eine Schar von Weibern zu verdunkeln, süß geschwätzig, in Wider- spruch gewandt unb geistvoll, liebenswürdig bis zum Verwirrenden", so war ihm die seit vier Jahren vermählte Sophie in Penzing bei Wien, wo sie bei den Eltern zum Sommeraufenthalte weilte, entaegengetreten. Zu ihrem Gatten Mar, der sich auch dichterisch versuchte, kam Lenau in ein Freundschaftsverhältnis, die Gefühle für Sophie wurden bald zur Leidenschaft, haben eine ganze Reihe Lenauscher Gedichte veranlaßt, nicht minder viele Briefe,*) die wahre Seelenbekenntnisse darstellen, in ihrem ost jähen Stimmungswechsel, ihrem Nebeneinander von bochfliegenden Gedanken und schmerzlicher Zerrissenheit geradezu anS Herz greifen. Die Liebe zu Sophie ist für Lenau Himmel und Hölle zugleich gewesen, Sinne und Seele trieben ihn zu ihr, die doch einem andern, der sein Freund war, gehörte. Am wenigsten scheint unter dem so entstehenden Zwiespalte Max Löwenthal gelitten zu haben. Er liebte seine Gattin, freute sich aber eifersuchtslos, wenn sie von andern bewundert wurde. Sophie dagegen sah sich mehr und mehr in eine gefährliche Situation hineintreiben; was als Neckerei begonnen hatte, wurde zwingende Sympathie. Nur zaudernd war sie seinerzeit in die Ehe getreten, nun *) Neu herausgegeben in Prof. Dr. Eduard Castles sehr ver- dienstlicher Arbeit „Lenau und die Familie Löwenthal (Briese und Ge spräche, Gedichte und Entwürfe)". Leipzig, Max Hesses Verlag. fühlte sie sich mit elementarer Gewalt zu dem Manne hingezogen, der ihr in jeder Weise als der bedeutendere erscheinen mußte. Wohl hat sie bei dem Gatten, der kein unsympathischer Mensch war, ausgeharrt. Aber sie kam doch zu Reflexionen wie: „Das ist eben der Jammer des Lebens, daß so manche edle Menschen ihr Herz verschenken müssen an Mittel mäßige, weil gerade kein anderer da ist" und notierte sich in ihr Merk- Küchlein Karoline v. Woltmanns Wort: „Bei der Ebe, wie sie unter uns ist, finde ich vieles herb und roh. Fürs Leben! — So etwas auf immer Festgestelltes. . .'" Als Lenau Karoline Unger kennen lernte, scheint gerade einer jener Zeitpunkte gewesen zu sein, wo der Dichter erkannte, es sei das beste, die Beziehungen zu Sophie zu lösen oder doch mindestens zu lockern. Und wohl um in seinem Entschlüsse nicht wankend zu werden, schrieb er schon am 11. Juli von Wien aus sehr ofsenmütig an Sophie, die in Ischl war: „Karoline liebt mich und will mein werden. Sie sieht es als ihre Sen- düng an, mein Leben zu versöhnen und zu beglücken. Mein Gefühl sür Sie bleibt ewig und unerschuttert, aber Karolinens Hingebung hat mich tief ergriffen. Es ist an Ihnen, Menschlichkeit zu üben an meinem zerrißnen Herzen." Obwohl Sophie dem Freunde schon manchmal den Rat gegeben hatte, sich zu vermählen, suchte sie doch das Zustandekommen der Verbindung mit Karoline mehr zu hindern als zu fördern, und, was wunderlich er scheinen muß, ihr Gatte tat das Gleiche. Es mag sein, daß beide, Sophie wie Max Löwcnthal, der Uebcrzcugung waren, gerade Karoline Unger sei nicht die rechte Lebensgefährtin sür den Dichter. Aber vielleicht sayen sie doch den Charakter der Künstlerin in zu ungünstigem Lichte. Diese kam keineswegs aus der Boheme. Ihr Vater, Karl Unger, war ein ge- bildeter, literarisch tätiger Mann gewesen, der regen Anteil am geistigen Leben Wiens genommen hatte, u. a. auch für Franz Schuberts Talent cingetreten ist. Wie er der am 28. Oktober 1803 in Stuhlweißenburg geborenen Tochter eine sorgfältige Erziehung zuteil werden ließ, so sorgte er auch für gewissenhafte Pflege ihrer musikalischen Begabung. Mozarts Schwägerin Aloysia Lange, Johann Michael Vogl, mit dem Schubert musizierte, sowie Domenico Ronconi in Mailand haben Karolinens Ge- sangstudien geleitet. Von Wien ans, wo sic neben Henriette Sontag und Teresa Fodor hatte singen dürfen, kam sie 1825 durch den Opernpächter Barbaja nach Neapel, sang dann in Turin, Mailand, Rom. Für ge raume Zeit blieb Italien, wo ihr Name in^Carlotta Ungher umgewan'oelt wurde, der Boden ihrer künstlerischen Tätigkeit; ähnlich wie Agncse Schebest, David Friedrich Straußens Gattin, hat auch Karoline Unger mehr der italienischen als der deutschen Kunst gedient. Neben den Hul digungen des Publikums fehlte ihr nicht die Anerkennung tonangebender Komponisten. Bellini bewunderte sie, Rossini pries „ihre eherne Lunge, ihre silberne Stimme, ihr goldenes Talent". Zu ihren glänzendsten Partien gehörten Norma und Romeo. In der Zeit dcS Bekanntwcrdcns mit Lenau hatte dfp Unger den Höhepunkt ihrer Laufbahn bereits hinter sich, ihre Stimme, ein drama tischer, in der Mittelrcgion am schönsten timbricrter Sopran, fing an Schärfe zu zeigen. Aber noch immer wußte sie, auch als Frau, Bewunde- rung zu erregen. Gros Theodor von Heusenstamm, den auch Lenau kannte und schätzte, hat von ihr eine entzückte Schilderung entworfen, darin sie „die bezauberndste Wirtin am Teetisch" — „ein Weib, stolz und reich, voll Kraft und Schwermut" genannt wird. „Sie ist eine der höchsten Naturen, die wir auf Erden zu verehren haben", sagte damals Lenau von ihr; selbst ein so objektiver Beobachter aber wie Gregorovius, der tue Unger zwanzig Jahre später in Florenz traf, bezeichnet sie aiZ „mächtige Natur von weitverbreitetem Leben". So ist die Meinung, Karoline hätte dem unruhvollen Dasein Lenaus etwas werden können, nicht von der Hand zu weisen. Ein Gastspiel der Künstlerin in Dresden unterbrach zunächst den persönlichen Verkehr mit dem Dichter. Doch traf man sich in Linz, wo allen Ernstes von Ehe gesprochen wurde; eine Reis« durch das Salz kammergut schloß sich an. Sophie, die cs gewiß mit Lenau gut meinte, der aber andernteils vor dem Verlnst des Freundes bangen mochte, hatte zu einem Aufschub der Verlobung geraten bis zu Karolinens Abgang von der Bühne und bis zur Klärung von Lenaus pekuniären Verhält nissen. Er brachte dies in Linz zur Sprache. „Meinen Willen durchaus ehrend", so berichtet Lenau darüber an Sophie, „nahm Karoline meine Erklärungen mit schöner weiblicher Fügsamkeit entgegen. Es sind von ihrer Seite Verbindlichkeiten für 19 Monate eingegangen worden, deren Nichteinhaltung mit großen Opfern, vertragsmäßigen Konventional- strafen verbunden sein würde; wohingegen die, Erfüllung derselben eine Vermögensmehrung von 50 000 zurücklegen läßt. Daß ich ein solches Opfer, obwohl sie es mir mit Freuden zu bringen bereit wäre, nicht an nehme, versteht sich von selbst.' Während des nun durch diese Engagement« bedingten längeren Fernseins der Sängerin trat bei Lenau lehr unvermittelt eine Sinnes- ändernn ein. Am 11. Oktober noch schickte sie ihm ihr Bild mit zärtlichen Worten, er aber hatte sich bereits Ende September gefragt, ob er denn „das Sch auerliche — die Ehe" beginnen solle. Man wird bei allem, was Lenau in seiner gegen Karoline zunehmenden Entfremdung über die Künstlerin geäußert hat, nicht vergessen dürfen, wie krankhaft erregt und verwirrt dcS Dichters Gemütszustand damals bereits war. In wiefern die Wiener Freunde zur GefühlSerkaltnna beigetragen haben, steht dabin. Als gewiß ist anzunehmen, daß das Wiederzusammensein mit Sophie und der immer wieder wirkend« Zauber ihrer Persönlich keit Karolinens Bild erblassen machte. Der Gedanke an Sophie, mcm an Karoline, ist denn auch in der Hypochondrie der nächsten Winter- monate für Lenau das erhellende Licht gewesen. Bei der Jahreswende wünscht er, die Ereignisse des scheidenden Jahres auslöschen zu können, an Sophie aber schreibt er bald darauf: „O Herz! ich bin Dein Ins ins Innerste meines Wesens . . . Hätt' ich Dir nur nie einen Augenblick web getan." Mancherlei Klatsch, der über Karolinens Vorleben laut ward (auch Liszts Name wurde dabei mit genannt) half, Lenau zu irri-
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