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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.09.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070906025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907090602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907090602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-06
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Abend-Ausgabe L. BezvgS-Prers für L«lp»i- >nd Vorort, du«» «h« LrL-er und Sp«dtt»u« tn» Hau» -ebrach»! Suigalx L («ur moraru«) ukrtalMrUch S vt., monatlich 1 M.i Lutgabe > (morgen» un» abond») viortol» jährlich «.SO «., moaatltch l.liv «. Durch di, Po« dr,oarn^ (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vintelMrüch 5,25 M,, monatlich 1,75 «l. au»Ichl, Polt- bestkllaew, für Oesterreich 9 u 66 u, Ungarn 8 L vierteljährlich. rlbonnement-Annabme: Nuguftusplatz 8^ bei unseren Drägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämwrn und Briefträgern. Die einzelne Stummer lostet Ist chstz. SUdaktten und Expedition: Johann tlgafse 8. Düevhon Str. 14892, Nr. 1489», Str. 14SS4. iverliner Siedaktton» Durra»: Berlin HI1V. 7. Prinz Louis Ferdinanb- Strabe 1. Telephon I, Str. 9275. MpMerTaMM Handelszettuug. Nmlsvsatt des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 247. Freitag 6. September 1907. Avzeigen-Prei» ist, Anierate au« Leipzig und Umgebung dw Sgeipaltene Petttzeile 25 Pf., finanzielle Uuzeigen SO Pf., Reklamen l M.; »on au»wärt« 30 Pf., Reklamen 1.20 M. vom Ausland 50 Ps., finan z. Anzeigen 75 Ps. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden >m amtlichen Deil 40 Pi. Beilage,ebühr 5 M. p. Lausend exkl. Post gebühr. Seschästsanzeigen an bevorzugter Stell« im Preis« erhbht. Rabatt nach Taris. Kestert echt« Aufträge kännen nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. AnzeigW-Annahme; SuguKurplatz 8 bei säMichcn Filialen u. allen Annonce» Expeditionen des In- und Autlandr«. Haupt - Atkial« iverltur Larl Lunckt , Herzog!. Baqr. Hofbuch handlung, Lützowstraße 10. iDrlephon VI. «r. 4803). 1V1. Jahrqanq. Da« wichtigst« vom Tag«. * Wie auL Cuxhaven gemeldei wird, ist die „H o h e n z o l I e r n" mit dem Kaiser an Bord um 10^, Uhr wieder nach Helgoland in See gegangen. * Der englische Botschafter Goschen erklärte einem Redakteur der Wiener „Neuen Freien Presse", daß ihm über eine Zusammenkunft zwischen dem Zaren und König Eduard nichts bekannt sei. * Der russische Minister des Auswärtigen Iswolsky hat gestern KönigEduardin Marienbad einen Besuch abgestattet. (S. Ausl.s * Der Prager Stab trat beschloß, die Teilnehmer an dem Friedenskongreß offiziell zu begrüßen und setzte gleichzeitig für den Kongreß eine Subvention von 1000 Kronen aus. Von klerikaler Seite wird dagegen Protest erhoben. Tagesschau. Marokko. Ueber den notwendigen Schuh der Europäer in Marokko schreibt uns unser Mitarbeiter aus Tanger: Eine Abordnung der hiesigen englischen Kolonie hat sich vor einigen Tagen zum englischen Gesandten begeben, um von ihm Schutzmaßregeln für ihre Sicherheit zu erbitten, und zwar zum mindesten die Entsendung eines englischen Kriegsschiffes. Sir Gerald Lowther erwiderte der Abordnung, daß Frankreich und Spanien allein verpflichtet seien, die Ordnung aufrecht zu erhalten und Leben und Eigentum der Europäer in Marokko zu schützen. Was die Entsendung eines Kriegsschiffes anbelange, so würde er darum bitten, habe aber wenig Hoffnung auf Erfolg, da seine Negierung ihm dies schon früher unter sehr schwerwiegenden Gründen abgeschlagen habe. Auch die hiesige spanische Kolonie, die sehr zahlreich ist, hat bereits eine Ver sammlung abgehalten und eine Bewaffnung aller hiesigen Europäer ver langt, um sich im Bedarfsfälle an der Verteidigung von Tanger zu be teiligen. Ter spanische Gesandte hat aber seinerseits in dieser Richtung nichts veranlaßt. Ein gleicher Versuch der französischen Kolonie, der in diesen Tagen gemacht wurde, hatte gleichfalls kein Ergebnis. Das alles vermehrt natürlich die Beunruhigung in der Stadt. Tic Araber sind ihrerseits natürlich vollkommen auf dem Laufenden über das, was in der europäischen Kolonie hier vorgeht, und legen die herrschende Be unruhigung als Schwäche aus. Die deutsche Kolonie hat sich bisher noch zurnckgehalten. Tie letzten Nachrichten aus Casablanca berichten über die Organi sation der Polizei, die vollkommen französisch sein und auch einem fran zösischen Kommandanten unterstellt sein wird. Was tun nun die Spa- vier dabei? Sie Huben ihrerseits erklärt, in der Lmor zu bleiben, um die Polizei zu organisieren, und nun sind sie davon überhaupt ausge schlossen worden. Tas alles geschieht, obwohl gerade für Casablanca nach den Akten von Algeciras ein spanischer Polizeichef vorgesehen war. In spanischen Kreisen herrscht hier der größte Unwillen über die gerade zu lächerliche Nolle, die die spanischen Truppen in Casablanca spielen. Man fordert hier im Interesse der Würde und Ehre Spaniens ihre bal digste Zurückziehung. Telegraphisch wird zur Situation weiter gemeldet: * Paris, 6. September. Dem „Petit Parisien" zufolge soll in eknigen marokkanischen Orten unweit von Udjda, der Grenze von Oran, sich eine franzosenfeindliche Bewegung bei den Beni Se il assen wahrnehmbar machen, so daß die Entsendung von Schützen abteilungen nach dem Markt Cherra, 10 Kilometer nördlich von Udjda gelegen, ernstlich erwogen werde. Der Panzerkreuzer „Jules Fcrry" unter dem Befehl des Konteradmirals Crantz i^t nach Oran ab gegangen, um dort zur Verwendung an der marokkaniichcn Küste bereit zu liegen. — Von der Touloner Kolonialdivision wird die Liste jener Abteilungen entworfen, die den Jnfantericregimentern Nr. 4, 8 und 24 der Kolonialarmec entnommen werden könnten, um nach Marokko ent sandt zu werden. — Wie aus Casablanca gemeldet wird, fand dort gestern vormittag die Trauerfeier für die Opfer des vorgestrigen Kampfes statt. General Drude hielt eine Rede, in der er die Hoffnung auSsprach, daß das Blut nicht vergebens vergossen sei und daß alle, für deren Verteidigung das Blut vergossen sei, dem Vaterland und seinen Söhnen die schuldige Dankbarkeit zollen werden. Er hoffe, daß aus dem Zusammenwirken Spaniens und Frankreichs sich eine neue Gestaltung der Dinge ergeben werde, die allen gestatte, in Frieden zu arbeiten. * London, 6. September. Nach einer Blättermeldung aus Tanger hat der Kriegsminister Gebbas durch einen Kurier briefliche Nach richten aus Fez erhalten, nach denen der Sultan die üblichen Abschieds besuche bei den Gräbern seiner Schutzheiligen zu machen im Begriff stehe und in den nächsten Tagen nach Rabat abzureisen gedenke. Die Vor bereitungen zu der Reise würden mit größter Eile betrieben. — Das Neutcrsche Bureau meldet ans Casablanca vom 5. September: 2)er „Gloire" ist heute mit drei Kompagnien Fremdenlegionären in See ge- gangen. Sein Bestimmungsort ist unbekannt. Aus Mazagan wird gemeldet, der Scheik Maizy werde heute mit den Häuptlingen deS Stammes der Schauja hier eintreffen, um mit General Drude zu unter handeln. * Tanger, 6. September. Das hiesige diplomatische Korps fragte bei dem Kriegsminister Gcbbas an, welche Maßregeln er gegen die zu Unruhen aufyetzendcn Agitatoren zu ergreifen gedenke. Gebbas be rief die Notabeln zu sich und ersuchte sie, überall zur Ruhe zu ermahnen. Er schlug ferner die Einsetzung eines Gerichtshofes vor, der die Unruhe stifter in einem abgekürzten Verfahren aburtcilen solle. Die Vertreter her Mächte billigten den Vorschlag, mit Ausnahme des Vertreters Spaniens, der dagegen einwendete, es bestehe die Gefahr, daß ein der artiger Gerichtshof in Fällen, die gegenwärtig der Gerichtsbarkeit der Negierung von Madrid unterworfen seien, mit der auf Grund der Alge- cirasakte eingerichteten Polizei in Konflikt gerate. Schells Verteidiger. Professor Franz L. Kiefl hat in der bekannten, von Prof. Spahn berausgegebenen Sammlung „Kultur und Katholizismus" eine groß zügige Würdigung der Lebensarbeit Schells erscheinen lassen, die Schell endlich gerecht wird. Der Autor schöpft aus eigenen Erinnerungen; und wenn auch der Plan längst vor den sensationellen Ereignissen dieses Sommers, die an den Namen Schell anknüpfcn, vertragsmäßig sestgelegt war, so merkt man der Gesamtredaktion doch eine Berücksichtigung der durch den Commerbricf geschaffenen kirchcnpolitischen Lage an. Kiefls Schrift ist eine Apologetik nach zwei Seiten. Was die Kirche an ein zelnen Lehren Schells verurteilt hat, verurteilt Kiefl ebenfalls; damit aber sind nach seiner Meinung nur Splitter aus dem riesigen Granit- blck herausgebrochen, den Schells apologetische Arbeit darstellt. Ter ideale Zweck seines Plaidoyers für Schell geht dahin, für den Katholi zismus aus der Parteien Haß und Gunst das zu retten, was „Schell ge wollt und an bahnbrechender Arbeit für die Modernisierung der katho lischen Dogmatik geleistet" bat. Daß dem Freunde das gelungen, werden selbst die Feinde bestätigen müssen. „Was irrtümlich und haltlos in der Lehre des Toten war, möge der Wind verwehen; was groß und edel in seinem Streben war, das möge, in Lieb" aejät, in Treue reisen zum Segen der Kirche, der er allein dienen wollte" — sind Kiefls Schluß worte, die nach beiden Seiten hin versöhnen sollen. Ob es gelingt? Kiefl schreibt selbst über das Tragische an der ganzen Affäre folgendes: Schell war von den idealen Höhen seines einzigartigen Wlssen- schaftsbetriebcs, wohin nur die edelsten und hochstrebendsten Geister ihm zu folgen vermochten, zur Beurteilung praktischer Dinge herab gestiegen, und hier fehlte ihm, dem genialen Denker und arglosen Kindesgemüt, vor allem eines: die Kenntnis der menschlichen Leiden schaften. Er hatte dem stumpfen RicbNchwcrt der anonymen Zci- tungstheologen und des Broschürendilcttantismus sich ausgeliefert. Ta bei diesen Faktoren natürlich von einer Würdigung seiner idealen Gcdankenhöhen und von einer exakten Wiedergabe seiner Anschauungen selten die Rede sein konnte, begann für ihn die Aera der Entstellungen seiner Worte, der Mißverständnisse, falschen Anschuldigungen, die ihn nicht mehr zur Ruhe kommen ließen, bis sein edles Herz darunter ver blutete. Nach dem, was ich hierin erleben mußte, graut mir vor diesem Bilde. Es zu zeichnen und Schells unvergleichlichen Edelsinn dadurch ins hellste Licht zu stellen, das überlasse ich dem Geschichts schreiber und — dem göttlichen Richter. Herbe Worte, aber sic bedeuten noch mehr als die versöhnlichen, einen echten Freundschaftsdienst! Und diese Hyänentheologen, die einen Menschen systematisch in den Tod gehetzt haben, verdienen cs nicht besser, als in solcher Weise öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Zeitrrngsstiinnieii. Die Sr»ordnng des persischen GrotzwefirS hat begreiflicherweise die Aufmerksamkeit wieder einmal auf Persien und persische Zustände gelenkt. Die Kritik an der Person und Politik des ermordeten Emin es Saltaneh fällt dabei sehr zwiespältig aus. In einem Artikel der „Frankfurter Zeitung* heißt es: Was immer die unmittelbaren Beweggründe für die Tat deS Mörders und seiner Genossen gewesen sein mögen, so steht doch fest, daß der Pre mierminister Emin es Saltaneh von allen Freunden der Verfassung und freiheitlicher Reformen mit dein größten Mißtrauen angesehen wurde. Er hotte schon unter dem Schah Nassr ed Din eine Rolle gespielt, allein erst unter dessen Nachfolger Muzaffer ev Din hat er sich so ver haßt gemacht, daß der Schah ihn im Jahre 1904 seines Postens alS Großwesir entheben mußte. AIS daher im März dieses Jahres bekannt wurde, daß der neue Schah Mohamed Ali den in der Fremde weilenken Emin zurückberusen habe, waren alle freiheitlich gesinnten Perser sehr bestürzt, und ein einflußreiches Mitglied dcS Parlaments, Taghi Zadeh, dec jetzt eine starke und entschlossene Partei hinter sich hat, gab diesen Besorgnissen im Abgeordnetenhause Ausdruck, indem er ausrief: „Dieser Mann, Emin es Saltaneh, hat den guten Namen Persiens ruiniert und hat stinen Ruf geschwärzt. Seine Missetaten sind der ganzen Nation bekannt. Wenn er zurückkehrt, mögen wir an den Peilern alS einem Volk ohne Sinn für Ehre verzweifeln. In solchem Falle ist eine Verfassung überflüssig und das Parlament sollte aufgelöst werden." Es ist bemerkenswert, daß Emin seine Unbeliebtheit sich hauptsächlich durch seine Anlehnung an Ruß- land zugezogen hatte, von dem eben nach persischer Auffassung größere Gefahren für die Selbständigkeit des Landes drohen als von England Tie Befürchtungen der Perler waren um so größer, als der aus der Verbannung zurückkehrende Groß- wesir aus Rußland, auf einem russischen Schiffe und begleitet von russischen Beamten in Enzcli eintraf Der Stadtrat dieses Ortes wollte den peisischen Staatsmann nicht landen lassen, und es wurde ihm dies erst gestattet, nachdem er sich schriitlich verpflichtet hatte, die von Muzaffer ed Din gewährte Ver fassung vollständig zu wahren und zu befolgen. Im Mai wurde dann Emin zum Premierminister und Minister des Innern ernannt und seine Freunde behaupten, wie ein persischer Mitarbeiter der „Times" versichert, dast er in seinem politischen Gesinnungswechsel durchaus ehrlich vorgegangen sei; sein einziger Ehrgeiz sei nur noch gewesen, Persien „auf den Linien Japans" gedeihen zu sehen. In einem Artikel der „Weser-Zeitung" wird über den er mordeten Großwestc gesagt: AuS den näheren Mitteilungen ergibt sich, daß der Getötete das Opfer sciner eigenen Vergangenheit geworden ist. Wenn man besonders den Belichten der „Times" folgt, hat Emin, als er vor wenigen Monaten dem Ruf des neuen Herrn Mohammed Ali folgte und noch einmal, wie icho» für lange Jahre unter den beiten Vorgängern des regierenden Schahs, die oberste Leitung der Geschäfte übernahm, nicht nur den Eid auf die Verfassung geschworen, sondern auch die aufrichtige Absicht gehabt, in . konstitutionellem Geiste" zu regieren und der praktiicheu Durchführung der liberalen Rtsormivccn leine reiche Erfahrung und Arbeitskraft zu wivmen. Jahre der Verbannung, Reben durch die europäischen Länder sollen den schon alternden Staatsmann von der Unmöglichkeit, die politische Entwicklung aufzuhallen, überzeugt haben. Vielleicht wollte er aber auch nur „makv Ido be«t ok it" und durch geschickte Steuerung das Staalsschsif vor der Einfahrt in ganz fremdes Fahr wasser bewahren. Auch das wäre, wenn es ihm gelang, ein Verdienst um Persien gewesen. Fraglich blctbt allerdings, ob er die zur Durchführung des als richtig Erkannten notwendige Selbstlosigkeit und Energie besaß und ob er Len Einflüssen der rcattionüreii Hofpnrtei imit den Mollahs), sowie der schwäch lichen Launenhaftigkeit seines „Herrn" nicht sehr bald wieder nachgeben und zur unrechten Zeit unrechte Konzessionen gemacht haben würde. Und hat er diesen Fehler ui.ltt schon während ter wenigen Monate seiner letzten Amtszeit be gangen? Verschiedene Meldungen lassen es vermuten. Deutsches Reich. Leipzig, 6. September * Ueber die Spahnschc Fkottcnredc und die daran geknüpften un freundlichen Kommentare eines Münchener Blattes hat sich der Herr Staatssekretär des Rcichsmarineamtes befreundeter Seite gegenüber dahin geäußert, „es sei durchaus richtig, daß die Informationen des Ab- Feuilleton. Man muß an die Möglichkeit des Glückes glauben, um glücklich zu sein. Marcus Aurelius. * Die Furcht vor -er Cholera tu Deutschland. Von Dr. med. W. Kühn (Leipzig). Es ist kein Wunder, wenn man in Deutschland das Vordringen der Cholera aus dem fernen Osten mit kritischen Blicken ansieht, denn die uns zukvmmendcn Nachrichten lassen erkennen, daß die sanitätspolizci- liche Aufsicht in Rußland sehr im argen liegt, was zum Teil mit der ungenügenden Anzahl der Aerzte, zum Teil aver auch mit dem unver ständigen Verhalten der Bevölkerung im Zusammenhänge steht. Unter lolchen Umständen ist es ja allerdings möglich, daß stch diese heim tückische Krankheit Ausfallspfortcn nach dem übrigen Europa sucht, und wir missen mit der Möglichkeit rechnen, daß sie auch nach Deutschland verschleppt wird oder in den Weichfelgcgenden wieder auslebt. Es soll hier nicht unsere Ausgabe jein, die Cholera von der wissen- schostlichen Seite aus zu erörtern, sondern wir wollen uns nur mit einigen Fragen beschäftigen, die für seden Menschen Interesse Haven müßen und sich darauf beziehen, ob für uns wirklich eine Gefahr rvr- Hauben ist, und wie man ihr am besten vorbeugt. In schätzenswerter Weile haben unsere Behörden die von dem Rcichsgcsunoheitsamt heraus gegebenen Merkblätter überall verbreitet, aber man weiß ja, wie eS mit selchen obrigkeitlichen Vorschriften zu gehen pflegt, denn sie werden, wenn sic auch noch so gut gemeint und noch so geschickt abgesaßt sind, doch verhältnismäßig wenig beachtet. — Im wesentlichen kommt es auf d'c Kenntnis an, weshalb die Cholera hauptsächlich mit großen Flüssen und deren Umgebung in Verbindung steht. Wir haben es bei i>en lctzrcn Cholerafällen in Deutschland erlebt, daß sie auch in einzelnen Orten vor- kam, die nicht in der Nähe eines Flusses lagen, aber dahin sie ver schleppt wurde. Wir haben damit nur Ausnahmen vor uns, die die Regel nur bestätigen. Diese Tatsache ist eine ungemein wichtige, denn sie steht mit der Beantwortung der Frage, ob wir auch in diesem Jahre in Furcht vor dem Eindringen der Cholera in Deutschland schweben müssen, im eng sten Zusammenhänge, und hauptsächlich haben wir dabei auf die Ueber- winterung der Choleravibrionen, die von Robert Koch als die Erreger der Infektionskrankheit im Jahre 1883 entdeckt sind, Rücksicht zu nehmen. — Gerade jetzt ist es Zeit, auf die Versuche von Dr. Christian, die er in dem Hygienischen Institut der Stadt Berlin angestellt hat, aufmerk sam zu machen. Aus ihnen wird uns auch klar, weshalb scheinbarer weise die Cholera flußaufwärts zieht, was man in der Hauptsache da durch erklären wollte, daß es sich in diesen Fällen um die Verbreitung durch Schiffe, namentlich aber durch die Schiffer auf den Flößen bandele. Man sollte von vornherein annchmen, daß der Cholcravibrio im Winter, wenn er im Eis eingeschlossen ist, infolge sciner ziemlich g'.vßen Empfindlichkeit zugrunde gehen müßte. Dem ist aber nicht so, sondern man hat ihn nocki nach länger als vier Monaten als lebens fähig im Eis nachweisen können. Es müssen also besondere Umstände vorgelegen haben, die das bewirkten, und solche findet Christian darin, daß den Cholcrabazillcn die Möglichkeit gegeben wird, sich mit ver schiedenen schwebenden nnd im Wasser aufgelösten Bestandteilen, Schmut- usw., zusammen abzusehen und dadurch die Aussicht einer weite ren Lebensfähigkeit zu erhalten. — Die Bedeutung dieser Versuche liegt aus der Hand, denn bei der letzten Einschleppung der Cholera in unser deutsches Vaterland vor zwei Jahren mußte der Cholerabazillus ent weder in den ostpreußiscbcn Gewässern überwintert haben und im August 1905 in die Weichselgegenden gebracht worden sein, oder er war schon während der russischen Epidemie in die Weichsel geraten, hatte hier ein verborgenes Dasein geführt, das man als Latenzpcriode zu bezeichnen pflegt, und später günstigere Wachstumsbcdingungen für sich abgewartet. Wir sehen somit, daß die frühere Theorie, wonach der Boden bei der Ueberwinterung der Cholerabazillcn eine große Rolle zu spielen scheint, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht zu halten ist, denn die Oberfläche, die für die Uebertragung zunächst allein in Betracht kommt, unterliegt zu schnell der Austrocknung. Nur der stets wasser- durchtränkte Schlamm ist imstande, das Leben der Vibrionen über die kalte Jahreszeit hinwegzurettcn. Dadurch ist es auch ohne weiteres verständlich, weshalb die Cholera zunächst fast überall in der Nähe von Flußläufen austritt, und zwar wird es sich dabei immer nur nm solche handeln, aus denen Schiffahrt betrieben werden kann. Daß nur fließendes Wasser Bakterien weithin zu verschleppen vermag, ist klar, sowie auch, daß der Schlamm bei dem stärkeren Verkehr, besonders aber bei Kähnen und Flößen, die durch große Stangen fortbewegt werden, aufgetvirbclt werden muß, wodurch dann weiter das Aufsteiger, der Bakterien aus der Tiefe an die Ober fläche begünstigt wird. In tieferen und stagnierenden Gewässern werden die einmal hineingeratencn Cholcravibrionen bei weitem häufiger ver sinken. Dadurch wird die Tatsache einer Verschleppung der Krankheit durch Schiffer erklärt, denn diese sind meistenteils so unvorsichtig, das Wasser, das sie selbst verunreinigen, ohne cs abzukochen, zu Trinkzwecken zu verwenden, und weiter wird der Fluß von ihnen durch die Fäkalien verseucht. In Badeanstalten, Wäschereien am Flusse oder bei der Ent nahme von Trinkwasscr kann dann die Epidemie sehr leicht eine weitere Verbreitung finden, so daß also im Laufe der Monate, wenn auch eine ganze Anzahl der Cholcrabazillen zugrunde gegangen ist, Gelegenheit genug für sic vorhanden ist, aus der Tiefe auszusteigen und sich an der Oberfläche des Wassers zu vermehren. Die Verhältnisse lägen somit für die Menschen, die in der Nähe der Flüsse wobnen, ganz außerordentlich ungünstig, wenn sie nicht durch ver schiedene Umstände eine Unterstützung in ihren Abwehrbestrebungcn fänden. Einmal ist die Vermehrnngsmöglichkeit der Vibrionen infolge der nicht gerade glänzenden Nahrungsbedingungen im Wasser, die durch die meistenteils herrschende niedrige Temperatur unter 18 Grad herbei geführt wird, nur eine geringe, dann aber kommt der zerstörende Ein fluß des Sonnenlichtes, der Kampf von Wasserbakterien (Protozoenj mit ihrer Vernichtungsarbcit gegen die Eindringlinge und die Bei mengung von oft sehr giftigen Abwässern hinzu. So werden also eine ganze Reihe von Keimen, die an die Oberfläche gelangt sind, in den meisten Fällen wieder versinken, ohne einen Schaden anzurichten, und eine neue Epidemie wird in diesem Fall« Wohl kaum zum Ausbruch kommen können. Auch der Mensch selbst hat, falls der Cboleracrregcr in seinem Körper Eingang gefunden hat, verschiedene Schutzmittel zur Hand, die einer Vermehrung und damit einem Ausbruch der Krankheit entgegen- arbeiten. Sehen wir hier von der vielfach behaupteten baktcrienver- nichtcnden Kraft des Speichels ab, so wissen wir doch bas eine bestimmt, daß die in den Menschenmagen gelangten Vibrionen durch die sauren Eigenschaften des Magensaftes vernichtet werden. — Auch scheinen die Keime infolge der langen Ueberwinterung doch manchmal an Wirksam- leit verloren zu haben. Sie nehmen mehr und mehr die krcinkmachendcn Eigenschaften der sogenannten saprophystischen Bakterien an, die stets nur auf abgestorbenem Material wuchern und nicht befähigt sind, sich im lebenden Körper des Warmblüters zu vermehren und dort Störungen zu verursachen. Es spricht vieles dafür, daß gerade in solchen Fällen keine typische Choleraerkrankung zustande kommt. Durch die Wärme deS menschlichen Körpers erlangt indes der Choleravibrio nach und nach seine ursprüngliche gefährliche Wirkung wieder, so daß man später nach einer längeren Scuchcnpause den Ursprung der Krankheit nur sehr schwer scststellcn kann, weil der erste Bazillusausscheider nicht mehr zu ent decken ist. Außerdem spielen aber auch noch verschiedene andere Ver hältnisse mit, inwiefern manche Menschen gegen die Choleracrrcger Vvn Haus aus größere Widerstandsfähigkeit besitzen als andere, wie cs ja auch bei anderen Jnfcktionskeimen vorzukommcn pflegt. Selbstverständlich dürfen wir zu Cholerazeiten alle die Vorsichts maßregeln nicht außer acht lassen, die uns bis zu einem gewissen Grade schützen können. Dahin gehören in erster Linie die Tcsinsektion, dann Reinlichkeit und Abkochen der Genußmittel usw. Ganz besonders bat man seine Aufmerksamkeit auf daS Wasser, sowie auf Milch und Lost zu lenken. Wir haben es ja in Hamburg gesehen, welche Rolle das Trink wasser bei einer Cboleracpidemie spielen kann. Seine beste Desinfektion geschieht heutzutage durch Ozon, wobei aber in Notfällen alle anderen Methoden, die zum Ziele führen, wie z. B. Abkochen des Wassers oder Zusatz von Cbcmikalicn, ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Wickljg sind auch die Absperrungs- und O.uarantänemaßrcgeln, sowie die Schutz-
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