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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.09.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070903029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907090302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907090302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-03
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Er begab sich an Bord der „Hohenzollern", die um 8 Uhr bei starkem Südwestwind zur Flotteuparade iu See ging. * Wie die Pariser Blätter aus Tanger melden, haben sich alle Bergstämme mit Raisuli vereinigt. Dadurch ist dessen Macht erheblich verstärkt. sS. Tgssch.s " Ungefähr 200 ausländische Hafenarbeiter, die in der Nacht in Antwerpen eingetrosfen waren, wurden beim Verlassen des Bahnhofes von der Menge angegriffen. Die Polizei mußte, um die Arbeiter zu schützen, von der Waffe Gebrauch machen. fS. Ausl.) Tagesscharr. Eine Wahlrede WitttngS. In Geestemünde hat am Sonnabend der für die bevorstehende Londtagserjatzwahl als nationalliberaler Kandidat des Wahlkreises Lehe-Geestemunde ausgestellte Direktor der Nationalbank, Geheimrat Wittino-Äerlin, sich seinen Wählern mit einer Rede vorgestellt, in der er die wichtigsten politischen Tagcsfragen streifte. Zur Wahlrechtsfrage und Blockpolitik führte er ans: „Tie Station ist nicht wegen des Blockes, sondern der Block der Nation wegen da; er ist nicht Selbstzweck, nur Mittel zum Zweck. Der Reichs kanzler hat es unterlassen oder verschmäht, eine unionistische Majorität zu bilden, die, wie 1866 in England, unter innerer Anpassung bisher gcirennter, sich nunmehr organisch verbindender Parteien für die Durch führung eines großen politischen Programms wirken könnte. Ein solches Programm ist weder im Reich noch in Preußen verkündet worden. Vielmehr ist nur eine taktische Formation erreicht; für vorübergehende Zwecke und ohne inneres starkes Band. Das ist vielleicht das l'rvwn I^cuckos, das innerlich Schwache des Blocks; darau kann dieser leicht zerschellen. Offenbar will der Kanzler im Reichstage zunächst jede Be- las:ungsprobe vermeiden; beim Börsengesetz, dem Vcreinsgesetz, bei der Strafrechtsreform wird der Block allenfalls, vielleicht auch nur mit Ach und Krach, halten. — Die Reichssinanzreform — die elementare Grundlage jeder gedeihlichen Weilerentwickelung im Reich — ist dagegen anscheinend bis aus weiteres vertagt; sie würde leicht ein Stein des Anstohes werden, wenn die Parteien der jetzigen Mehrheit nicht ge nauer erfahren, wohin die Reise eigentlich gehen ivü. Zur nationale Macht- und Wehrfragen aber ist eine Mehrheit da; insbesondere wer de'-. wir Nationalliberale», unseren Traditionen getreu, mit »nd ohne Block diesen Postulaten gegenüber nie versagen. Aber andererseits kann doch die Dlockpartei nicht so aufgefaßt werden, daß nun in Preu ßen für S t aa ts n o tw en d, g kei t e n fundamentaler Natur Stagnation und Versumpfung Platz greift. Gerade weil uns das Vaterland höher steht als die Partei, gilt es, mutig und ohne Menschenfurcht die großen Lebensfragen der Nation im preu ßischen Parlament auszurollen; als Partei könnten wir mit der dila torischen Taktik allenfalls zufrieden sein und uns mit den üblichen Vor lagen der Tagespolitik abfinden/' Weiter berührte der Redner die Verwaltungsreform und die Reform der Schule, lieber letzteres Thema sagte er u. a.: „Auch hier liegt die Reform in der Lust; ein neues Jahrhundert fordert neue Formen der Erziehung und des öffentlichen Unterrichts aus allen seinen Stufen. Im Auslande heißt es oft, unsere Schulen züchteten llnrcrtanen, Beamte; die Freiheit der Individualität käme in ihnen nickt zu ihrem Recht. Mag dieser Vorwurf übertrieben sein, etwas Be rechtigtes enthält er zweifellos. Und Freiheit ist doch nicht Zuchtlosig keit, sondern in erster Linie Erziehung zur Selbstzucht." Zur Verwaltungsreform aber führte er auS: „Die An zahl von Behörden, der Wust von Formalien und Schreibwerk, die Langsamkeit und Schwerfälligkeit des Betriebes — das alles hat jeder im wirklichen praktischen Leben Stehende leider genügend am eigenen Leibe erfahren. Wir haben oben wie unteu viel zu viel Instanzen, bei nahe doppelt so viel wie alle anderen Kulturländer, und wir entbehren im Betriebe des modernen Zuges, stecken vielmehr noch klafterties in Bcrichtswegen und Schriftlichkeit. Hier muß mit kühner Hand ein ordentlicher Schnitt gemacht, eine Reche Instanzen muß beseitigt, ein fache Organisationen müssen geschaffen, der Betrieb umgestaltet werden, vor allem muß auch die Freiheit der Selbstverwaltung ge wahrt, unsere großen und kleinen Kommunen von dem nutzlosen, viel fach geradezu schädlichen Einmischungsbazillus befreit werden. Wenn unabhängige Bürger, unterstützt von sachkundigen Be ratern, die Geschäfte ihrer Gemeinde uneigennützig selbst verwalten, dann soll man sie tunlichst iu Frieden lasten. Uno manchmal fehlt die Aufsicht gerade da, wo sie einzusetzen hätte. Wenn z. B. die Kommunen des Landes ohne Organisation, wahllos und planlos ihre Schuldver schreibungen auf den Markt werfen, den Renten- und Konsolsknrs ruinieren helfen, da sollte eine verehrliche Zentralstelle lieber ein schreiten und Vorbeugen, anstatt sich um zahllose Details zu kümmern. Regieren heißt voraussehen: diese Binsenweisheit scheint bei uns manch mal verloren gegangen zu sein. Andererseits sollte man im Parlament nie vergessen, daß die Gesetzgebung gewiß wichtig, daß aber wichtiger die Verwaltung ist, so hat uns ja schon Gneist gelehrt. In der Kontrolle der Exekutive, in der Beschäftigung mit dem staatlichen Organismus, liegt eine der bedeutendsten Funktionen der Volksvertretung, sie bildet das naturgemäße Gegengewicht gegen die Nebermacht der Bureaukratie und gegen die Bielregiererei. Marokkanisches KriegStheater. Bisher haben die ewigen Scharmützel keinen wirksamen Erfolg ge zeitigt. In offiziösen Pariser Kreisen hat man daher von einer Ab berufung des Generals Drude gemunkelt. Vorläufig^ist es jedoch damit noch nichts; denn Herr Clemenceau ist soeben im Ministerrat diesem Gerücht energisch entgegengetreten. Drude und Philibert besäßen bas volle Vertrauen der Regierung und es könne dieser nicht einfallen, ihnen den Plan ihrer Operationen vorzuschreiben. „Bisher habe man sich zu keiner bestimmten Aktion entschließen können." Der letzte Sah, den der Ministerpräsident wörtlich in der Konferenz zum besten gegeben bat, ist ein nettes Geständnis. Woher soll man den Kommentar nehmen? Wie soll man diese neue Erscheinung einer plötz lichen Ministerialkonferenz deuten? Es gibt nur eine Auslegung: die Situation auf dem Kriegsschauplätze ist heikel wie zuvor. An offizieller Stelle gibt man verzweifelte Gegenversicherungen ab, und Herr Clemenceau hütet sich vor sinistrem Pathos. Nur den Optimisten spiele», nur in Rosensarben malen, das behagt in Gallien. Den Unkenruf der radikalen Presse ignorieren wir. Sieht es doch iu den Küstenstädten des Südens aus wie in der Idylle. Um eins kommt man jedoch nicht herum: um die Tatsache, daß Raisuli, der gesährliche Don Quijote, die Absicht hegt, Tanc-r an*"-,rci'st". ^-e brmecafisicrtm SnUankscl'-aicn, di* nnr zu Schwabenstreichen fähig sind, dürften ihm keinen ernstlichen Wider stand bereiten. Wird das Gerücht znm Ereignis, so dürste noch mancher Europäer über die Klinge springen. Und dann, Herr Clemenceau? . . . Dan» wäre es aus mit der Götterpose des Schweigens, mit dem hübschen Zeitvertreib, alles zu vertuschen. * . * lieber die Lage in Marokko selbst berichtet folgendes Pariser Tete- gramm des „L.-A. : Major Mangin, der provisorische Stadtpräsekt von Casablanca, weilt heute in Tanger, um mit dem französischen Geschäfts träger Saint-Aulaire über eine einheitliche Polizeiorganisation in allen Häfen zu konferieren. Saint-Aulaire hält darauf, daß die Anreger der Schaffung einer freiwilligen, vorzugsweise aus europäischen Elementen zu bildenden Bürgerwebr in Tanger sich direkt mit ihm und seinem jpanischeu Kollegen ins Einvernehmen setzen. Die marokkanischen Be hörden würben im geeigneten Zeitpunkte von den Gesandten zu der- ständigen sein. Mittlerweile steigert sich die Besorgnis der besitzenden Klassen Tangers vor einem Ueberfall durch Raisuli. Man hat nur ge ringe Hoffnung, daß Bnchta Bagdadi, der dreihundert Mann seiner Mahalla soeben nach Fez senden mußte und mit dem Rest unterwegs nach der Ruine Zinat — Raisulischen Andenkens — ist, die BeniaruS und deren Zuzug werde lange aufhalten können. Ferner wird aus London depeschiert: In Casablanca werden zwei weitere Bataillone Schuhen erwartet. Wie es heißt, trifft dort binnen kurzem der französische Gesandte Regnault eiu, um mit den Militär- behörden gemeinsam zn beraten. Die Lag« in Mazagan gestaltet sich ver- mutlich in den nächsten Tagen kritisch. Im dortigen Zollhause lagern zwei Millionen Patronen, die Muley Hafid ausgelirfcrt haben will. Die Munition gehört der marokkanischen Regierung, aber da die Stadt bevölkerung zu Muley Hafid hält, möchte diese sie Muley Hafid ausge liefert sehen. Die französischen Behörden sind entschlossen, die Fort- schaffimg der Patronen gewaltsam zu verhindern, und möchten sie an Bord eines Kriegsschiffes schaffen. Man befürchtet aber daß ein der artiger Versuch zu Feinseligkeiten mit der Bevölkerung führen würde. — „Daily Telegraph" meldet aus Tanger vom 2. September: Die scheu- fische Mahalla Äuchta ben Bagdadis lagert anderthalb Tagereisen von Tetuan entfernt. Die Gerüchte von Kämpfen mit Raisuli sind un begründet. — General Drude errichtet ein permanentes Lager vor Casa- blanca. — Man befürchtet, daß die jetzt bald einsctzenden Stürme oie Kriegsschiffe zwingen werden, die Ankerplätze zu verlassen, so daß ihre Geschütze nicht mehr wirken können, da ihre Scheinwerfer nicht mcyr fähig sein werden, das Gelände zu beleuchten. — Aus Larasch wird dem- selben Blatte unter dem 1. September gemeldet: Die letzte europäiscke Familie, die Fez verlassen hat, ist gestern hier angekonunen. Sie besteht aus der Frau des deutschen Arztes Dr. Cohen mit drei Töchtern und zwei Söhnen. Dr. Cohen ist auf Bitten der Eingeborenen in Fez ze- blieben, da diese ihn ersuchte», die Stadt nicht ohu« Arzt zu lassen. — Das „Reutersche Bureau" meldet aus Mogcckor zum Schluß vom 28. August: Der Geschäftsverkehr ist hier noch nicht unterbrochen; die Eingeborenen verhalten sich höflich gegen die Europäer und bitten, daß eiu Kriegsschiff hier bleiben möge, um die StM vor de» Arabern des Innern zu schützen. Jeitrrngsschtnr. Zu der in Münster gehaltene« KatferreDe liegen ei« Reihe von Preßstünmcn vor. Dor allem wird der religwse Teil der Rede, aber auch der soziale einer Besprechung urtterzogeu. Z» dem religiöse» Teil äußert sich durchaus zustimmend der konservativ-agrarische »Deutsche Tageszeitung": Die Rede des Kaiser-, insbesondere ibr zweiter Teil, ist ein. freimütige-, tiesmnerliches, königliches Bekenntnis; solche« Bekenntnisse gegenüber hat die Kritik zu schweigen. Wir freuen nuS diese- Bekenntnisse- und haben besonderen Grund dazu, weil es im letzten Ziele und im tiefsten Grunde den Anschauungen entspricht, di« wir selbst an dieser Stelle vertreten haben und vertreten wrrdeu. Es gibt auch nach unserer felsenfesten Überzeugung kein anderes Mittel, alle Stände und Brrulsgruppen innerlich zu einige», al- die Religion, al- die Person de- Erlöser», z« der Evangelische nnd Katholiken mit der gleiche» Ver ehrung emporschauen. Die isermama: Man bört e» diesen Worten an, daß sie dem Kaiser au- dem Herzen kommen, und man kann nur dringend wünschen, daß sie bei olle«, die e« ang'vt, die gebührende Beachtung fänden. Wir würde» dann weniger konfessionellen und sozialen Hader habe». Leider hat der Kaiser aber schon wiederholt ohne Erfolg Worte des Friedens gesprochen. Die „Köln. Ztg.": MS der Kaiser in Breslau vor Jahresfrist zum Kampf der vereinigten Be kenntnisse gegen den Unglauben rief, mußten wir betone», daß seit Friedrich dem Großen in Preußen der Glaube in leder Form eine Freistatt habe, daß kein Dogma dem ernsten prüfende» Erwägen und Erforschen Schranken ziehen dürfe, daß jcker, um das alte Wort wieder zn gebrauche», nach seiner cignen Fasson selig werde» dürfe. Wir glauben, daß dir jetzige Red« de- Kaisers mit diesen Anschauungen durchaus übereinstimmt. Sie gibt jedem Preußen die Versicherung der Staubens- und Gewissensfreiheit, denn die Religion, wie sie der Kaiser avfsaßt, ist „nickt in streng kirchlich dogmatischem Same verstanden, sondern im weiteren für das Leben praktischer»". Damit wird gesagt, daß kein Eiferer das, was ihm als Religio« erscheint, dem andern Mitbürger aafzwmgen darf, daß da» Dogma, zu dem sich der eine bekamt und da» er als richtig wahr und heil bringend ansieht, doch »nr für ibn, nicht für alle das Maß und die Schranke sein kann. Es ist Gewissensfreiheit, di« laut verkündet wird, verbunden mit der Pflicht der Duldsamkeit. Nicht mehr werden Glaube »ob Unglaube einander gegenübergestellt, denn wer vermag ihre Grenze» zn ziehen? In der Religion, Feuilleton. Die Fröhlichkeit des Geistes ist eiu Zeichen seiner Stärke. , Emerson. O Mit Dernburg nach Dentsch-Gstafrika. Hl. Dar es Salam, 10. August 1907. Heute ist Postschluß für Europa. Ich werde mich sehr kurz fassen müssen, um diesen Brief noch fortzubriugen. Wir sehen hier sehr viel Interessantes, aber die einzelnen Stummem des Programms sind zeit- raubend, so daß für die Mitteilungen nach Hause, ohne die unsere An wesenheit hier doch ihren Zweck verfehlt halte, fast gar kein« Zett bleibt. Dazu kommt, daß man nie vorher weiß, wann man sich an deu Arbeits tisch setzen kann. Denn der Staatssekretär wechselt sein Programm fortwährend, was vielleicht sehr gut ist, um unerwartet hier oder dort auszutauchen, uns armen Schreiberlein indessen gewaltige Pein schafft. Seit vorgestern ist er in Zanzibar. Ich bin nicht mitgefahren, so ver- sührerisch der Ausslug auch war, um mein« Briefe nun endlich abzu schließen. Nun ist seit gestern Mittag ein Gerücht tm Um lauf, vach dem die für morgen in Aussicht genommene Reise nach dem Süden zunächst fallen und dafür unmittelbar nach der Rückkehr Dern- burgs aus dem Sultanat die große Tour über die englische Bahn nach dem Viktoriasee angetreteu werden soll. Falls das -«trifft, bleibt nicht einmal für ein paar Ansichtskarten nach Hause Zeit, von Privatbriefrn ganz zu schweigen. Berücksichtigt man, daß die Tage sehr kur- und beiß sind, daß man dagegen abends nach 6 Ubr der Moskito- wegen nnr „snb tornoontt«", unter Folterqualen, wie Friedrich Wilhelm I. arbeiten kann, so ergibt sich daraus, daß es wirklich kein Vergnügen ist, den Chronisten der Dernburgreise zu spielen. Einer dieser Chronisten liegt übrigen« be- reits seit einigen Tagen an Malaria im hiesigen Krankenhaus. Das Krankenhaus, draußen an der See, inmitteu eine- herrlichen Parkes, nahe dem de- Gouvernements, ist elegant, groß und opulent ausgestattet. Gleich daneben, direkt am Strande, findet man den Euro päerfriedhof von Dar e- Salam. Die Nachbarschaft hat sich aus prak tischen Gründen empfohlen. Ma» geht hier meist durch daS Idyll diese- Krankenhaus«- hindurch, «h« man da- Zeitliche eudgultig s^net. Ich habe den Kirchhof mit fieser Wehmut besucht. In weich«» Sande, den der Wind hier und da zu kleinen Dünen häuft, liege» die Gräber. Herr liche Kokospalmen wiegen sich über ihnen im Seewind, die Brandung singt den Einsamen ihr Schlummerlied, »nd ab und zu in der Regenzeit soll eS noch heule Vorkommen, daß de- Nacht- die mächtig« Stimme des Königs der Tiere aus dem nahen Busch zu ihnen herübergrollt. Manche Träne mag im fernen Deutschland um die fließen, die hier ruhen. Es sind verhältnismäßig junge Leute, Männer von 20 bis 40 Jahren; auch manch ein „geliebtes Kind", das den Eltern, noch che es herangewachsen war, in der neuen Heimat durch das Klima geraubt wurde. Heimische Blumen, von pietätvoller Hand zepflanzt, sprießen neben den fremden auf den Hügeln. Wo ein Grab zur Bepflanzung noch nicht reif ist, deckt es ein riesiger Palmenwedel. Auch „Unbekannte liegen hier, verschollen, aber vielleicht keineswegs vergessen. Wer weiß, wie man nach ihnen forschen, wie man auf ihre Heimkehr noch heute hoffen mag Mombafsa, den 11. August 1907. Das Gerücht hat recht behalten. Gestern morgen um 8V2 Ubr ist der Staatssekretär aus Zanzibar zurückgekehrt, und mittags zwei Uhr mußte, wer an der sechswöchigen Tour ins Innere, über die Uganda- bcchn und den Viktoriasee nach Muan-a und von dort über TaK>ra herab nach Morogoro bzw. nach Dar es Salam teilnehmen wollte, an Bord des kleinen Gouvernementsdampfers „Kaiser Wilhelm II" sein. Bis dahi» war offiziell verbreitet worden, der Staatssekretär gehe zunächst nach Kilwa und Lindi in den Süden; hieran werde sich ein Ausflug in die Usombaraberge, dann ein Marsch über de« Kilimandscharo bis zur Ugaudabahn und dann deren Besichtigung anschließen. Man kann sich denken, welche Aufregung in Dar es Salam entstand. Nach dem alten Programm war noch so und so viel Zeit, bis Träger, Provisionen und so weiter gebrauckt wurden; und wenn auch das Gouvernement sür di« offiziellen Teilnehmer in aller Stille die nötigen Vorbereitungen getroffen hatte, so waren doch nunmehr innerhalb noch nicht vier Stun den die sämtlichen Privatteilnehmer auszurüsten. Auszurüsten, ich wie derhol«, für eine sechswöchige Tour ins Innere, ob nun Morogoro— Dar es Salam in der Tat das Ziel der Reise bleibt, oder ob im Hinter grund eine neue Aenderung des Marschzieles, z. B. ein Abschwenken der Exvedition von Muanza nach den Kilimandscharo-Stationen schlum mern sollte. Mir ist, nach dem bisher Erlebten, die Bereitwilligkeit verdächtig, mir der über das Interesse des Staatssekretärs, für die Fortsetzung der Zentralbahu Auskunft erteilt wird. Die Taktik des Staatssekretärs, seine wirklichen Absichten für sich zu behalten und durch Mittelpersonen nur irreführende Nachrichten ausgeben zu lassen, ist sicherlich ein ganz ausgezeichnetes Mittel, sich gegen Vorbereitung und Vorführung Poremkinfcher Dörfer zu sichern; ob sie aber so weit ge trieben werden muß, di« hier Anwesenden, aus idealem Interesse für den kolonialen Gedanken auSgereisten Teilnehmer an der Fahrt als nicht voll vertrauenswürdig zu behandeln, darf doch wohl lest« bezwei felt werden. Jedenfalls droht al- Folge der Dernburgschen Praxi« da- Ergebnis, daß sich in der etwa 600 Köpfe starken Riesenkarawane eine große Anzahl unzulänglich ausgerüsteter Europäer befinden werden. Die Konsequenz«», vor denen nur die Gunst des Zufalls schützen kann, sind nicht unschwer auSzamalen Luckiri, wir sind unterwegs! Der „Kaiser Wilhelm H." ist pünktlich ausgelaufen, und nachdem wir während der Nacht im Indischen Ozean tüchtig durchgeschüttelt worden sind, find wir heute früh 9 Uhr in Mom- bassa an Land gegangen. Die englischen Behörden zeigten sich von ihrer liebenswürdigsten Seite; sie habe» nicht nur dem Staatssekretär eine Ehrenkompagnie gestellt und von einer Revision unsere- Gepäcks, wäh rend die Zollkontrolle hier sonst sehr scharf ist, Abstand genommen, sondern sie haben uns noch obeudrem unser Gepäck durch eigene Träger vom Hafen zum Bahnhof besorgt. Ein ^trazug transportierte die Expedition, au der auch Gouverneur von Reihenberg teilnimmt, ins Innere. Auch Geheimrat Stieglitz vom sächsischen Ministerium des Innern hat sich ihr angeschlosseu; er ist in der vergangenen Nacht nach einer Rundfahrt um Afrika mit kleinen Atempausen in den britischen und portugiesischen Besitzungen, sowie in Deutsch-Südwestafrika vor Zanzibar wohlbehalten zu uns an Bord gekommen. Als Arzt begleitet Stabsarzt Dr. Egeland den Staatssekretär. Ick bin in Mombafsa zurückgeblieben, um diese Zeilen unter Benützung des Vorsprungs, den wir durch unsere» Gewaltmarsch hierher dem fälligen Reichspostdampfer abgenommcn haben, abzusendcn. Ich hoffe, die Expedition in Mairobi einzuholen. So habe ich auch Gelegenheit, noch ei» paar Worte über Dar es Salam fD'lam im Kaufmannsjargon der Küste, wie Zanzibar Z'bar heißt) zu sagen. Nur das Dringlichste. Ich behalt« unr vor, am die Hauptstadt der Kolonie zurückzukommen, sowie sich Gelegenheit bietet, wozu allerdings wenig Aussicht ist, wenn es im seitherigen Stil wei- tergeht. Dernburg hat etwas im Hinblick auf die Verhältnisse des Schutz gebietes sehr Kluges getan, indem er in Dar es Salam ukasierte, daß er an bestimmten Tagen zu den und den Stunden für jedermann, der etwas vorzubringen hatte, zu sprechen sein würde. DaS gab eine Pro- zession der Gekränkten und Verkannten, insbesondere der Gewerbe- treibenden und Handwerker. Was die Leute verbrachter, wurde steno graphiert, und sie haben jetzt, wie auch ihre Angelegenheit ausgeben möge, das Vergnügen, beobachten zu könueu, daß auf ihre Angaben hin Erhebungen im Gange sind. Ich will keineswegs bltnd daran vorüber- gehen, daß derartige Maßnahmen ihr sehr Bedenkliche- haben. Sic schmecken nach einer bedingungslosen Verbeugung vor den Massen und erhöhen di« Autorität der lokalen Behörden keine-wegS. Anderseits sind jedoch di« Verhältnisse hier im Neuland etwa- andere wie daheim. ES ist nicht alle Tage ein Staatssekretär hierl Nnd dann steht die Haltung der Behörden in einigen wichtigen Fragen zu dem, was hier allgemein für richtig gehalten wirb, so wesentlich im Widerspruch, daß die Tatsache einer unmittelbareu Feststellung wohl wert ist. Nun wird eS ja im wesentlichen Schnack und bummer Kleinkram gewesen sein, deu die Petenten vorgebracht haben. Der eine wird bei Lieferungen einem Konkurrenten gegenüber konsequent vernachlässigt, obgleich er feiner Ansicht nach viel besser liefern kann als der; eiu anderer ärgert sich, wenn der Staat in eigener Regie baut, statt ihm di« Sache m Antrag
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