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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070905010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907090501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907090501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
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Ve-Srd«« t» amtlich«» Dell 40 ys Erpedittone» d«» In- und Luglaude». G«schtst»a»o«tgen an bevorzugter i» Preise erhdht. «abatt nach Daris. l«tlt« «nftrsto« «»»en nicht zuri-ck- » werd«», tzstr da» Erscheinen ,» ut*» Dage» und PIL»e« wir» kein« Saraatt« ßderuouu»«». chaupt-Fillul« B«lt»i Varl »»»««., S«w^l. v»yr. »afbnch. Handlung, Mtzowstraß« IL (Delephon VD, Nr. 4806). Nr. 246. Donnerstag 5. September 1907. M Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Der Kaiser wohnte gestern den strategischenUebungen der Flotte um Helgoland bei. * Die hessische Wahlrechtsvorlage ist den Stände - kammcrn zugegangen. lS. Dtschs. R.) * Am Nachmittag des 3. September verstarb G. v. Schubert, Generalleutnant z. D. a la suito des Sachs. Feldartillerie. Regiments Nr. 28, im Hause seines jüngsten Sohnes zu Heidel- berg. * Nach amtlicher Nachricht aus Konstantinopel ist am 1. Sep- tember anläßlich des Jahrestages der Thronbesteigung des Sultans der in diesem Jahre bis el Ala fertiggestellte Teil der Mekkaeisenbahn feierlich eröffnet worden. * Auf die Ergreifung des Urhebers des gestrigen Eisen- bahnunglücks bei Rehfelde sind amtlicherseits 2000 Marl Belohnung ausgesetzt worden. lS. Neues a. a. W.) * Professor Gravelius hat heute den Vorsitz des Konser - vollvcn Landesvereins niedergelegt. Reichstagsabgeordneter Landrichter Wagner wurde an seiner Stelle gewählt. Die wittingsche 2tan-i-atenre-e. Die preußische Wahlrechtsbcwegung drohte nach An- sichten, die bis in die freisinnige Presse hinein ihre Vertretung fanden, von Gegnern der Wahlreform aber auf Kosten der Wahrheit weit über trieben wurden, zu einer Gefahr sür die Regierung, den Block und den politischen Einfluß des Liberalismus selbst zu werden. So weit diese Kreise sich nicht absichtlich der Wahrheit verschließen, werden sie heute zugeben müssen, daß diese Gefahr so gut wie endgültig beseitigt ist. Naumann selbst, der erste Rufer im Streit, ist neuerdings sehr viel versöhnlicher geworden. In einem Artikel der „Hilfe" hält er zwar, was sein gutes Recht ist, die Forderung des Neichstagswahlrechts für Preußen prinzipiell aufrecht. Aber er schreibt: „Wir müssen die Freiheit haben, offen vor den Ohren der liberalen Wähler die politischen Aufgaben zu erörtern ... In diesem Sinne ist es unseres Erachtens auch keine Durchbrechung der Frankfurter Eiingungsbcschlüsse, wenn etwa in der „Voss. Ztg." oder im „Hamb. Jremdenbl." andere Auffassungen hervor treten als im „Berl. Tagebl." oder in der „Hilfe". Alle diese Organe und viele andere mit ihnen arbeiten an demselben Problem: Was kann und muß der Liberalismus tun, um in der gegenwärtigen Lage einen Vorteil im Sinne seiner feststehenden Programmsordcrungen zu ge winnen?" Naumann stempelt die ganze Angelegenheit zu einer Frage der Taktik. Nun und über taktische Fragen läßt sich doch reden. Diese neue Parole charakterisiert die neue Situation sehr gut. Und die Milde- rung der Gegensätze kommt erst recht deutlich zur Geltung, wenn man bedenkt, daß noch vor kurzem die Formel freisinnige Geltung hatte: „DaS Reichstagswahlrecht oder gar nichts." Mit Naumann hat auch das eifrigste Reichstagswahlrechtsblatt seine exponierte Stellung aufgegeben. Das „Berl. Tagebl." sucht seit Tagen den Anschluß an die anscheinend siegreiche versöhnlichere Richtung zu gewinnen. Es druckte, nur mit sanfter Verwahrung, schon mehr als einen Artikel ab, worin freisinnige Politiker dazu rieten, zu nehmen, was man bekommen kann, anstatt unwirsch in der Ecke zu stehen. Neuerdings hat sich das Blatt auch mehrfach mit der bedeutendsten Kundgebung zur Wahlrechtsfrage aus dem nationalliberalen Lager be schäftigt und kommt in seiner Erörterung der Gcestemünder Landtags- kandidatcnrede des Geheimrats Witting zu der verständigen Ansicht: „So viel ist allerdings schon jetzt deutlich, daß die Wege des Freisinns mit der- jenigen nationalliberalen Richtung, die Herr Witting vertritt, auf eine lange Strecke zusammenlaufen." Dies darf wohl als strikter Beweis für die Besserung der Lage gelten, zumal wenn man sich genau ansieht, was Herr Witting gesagt hat. Zunächst muß bei dieser Gelegenheit dem Freisinn doch gesagt wer den, daß es weder schön noch klug ist, wenn immerfort von den National- liberalen als sozusagen unsicheren Kantonisten in der Wahlrechtsfrage ge sprochen wird. Wenn auch nicht alle mit uns der Ansicht sind, daß Preußen das Reichstagswahlrecht stur Gegensatz zu Sachsen) ohne Schaden vertrüge, so ist die Partei doch geschlossen sür eine durch greifende Reform auf liberaler Grundlage. Herr Witting hat sicher nicht ohne Rücksprache mit den maßgebenden Führern die Partei in Geestemünde sestgelegt. Dazu ist der Mann zu ernst und zu klug. Und seine Worte sind ganz unzweideutig eine Fixierung der nationalliberalen Wahlrechtspolitik. Er sagte: „Unsere Partei wenigstens, daS kann ich nachdrücklich betonen, ist nicht geneigt, sich mit dilatorischen Worten ab finden zu lassen; wir sehen einstweilen nicht ein, welcher Grund vorliegt, nicht schon in dieser Session einen Gesetzentwurf für Reform de- Wahl- rechts vorzulegen." Nach dieser Erklärung darf man wohl erwarten, daß endlich das Gerede von der Unzuverlässigkeit der Nationalliberalen in dieser wichtigsten preußischen Angelegenheit verstummt. Und auch über daS erstrebte Ziel bat sich Herr Witting deutlich ausgesprochen: „Da- Notwendigste ist die Reform an sich, eine Reform, die den Klassenzensus beseitigt, die Allge meinheit der direkten Wahlen verbürgt und damit die breite Masse ebenso wie Intelligenz und Besitz in ihrer staatsbürgerlichen Persönlichkeit schützt." UnS scheinen zwar bei der Zusammensetzung der preußischen Bevölkerung diese Kantelen nicht notwendig. Aber eS ist doch gar nicht zu verkennen, daß gegenüber den bestehenden Zuständen in der Verwirklichung diese- Ziele- ein gewaltiger Fortschritt liegen würde, und daß e- eine Torheit unverzeihlicher Art wäre, einen solchen Fortschritt durch Intransigenz zu verhindern. Ein AuSspruch Witting» hat unS besonders gefallen: „Fürchtet man etwa dadurch (durch Betreiben der Wahlrechtsreform) «ine Gefährdung der Blockpolitik, so ist zu antworten: Die Nation ist nicht wegen de» Blocke», sondern der Block der Nation wegen da." E» war nötig, das recht klar und deutlich manchen Personen zu Gemüte zu führen. Und daß dies gerade von einem Manne geschehen ist, der wirklich keiner un- verständigen Draufgänger« verdächtigt werden kann, ist ganz besonder erfreulich. In einem anderen Punkt« freilich können wir der Wittiny- schen Red« nicht zustimmen. E» heißt da: „Der Reichskanzler hat eS unterlassen oder verschmäht, eine unionistische Majorität zu bilden, die, wie 1866 in England, unter innerer Anpassung bisher getrennt«», sich nunmehr organisch verbindender Parteien für die Durchführung eines großen politischen Programm wirken könnte." Aus der Fassung dieses Satzes wie auch aus der Fort setzung geht hervor, daß Herr Witting eine solche unionistische Majorität gewünscht hätte. Dem können wir unter keinen Umständen zustimmcn. Der Gedanke an sich ist sicher außerordentlich verführerisch. Man hätte sich darunter etwa eine Partei für praktische Ziele und Reformen ohne Traditionshemmnisse zu denken. Aber auch ohne feste Grundsätze als den der jeweiligen Opportunität. Ein solches Gebilde kann ganz gewiß zuzeiten vorzüglich wirken. Auf die Dauer aber muß es zur ärgsten politischen Versumpfung führen. Es käme nur auf die Geschicklichkeit des leitenden Staatsmannes an, um es zu einer Jasagemaschine zu machen. Und für uns ist es außerdem klar, daß gerade der nationale Liberalismus seiner ganzen Konstitution nach in einer solchen Verbindung immer der schwächere, widerstandsunfähigere Part sein würde. Man denke an das selige sächsische Kartell, um diese Bedenken sofort zu verstehen. Deshalb halten wir es für ein Glück, daß der Kanzler nicht auf den, im gouvcr- nemcntalcn Sinne ohne Zweifel brillanten, Gedanken Wittings ge kommen ist, oder daß er ihn für zu schwer zu verwirklichen gehalten hat. Da indessen die von Herrn Witting angeschnittene Frage vorläufig nur theoretische Bedeutung hat, brauchen wir den offenbarten Gegensatz nicht tragisch zu nehmen. Vorschau auf das AtaisermaiioVer In dem östlichen Zipfel der Provinz Westfalen, der im Süden an Waldeck, im Osten an die Weser und Braunschweig grenzt, im Norden von Lippe-Detmold, im Westen vom Eggegebirge ein^eschlossen wird, sollen au den drei ersten Tagen der nächsten Woche die Feldübungen des VII. (westfälischen) und des X. (hannöverschen) Armeekorps sich ab spielen. Preußen, Oldenburger, Braunschweiger, Mecklenburger, die Regimenter aus den drei Haniastädten und aus den beiden lippischen Fürstentümern, Truppenteile also aus zehn deutschen Staaten, werden dort die Probe ihrer Kriegstüchtigkeit ablegen. Major Driant, ein warmherziger französischer Patriot und ehe maliger Revanche-Propagandist, hat über das im Vorjahre bei den schlesischen Kaisermanövern Gesehene ein interessantes Buch geschrieben, das auch in Deutschland viel Beachtung gesunden hat. Dieser „War- nungsrus an Frankreich", „Einem neuen Sedan entgegen?" bietet eigen artige kritische Parallelen zu dem, waS in - einer Besprechung vom Winter 1906/07 der Oberste Kriegsherr noch nachträglich über di« Ucbungen bei Liegnitz seinen Offizieren zu sagen gehabt hat. Der Titel, den Major Driant seinem Buch gab, zeigt an, wie tiefgehend der Ein- druck gewesen ist, den deutsche Disziplin und Taktik, preußisches Sol- datcnmaterial und seine Waffen, unser Ofsizierkorps und höheren Führer auf ihn gemacht haben. Mit offenem Auge und in richtiger Be urteilung hat der Franzose das hohe Maß von militärischer Kleinarbeit erkannt und gerühmt, das man in unserem Heere leistet. Während sein Urteil ober bei der Anerkennung Halt macht, ist die kaiserliche Winter, kritik über das vom III., V. und VI. Armeekorps Geleistete gerade auf die Fehler in den Details der Durchführung bei den großen Herbst übungen von 1906 eingegangen und hat wichtige Fingerzeige für Re formen gegeben. Diese Anregungen des kaiserlichen Manöveroberleiters werden in mehrfacher Beziehung den heurigen Manövern ihren Stempel aus drücken. Es gilt dies zunächst für die K a v a l l e r i e. Ihre Patrouillen werden nicht erst, wie in früheren Jahren, in der Nacht vor dem ersten lebungstage in eine ihnen fremde Kriegslage sich einleben müssen, andern die beiden feindlichen Kavalleriedivisionen, X und L., sichren chon in dieser ganzen letzten Woche vor den drei eigentlichen Gefechts tagen Aufklärungsübungen unter Zugrundelegung der Kaisermanöver- Generalidee aus. Die Aufklärung der Reiterei, die 1906 noch, selbst für di« einfacheren Aufgaben der Divisionskavallerie, zu erheb lichen Ausstellungen Veranlassung gegeben hat, wird also voraussicht lich in diesem Jahre, weil geübter und erprobter, auch geschickter und besser sein. Auch sollte dem allzugroßen Reiterschneid, der am liebsten nur die blanke Waffe und den Stoß der Attacke gelten lassen möchte, in dem Hügellandc an der Weser weniger Gelegenheit zur Be tätigung gegeben werden, als im Vorjahre auf der welligen Oderebene, wo die geringe Disposition der Kavallerie zum Karabinergefecht u. a. am letzten Manövertage der roten Partei, dem VI. Armeekorps, teuer zu stehen kam. Die Infanterie bat sich inzwischen weiter in den Geist des neuen, im Vorjahre noch nicht ganz absorbierten Reglements eingelebt und wird mit den ihr vereinzelt zugeteilten Maschinengewehr abteilungen, der erweiterten Befchlsübermittelung durch Fern sprecher bis in die vorderste fechtende Linie, den Gebrauch von Feldküchen u. s. f., die im Vorjahre begonnenen Versuche aufnebmen und auSbauen. Wahrscheinlich werden auch geschlossene Radfahrer- kompagnien auftreten, denn die Erfahrungen mit dieser Truppenart, beim VI. und XVH. Korps, haben sehr befriedigt. Während die schwere Artillerie deS Feldheeres — im Vorjahre die Despannungsabteilung des Fuhartilleric-Regiments von DieSkau — an sich und in ihrer allen Anforderungen gerecht werdenden Wirkung kein Novum bietet wird zum ersten Male in einem Kaisermanöver die Feldartillerie durchweg mit dem Rohrrücklauf geschütz im feldgrauen Anstrich auSrücken. DaS neue Reglement ist freilich erst wenige Monate in der Hand der Truppe. Die westfälische und hannoversche Feldartillerie befindet sich also die-mal in der gleichen Lage, wie Anno 1906 die brandenburgische, Posener und schlesische In- fanteri«, di« trotzdem schon vor Jahresfrist ihre Sache so gut machte, daß einem Amerikaner und ostasiatischen Kriegsteilnehmer gegenüber, der die Japaner am Dalu und bei Mulden gesehen hatte, das kaiserliche Wort von dem „alsvsr inckantr? vorlr" — dem gewandten infante ristischen Vorgehen — fallen konnte. Durch die verdeckten und halbver deckten Stellungen, welche in der Hauptsache das neue Reglement'für die Feldartillerie vorsieht, wird daS früher geschaute glänzende Ma növerbild recht obblassen. Die lanaen Reihen «m Galopp auf der Höhe auffahrender Geschütze wird der Friedensschlachtenbummler vergeblich suchen. Mit diesem schönen Bilde wie mit so manchem weiteren Stück triegerischer Soldatenpoesie, haben die neuen taktischen Bestimmungen für immer aufgeräumt. Die moderne Waffentechnik gibt im Ernstfall« keinen Spielraum mehr für glänzendes militärisches Beiwerk. DaS Gleiche gilt somit für das immer kriegsmäßiger werdende Manöverfeld. Aber nicht allein für die fechtende Truppe soll diese Kriegsmäßig- leit gelten, die in der erfolgreichen Geheimhaltung der, zum zweiten Male in der bewährten Hand von Exzellenz von Moltke liegenden Anlage eine erfreuliche Vorprobe auf da« Manöverexempel abgelegt hat. Auch die wichtige Arbeit der Intendantur, der di« Verpflegung von fast 100 000 Mann kämpfender Truppen obliegt, wird sich den Verhältnissen im Kriege zu nähern versuchen, ebenso wie der gesamte Eisenbahntransportdienst, der voraussichtlich schon für den Anmarsch der beiden gegnerischen Parteien ein« starke Be lastungsprobe auszuhalten haben sollte. Der Direktor de» Armee- verwaltungSdepartements im Kriegsministerium, Generalmajor von Lochow, wird selbst die Leitung des Verpflegunaswesens übernehmen und die acht Manöverproviantämler in Pyrmont, Holzminden, Fürsten berg, Warburg, Hofgeismar und anderen Orten am Eggegebirge und der Weser kriegsmäßig einrichten. Die Truppen die während der drei Gesechtstage biwakieren, führen — auch die Offiziere — die eiserne Portion im Tornister. Marketendcrwagen sind zwar ausdrücklich im Manövergelände zugelassen, es dürfte aber doch manch rundlicher Reser vist. der, zur Komplettierung der Bataillone auf je 800 Mann, mit ein gezogen ist, einige überflüssige Pfunde über die Anstrengungen des 9., 10. und 11. Septembers hin verlieren. Denn anstrengend werden Vie Schlußprüfungstage des mili- tärischen Jahres 1907 fraglos werden. Nach der Manöverkarte zu urteilen, die an den Abschnitten der Nethe und Diemel, bei Brakel und bei Warburg, dem Soldaten Wohl gefälliges Kampfgelände zeigt, scheinen besonders den hannöverschen Truppen Marschleistungen in dem kriegerischen Wettlauf um diese Defileen bevorzustehen, bei denen 50 Kilometer der mittlere Tagesdurchschnitt sein dürfte. Fast will es den Anschein haben, als ob diese Marschtätigkeit den größeren Teil der ersten beiden Manövertage ausfüllen sollte. Mancherlei Anzeichen deuten darauf hin daß im Gegensatz zu früheren Jahren nicht jeder Tag sein in sich abgeschlossenes Gefecht bringen wird, sondern daß, ab gesehen von kleineren Kämpfen um Vor-Stellungen, eine große Feld- schlacht von zweitägiger Dauer, etwa am Desenberg, einer Erhebung bei Warburg, die Lehren des russisch-japanischen Krieges in deutscher Durcharbeitung zeigen soll. So würde ohne weiteres der Fekler des Vorjahres vermieden werden, gegen den sich der Kaiser be- sonders scharf ausgesprochen hat: Die Möglichkeit rein friedensmäßiger Anordnungen der Unterführer während des Zustandes der Ruhe blieben ausgeschaltet. Eine fortlaufende kriegsmäßige Aktion würde die drei kommenden Uebungstage zur rechten und ernsten hohen Schule von Führung und Truppe machen. Das alte militärisch« Spottwort vom „Manövertürken" könnte dann, am 11. September im letzten Biwak, nach der Löfselparade der Reservisten, als dem frischen Zuge der modernen Zeit Wilhelms II. gewichen und endgültig erledigt, begraben werden, Otto von Oossdorg. Deutsches Reich. Leipzig 8. September. * Wilhelmshöhc. Die Offiziösen werde» nicht müde, immer wieder zu dementieren, wenn von irgend einem bestimmten Thema verlautet, das zwischen Kaiser Wilhelm und König Eduard auf Wilhelmshöhe er örtert worden sei. Jetzt ist Aegypten an der Reihe. Die „Sitdd, Reichs- korresp." schreibt nämlich zu Nutz und Frommen aller Wißbegierigen: „Wer nach sehr bestimmt auftretendcn Preßmeldungen urteilen wollte, könnte versucht sein, an eine besondere internationale Tätigkeit auf dem Gebiet der ägyptischen Frage zu glauben. Innerhalb weniger Tage ist dreimal behauptet worden, daß über Einzelheiten dieser Frage in Wil helmshöhe verhandelt worden sei, unterm 28. August im „Petter Lloyd", unlcrm 29. im „Neuen Wiener Tagblatt" und unterm 30. in der „Neuen Freien Presse", jedesmal unter Berufung auf gute Pariser Quellen. Auch wenn hier keine geflissentlichen Versuche zur Legendenbildung vorliegen, scheint es doch nicht überflüssig, festzustellen, daß in Wilhelmshöhe ägyp tische Angelegenheiten nicht erörtert worden sind." * Ein „Agrarkonservatismus und Industrie" überschriebener Artikel des konservativen „Vogtländischen Anzeigers" enthält folgend« Sätze: Wir haben das Scheitern des die Erste Kammer betreffenden Ent wurfs, der bestimmt war, aus industriellen Kreisen ihr frisches Blut zuznführen, lebhaft bedauert; gerade darum verstehen wir es aber auch, wenn die Industrie nicht gewillt ist, diese Frage je wieder ein schlafen zu lassen. Daß der Regierungsentwurf ihrem zweiten Wunsch, der Aufhebung des Unterschieds zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen, bereits teilweise entgegenkam, ist bekannt. Ob es klug ist, ob es dem wohlverstandenen konservativen Interesse entspräche, wollte die konservative Partei, wie es der Bund der Land wirte tut, auf der vollen Aufrechterhaltung jenes Unterschiedes mit der ihm unleugbar anhaftenden Unbilligkeit blindlings bestehen? Unserer Meinung nach wäre es gut konservativ, Reformen, die durch die wirtschaftliche Entwickelung Sachsens sich notwendig ge macht haben, sich nicht entaegenzusperren, sondern sie in die eigene Hand zu nehmen und zuzusehen, dass nach dem gut konservativen Grund satz organischer Entwickelung diese Reform nicht einen unbegründeten Sprung aus treuer Fürsorge für agrarische Interessen in eine Be handlung derselben als Ouaniite nezlixesdie bezeichn«. Wir notieren auch diese Stimme, die sich gegen den einseitigen agrarischen Konservatismus erhebt. * Spahn und Tirpitz. Die „M. N. N." berichtigen jetzt selbst, daß zwischen Tirpitz und Spahn Verhandlungen stattgefunden haben, wie sie zuerst behauptet hatten. Ihr Berliner Korrespondent schreibt: „Nach unserer Kenntnis der Sachlage ist diese Annahme (von Beziehungen Spahns zum Staatssekretär v. Tirpitz) nicht richtig. Einerseits wissen wir bestimmt, daß Admiral v. Tirpitz, wie er sich des vollsten Ver trauens des Kaisers und des Reichskanzlers erfreut, durchaus treu und loyal sich in die vom Kaiser gebilligte Gesamtpolitik des Fürsten Bülow einfügt und himmelweit davon entfernt ist, mit dem Zentrum gegen diese Politik zu „konspirieren". Anderseits liegen die tatsächlichen Verhält nisse in Marinedingen so klar und offen, daß ein so erfahrener Parla mentarier wie Spahn, der Mitglied der Budgetkommission, Experte in Flottenfragen und >n Kiel an der Quelle ist, sehr leicht auf eigene Hand zu seinen Angaben kommen kann." * Der Zentrumsführer Spahn wird in einem Artikel der „Voss. Ztg." in seinem Auftreten während der bekannten parlamentarischen MarineinformationSreise nach Kiel recht ergötzlich geschildert. Es wird von einer Abendunterhaltung erzählt, die Herr A>ayn den Teilnehmern der Reise gegeben. Dann heißt es: Da erhob sich Herr Spahn zu einer Rede in den gehobensten Tönen. Herr Spahn — bitte nicht zu lachen — Herr Peter Spahn aus Winkel im Rheinga« kam den Versammelten al» Mann von der Waterkant. „Wir Schleswig-Holsteiner", „wir Söhne der meer umschlungenen Provinzen", „wir Männer au» Holstenland", so un- aefahr begann er fast "jeden Satz seiner Rede. ,n der er mit einer Eindringlichkeit und Feierlichkeit für Deutschlands Wehrhaftigkeit zur See und für die Stärkung seiner Rüstung plädierte, daß er von keinem Heißsporn de» FlottenvereinS übertroffen werden könnte. ES war hier im enaern Kreise derselbe Faden, den er später in Bonn vor der Oeffentlichkcit weitergesponnen hat. Zur Burleske fügte Herr Spahn am Schluß die Taktlosigkeit, daß er völlig deplaciert seine Rede mit einem Hoch auf die von ihm al» „Landsmännin" gefeierte Kaiserin beendete. Herr Spahn, der geborene Rheinländer, mehrjäbrige Leipziger ReichsaerichtSrat, als „Schleswig-Holsteiner" — wahrlich ein ergötz- licheS Schauspiel! ES charakterisiert aber den ZentrumSfuhrer.
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