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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1937
- Erscheinungsdatum
- 1937-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193710286
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19371028
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19371028
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1937
- Monat1937-10
- Tag1937-10-28
- Monat1937-10
- Jahr1937
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 28.10.1937
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Reue Wese der Sinnvolle GaSwtrtfchaft ES soll schon Mensch«« gegeben habe«. Sie der GaSwtrtschaft beim Ausblühen der Elektrizität ein schnell- End« prophe zeiten. Zweifellos gab «S oinmal einen recht unfruchtbare« Konkurrenzkampf zwischen dem Ga» und der Elektrizität, den die Elektroenergie weist zu gewinne« schien. Diese Zeiten sind vorüber. GaS und Elektrizität haben beide iHv« großen, volkswirtschaftlichen Aufgabe« erkannt und mar schieren daher gemeinsam al- treue Helfer der Hau-frau, des Betriebes, des SrastfahrzeugbesttzerS usw. SS dürft« kaum wieder vorkommen, daß sie sich gegenseittg beneiden. Wichtigst« deutscher Werkstoff Die deutsche Sohl« ist LuSgang-punkt der deutsche« GaSwirtschaft. Nicht allein die Gasgewinnung macht st« zum wichtigsten deutschen Werkstoff, sondern di« zahlreichen Nebenprodukte wie Teer, Benzol, Benzin, Leicht, und Schweröle, Kok- usw. Noch immer sind die Umwertungs möglichkeiten der Sohle nicht voll erschöpft. Immer wieder stoßen die deutsche« Ehemiker bet ihren Versuchen auf neue Wege, neue Erkenntnisse, die im großen ausgewertet der deutschen Volkswirtschaft und dem BierjahreSplan «inen wesentlichen Schritt vorwärts helfen. Die Zentrale für Gasverwertung in Leipzig ermöglichte auf einer Pressefahrt durch daS Gebiet der GOSAG. lGaSversorgung Ostsachsen A-G.) «inen interessanten Einblick in die Vielgestaltigkeit der neuzeitlichen Kohle- und GaSverwertung. Ga- im HauShalt uud tm Betrieb Zahlreich sind die Verwertung-Möglichkeiten tm Haus halt. In Dre-den-Gruna wurde «in Wohnblock mit Klein wohnungen zum Mietpreis von 87 bi- 48 Mark mit GaS- badeöfen und GaSheitzwasserspeichern sowie kombinierten Ga». und Feuerherden au-gestattet. Troß der relativ niedri gen Mietpreise konnten den Mietern diese technischen An lagen eingebaut werden, die wirklich arbeit», und zeit ersparende Hilfsmittel der Hau-frau sind. Bei einem Be- such solcher Kleinwohnungen konnte di« Hau-frau ver sichern, baß der Betrieb ihrer GaSanlagen sehr wirtschaft lich sei. — Der grüßte Judustrieabuehmer de» Dresdner GaSwerkS ist die Gchleifscheibenfabrik in Dr«Sde»-Reick Sie verbraucht knapp 10 Prozent der gesamte« Dresdner Gaserzeugung allein. Seit der Machtübernahme ist ihr Bedarf von monatlich 30000 Kubikmeter auf knapp 800 000 Kubikmeter gestiegen. Nach geplantem Neubau einer wei- tcren Reihe der gasbeheizten Oefen wird sich der Bedarf vasverwertuu« hilft dem Mertohre-vlan noch gut um 80—40 v. H. steigern. Jährlich beträgt der GaSbedarf dieser Anlage «ehr al» fünfeinhalb Millionen Kubikmeter, die durch eine eigen- dazu hergestellte Nach druckleitung dem Werk über ein« Regleranlage zugeführt wirb. Wichtiger als Gas: die NeVmrprodnLt« E» ist «och sicht lange her, da begnügte man sich in der Hauptsache mit der Gasgewinnung, bei der Sok- und Teer „Wtt abfteleu". Die deutsche ViechahveSplanwirtschaft hat diese Nebenprodukt« schärfer unter die Lupe genommen. Sie nehme» jetzt bei der Sohleverwertung Le« ersten Platz «in. Oele u»d Treibstoffe sind «S, di« in Deutschland noch fehle«. Die Sohleoerwertung zeigt zwei Weg« zur Deckung de» TreibstoffbedarfS: Gewinnung de- flüssige« und Ü«S gasförmige« Treibstoff-. Beide Dege »»erden beschritten und erweisen sich al» äußerst günstig. Um nun mehr Teer, Oele und flüssige Treibstoffe zu gewinnen, hat man die Methode der Gaserzeugung geändert. Sn Stelle der .Ent gasung" der Kohl« bei Temperaturen von 1000 bi- 1200 Grab hat man «ine „Verschwelung" gesetzt, di« bei 800 bis SSO Grad erfolgt. GaS wird hierbei um zwei Drittel bi- drei Viertel weniger erzeugt, dafür steigt der Gewinn an Teer und Oelen um ein Vielfache-. Da- Ga» kommt hier dem Treibstoff entgegen. Der andere Weg zur Sicherung de» TreibstoffbedarfS ist die Ausrüstung der Kraftomnibusse und Lastkraftwagen mit TreibgaS. Vor allem di« Omnibusse zahlreicher Ver kehrslinien sind bereit- auf TreibgaS umgestellt. Es hat eine andere Zusammensetzung al» da- iw Haushalt ge bräuchliche Stadtgas und wirb unter starkem Druck in die Gasflaschen am Kraftwagen „getankt". Ein solcher Kraft wagen hat zunächst nur «inen Aktionsradius von SO St» 280 Kilometern. Meist kommen die Wagen «och nicht über einen Aktionsradius von 100 Kilometer hinan-. Daher wird da» TreibgaS zunächst nur im Bereiche größerer Städte Verwendung finden, bi» — wie die Benzintank stellen — auch die Gastankstellen in größerem Netz überall verteilt sind. Bon der Sohl« zum GaS und -um Treibstoff geht einer der viel«« Wege, de» die deutsche Volkswirtschaft im Rah. men des VterjahreSplan» marschiert. Er beweist, daß «» keinen Wirtschaftszweig gibt, der sich in dieser gewaltigen Selbstbehauptung-schlacht de» deutschen Volke» auSschließt. J-f- Kostbarkeiten des Dresdner „Tlerkundlichen Museums Bei einer Führung durch da» neu hergertchtete Museum iür Tierkunde in Dresden, Ostra-Lllee, erläuterte Mu seumsdirektor Dr Kummerlöwe am 21. Oktober die Kost barkeiten diese- Museum- Zunächst machte er Labe» aus die zurzeit ausgestellten prachtvollen Felle von drei Schnee ziegen aufmerksam, d-e der Forscher Hintsche von einer Erveditton au- Ala-ka mitgebracht hat Die Träger die ser Felle, «irr« Gemftnart, sind HochgebirgSbewobner und halten sich gewöhnlich ,n einer Höhe von 4—8000 Meter auf. Mit Hilfe der Felle, die schwer beschaffbar sind und demzufolge «'nen hoben Wert darstellen, soll später im Museum «ine Schneeziegengruppe ausgestellt werden. Le» weiteren zeigte Dr Summerlöwe da» Fell eine- alaskischen Riesenbären, da» eine Länge von rund 8 Meter aufweist. Sodann erklärte er die Sammlung kostbarer Vogelnester, unter denen sich besonder» kunstvolle Nestbauten befinden Bon der heimatlichen Tierwelt gilt eine au-gestopfte Wild, katz« al- nicht mehr beschaffbare Kostbarkeit, die früher in Sachsen beheimatet war. fevt aber au-gestorben ist Eine Seltenheit der Stelzvügel ist u a. ferner ein schwarzer Storch, w'e er vereinzelt noch in Schlesien vorkommt AI- ganz besondere» Wertobjekt de» Museum» gilt der Balg e'ne» RiesenalkS. Dieser Bogel ist seit 1844 auSgestorben k vc^ . V X 6 ft ckam klnaaltmv dltv»a-Ls»in» gib« g«»ckmaickig». gu, ea»>»etlttilg» ttaut. cki« »pann, noab auftpNngr Rur wenige auSgeftopft« Exemplare gibt e» davon noch in de« naturkundlichen Museen unserer Sulturstaaten. Jeder einzelne dieser Bälge stellt «inen Wert von etwa 18 000 bi» 20000 dar Eier deS Vogel», von denen etwa noch 70 vorhanden sind, werben mit je SOOO bewertet. Zu den Seltenheiten und Kostbarkeiten de» Museum» gehört ferner der Bogel Abu Markub, der bekanntlich von Bengt Berg in einem Werk besonder» beschrieben wurde und da» «ter- legende Schnabeltier. Die Jungen diese» eigenartigen Tiere» kommen al» Eier zur Welt, werden in einer Brust, selltasche und Ufernestern weiterentwickelt und dann von den Muttertieren gesäugt. So bildet da» Schnabeltier ouasi ein Mittelding zwischen Vogel und Säugetier. Unter den Schaustücken de- Meere» sind u. a. besonder- ein au»< gestopfter See-Elefant und eine Seekuh zu erwähnen. Die Seekühe, die die unterseeischen Rasenflächen abweiben, er. reichen ein Gewicht bi» zu 480 Zentnern. Neben den er wähnten Kostbarkeiten machte Dr. Kummerlöwe noch auf «>ne ganze Anzahl weiterer Seltenheiten aufmerksam, die hier aufzuzahlen für den Rahmen de» kurzen Bericht- zu weit führen müßte. ES soll hier lediglich auf die Fülle der 'm Museum investierten wundersamen Schaustück« aus merksam gemacht werden. Da- Museum für Tierkunde dürste unter allen Dresdner Museen dasjenige sein, welche» sich neben der Gemäldegalerie und dem Grünen Gewölbe de» weitgehendsten Interesse» erfreuen kann. Besonderen Reiz in demselben bildet auch der große Tiergeographische Saal, in dem alle bedeutenden Tiere unsere» Planeten sich gegenüberstehen Kehr belehrend ist. da» sei zum Schluß noch gesagt, da- jetzt im Museum eingerichtete und regel- mäßig betriebene Museum-kino. worin man im Film Aus schnitte au» dem Leben der Tiere, wie e» sich in -er Natur vollzieht, beaugenscheinigen kann. Da» Museum ist zu den üblichen Besuchszeiten täglich gegen e«n ganz geringe» Eintrittsgeld <10 zu besichtigen. A. Hempel. Durch ZeitLsglese« Gelb verdiene«? Natürlich kann da» Riesaer Tageblatt sein« Lesern nicht da- bare Geld mit in» Hau» schicken. Aber sehen Tie, wenn Sir in dem Riesaer Tageblatt ein gün stige» Angebot finden und beim Einkauf sparen oder besonderen Vorteil gewinnen, haben Sie dann nicht auch verdient? Auch die Kleinanzeigen de» Riesaer Tageblattes haben schon manchem Nutzen gebracht, ohne daß «S ihm einen Einsatz gekostet bat. L» bringt wirklich Gewinn, da» Riesaer Tageblatt zu lesen. Bon idrellem Vorteil gar nicht zu reden! Werner Kunad am Klavier Unter de« Pianisten unserer Landeshauptstadt hat e» Werner Sunab zu einer besonderen Bedeutung gebracht Sein Name wird jetzt öfter» genannt und gelegentlich be gegnet man seinem Spiel auch im Rundfunürrogramm der Mirag. Am 26. Oktober, abend», stellte er sich im Palmengarten Dresden» einer zahlreich erschienenen Hörergemeinschaft vor und brachte von Brahm» die Sonate f-moll <Op. 8s in meisterhafter Weise zu Gehör. Besonder» gefühlvoll er klang der zweite Satz dieser Brahmschen Sonate: Andante «rpressivo. Da» Tongemälb« „Der Abend dämmert, da» Mondlicht scheint, da sind zwei Herzen in Liebe vereint und haben sich selig umfangen , durchebbt« in echte« Geiste de» genialen Tonsetzer» den Gaal mit seinen stimmungsvollen Weisen, und vortrefflich verstand e» Werner Sunad nachzu schaffen. wa» Brahm» in seiner Notenschrift erdacht hat. Tann erfreute Sunad mit drei Vorspielen au» Opu» 28 Le» russischen Komponisten Sergej Wassiljewitsch Rachma- ninow. dessen Werke jetzt öfter» aus den Programmen unserer Sonzerte erscheinen. Werner Sunab, der Sohn eine» ehemaligen Dresdner Postdirektor». spielt sauber und exakt und wird un» noch mancherlei zu geben wissen. Um- rahmt war da» Spiel Kunad» von Liebern der Gopra«- Längerin Margarethe Gerhardt, am Flügel begleitet von Herbert Stock. Mit ihrer volltönenden, strahlend««, melo- biö» nachhallenden Dttmme errang sie sich sogleich die Her zen aller Hörer. Zuerst hörte man von ihr drei Schubert- Lieder: „Gott im Frühling". „Am See" und „Die Unter scheidung". Dann wurde der ganze Lichen-orff-Lieder- Zyklus, den Schumann so echt in Eichenüorsfschen Dichter sinn gesetzt hat. lebendig Mit allem Eharm, den eine Sängerin auszubringen vermaa. erklang u. a. „Mond nacht". „In der Fremde", „Wehmut". „Im Walde" Mit je zwei Liedern von R Strauß „Freundlich« Vision" und „Die Georgine" und von O- Holstein „Feldbank", „Rosen- zeit", schloß sie da- Programm, indessen sie schloß e» noch nicht, sondern erfreute durch Zugaben bi« begeisterten Hörer Auch Werner Kunad war durch den seinem Spiel gespendeten reichen Beifall genötigt, mit außerprogramm mäßigen Beigaben zu erfreuen. In reichen Blumenspenden fand neben dem Applan» di« Sängerin weiter« Lnerken- nung ihrer hohen Kunst. L. Hempel Ver Sammler ruft ,um wlntikhUfiwerk de» veukschea Volke»! — l>ll» klft auch Vu vemel»!. KlrllsU zu« «enerrrn muiliel. von käsels Olvw^lln M »««»«k » » V. Fortsetzung Annette tritt an die Theke, «in paar Verkäuferinnen in weißen Schürzen stehen da und warten, daß sie etwa» sagt. Ihr Blick gleitet unruhig den Berkaufsstand entlang, an der grauglitzernden Kasse steht «ine Frau in weiß ge stärkter Schürze, rundlich, gutmütig, schmunzelnd und wohlgefällig. Die füllige Frau trägt ein dunkle» Kleid aus gutem Stoff und merkwürdig altmodische Ohrringe au» kleinen lachsroten Korallen, in dem tiefen Ausschnitt zeigt sich «ine hübsche Wäschespthe, blitzsauber. Die Haare sind in scharfe Wellen gebrannt, dunkelblond« Haare, etwa» altmodisch angeordnet und mit einem Haarnetz straff eingefangen. Annette tritt zu ihr hin. „Frau Jürgen»?" fvagt« sie. Ihr Herz klopft sehr. Frau Trude Jürgen» sieht Annette Buchholtz-Wieringen m. sie hat ein sehr frische» rotwangige» Gesicht mit einer ..nbekümmerten Stup-nas«, ein etwa» süßsaure» Lächeln. -Iber gauz erträglich. „Die Dam« wünscht?" E» gibt »»inen Menschen für Fra« Trude Jürgen», kein« Männer, keine Frauen, keine Schönen und Häßlichen, keine Jungen, keine Alten. Es gibt nur Kunden. Tin höflich abwartende» Lächeln liegt fest und wie eingefroren um den vollen Atund. „Ich möchte Sie gern sprechen, Fra« Jürgens, ganz allein!" sagte Annette heiser und leise. Die Frau sieht sie etwa» mürrisch an, «ine Kundin scheint da» nicht zu sein. Ihre Laune wird nicht besser. Sie stößt ziemlich verdrossen ein« Klappe de« Thekentische« auf und sagt nur knapp: „Bitte?" Annette steht einen Augenblick in eine« engen, dunkl-n Sang. ES riecht nach Kalk hier und durchdringend nach Karmnclduft. Hinten öffnet sich eine Klappe, und eine rot- gcwaschene Hand stellt ein Tablett ab, ein Servicrmädchen flitzt, nach Brilchenparsüm duftend, eilig vorbei, nimmt dach.TMKtz, jKtk.BVilk« Si schwimmt auf einer Tasse: daZ (5?.se Jürgens ist ein Reifenden-Cafe, sie trejjen sich hier, frühstücken, machen Geschäfte... Frau Trude Jürgen» hat unterdessen etwa» umständlich ein Schlüsselbund au» der Tasche gezogen, schließt eine Tür auf und macht eine einladende Bewegung. Annett« tritt in ein kleines Wohnzimmer, ehe die Frau neben ihr nachkommt, wendet sie sich noch einmal zurück und sagt mit einer hohen, befehttzgrwohnten Stimme in den dunklen Gang hinaus: „Sechs Tortelett» für Frau Behrend, wie immer, Lisbeth. Zwei Blätterteigpasteten... Karl soll sie gleich hinbringen, gib Bescheid —" Annett« ist einen kleinen Schritt vorwärts getreten, sie steht in einem Wohnraum, der eng und klein und heiß ist. Ein großer Eichenschrank mir unechter Renaissance schnitzerei prunkt auffällig an der Wand, er ist vollgesüllt mit nagelneuen Klassiker-Dänden, die traurig ungebraucht au»sehen. Der Schreibtisch ist glatt und leer, nur eine gehämmerte Mappe au» Rindleder siegt darauf und ein bunt broschierter Roman. Eine große Photographie, Brust bild, hängt an der einen Wand de» kleinen Raume», ein geauält lächelnde- Fräulein in schwarzer Taille, mit engem Gürtel, offenem Haar und flacher Haarschleife ist zu sehen, man erkennt ohne Müh«, daß da» Frau Jürgen« im LcnzeSalter von siebzehn Jabren ist. Da» Bild tut ein wenig weh, e« ist koloriert: blau, kaffeebraun, erdbeerrot. An der anderen Wand hängt in breitem, braunem Eichen raum da» Meisterdiplom, daneben «ine Reservistenvfeife. Und über dem Schreibtisch macht sich ein weitere» Photo breit, ein feldgrauer, kräftiger Mann mit aufgedrehtem Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart und gutmütigem Lachen. Dar unter ein kleiner Junge in Pennälermütze... da» ist wohl... ja da» wird Wohl — Annette setzt sich sehr müde auf da» angeboten« kleine, harte Sofa. Frau Jürgen» nimmt auch Platz, streicht über die allzubunte Ripsdecke und rückt die große Kristallitvase ein wenig näher zu sich. Sie sitzen sich als» gegenüber. Zwei Frauen. Zwei Mütter. Tapfere, tüchtige Annette, bekannte Sängerin, die täglich vier Stunden üben muß, immer auf der Flucht vor sie überfallenden Melodien und Tönen ist, die man bannen und einordnen muß, ob man will oder nicht. Tapfere tüchtige Trude Jürgen». Sie>.hat'S nicht leicht, ist aber jeden Morgen um fünf Uhr auf und bi» spät abends auf dem Posten. Immer in frischer wcißgestärkier Schürze. — Ein Kaffee, eine Schoko — einmal Nußtorte — einmal Bouillon mit — einmal ohne — Zweimarkdreißig, danke sehr. Guten Tag, ja, schöne» Wetter heute. Da» Adreßbuch, hier bitte. Telephon link». Diese Pralinen sind sehr gut, wir machen sie selbst, da» Viertel neunzig. Gustav, Blätterteig fehlt. Die Windbeutel sind auch alle. Fräulein. Sie müssen höflicher zu den Gästen sein. Hier, Karl, die Adresse für die Lieferung. Wirklich, meine Dam«, ich habe noch nie über diese Torte klagen gehört, aber wenn Sie meinen, sie sei sauer, ersehe ich sie selbstverständ lich. Bielen Dank. EinSdreißig. (Meine Füße tun mir heute wieder einmal weh, nicht zum aushalten.) Der Apfel kuchen ist schlecht geworden. Gleich weg damit! Kurt, du mußt mir mal helfen. Ich will da» nicht, da» ewig« Herum/ liegen am Wasser... Krau Trude Jürgen» ist nicht schön und manchmal ein wenig mürrisch. Aber sie sitzt doch höflich vor Annett« und wartet. Annette nennt zuerst ihren Name». Frau Jürgen» kennt ihn an» den Zeitungen und Illustrierten, die sie in ruhigen Minuten durchblättert. Eie sieht die schöne Fra« ein wenig neugierig und verlegen an. Dann erzählt Anette, und Frau Trude Jürgen» wird heftig rot. „Immer hat' ik sesacht, det i« nischt, det taucht nischt, det Herumliesen uff'm Wasser!" (Es hat sich herau»gestellt, daß Thilde Buchholtz und Kurt Jürgen» gepaddelt sind, wenn Thilde Unterricht bei Fräulein Dr. Müller vorgab). In ihrer Erregung berlinert Frau Jürgen» immer stärker: „Zn—n Badezeug auf—n Boot, die janzen Tage, det kann ja nicht futiehn... so'n Bengel, it bin jrnz außer mir... aber ik sare Jhn'n, er soll mir det Mächen Wieda ehrlich mach'», ik wer ihm det schon beibiejen... Go wat! Schämen muß man sich auf seine alten Tage, daß eiftn sowat passiert!" Da» sind eigentlich zwei Welten, die schöne gepflegt« Annette Buchholtz-Wieringen und diese tüchtige Bäcker»« frau. Aber da ist auf einmal gar keifte so große Kluft. „Ik sar Jhn'n nur, er macht det Mächen Wieda ehrlich! Mein Jott, wat man nicht alles erlebt mit die Kinder..." Frau Trude Jürgen» schweigt. Schließlich steht die Bäckersfrau teilnahmsvoll in da» blasse Gesicht der Be sucherin. (FoMtzuna ßMü,
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